Die Kirche der Politik-Prediger

[Karikatur von Götz Wiedenroth]

von Fabian Nicolay (Achse des Guten, 30.01.2022)

Kürzungen, Bilder & Links: Nikolas Dikigoros

Der Unterschied zwischen Glauben und Wissen ist, dass der Glaube das Wissen wie einen Mantel tragen kann. Wer glaubt, vergisst gern, dass er eigentlich nichts weiß. Denn der Glaube, vor allem der frenetische, ersetzt das Wissen und färbt sich selbst zu einer Wissenschaft ideologischer Art. Das macht stark. Während der Wissende nichts mehr glauben wird, außer, dass sein leises Wissen zu gering ist, um vor dem lauten Glauben - der bekanntlich Berge versetzen kann - Bestand zu haben. Echtes Wissen bedeutet Schwäche, denn ihm wohnt der Zweifel inne. Und wer sagt, dass Wissen Macht ist, spricht eigentlich über das Werkzeugwissen, das die Macht erst ermöglicht, nicht aber über das Wissen an sich.

Wer ein Zweifler vor dem Herrn ist, der kann keine Macht ausüben. Da ist er also wieder: Der Glaube an sich selbst und jene Berufung, die auch der Glaube an die eigene Macht ist. Ihr Begleiter ist das unehrliche Wissen, folglich die gekaufte Expertise, die gefälschte Statistik, die bürokratisch kontrollierte Wissenschaft und die willfährige, journalistische Berichterstattung. Allesamt sind Instrumente der Machtausübung und Voraussetzung für die erfolgreiche Hyperventilation des als Wissen betriebenen Glaubens.

Vorsintflutlich anmutende Aggressionsmuster

Die letzten 24 Monate haben wir in unserer als aufgeklärt geltenden, westlichen Welt ein Paradox erlebt. Ein propagandistischer Feldzug gegen die abwägende Vernunft hat tektonische Verwerfungen tief in der Gesellschaft hinterlassen. Aus ihnen stiegen vorsintflutlich anmutende Aggressionsmuster und ein mittelalterlicher Glaubenseifer nach oben, lanciert durch politische und medizinische Prediger. Viele Mitmenschen sind noch immer befangen von diesem Glauben, der ihnen eine Kerze in der Dunkelheit war.

Wenn nun langsam Licht ins Dunkel tritt und die Schäden der kopflosen Politik zutage treten, wird diesen Menschen ein Horror Vacui gewahr, jene Angst vor dem Nichts und dem nicht (mehr) wissen. Psychologisch ist das ein haltloser Zustand. Nun will man vor allem nichts davon wissen, dass das Wissen unecht, der eigene Glaube an die Ernsthaftigkeit der Politik ein falscher war. Wer will sich das schon eingestehen, ein Spielball der Macht geworden zu sein, ein Mitläufer, Opfer und naiver Konsument eines gefährlichen Experiments?

Narzissmus, Falschbehauptung, Machtanspruch. Das sind die Biwak-Stationen einer politischen Gipfelexpedition, in deren dünner Luft der Glaube und das Wissen einer schicksalhaften Umdeutung und Instrumentalisierung unterzogen worden sind. Begrifflich verschmolzen sie bereits in den Bannwäldern politischen Denkens, fanden ihren Weg in Parteiprogramme, wo sie zum schamlosen Hochamt erkoren wurden, treten mit gespaltenen Zungen aus Parteivorsitzenden, Ministern und Interessensvertretern und lassen nun die Bürger erschauern vor der Weltfremdheit der führenden Gestalten. Denn sie sind fast alle nackt. Vor allem nackt an echtem Wissen, im Delirium ihrer Gefallsucht, ohne Demut, eigentlich arm an Geist. Die Gipfelstürmer sind nach oben geklettert, ohne das Wetter zu beobachten. Wo zuvor verordnete Klarheit herrschte, ziehen nun dunkle Wolken auf. Panik kommt auf, der Weg ins Tal ist ungewiss und die Seilschaft zerstritten. Letzte theatralische Appelle an die Geschlossenheit helfen nicht: Ein Ende der "Maßnahmen" und Freiheitsbeschränkungen ist unumgänglich. Die Impfpflicht verkommt zur Farce ausgepowerter Expeditionsteilnehmer.

Wetteiferndes, anthropozentrisches Artefakt

Unehrliches "Wissen" hat eine geringe Halbwertszeit. Es ist ein Element, das kurz und hart strahlt, aber leicht zerfällt. Dann ist auch der Glaube hin. Und mit ihm vergeht der Glaube an die Zukunft der Arbeit, der Freiheit, der Gesellschaft, der Wissenschaft, der Ideale, der Demokratie und an solche altmodischen Attribute wie Rechtschaffenheit, Verlässlichkeit, Ehrlichkeit, Verbindlichkeit und Einsicht. Die Bürger sind nicht nur enttäuscht. Viele fühlen sich verschaukelt und betrogen und werden Schuldige suchen.

Am schlimmsten finde ich die Mitläufer, die Beflissenen und eilfertigen Anbiederer aus den Reihen der "Glaubens-Profis". Gott hat sie anscheinend nicht berufen, sondern der steuereintreibende Staat, der sie alimentiert und dessen Lied sie singen. Denn anders als die Politiker, die ohnehin unter Generalverdacht stehen und allesamt "auf Bewährung" vorverurteilt sind, tun diese "Zeitgeistlichen", als "stünden sie hier und könnten nicht anders", als seien sie heroische Sprachrohre einer neuerweckten Klima-, Corona- und Weltrettungskirche, die eine Zeitenwende ausruft.

Diese neugefasste Kirche hat sich als ein wetteiferndes, anthropozentrisches Artefakt über das empathische Gebäude des Christentums gestülpt, das nach außen Modernität herbeilächelt, aber nach innen maliziös den Glauben an Gott auffrisst. Es entsteht eine neue verweltlichte Kirche, die eine heidnisch-kultische Versessenheit um den Untergang und die Schöpfungsbewahrung betreibt und als politischer Agitator auftritt. Es fühlt sich unangenehm an, die eigenen Steuergelder an NGO-Kirchen zu verplempern, die uns einreden wollen, dass Jesus zu Pontius Pilatus gegangen wäre, um sich boostern zu lassen.

Heiliger als der eigene Glaubensanspruch

Die Kirchen-Obrigkeit redet der Politik das Wort, schmeißt sich also zeitgeistig agierenden Machthabern an den Hals. Sie nimmt Ausgrenzung und Diskriminierung bewusst in Kauf, anstatt die Unschuldigen aller Couleur in Schutz zu nehmen. Eigentlich soll die Kirche gerade für die Schwachen und Benachteiligten da sein, auch wenn ihr deren Meinungen nicht passen. Es ist ihr Auftrag, sich vor diejenigen zu stellen, die den übergriffigen Staat fürchten, aber nicht eine herbeigeredete Pandemie. Sie hat auch nicht darüber zu befinden, was medizinisch und politisch für Gläubige und Nichtgläubige angezeigt ist, denn ihre Domäne ist nicht das Verhandeln des Wissensstandes, sondern der Abgleich der Wirkung gesellschaftlicher Entwicklungen mit den ethischen Veranlassungen des Glaubens. Die Kirche darf sich dann natürlich einmischen, aber nicht auf Kosten von Teilen ihrer Schäfchenherde. Leider hat auch die Kirche ein Problem mit Meinungsfreiheit, das macht sie ja so anschlussfähig für die derzeit praktizierte Politik.

Und genau da sind wir nun angekommen: In die Phalanx der Politik-Prediger reihen sich nun noch die Glaubens-Profis ein, um das Konglomerat aus Wissen und Glauben gemäß "weltlicher" Vorgaben wie eine x-beliebige NGO zu vertreten. Sie finden es richtig, wenn Menschen gezwungen werden sollen, sich impfen zu lassen. Dem politischen Auftrag folgend, haben die Kirchenoberen ihren ureigenen vergessen. So kommt es, dass die deutsche Staatskirche sich in den letzten zwei Jahren keineswegs gegen die verheerenden Folgen eines unethischen Pandemie-Managements stellte. Aufgrund der Restriktionen hatte man in den Altenheimen und Hospizen keinen Trost spenden und den Segen erteilen können, weil das staatlich verordnete Kontaktverbot heiliger war als der eigene Glaubensanspruch. Lieber beugte man sich unter dem Segen der Pandemie-Paniker, statt dagegen vorzugehen, dass Sterbende in den Kliniken von ihren Verwandten isoliert wurden und einsam in ihren intensivmedizinischen Kokons verendeten. Hier hat die Kirche nicht nur versagt, sondern mitverschuldet.

Es fühlt sich an, als verleugnete die Kirche die Ideale ihres Herrn Jesus, der die Schwachen und Ängstlichen tröstete, zu den Leprakranken ging, den Niedrigen die Füße wusch und die Behinderten heilte. Er schloss niemanden aus. Aber genau das tun heute seine "Würdenträger", die sich auf ihn berufen - neben all den anderen krassen Verfehlungen, die aktuell aufgedeckt werden. Jesus hätte die Ungeimpften und "Coronaleugner" in seine Kirche gelassen und die Kinderschänder rausgeschmissen.

[Kinderschändung]


LESERPOST:
(ausgewählt von Dikigoros)

Hjalmar Kreutzer (31.01.2022)
Jeshua ha nozri und der Glaube an ihn ist das eine, Kirche als Institution andererseits hieß schon immer Machtstreben mit Hilfe der weltlichen Macht und Stützung der weltlichen Machtausdehnung. Gegen widerspenstige Sachsen und Slawen, Indianerstämme, die der Landnahme entgegenstanden und zu missionierende Negerkinder waren schon immer Bibel und Schwert, Gewehr oder Peitsche die Mittel der Wahl zur Verbreitung des „wahren Glaubens“. Dass Vertreter anderer Religionen es genau so hielten, machtbes nicht besser. Aber man darf nicht glauben, dass die Kirchen sich erst heute dem Zeitgeist andienen, „Zeitgeist“ war seit Einführung des Christentums als Staatsreligion des Imperium Romanum.

Hans-Peter Dollhopf (30.01.2022)
Freitag war es, glaub ich, da war ich zu Fuß einkaufen gewesen und hörte auf dem Rückweg, es dunkelte schon, ein verlockendes Glockenspiel, also nicht Gebimmel, sondern Melodie, von Richtung der Jesuitenkirche her, der wohl bedeutendsten Barockkirche Südwestdeutschlands, erklingen. Ob die das mit Tonband machen oder ob ein Computer die Glocken steuert, das weiß ich nicht.
Jedenfalls lauschte ich angetan und kam bis zum Eingang. Ein Blatt mit einer schwarzen Maskenabbildung und dem fetten Befehl "Maskenpflicht!" klebte Disharmonie verbreitend an der ansonst wunderschön gehaltenen alten Pforte. Aha, dachte ich mir, kein Gottesdienst, sondern eine Maskenpflicht wird hier gefeiert!
Niemand tritt doch mit Hund- und Hasenschmutz im Gesicht vor deinen Gott? Es sei denn, dessen Name ist Corona! Ich schwenkte die innere Glastüre auf, hielt sie mit dem Fuß offen und sprach, mit offenem Gesicht in der Türe stehend, jenes berühmte Gebet der Christenheit, welches ihr der Jude damals auf den Weg durch die Jahrtausende mitgegeben hatte, welches mit dem Ruf "Vater" beginnt und mit den Worten "Herrlichkeit in Ewigkeit" abschließt.
Da trat von innen wohl der Teufel an mich heran, ich konnte ihn wegen seiner Maskerade nicht richtig erkennen. Jedenfalls hatte er ein unheiliges Wasser in einer Plastikflasche mitgebracht, richtete deren Sprühkopf auf mich und setzte zu einem empörten "SIE...!" an. Na, dachte ich, was wird das jetzt wohl für eine Predigt geben und unterbrach ihn mit einem lautstarken: "Schweig, du Antichrist!" Boom, das saß. So rettete ich mich beherzt aus diesem Schlund der Hölle und brachte mein eingekauftes tägliches Brot nach Hause. Amen.


zurück zu Das Evangelium nach Corona

zurück zu Impfen... Papst Franziscus verstrickt sich tief in innere Widersprüche

zurück zu Martin Niemöller

heim zu Reisen durch die Vergangenheit