JAPANS  NEUE  RECHTE

Ideologie, Organisation, Aktionen

von Andreas Hippin

1. Einleitung

Gibt es in Japan eine "Neue Rechte", die als autonome Strömung neben der Vielzahl rechter Gruppierungen existiert?

Die unüberschaubare Anzahl der politikwissenschaftlichen Literatur, die sich auf Europa bezogen mit dem Phänomen "Neue Rechte" befaßt, macht deutlich, daß es sowohl sehr unterschiedliche Definitionen als auch verschiedenartige Vorgehensweisen gibt, um diesen Untersuchungsgegenstand zu bearbeiten. Für Japan liegt im Gegensatz dazu nichts vergleichbares vor.

Für eine wissenschaftliche Untersuchung des Phänomens "Japans Neue Rechte", erscheint es mir - in Ermangelung eines bereits entwickelten Forschungsansatzes - deshalb zunächst sinnvoll, einen methodologischen Ansatz zu konzipieren, der es ermöglicht, sich vor dem Hintergrund intersubjektiv nachprüfbarer Kriterien dem Phänomen "Japans Neue Rechte" anzunähern.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, das Forschungsfeld "Japans Neue Rechte" mittels eines von Dudek und Jaschke entlehnten Modellansatzes systematisch zu analysieren(1). Die verwendete Methode beschränkt sich dabei allerdings auf eine eher historisch-deskriptive, detaillierte Art der Darstellung, da weder auf empirische Vorarbeiten noch auf verläßliche theoretisch-methodische Ansätze zurückgegriffen werden konnte. Durch die Verwendung des Modells von Dudek und Jaschke wird dennoch versucht, das Thema in Ansätzen analytisch zu behandeln.
Im dritten Kapitel erfolgt eine Annäherung an das Phänomen Rechtsextremismus, indem den in der einschlägigen deutschsprachigen Literatur angegebenen Hauptmerkmalen dieser Denkrichtung Definitionen aus der japanischsprachigen Literatur gegenübergestellt werden, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten der extremen Rechten als Begriff für ein in Deutschland und Japan gleichermaßen präsentes historisch-politisches Phänomen herauszuarbeiten.
Im Anschluß daran wird im vierten Kapitel ein für diese Studie zutreffender Arbeitsbegriff Rechtsextremismus entwickelt.

Zum Verständnis der ideologischen Strömungen, aber auch einiger organisationsspezifischer Eigenheiten,  die im rechtsextremistischen Lager Japans vorzufinden sind, ist es nötig, sich zumindest in groben Zügen mit der Entstehungsgeschichte der rechtsextremen Bewegung in Japan vertraut zu machen. Dem wird im fünften Kapitel dieser Arbeit Rechnung getragen.

Ab dem sechsten Kapitel beginnt, abgeleitet aus der Kritik an den im dritten Kapitel dargestellten Herangehensweisen und unter Berücksichtigung der bereits erwähnten spezifischen Besonderheiten des japanischen rechtsextremen Lagers, die Präzisierung des Forschungsfeldes "Neue Rechte" in Hinblick auf die Notwendigkeit einer konkreten Standortbestimmung der "Neuen Rechten" in Japan. Dies geschieht in Anlehnung an den von Dudek und Jaschke formulierten Ansatz, der auch in der Studie von Mantino Verwendung findet, die bei der Konzeption dieser Arbeit ebenfalls herangezogen wurde (2).  Dadurch soll eine Präzisierung des Rechtsextremismus in Japan ermöglicht werden, in deren Kontext die "Neue Rechte" den Stellenwert einer "rechten Subkultur" erhält, "deren Strukturen sich durch Untersuchung ihrer Organisation (organisationssoziologische Dimension), ihrer Wertorientierung (ideologische Dimension) sowie ihrer Wechselbeziehung zur Gesamtkultur (interaktionstheoretische Dimension) aufschlüsseln lassen" (3).
Dabei liegt das Schwergewicht auf der neurechten Gruppe Issuikai um Suzuki Kunio. Mit dieser Arbeit soll den diffusen Untersuchungen zum Thema Rechtsextremismus in Japan der Versuch einer systematischen Analyse entgegengestellt und außerdem ein Beitrag zur sozialwissenschaftlichen Japanforschung geleistet werden.


2. Quellenlage

Die japanische Sozialwissenschaft hat sich bislang nur mit Einzelaspekten des Themas beschäftigt. Die Studie von Tendô (4) ist z.B. der Darstellung des rechtsextremen Terrorismus sowie der Vorstellung ideologischen Vordenker des rechten Lagers gewidmet. Insbesondere die Frage der Sozialstruktur rechtsextremer Organisationen wird durch keine sozialwissenschaftliche Untersuchung abgedeckt. In europäischen Sprachen liegen zur Neuen Rechten keine Veröffentlichungen vor, die Zahl der Veröffentlichungen zur extremen Rechten ist leicht überschaubar: Neben dem umfangreichen Standardwerk von Morris(5) konzentriert sich Seifert(6) auf die Darstellung der Ideologie des völkischen Nationalismus bis in die 70er Jahre. Eine sehr gute Querschnittsdarstellung der rechtsextremen Bewegung bietet Koppel(7) . Ansonsten sind lediglich einige Zeitschriftenartikel und Kurzbeiträge erschienen, u.a. von Pohl(8), Dixon(9), Hayashi(10), Scott(11) und Takagi(12).
Neben den jährlich von der Nationalen Polizeibehörde - Keisatsuchô - herausgegebenen, aber wenig ergiebigen Polizeiweißbüchern - keisatsu hakusho - wurden vor allem Quellen journalistischen Ursprungs verwendet, u.a. Takagi (13)  und Ino (14), der als intimer Kenner des rechten Lagers gilt und sich auf Veröffentlichungen über das organisierte Verbrechen und Rechtsextremismus spezialisiert hat. Bei der Auswertung solcher Sekundärliteratur lag die folgende Überlegung zugrunde:
"Öffentliche Deutungen rechtsextremer Ereignisse und Bewegungen sind schon häufig deshalb verzerrt, weil sie aus zweiter und dritter Hand gespeist sind. Dieses Empirie-Defizit gilt nicht nur für journalistisch orientierte und/oder im unmittelbar politischen Zusammenhang antifaschistischer Aufklärung entstandene Arbeiten, sondern auch für sozialwissenschaftliche Analysen. der weitaus größte Teil der Sekundärliteratur fußt auf persönlichkeitspsychologischen Spekulationen und potenziert kolportierten Fehlinformationen und -deutungen aus zweiter Hand" (15)  .
Schwerpunkt der Untersuchung war aufgrunddessen die Auswertung der Primärliteratur, in erster Linie der Aufsätze und Werke Suzuki Kunios (16), Nomura Shûsuke  (17) und Yamadaira Shigekis (18), der Bekennerschreiben und Erklärungen zu terroristischen Aktionen der Neuen Rechten (19) sowie der durch das Internet zugänglichen Homepages von Organisationen der japanischen Neuen Rechten.

3. Rechtsextremismus in der deutschen und japanischen Literatur

Der Versuch, Rechtsextremismus zu definieren, wird durch zwei Probleme erschwert:
Zum einen gibt es kein ideengeschichtlich zweifelsfreies Fundament des Rechtsextremismus, was dazu führt, daß es auch keine konsensfähige allgemeine Programmatik seiner Anhänger gibt. Daraus folgt, daß es auch keine allgemein anerkannte gültige Definition gibt (20)  .

Zum anderen hat jede Definition von Rechtsextremismus einen gesellschaftsrelativen Aspekt: Der Begriff Extremismus setzt die Definition eines gesellschaftlichen Normenbereichs voraus, jenseits dessen die Normalität endet und der Extremismus beginnt. Als Extremismus kann man Handlungen und/oder Einstellungen definieren, die außerhalb gegebener Grenzen (Normen/Gesetze/Verfassung) liegen, durch die der Konsenskern einer Gesellschaft als markiert gilt (21).
In der Bundesrepublik löste der Extremismusbegriff 1974 im offiziellen Sprachgebrauch den Begriff des "politischen Radikalismus" ab. Im Verfassungsschutzbericht heißt es hierzu:

"In früheren Verfassungsschutzberichten werden solche Bestrebungen (die sich gegen den Grundbestand der Verfassung richten, d.Verf.) als 'radikal' bezeichnet. Der Begriff 'extremistisch' trägt demgegenüber der Tatsache Rechnung, daß politische Aktivitäten oder Organisationen nicht schon deshalb verfassungsfeindlich sind, weil sie eine bestimmte, nach allgemeinem Sprachgebrauch 'radikale', das heißt bis an die Wurzel der Fragestellung gehende Zielsetzung haben. Sie sind 'extremistisch' und damit verfassungsfeindlich im Rechtssinne nur dann, wenn sie sich gegen den Grundbestand unserer freiheitlich rechtsstaatlichen Verfassung richten"
Der Rechtsextremismusbegriff ist in der Bundesrepublik, was die juristische und strafrechtliche Seite betrifft, aber bereits seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen die Sozialistische Reichspartei (SRP) festgelegt. Das Urteil legt fest, daß die Anerkennung der "freiheitlich demokratischen Grundordnung" als Minimalvoraussetzung die Bejahung bestimmter Prinzipien verlange, gegen die die SRP verstoßen habe (23).
Eine vergleichbar klare Begriffsdefinition gibt es in Japan nicht. Das "Gesetz zur Prävention destruktiver Aktivitäten" - hakai katsudô bôshihô - vom 21.Juli 1952 wendet sich gegen "terroristische destruktive Aktivitäten" - bôryokushugiteki hakai katsudô - aller Art und beinhaltet einen Auslegungsspielraum, der ein hohes Maß an Willkür erlaubt (24).
Allerdings erlaubt auch eine klare Begriffsbestimmung keine präventive Bestimmung rechtsextremer Organisationen und Einstellungen.
"Als rechtsextrem kann man Personen, Organisationen, Gruppen bezeichnen, die autoritäres, antipluralistisches, antiparlamentarisches, zivilisationskritisches und nationalistisches (bes. fremdgruppenvorurteilsbehaftetes) Gedankengut vertreten und bei denen zu dieser 'politischen Philosophie' noch ein rigides, auf Entweder-Oder-Dichotomien fixiertes Gedankenschema hinzutritt" (25).
Für Verwirrung sorgt in zahlreichen Veröffentlichungen die Verwendung des Faschismusbegriffs. Eine ausführliche Diskussion würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Die nachstehende Kritik Kershaws an der Verwendung des umstrittenen Begriffs, die eine gute Zusammenfassung der Problematik beinhaltet,  soll an dieser Stelle genügen:
"Neither 'totalitarianism' nor 'fascism' is a 'clean' scholarly concept. Both terms have, from the beginning of their usage, served a double function: as an ideological instrument of negative political categorization, often serving in common parlance as little more than 'boo-words'; and as a heuristic scholarly device used in an attempt to order and classify political systems. It is as good as impossible to treat them as 'neutral' scholarly analytical tools, detached from political connotations. Scholarly debate about the use of the terms illustrates above all the closeness of the mesh of history, politics and language. This is reflected, too, in the lack of agreement about precise definitions as well as usages of the terms" (26).
In Japan werden Rechtsextreme mit dem Begriff uyoku bezeichnet, der wörtlich übersetzt "rechter Flügel" bedeutet. Die für die Definition dieses Begriffs herangezogene japanischsprachige Literatur beginnt ausnahmslos mit der Herleitung des Begriffs von der Sitzordnung im französischen Parlament nach der Revolution von 1789 und stellt damit uyoku und sayoku - wörtlich: "linker Flügel"- einander gegenüber (27). Dabei wird die antikommunistische Ausrichtung als ein Hauptmerkmal der extremen Rechten hervorgehoben, die als Gegenbewegung zur kommunistischen Bewegung betrachtet wird. Das Gendai Seijigaku Shôjiten ("Kleines Wörterbuch der Politikwissenschaft der Gegenwart") liefert eine typische Definition:
"uyoku: engl. right wing. Allgemeine Bezeichnung für konservative oder reaktionäre politische Vereinigungen und Einzelpersonen, die ihren Ursprung darin hat, daß sich zur Zeit der französischen Revolution die Sitze der gemäßigten Gironde-Partei von der Mitte aus gesehen auf der rechten Seite befanden, die Sitze der radikalen Berg-Partei auf der linken Seite. Aber es gibt einen Unterschied zwischen Konservativen und Reaktionären. Heute wird der Begriff uyoku häufiger zur Bezeichnung von Reaktionären verwendet. Er schließt reaktionäre Gruppen und Einzelpersonen mit ein, die z.B. ultranationalistisches Gedankengut,  Furcht vor einer gegenwärtigen Linksentwicklung, eine feindliche Haltung gegenüber der kommunistischen Bewegung und der Arbeiterbewegung pflegen bzw. die augenblickliche Situation revolutionieren wollen, indem sie das Rad der Geschichte zurückdrehen" (28) .
Diese Deutung entspricht dem Selbstverständnis der extremen Rechten, die sich zwar auf eigene historische Vorbilder in der Tokugawa-Zeit bezieht - z.B. die rônin und sôshi, die sich den Modernisierern der Meiji-Zeit vom Standpunkt der "Bewegung für Volksrechte" (jiyûminkenron) entgegenstellten, sowie die sonnô jôi-Bewegung ("Ehrt den Kaiser, vertreibt die Barbaren!") - aber die ins Japanische übernommene Bezeichnung uyoku als gegeben hinnimmt (29). Im folgenden sollen Definitionen von Hori, Maruyama und Tendô vorgestellt werden.
Wie Gessenharter und Jaschke betont Tendô, daß es keine allgemeingültige und länderübergreifende Dimension für Rechtsextremismus gebe, allerdings ließen sich einige charakteristische Merkmale rechtsextremen Denkens angeben, die unterschiedlich gewichtet und verknüpft auftreten können:
"Treue zum Staat; Verehrung der Tradition und Kultur des eigenen Volkes; Wertschätzung der traditionellen Autoritäten; eine patriarchale Staatsvorstellung; Anti-Intellektualismus -  hanchishikikaikyû; Ablehnung anderer Länder und Völker;  Aktionismus; Glaube an das Recht des Stärkeren; Antiliberalismus; Antiindividualismus" (30).
Im Anschluß daran nennt Tendô die Hauptströmungen des japanischen Rechtsextremismus, denen der Bezug zur Institution des Tennô gemein ist und die im fünften Kapitel dieser Arbeit vorgestellt werden.
Für Hori stellt der Rechtsextremismus eine reaktionäre Bewegung dar, die universelle Werte wie Freiheit und Gleichheit verneint und den Staat als höchsten, allen anderen übergeordneten Wert betrachtet.
"Im Falle Japans weist er demnach folgende Besonderheiten auf: (1) die absolute Treue gegenüber Tennô und Staat; (2) den Haß auf Kommunismus und Sozialismus; (3) einen totalitären, angeschotteten, traditionellen Charakter; (4) Priorität des Gefühls gegenüber der Theorie, gleichzeitig Betonung der Aktion; (5) Zersplitterung und Bildung von Elitetruppen - shôsûseieishugi"(31)  .
Dabei stellt Hori im folgenden die besondere Bedeutung des "Glaubens an den Tennô" - tennô he no shinkô - heraus (32) .
In seinem Vorwort zu Ivan Morris' Standardwerk über die extreme Rechte im Nachkriegsjapan nennt Maruyama Masao die folgenden Charakteristika rechtsextremen Denkens:
"Inter alia we can distinguish the following ideologies or tendencies: (1) precedence of loyalty to the nation over every other form of loyalty; (2) hostility towards any extention of democratic rights and towards international socialism; (3) support of militarism and opposition to pacifist movements; (4) glorification of a national 'mission'; (5) appeal to protect national traditions and culture from sinister outside influences; (6) emphasis on duties as opposed to rights, on order as opposed to freedom; (7) stress on the individual's family and birthplace as the fundamental bonds of social cohesion; (8) tendency towards the authoritarian regimentation of all human relationships; (9) integration of the national spirit in support of orthodox ideas; (10) tendency to be especially vigilant and suspicious in regard to intellectuals and members of the free professions, on the grounds that they are apt to become the disseminators of 'subversive thoughts'" (33)  .
Als japanspezifische Besonderheit stellt Maruyama heraus:
"The history of the Japanese right-wing movement consists of endless disputes and schisms. On the whole, these did not result from any fundamental doctrinal differences, but revolved about personal relationship of the boss-follower (oyabun-kobun) type" (34)  .
Dieser besonderen Bedeutung der persönlichen Beziehungen wird, um eine psychologisierende Darstellung zu vermeiden, in der vorliegenden Arbeit lediglich dadurch Rechnung getragen, daß der Autor versucht, die Beziehungen der Hauptakteure untereinander im Verlauf der Organisationsgeschichte in skizzenhafter Form darzustellen.

Folgende Gemeinsamkeiten lassen sich bei den Definitionen deutscher und japanischer Autoren für Rechtsextremismus feststellen:
Er ist bestimmt durch:


4. Arbeitsbegriff Rechtsextremismus bzw. rechtes Lager

Der von Dudek/Jaschke entwickelte Arbeitsbegriff des Rechtsextremismus bzw. des rechten Lagers gilt im folgenden - aufgrund des Fehlens eines entsprechenden analytischen Ansatzes in der japanischen Forschung - als übergreifender Arbeitsbegriff.

Er liefert die Grundlage für eine Standortbestimmung der japanischen Neuen Rechten in der politischen Kultur des Landes (36)  . Zwar betrachtet Dudek die politische Erscheinungsform des rechten Lagers in der politischen Kultur der Bundesrepublik, die Geschichte Japans als demokratischer Rechtsstaat trägt aber einen ähnlichen Projektcharakter wie die der BRD: Ökonomisch war sie durch die Westintegration und die Einbindung in den kapitalistischen Weltmarkt gekennzeichnet. Politisch ist das Projekt "Demokratisierung" nach wie vor Tagesaufgabe:
"Die schrittweise Anpassung an anglo-amerikanische demokratietheoretische Konzepte unter den anfänglichen Bedingungen alliierter Okkupation, Entnazifierungspraxis [in Japan ähnliche Maßnahmen, z.B. die "Säuberungsdirektive" vom 4.Januar, 1946, Anm.d.Verf.] und 're-education'-Bemühungen schufen ein rechtsstaatlich-parlamentarisches-demokratisches Institutionengefüge und einen funktionsfähigen Modus der politischen Konfliktregelung ..." (37)  , dem allerdings ein wichtiger Faktor demokratischer Stabilität fehlt: "Tradition. Während die westlichen Vorbilder über jahrhundertelange, in revolutionären Prozessen durchgesetzte bürgerlich-demokratische Traditionen verfügen, fehlt dieses Moment in der Bundesrepublik" (38)  ebenso wie in Japan. Daraus ergibt sich die "spezifische Krisenanfälligkeit des 'Projekts Demokratie'" (39)  , die in einer "geringe Toleranzschwelle gegenüber politischen Bewegungen mit antidemokratischen Tendenzen" (40)  ihren Ausdruck findet. Solchen politischen Erscheinungsformen wird dadurch, daß das politische System, verantwortliche Politiker und Teile der Medien - neben dem Ausbau politischer Kontrollapparate und der Verschärfung der entsprechenden Gesetze - so auf sie reagieren, als ob sie die Demokratie machtpolitisch in Gefahr bringen könnten, ein gesonderter Platz in der politischen Kultur zugewiesen.

Ein "Prozeß der Gettoisierung tritt als Abdichtung der rechtsextremen Bewegung zu einer selbstständigen Subkultur, eines politischen Lagers innerhalb der Gesamtgesellschaft in Erscheinung. Dies fördert Lagermentalität und Lagerdenken, d.h. Wahrnehmungsmuster, die aller Gruppierungen außerhalb des Lagers als Werkzeuge der Besatzungsmächte und deshalb national unzuverlässig interpretieren. Solche Dualisierung des Weltbildes dient der Suche nach politischer Identität, die trotz aller organisatorischer Zersplitterung in der gemeinsamen politischen Situation und der gemeinsamen politischen Stammkultur ihre Wurzeln hat" (41)  .
Eine Präzisierung des Rechtsextremismus-Begriffs erscheint vor diesem Hintergrund notwendig. Problematisch ist dabei zunächst die Ausgangslage, da "zum einen (...) der organisierte Rechtsextremismus nicht über eine einheitliche politische Programmatik [verfügt], zum anderen  ist eine exakte Abgrenzung zu konservativen und neokonservativen Strömungen nicht möglich. Die ideologischen Übergänge zwischen beiden Bewegungen sind fließend und beide, die gemäßigte wie die radikale, tragen konservative und rechtsextreme Elemente - unabhängig parteipolitischer Differenzierung - in sich" (42)  .
Seit 1945 wird der Rechtsextremismus-Begriff in der BRD in drei verschiedenen Ausformungen verwendet: "im wissenschaftlichen Diskurs, in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen als politischer Kampfbegriff [sowie] als strafrechtlich kodifizierter Begriff" (43)  . Im Rahmen dieser Studie soll nur der im wissenschaftlichen Diskurs verwendete Arbeitsbegriff des Rechtsextremismus bzw. des rechten Lagers interessieren, ein Arbeitsbegriff der "weder durch formale Definitionsversuche noch durch ideengeschichtliche Bestimmung allein (...)" (44)  entwickelt werden kann.
Um für diese Arbeit zu einer heuristischen Klärung zu kommen, orientiere ich mich an einem von Dudek und Jaschke für die BRD präzisierten Rechtsextremismus-Begriff, der sowohl historisch bestimmt ist als auch einen gesellschaftskritischen Aspekt aufweist. Dessen Geltungsbereich erstreckt sich räumlich auf die BRD, zeitlich auf die Epoche nach 1945. Er soll, unter Berücksichtigung der spezifischen Besonderheiten der japanischen Entwicklung, auf die japanische Neue Rechte angewandt werden.
Der Begriff wird durch das Zusammenspiel dreier unterschiedlicher Untersuchungsrichtungen bestimmt: einer ideologiekritischen, einer organisationssoziologischen und einer interaktionstheoretischen. "Anhand dieser drei Wurzeln leistet der Arbeitsbegriff des Rechtsextremismus bzw. des 'rechten Lagers' sowohl die Unterscheidung zwischen 'rechtem Lager' und 'nichtrechtem Lager' als auch eine Binnendifferenzierung dieses 'rechten Lagers' in 'alte Rechte' und 'Neue Rechte'" (45)  .
Er läßt sich daher folgendermaßen konkretisieren: Er ist Bestandteil der politischen Kultur Japans in Form einer 'rechten Subkultur'. Durch die Analyse organisatorischer Strukturen ('organisationstheoretische Dimension'), die Festlegung der Ideologieelemente ('ideologische Dimension'), die dieser 'rechten Subkultur' ihre Eigenständigkeit verleihen, und die Untersuchung der Wechselwirkung von rechtsextremer Politik, den Reaktionen der Öffentlichkeit und des staatlichen Kontrollhandelns ('interaktionskritische Dimension') ist er genau bestimmbar. Nur das Zusammenspiel aller Dimensionen ermöglicht seine Erforschung.
Der interaktionstheoretische Aspekt soll dabei das Beziehungsgeflecht zwischen politischer Gesamtkultur und rechter Subkultur sowie die hieraus entstehende Beeinflussung des Resonanzfeldes der Organisationen der Neuen Rechten analysieren.

5.1. kokutai und Tennôismus

Eine Eigentümlichkeit der Ideologie des japanischen Rechtsextremismus besteht in der zentralen Bedeutung des kokutai, eines äußerst unscharfen Begriffs, der im folgenden näher definiert werden soll, und der damit verbundenen Institution des Tennô, die von allen japanischen Autoren, die für diese Studie herangezogen wurden, hervorgehoben wird und sich in Begrifflichkeiten wie tennôshugi bzw. tennôchûshinshugi oder nôdôshugi ("Tennôismus"), tennô zettai ("Absolutheit des Tennô"), tennô sonkei ("Verehrung des Tennô")  niederschlägt (46)  .
Erstmals taucht das in neuerer Zeit kokutai zu lesende Zeichenpaar in einem Ritualgebet (norito) des Engishiki, eines Zeremonialwerks aus dem frühen 10.Jahrhundert auf, in dem es von der Gottheit Ame-no-hohi-no-mikoto heißt, sie habe auf einer Inspektionsreise den "Zustand des Landes" - damals wurde die Zeichenkombination kunigata gelesen - überprüft (47)  .
In die staatstheoretische Diskussion wurde der Begriff erst durch den Mito-Gelehrten Aizawa Seishisai (1782-1863) eingebracht, der in seiner programmatischen Schrift shinron - "Neuer Diskurs" - 1825 bereits wesentliche Inhalte bestimmte.

"In diesem Kontext meint der Begriff nicht mehr ganz allgemein den 'Körper, das Wesen' oder den 'Zustand' eines beliebigen Landes, sondern dezidiert und ausschließlich das innere Wesen, die Essenz, die unverwechselbaren und vor allem unwandelbaren, ewigen Eigenheiten und Werte der japanischen Nation - all das, was Japan von anderen Ländern unterscheiden sollte und vor diesen auszeichnete" (48)  .
Die Mito-Schule, der Aizawa Seishisai angehörte, hatte sich zu dieser Zeit bereits von rein historischen Studien zur Geschichte der kaiserlichen Linie zu einem Zentrum des ideologischen Kampfs für die Wiedereinsetzung einer direkten kaiserlichen Regierung entwickelt. Mito war ein Lehensgebiet in der heutigen Präfektur Ibaraki. In der späten Edo-Zeit hatte sich Mito zu einem Zentrum der Opposition gegen das sogenannte Stellvertreter-Regime des bakufu in Edo entwickelt.
Im Gegensatz zur puristischen Nationalen Schule - kokugaku - die alles Chinesische strikt ablehnte, betrieben die Mito-Gelehrten unter der Devise shinju-itchi -"Einheit von Shintô und Konfuzianismus" - die Synthese zweier ursprünglich eigenständiger Denksysteme: Die Lehre von den fünf Tugenden des Individuums - go-jo - und den fünf Beziehungen - go-rin - der Menschen untereinander bildete die ethische Grundlage des Japans der Edo-Zeit. Menschenfreundlichkeit - jin, Gerechtigkeit - gi, Schicklichkeit - rei, Weisheit - chi - und Wahrhaftigkeit - shin - waren die fünf Tugenden, die in den fünf Beziehungen einzuhalten waren: zwischen Fürst und Vasall - oyabun-kobun, Vater und Sohn, älterem Bruder und jüngerem Bruder, Ehemann und Ehefrau sowie von Freund zu Freund. Besondere Bedeutung wurde den beiden ersten Beziehungen zugemessen, die sich durch Loyalität - chû - bzw. Kindesliebe -- auszeichnen sollten.
Unter dem Schlagwort chûkô-itchi propagierte die Mito-Schule den Gedanken einer ursprünglichen "Einheit von Loyalität und Kindesliebe", sowie "die Forderung, die als 'Kindesliebe' definierte 'Loyalität' nicht dem Feudalherren zu zollen, sondern dem einzig legitimen Herrscher Japans, dem Tennô" (49)  . Daraus ergab sich schließlich "die Definition der japanischen Nation als einer realen Familie von gemeinsamer göttlicher Herkunft mit dem Kaiser als natürlichem Oberhaupt" (50)  .
Dieses Denken kommt sowohl in der Stellung zum Ausdruck, die dem Kaiser durch die Meiji-Verfassung von 1889 zugesprochen wird, als auch in der Formulierung des Kaiserlichen Erziehungserlasses - kyôiku choku gohappu- vom 30.Oktober 1890.
In einer Entscheidung vom 31.Mai 1929 lieferte das Oberste Reichsgericht Japans schließlich eine verbindliche Definition des kokutai als juristischem Terminus. Demzufolge handelt es sich beim japanischen kokutai um eine Staatsform, in der "der aus einer seit jeher ununterbrochenen Abstammungslinie stammende Tennô gnädigst selbst die Oberaufsicht über die Staatsgewalt ausübt" (51)  .
Die Niederlage des Staatsrechtlers Minobe Tatsukichi (1873-1948), der den Tennô lediglich als Organ des Staates ansah, gegen Uesugi Shinkichi (1879-1929) und Hozumi Yatsuka (1860-1912), die den Kaiser als Verkörperung des Staates und damit übernatürlicher Natur betrachteten, waren weitere Schritte auf dem Weg zu einer allgemein verbindlichen, totalitären Ideologie von der absoluten Einheit, der einzigartigen Überlegenheit und quasi-religiösen Heiligkeit der japanischen Nation, an der sich Japans extreme Rechte noch heute orientiert. Die textliche Grundlage bildet u.a. das 1937 erschienene Kommentarwerk zum Kaiserlichen Erziehungserlaß "Die Grundprinzipien des (japanischen) Nationalwesens" - kokutai no hongi - das nach dem Zweiten Weltkrieg von der amerikanischen Besatzungsmacht verboten wurde. Maruyama sieht das kokutai "ideologisch in der Nachfolge jener allumfassenden Umarmung, die wir seit dem 'autochtonen Glauben' beobachten können. Da eine theoretische Fixierung des 'kokutai' durch eine bestimmte 'Lehre' oder 'Definition' ihn automatisch ideologisch eingeschränkt oder relativiert hätte, wurde eine solche Fixierung sorgfältig vermieden" (52)  . Dabei entspricht das kokutai dem, was Erich Voegelin als "politische Religion" beschreibt:
"Welten von Symbolen, Sprachzeichen und Begriffen ordnen sich um den heiligen Mittelpunkt, verfestigen sich zu Systemen, füllen sich mit dem Geist der religiösen Erregung und werden fanatisch als die 'richtige' Ordnung des Seins verteidigt" (53)  .
Maruyama spricht vom kokutai als "nichtreligiöser Religion" (54)  . Auf die religiösen Hintergründe des japanischen Rechtsextremismus einzugehen würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, ihnen wird lediglich in einem Exkurs zur Neureligion "Haus des Lebenswachstums" - Seichô no Ie - Rechnung getragen.
Betrachtet man den Tennôismus als übergeordnetes Prinzip, lassen sich die von deutschsprachigen Autoren aufgeführten ideologischen Merkmale des Rechtsextremismus auf Japan übertragen:
Der von Pfahl-Traughber "mit der Vorstellung von der Identität von Regierung und Volk, der sich individuelle oder gruppenspezifische Interessen bedingungslos zu unterwerfen hätten" (55)   erklärte Antipluralismus der extremen Rechten läßt sich auf Japan anwenden, ersetzt man "Regierung" durch "Tennô".

5.2. 1881-1918 Ursprünge des "Asianismus"

1881 wurde die Genyôsha, die als Vorläuferorganisation fast aller rechtsextremen Gruppen gilt, von Gegnern der Meiji-Regierung gegründet. Unter diesen befanden sich zahlreiche Samurai, die 1877 an der niedergeschlagenen Satsuma-Rebellion teilgenommen hatten. Ziele der Gesellschaft waren die Verehrung des Kaiserhauses, die Hingabe an das Vaterland und der Schutz der Volksrechte - minken. Mit der Konzentration auf die Propagierung einer expansionistischen Außenpolitik ging dann allerdings die Befürwortung staatlicher Autorität - kokken - einher, während der Schutz der Volksrechte in den Hintergrund trat.
Zu den hauptsächlichen Aktivitäten der Genyôsha zählte die Organisation wirtschaftlicher und militärischer Spionage während des chinesisch-japanischen Krieges (1894-1895) durch Tôyama Mitsuru (1855-1944) und Uchida Ryôhei (1874-1937).
Uchida Ryôhei gründete 1901 die Kokuryûkai, die vor und während des sich abzeichnenden russisch-japanischen Krieges (1904-1905) ähnliche Spionageaufgaben in der Mandschurei wahrnehmen sollte. Die Hauptforderungen aus dem Programm der Kokuryûkai bestimmen auch heute noch die Programmatik zahlreicher rechtsextremer Organisationen in Japan:

Die Forderung nach einer Expansion auf dem asiatischen Kontinent mit dem Anspruch, Japan solle als am meisten fortgeschrittenes Land die Führung der asiatischen Völker übernehmen, um sie vom Joch des westlichen Imperialismus zu befreien, lieferte den Grundstein für den "Asianismus" - ajiashugi, eine wesentliche Ideologie der rechtsextremen Bewegung, die oft auch als Groß- oder Panasianismus bezeichnet wird - dai ajiashugi.
Bis 1919 existierten neben Genyôsha und Kokuryûkai lediglich unbedeutende rechtsextreme Gruppierungen.

5.3. 1919-1931 Aufschwung der rechtsextremen Bewegung

Ab 1919 ist eine rasche Zunahme rechtsextremer Gruppen zu verzeichnen. Allerdings lassen sich keine genauen Zahlen angeben, da sie zumeist infolge interner Streitigkeiten oder Kapitalmangels ebenso schnell wieder aufgelöst wurden bzw. in kleinere Gruppen zerfielen.
1936 konnte man 750 rechtsextreme Gruppen verzeichnen. Darin sind Neugründungen und Abspaltungen nach dem manshû jiken , dem "mandschurischen Zwischenfall" von 1931, bereits enthalten. Allein zwischen 1927 und 1936 wurden 634 Gruppen gegründet (56)  . Ab 1931 unternommene Einigungsbestrebungen, z.B. in Form des "Gesamtjapanischen Patriotenverbands für den gemeinsamen Kampf" - Zen Nippon Aikokusha Kyôdô Tôsô Kyôgikai - oder der "Großjapanischen Produktionspartei" - Dai Nippon Seisantô - scheiterten angesichts der Tendenz zur Zersplitterung mangels Führungspersönlichkeiten und Führungsprinzipien.
Anhand ihrer ideologischen Orientierung lassen sich die rechtsextremen Gruppen dieser Zeit in drei Kategorien einteilen:

Eine Sonderstellung nimmt die yakuza-Rechte ein, die im folgenden ebenfalls vorgestellt werden wird.

5.3.1. Die rein nipponistische Rechte

In den Augen der auch als idealistische Rechte - kannen uyoku -  bezeichneten Anhänger des Nipponismus bedrohten in den 20er Jahren gefährliche westliche Gedanken wie Demokratie, Individualismus, Liberalismus, Parlamentarismus und Sozialismus Japans traditionelle geistige und sittliche Werte. Das angestrebte Ideal der Harmonie zwischen Kaiser und Volk, zwischen Herrscher und Beherrschten, wurde durch Streiks, aber auch allein schon durch die Existenz konkurrierender Parteien zerstört. Die diplomatischen Rückschläge für Japan beim Versuch eine Klausel über Rassengleichheit ins Statut des Völkerbundes einzufügen (1919 in Versailles) sowie bei den Flottenkonferenzen 1921/22 in Washington und 1930 in London wurden als Folge der Verwestlichung interpretiert, selbst das große Kantô-Erdbeben von 1923 galt ihnen als "Strafe des Himmels" (57)  .
Zu den wichtigen rein nipponistisch orientierten Gruppen zählen die 1924 vom damaligen Justizminister Hiranuma Kiichirô (1867-1952) gegründete "Gesellschaft der Staatsgrundlagen" - Kokuhonsha, die "Patriotische Gesellschaft" - Aikokusha - sowie die "Vereinigung zum Landesaufbau" - Kenkokukai - unter Akao Bin (1899-1990). Allerdings wird die Kenkokukai aufgrund der Tatsache, daß sie zumindest nominell auch antikapitalistische Parolen verbreitete, als Mischform zwischen nipponistischen und staatssozialistischen Organisationen eingeordnet.

5.3.2. Die staatssozialistische Rechte

In diesen Gruppen, die auch als reformistische Rechte - kakushi uyoku - oder organisierte Rechte - soshiki uyoku - bezeichnet werden, fanden sich zahlreiche ehemalige Sozialisten bzw. Marxisten wieder, darunter Takabatake Motoyuki (1887-1928), einer der wichtigsten Ideologen des kokkashakaishugi. Durch eine staatliche Kontrolle der Wirtschaft, die die individuelle Freiheit im ökonomischen Bereich - bis hin zur Übertragung des eine bestimmte Höhe überschreitenden Privateinkommens an den Staat - beschränkt, sollten die Übel des Kapitalismus beseitigt werden. Während der Staat im Marxismus als Instrument der herrschenden Klasse verstanden wird, betrachteten ihn die Anhänger dieser Richtung der japanischen Rechten als moralisches Kontrollsystem, das für die Durchsetzung sozialistischer Veränderungen unabdingbar ist. Dabei brachen sie keineswegs mit dem traditionellen kokutai-Denken, sondern forderten einen Sozialismus auf der Basis des kokutai.
Einflußreichster Ideologe dieser Richtung war Kita Ikki (1833-1937), dessen 1919 veröffentlichter, aber schnell verbotener "Umriß eines Plans zur nationalen Neuorganisation Japans" - nihon kaizô hôan taikô - in den 20er und 30er Jahren auf die jüngeren Offiziere der japanischen Armee und Marine großen Einfluß ausübte (58)  . Er sah eine Revolution in Form eines militärischen Staatsstreichs vor, in dessen Verlauf der Tennô die Verfassung suspendieren, das Parlament auflösen und das Kriegsrecht verhängen sollte. Somit hätte der Plan den Weg zum Einsatz der Armee als Instrument der instrumentalisierten Gewalt freigemacht. Der Plan enthielt Bestimmungen zur Begrenzung von Privateigentum und Grundbesitz sowie zur Verstaatlichung von Schlüsselindustrien. Er sah die Abschaffung des Adels ebenso vor wie die Übertragung des gesamten Besitzes des Kaiserhauses durch den Tennô an den Staat.
Dabei brach Ikki mit der kokutai-Ideologie, indem er den Tennô im Widerspruch zur offiziellen Staatsdoktrin vom "Volk des Tennô" - tennô no kokumin - zum "Tennô des Volkes" - kokumin no tennô - umwidmete und ihn als ein mit besonderen Rechten ausgestattetes Organ des Staates, als "Gesamtrepräsentanten des Volkes" - kokumin no sôdaihyô - definierte (59)  .  Diese zuerst von Minobe Tatsukichi entwickelte Sichtweise des Tennô als Staatsorgan - tennô kikan setsu - konnte sich allerdings weder unter den Offizieren, noch unter den extremen Rechten durchsetzen, die gleichermaßen am kokutai festhielten (60)  . Bereits in seinem 1906 erschienen Buch "Die Lehre vom Wesen der Nation und der wahre Sozialismus" - kokutairon oyobi junsei shakaishugi - hatte Kita die Vorstellung von der ewigen Herrschaft der japanischen Kaiserdynastie und die Idee der Einheit von Kaiser und Volk als unwissenschaftlich und geschichtsverfälschend bezeichnet.
Zur Verbreitung des Reorganisationsplans gründete Ikki 1932 mit Ôkawa Shumei (1886-1957) die Yûzonsha, aus der eine ganze Reihe weiterer Organisationen hervorging, darunter die von Ôkawa gegründete "Gesellschaft zur Gefolgschaft des Bodens" - Kôchisha, die als erste rechtsextreme Organisation Kontakte zum Militär knüpfte und den Begriff ishin - "Restauration" - in ihr Programm aufnahm, der schließlich als shôwa ishin - Shôwa Restauration - zum Motto der coup d'état - Versuche der 30er Jahre wurde.

5.3.3. Die agrarianistische Rechte

Als Reaktion auf die zu Lasten der Landwirtschaft betriebene Industrialisierung , die zunehmende Verstädterung und den bürokratischen Zentralismus traten auch agrarianistische Gruppen auf, die das kapitalistische System insgesamt ablehnten. Sie propagierten stattdessen gesellschaftliche Solidarität und Harmonie, Loyalität zum Kaiser und die Rückkehr zum Nipponismus, um auf diesem Wege den japanischen Geist vor der Überfremdung durch ausländisches Gedankengut zu reinigen.
Die Wiederherstellung der Dorfgemeinschaften, Dorfstrukturen und der dörflichen Selbstverwaltung sollte der Landwirtschaft ihre dominante Position zurückgeben. Die agrarianistische Rechte betrachtete die Landwirtschaft als die natürlichste und ganzheitlichste aller Erwerbstätigkeiten, als nationale Schlüsselindustrie, während sie Industrialisierung und Verstädterung als Ursache moralischen Verfalls brandmarkten.
An einer derartigen Stärkung der bäuerlichen Moral waren nicht nur die größeren Grundbesitzer interessiert, die das Aufkommen einer sozialistischen Bauernbewegung fürchteten, sondern zunächst auch die Industriellen, die Bauernfamilien als Quelle billiger Arbeitskraft betrachteten, die Militärs, die einen Großteil ihrer Rekruten vom Land bezogen, und die Bürokratie, die in den Thesen der agrarianistischen Rechten zunächst ein Mittel zur Linderung der ländlichen Armut sahen, dann ein Vehikel zur Mobilisierung für ihre aggressive Expansionspolitik.
Hauptvertreter der agrarianistischen Richtung waren Gondô Seikyô (1868-1937) (61)  und Tachibana Kôzaburô (1893-1974). In Gondôs 1936 veröffentlichtem Grundsatzartikel "Prinzipien der Selbstverwaltung durch das Volk" - jichi minseiri - findet sich eine mystische Sicht der kaiserlichen Herrschaft, die Gondô nicht als verfassungsmäßige Autorität begreift, sondern als heiliges Symbol einer von den Göttern geschaffenen, der menschlichen Natur gemäßen Gemeinschaft (62)  . In dieser mystischen Sicht des kokutai, wie sie auch von Katô Kanji (1884-1965) vertreten wurde, sieht Hane Mikiso den Anknüpfungspunkt zwischen den Bauern und den Ideologen des nôhonshugi: Daß der Kaiser den Bauern als lebende Gottheit - ikigami - präsentiert wurde, machte ihn auch in den Augen der älteren Generation, die zu einer Zeit aufgewachsen war, als der shôgun und die daimyô die zu respektierenden Autoritäten darstellten, zum Objekt der Verehrung - ein Grund für das Aufleben traditioneller Werte wie Gehorsam, Unterwürfigkeit, Selbstverleugnung und Bescheidenheit (63)  .
Tachibana Kôzaburô, dessen Hauptziel es war, das Volk von einer in seinen Augen falschen und willkürlichen Herrschaft zu befreien, spricht sich in seiner 1932 erschienenen Schrift "Die Grundprinzpien einer patriotischen Reform Japans" - nihon aikoku kakushin hongi - für die Abschaffung von Institutionen wie politischen Parteien, Interessensgruppen und großen Industriekombinaten wie den zaibatsu aus, die die kapitalistischen und materialistischen Werte der westlichen Zivilisation in Japan verkörperten (64)  . Wie die US-amerikanische Anthropologin Ruth Benedict in ihrem 1946 erschienenen Werk "The Chrysanthemum and the Sword" feststellte, gab es für die antikapitalistische Ausrichtung der agrarianistischen Rechten eine breite Basis:

"It was inevitable, granted old Japanese attitudes toward profit and money, that a financial aristocracy should fall under attack from the people, but the government did what it could to build it up according to accepted ideas of hierarchy. It did not entirely succeed, for the Zaibatsu has been under attack from the so-called Young Officers' group of the Army and from rural areas. But it still remains true that the greatest bitterness of the Japanese public opinion is turned not against the Zaibatsu but against the narikin. Narikin is often translated 'nouveau riche' but does not do justice to the Japanese feeling. In the United States nouveaux riches are strictly 'newcomers'; they are laughable because they are gauche and have not had a time to acquire their proper polish. This liability, however, is balanced by the heartwarming asset that they have risen from driving a mule to controlling oil millions. But in Japan a narikin is a term taken from Japanese chess and means a pawn promoted to queen. It is a pawn rampaging about the board as a 'big shot.' It has no hierarchal right to do any such a thing. The narikin is believed to have obtained his wealth by defrauding or exploiting others and the bitterness directed toward him is as far as possible from the attitude in the United States toward the 'home boy who makes good.' Japan provided a place in her hierarchy for great wealth and kept an alliance with it; when wealth is achieved in the field outside, Japanese public opinion is bitter against it" (65)  .
Die geistigen Führer der agrarianistischen Bewegung waren Individualisten. Jeder unterhielt seine eigene "Schule", bestehend aus ihm treu ergebenen Bewunderern. Eine Massenbewegung konnte auf diese Weise nicht entstehen, aber die engagierten Aktivisten des nôhonshugi waren treue Gläubige, die zur direkten Aktion bis hin zur Ermordung politischer und wirtschaftlicher Führer bereit waren.
Die von Tachibana gegründete "Vereinigung der Liebe zum Dorf" - Aikyôkai - trat mit dem Militär in Kontakt und inspirierte junge Offiziere zur Revolte vom 15.Mai 1932. Tachibana wird auch mit Bombenanschlägen auf das Hauptquartier der Seiyûkai und auf die Mitsui-Bank in Verbindung gebracht (66)  . Er unterhielt Kontakte zu Inoue Nisshô (1886-1967) und dessen "Liga der Blutsbrüder" - Ketsumeidan. Für seine Beteiligung an Inoues Aktivitäten wurde Tachibana zu acht Jahren Haft verurteilt.

5.3.4. Die yakuza-Rechte

Nach den Reisunruhen von 1919 kam es zur Gründung rechtsextremer krimineller Organisationen, yakuza-Rechte genannt, die von Unternehmern, Großgrundbesitzern, Militärs und Parteiangehörigen für Terroraktionen gegen Streiks oder Gewerkschafts- und Bauernorganisationen rekrutiert wurden. 1919 gründete der damalige Innenminister Tokonami Takejirô die größte dieser Gruppierungen, die Dai Nippon Kokusuikai, die u.a. von Tôyma Mitsuru unterstützt wurde. Bis 1925 entstanden etwa 100 solcher Gruppen mit Zweigstellen in jeder Präfektur. Im Zentrum der Programme dieser Gruppen standen der Schutz des kokutaisekka bôshi, die "Verhinderung der Bolschewisierung", sowie die "Aufrechterhaltung der sozialen Sicherheit durch die Zusammenarbeit von Kapital und Arbeit", womit ihre Rolle im Kampf gegen die Gewerkschaften und Bauernorganisationen gerechtfertigt wurde (67)  . Ab Mitte der 20er Jahre rechnet Tendô die "Yakuza-Rechte" zum Lager der nipponistischen Gruppen, da die Zahl der gewalttätigen Aktionen deutlich zurückgegangen war (68)  .

5.4. 1931-1945 Bündnis mit dem Militär

Für den März 1931 plante die 1930 gegründete "Kirschengesellschaft" - Sakurakai, der auch Ôkawa Shumei angehörte, einen Militärputsch. Bereits 1930 hatte die Sakurakai ein Attentat auf den damaligen Premierminister Hamaguchi Osachi verübt. Der Plan für den Putsch wurde allerdings nicht ausgeführt.
Der Sakurakai gehörten bereits junge Offiziere an. Mehr und mehr schlossen sich die verstreuten rechtsextremen Gruppen mit einem Teil des Militärs zusammen: den radikalen jungen Offizieren. Bereits während der 20er Jahre hatte das Militär den Parteienregierungen gegenüber eine kritische Haltung eingenommen. Vor allem die jungen Offiziere, die zumeist dem ländlichen Mittelstand entstammten, waren von der Idee einer "Shôwa Restauration" und vom Reorganisationsplan Kita Ikkis begeistert (69)  .

"The Army functioned in many ways as a democratic leveler and it was in many way a true people's army. Whereas the Army in most other nations is depended upon as the strong arm to defend the status quo, in Japan the Army's sympathy with the small peasant has lined it up in repeated protests against the great financiers and industrialists"(70)  .
Der Einfall in die Manschurei im September 1931 trug zu einer Steigerung des Nationalgefühls und des Patriotismus in der Bevölkerung bei. Putschpläne junger Offiziere in Zusammenarbeit mit Kita Ikki, Ôkawa Shumei und Nishida Mitsugu für den Oktober 1931 wurden vor ihrer Verwirklichung aufgedeckt.
Unter Führung des Mönches Inoue Nisshô (1886-1967) schlossen sich 1931 rechtsextreme Zivilisten und Miltärangehörige zur Ketsumeidan, der "Liga der Blutsbrüder", zusammen, deren Mitglieder sich selbst verpflichteten, eine ihnen aufgetragenen Mord an einem der Kapitalisten, die sich in ihren Augen auf Kosten der Bauernschaft bereichert hatten, auszuführen. Dieser Gruppe fielen im Februar Inoue Junnosuke, ein ehemaliger Finanzminister, der zu dieser Zeit als Wahlkampfleiter für die Minseitô tätig war, und im März Dan Takuma, der Vorstand des Mitsui-zaibatsu, zum Opfer. Die Revolte vom 15.Mai 1932 war als Fortsetzung der Mordaktionen gedacht. Neben Tachibana Kôzaburô und Mitgliedern der Aikyôkai waren auch Ôkawa Shumei und Mitglieder der Dai Nippon Seisantô an der Planung beteiligt. Ziel war die Beseitigung der Ratgeber des Tennô, d.h. der Parteiführer und der zaibatsu-Bosse, aber keine direkte Machtübernahme. Der damalige Premierminister Inukai Tsuyoshi wurde ermordet. Das Ende der Parteienregierungen war eine unmittelbare Folge der Revolte. Eine promilitärische Übergangsregierung wurde etabliert, die politische Mitsprache des Militärs vergrößerte sich. Eine enorme Anzahl rechtsextremer Gruppen formierte sich und auch die Presse tat einen großen Schritt nach rechts. Von Seiten der Bevölkerung wurde den Attentätern große Symphathie entgegengebracht. Während der Verhandlungen des Kriegsgerichts wurden die Putschisten als irregeleitete Patrioten behandelt. Sie konnten die Ziele der "Shôwa Restauration" darlegen und Regierungsmitglieder offen angreifen (71)  .
Nach weiteren Putschversuchen 1933 und 1934 stellte der Putschversuch vom 26.Februar 1936 - ni-ni-roku-jiken - stellte den Höhepunkt der rechtsextremen Bewegung dar. 1454 Unteroffiziere und Mannschaften rebellierten unter der Führung radikaler junger Offiziere. Sie besetzten strategisch wichtige Punkte in der Hauptstadt, darunter die Amtswohnung des Premierministers, das Kriegsministerium sowie den Generalstab und töteten mehrere Kabinettsmitglieder. Allerdings versuchten sie nicht die Funktionen der von ihnen besetzten Organe an sich zu reißen. Ebensowenig bemühten sie sich, Kommunikationseinrichtungen zu besetzen, um über Presse oder Funk an das Volk zu appellieren. Ihr planloses Vorgehen war der kokutai-Ideologie geschuldet, der sie - entgegen der Vorstellungen Kita Ikkis - konsequent anhingen. Zu Beginn der Schrift "Inhalte des Aufstandes" heißt es:
"Wir erlauben uns zu sagen, daß die Göttlichkeit unseres Vaterlandes in unserem kokutai liegt, das eine einheitliche Nation unter der großen Herrschaft seiner Kaiserlichen Majestät, die göttlich ist für alle Zeiten, zum lebendigen Wachstum bringt" (72)  .
Einen neuen Premierminister im Voraus zu bestimmen hätten die Putschisten als privaten Vorgriff gegenüber der Souveränität des Tennô, d.h. als Vergehen wider dem kokutai  abgelehnt. Ihr uneingeschränkter Respekt vor dem institutionellen Aspekt des kokutai brachte die extreme Rechte in das Dilemma, den Herrschaftsapparat nicht direkt angreifen zu können, sondern sich mit der Ermordung derer, die in ihren Augen die Zerstörung des kokutai betrieben, begnügen zu müssen.
Die ablehnende Haltung des Tennô gegenüber dem Putsch sowie eindringliche Warnungen aus der Wirtschaft führten nach anfänglichen Chaos zur Verhängung des Kriegsrechts und zur Niederschlagung des Putschs. Die Aufrüstung Japans für den seit langen gewünschten Krieg war nur innerhalb des bestehenden Systems zu realisieren, durch das Zusammenwirken von Ministerialbürokratie und Zaibatsu. Weiteren radikalen Aktionen "von unten" sollte kein Raum gelassen werden. Mit der Erschießung von Kita Ikki und Nishida Mitsugu wurde die extreme Rechte symbolisch ausgeschaltet. Das Militär wurde auf radikale Elemente hin überprüft und gesäubert. Die herrschenden Schichten, die zuvor die Rechtsextremen z.B. in Form von finanzieller Unterstützung gefördert hatten, sahen nun keine Notwendigkeit mehr dazu. Innerhalb der extremen Rechten machte sich Enttäuschung breit (73)  . Ohne diese Unterstützung und die Hilfe des Militärs oder hoher Staatsbeamter stagnierte die rechte Bewegung.
1940 wurden die bisherigen Parteien aufgelöst und die Einheitspartei "Vereinigung zur Förderung der kaiserlichen Herrschaft" - Taisei Yokusankai - gegründet. Den rechtsextremen Parteien und politischen Organisationen blieb nur die formelle Aufgabe ihres politischen Charakters durch Namensänderungen. Sie existierten als kulturelle - bunka dantai - oder ideelle Vereinigungen - shisô dantai - weiter, verloren aber immer mehr an Mitgliedern, nicht zuletzt dadurch, daß ein Großteil davon zum Militärdienst eingezogen wurde.

5.5. Japans Rechte nach 1945

5.5.1. "Säuberung"

In der vom Allierten Oberkommando (SCAP) erlassenen "Säuberungsdirektive" SCAPIN 550 vom 4.Januar 1946 heißt es:

"Aimed at freeing all political parties from the influence of reactionary elements and at releasing government officials from fear of attack by secret, terroristic societies, the first directive orders the Japanese Government to abolish all ultra-nationalistic, terroristic and militaristic groups and so to control all other political associations and organizations that never again they will be able to impose their will on the Japanese people" (74)  .
Weitere Säuberungen der Besatzungsbehörden sorgten für die Entfernung von annähernd 50.000 Personen aus dem öffentlichen Dienst.
"The Basic Initial Post-Surrender Directive to the Supreme Commander (3 Nov.1945) directed him to arrest and hold as suspected war criminals the following inter alia:'(2) All commissioned officers of the Gendarmerie (Kempei), and all officers of the Army and Navy who have been important exponents of militant nationalism and aggression.(3) All key members of ultra-nationalistic, terroristic and secret patriotic societies...' " (75)  .
Zahlreiche Gruppen versuchten, dem Verbot durch Namensänderung zu entgehen oder vertraten plötzlich demokratische Forderungen. Die 1931 von Sasakawa Ryôichi gegründete "Nationalistische Massenpartei" - Kokusui Taishûtô - z.B. nannte sich ab 1945 "Nationale Arbeiterunion" - Zenkoku Kinrôsha Dômei.
Wesentlich bedeutender als administrative Verbotsmaßnahmen war für Japans rechtsextreme Gruppen nach der Kapitulation die Abschaffung des Tennô-Systems in seiner bisherigen Form durch die Besatzungspolitik. Der öffentlich gemachte Verzicht des Tennô auf seine Göttlichkeit, die Säkularisierung des Tennô-Symbols durch seine Definition als bloßes Staatssymbol und die Verankerung der Volkssouveränität in der japanischen Verfassung von 1946 bedeutete für Japans Rechtsextreme den Verlust des bisherigen geistigen und ideologischen Rückhalts durch die offizielle Staatsdoktrin.
Die drastische Veränderung der wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen durch die Landreform brachte für die Rechtsextremen Verluste an der gesellschaftlichen Basis mit sich, die zuvor einen Großteil ihrer Mitglieder aus den in ländlichen Gebieten vorherrschenden antikapitalistischen, antiwestlichen und konservativen Strömungen rekrutiert hatten.
Hinzu kam die Auflösung der zaibatsu, die für viele Gruppen den Verlust einer ihrer wichtigsten Finanzquellen bedeutete, und die Demilitarisierung, die den zivilen rechtsextremen Gruppen ihre wichtigste moralische aber auch finanzielle Stütze nahm.

5.5.2. Neuformierung als antikommunistische Hilfstruppe der LDP

Zu Beginn des Kalten Krieges setzte 1947 mit dem Verbot eines geplanten Generalstreiks durch General MacArthur die Repression gegen die Gewerkschaftsbewegung und die erstarkende Linke ein. Die amerikanische Besatzungspolitik vollzog einen Kurswandel von einer reformerischen hin zu einer stabilisierenden Linie. Zwar bedeutete dies zunächst kein Ende der "Säuberungen", aber dadurch wurden die Voraussetzungen für die Reorganisation der alten Organisationen bzw. für die Entstehung neuer Gruppen geschaffen (76)  . Als Kriegsverbrecher verurteilte rechtsextreme Führer wie Kodama Yoshio (1911-1984), der der Kenkokukai angehört und in den 30er Jahren eine Geheimorganisation in China aufgebaut hatte, und Sasakawa Ryôichi wurden freigelassen.
Bereits ab 1949 begann die Organisierung von Yakuza-Gruppen durch rechtsextreme Organisationen, die für ihre Aktionen keine anderen relevanten sozialen Gruppen gewinnen konnten (77)  . Eine besondere Rolle kam dabei Kodama Yoshio zu, der bereits seines Aufenthalts im alliierten Militärgefängnis freundschaftliche Kontakte zum späteren Premierminister Kishi Nobusuke und zum Gottvater der japanischen Motorbootwettrennen Sasakawa Ryôichi aufnahm, und bis zu seiner Verhaftung im Rahmen des Lockheed-Skandals von 1976 als kuromaku (wörtlich übersetzt: "schwarzer Vorhang") fungierte, d.h. als einflußreiche Persönlichkeit, die, gestützt auf ihrer finanziellen Möglichkeiten und persönliche Beziehungen, versucht die Politik zu lenken. Kodama stellte gleich nach Kriegsende die finanziellen Reichtümer, die er sich während des Krieges gesichert hatte, den konservativen Politikern Hatoyama Ichirô und Kono Ichirô aus der 1955 mit den Demokraten zur Liberaldemokratischen Partei verschmolzenen Liberalen Partei - Jiyûtô -zur Verfügung (78)  .
Ideologisch kann sich bereits ab 1948 eine pro-amerikanische, anti-sowjetische Strömung - shinbei hanso - als Hauptrichtung durchsetzen. Antikommunistische - hankyô - Aktionen boten der extremen Rechten, die zu dieser Zeit einen höchst unselbstständigen Charakter besaß und angesichts der Abschaffung des Tennôsystems, der Demokratisierung und des damit einhergehenden Wertewandels ihre Existenz in Frage gestellt sah, ihr Hauptbetätigungsfeld. Antikapitalistische Forderungen, die in der Vorkriegszeit eine wesentliche Rolle gespielt hatten, traten in den Hintergrund. Die Ideologie der extremen Rechten reduzierte sich bis 1970 auf Forderungen nach der Wiederherstellung der alten gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse und einen aggressiven Antikommunismus. Aufgrund ihrer Abhängigkeit von der finanziellen Unterstützung konservativer Politiker und Industrieller erfolgte eine verstärkte Anlehnung der extremen Rechten an die Liberaldemokratische Partei - Jimintô(79)  , "so daß die extreme Rechte fast ausschließlich zum außerparlamentarischen Anhängsel der Regierungspartei wurde und - mit Ausnahme weniger Gruppen - ihre systemkritische Haltung gänzlich verlor" (80)  . Zu diesen Ausnahmen zählen die 1954 wieder gegründete Dai Nippon Seisantô und Daitô Juku.
Um 1960 entstanden unter dem Eindruck der starken linken Gegenbewegung zum japanisch-amerikanischen Sicherheitsvertrag - shin nichibei anzen hoshô jôyaku  (81)  - Dachverbände, die die ca. 400 Gruppen und Organisationen, die zu dieser Zeit existierten, unter einem Minimalprogramm zusammenschließen sollten  (82) . Der wichtigste Dachverband, die "Alljapanische Konferenz Patriotischer Verbände" - Zennihon Aikokushadantai Kaigi bzw. Zen'ai Kaigi, ging aufgrund der massiven Präsenz von Yakuza-affiliierten Gruppen auch als yakuza kaigi in die Geschichte ein (83)  . Kodama Yoshio fungierte als Berater des Zen'ai Kaigi und wurde, nachdem bereits 1959 eine Demonstration mit rd. 5000 Teilnehmern für den Sicherheitsvertrag organisiert worden war, an der in der Mehrzahl Yakuza-Angehörige teilnehmen, im Sommer 1960 von führenden liberaldemokratischen Politikern gebeten, Yakuza und Rechtsextreme zum geplanten Empfang des US-Präsidenten Eisenhower zu mobilisieren, um den reibungslosen Ablauf des Staatsbesuchs zu gewährleisten (84)  .
Japans extreme Rechte war auch außenpolitisch aktiv, wenn es um den antikommunistischen Kampf in Ostasien ging: Dem Gründer der "Japanischen Jugendgesellschaft"- Nihon Seinensha - Etô Toyohisa zufolge, unterstützte seine Organisation bis zur Normalisierung der thailändisch-chinesischen Beziehungen die antikommunistischen Kachinden-Rebellen im Norden Thailands (85)  . Auch zum afgahnischen Widerstand gegen die sowjetische Intervention unterhielt die Nihon Seinensha gute Beziehungen. Am 7.Februar 1985 besuchte eine Delegation aus Anlaß des alljährlich abgehaltenen "antisowjetischen Tages" - hanso dê - Afgahnistan (86)  .
Zahlreiche Kritiker unterstellen den Liberaldemokraten, die extreme Rechte zu ihrem eigenen Vorteil auszunutzen, sie deshalb fest in das politische System Japans integriert und die Umwandlung von Yakuza-Gruppen in politische Organisationen vorangetrieben zu haben (87)  .

5.6. Exkurs: Das "Haus des Lebenswachstums"

Neben der bereits dargestellten quasireligiösen Unterfütterung des Tennô-Systems spielten rechtsgerichtete Religionsgemeinschaften in der Geschichte des japanischen Rechtsextremismus eine nicht unwesentliche Rolle. Ein Beispiel ist die Sekte "Haus des Lebenswachstums" - Seichô no Ie, die wesentlichen Einfluß auf die Geschichte der japanischen Neuen Rechten hatte (88)  .
Die rechtsextreme Ausrichtung der Gruppe ist religionswissenschaftlichen Veröffentlichungen zumeist ebensowenig zu entnehmen wie ihre Rolle als wesentliche Stütze des Tennôsystems während des Zweiten Weltkrieges (89)  . Nobutaka zufolge ist Seichô no Ie gar "eine der einflußreichsten japanischen Neureligionen, sowohl auf dem Gebiet der sozialen und der politischen Mitarbeit in der japanischen Gesellschaft wie auch in der Teilnahme an den Bewegungen für den Weltfrieden" (90)  .
Gründer der Sekte war Taniguchi Masaharu, zunächst ein Anhänger der ebenfalls rechtsgerichteten Shintô-Sekte Ômotokyô. 1930 gründete er Seichô no Ie in Kôbe, 1934 ging Taniguchi nach Tôkyô, wo die Sekte die Form einer Stiftung annahm, und gründete die Aktiengesellschaft "Gesellschaft für die Verbreitung klaren Denkens" - Kômyô Shisô Fukyûkai, die von Gläubigen finanziert wurde (91)  . Seine Aufsätze wurden von der Aktiengesellschaft als Buch unter dem Titel "Lebenswahrheit" - seimei no jissô - herausgegeben (92)  .
Das Leben in der von Taniguchi verkündeten "wahren" Welt sollte Krankeiten, darunter auch Krebs, zum Verschwinden bringen und versprach Zugang zu ewigem Leben. Dabei verwendete er Versatzstücke aus verschiedenen Religionen und Philosophien, u.a. des Shintô, des Buddhismus und des Christentum. Als Ritus betonte er die Wichtigkeit der shinsôkan-Meditation, einer modernen Version der Reinigungsriten der Ômotokyô (chinkon kishin). Zur Erklärung spiritueller Phänomene griff Taniguchi auch auf die Psychoanalyse zurück (93)  . Nachdem er 1935 mehrere großformatige Anzeigen in Tageszeitungen geschaltet hatte, wurde sein Buch seimei no jissô - mittlerweile beim Esotera-Verlag auch auf Deutsch erhältlich - zum Bestseller. Die Zahl der Gläubigen erhöhte sich auf 30.000 und die Auflage der Sektenzeitschrift Seichô no Ie steigerte sich auf 800.000 pro Ausgabe (94)  .

"Während sich die Stärke von Seichô no Ie als Institution vergrößerte, unterstützte Seichô no Ie offen die Kolonialisierungspolitik der Regierung und pries den Faschismus. Sie verkündete, Japans nationale Politik (kokutai) sei in Wahrheit ein Ausdruck der 'wahren Welt'" (95)  .
Nach Kriegsende setzte die Sekte ihre politische Tätigkeit ohne jegliche Einschränkung fort: Ein von konservativen Parlamentariern der LDP 1969 vorgelegter Gesetzentwurf, der dem Yasukuni Schrein staatliche Unterstützungsleistungen zusicherte - yasukuni hôan, wurde nicht nur von zahlreichen offen rechtsextremen Gruppierungen unterstützt, sondern auch von Seichô no Ie und anderen Organisationen der religiösen Rechten (96)  . Einer von Hori zitierten Untersuchung des Ministeriums für Kunst und Kultur - shûkyônenkan (Religionsjahrbuch) von 1988 - zufolge, beläuft sich die Zahl der Gläubigen von Seichô no Ie auf 3 Millionen (97)  . Der von Seichô no Ie 1980 zu den Oberhauswahlen aufgestellte Kandidat Murakami Masakuni erhielt landesweit allerdings lediglich 1 037 410 Stimmen (98)  .
Die rechtsextremen Einstellungen des neurechten Vordenkers Suzuki Kunio gehen nicht zuletzt auf seine vom Glauben an Seichô no Ie geprägte Sozialisation zurück: Suzuki wuchs in einer Familie auf, die an Seichô no Ie glaubte (99)  . Als er sein Studium an der Waseda-Universität aufnahm, zog er in ein von der Sekte unterhaltenes Studentenwohnheim.
"In diesem Wohnheim waren ungefähr 40 Söhne dieser Region versammelt und führten dort ein gemeinsames Leben, aber es war nicht einfach nur ein Studentenwohnheim. Eine der Vorbedingungen für den Einzug war es, sich während man studierte bis zum Äußersten der Studentenbewegung von Seichô no Ie zu widmen. Dort wurde Suzuki entscheidend geprägt" (100)  .
In seiner autobiographisch geprägten Geschichtsschreibung der Neuen Rechten nennt Suzuki drei prägende Elemente für seinen politischen Werdegang: Den Tod  Mishima Yukios, den Studentenstreik an der Waseda-Universität und Seichô no Ie (101)  .

6. Die Organisationsgeschichte der Neuen Rechten

Arbeitsdefinition Neue Rechte
Die rechtsextreme Studentenbewegung
Die Waseda Daigaku Gakusei Renmei
Gründung der Nichigakudô
Nichigakudô und Zenkokugakkyô
Die kleinste Armee der Welt
Die Issuikai
Niedergang der rechtsextremen Studentenbewegung und neurechter Terrorismus
Das "Freiwilligenkorps der Vereinigten Front"- Tôitsu Sensen Giyugun
Die Neue Rechte heute
Unterstützung der chinesischen Demokratiebewegung
Unterstützung der irakischen Seite im Golfkrieg
Bündnis mit der Neuen Linken und der yakuza
Die "Gesellschaft des Windes" - Kaze no Kai
 

6.1. Arbeitsdefinition Neue Rechte

Eine "Neue Rechte" ist für Japan nur schwer zu umreißen. Der Zugang zum Untersuchungsgegenstand "Neue Rechte Japans" wird erschwert durch die Unübersichtlichkeit der zahlreichen Kleingruppen und Zirkel und die hermetische Struktur des rechten Lagers. Hinzu kommt die weiter unten dargestellte Begriffsverwirrung nach der Prägung des Begriffs "Neue Rechte" - shin uyoku - durch Ino, der shin uyoku definiert als:

"Rechtsextreme Gruppen, die sich in ihrer Ideologie von der Nachkriegsrechten unterscheiden. Diese wurden aus der Mitte der rechtsextremen Studentenbewegung - minzokuha gakusei undô - als Organisationen geboren, indem sie nach den Auseinandersetzungen um den amerikanisch-japanischen Sicherheitsvertrag 1960 der aufsteigenden Linken entgegentraten. Neben dem Tennôismus und dem Antikommunismus ist die Zerschlagung des Jalta-Potsdam-Systems charakteristisch für die ihr zugrundeliegende Logik" (102).
Als repräsentativ für die Neue Rechte nennt Ino die von Suzuki Kunio geführte Issuikai sowie das "Freiwilligenkorps der Vereinigten Front" - Tôitsu Sensen Giyugun (103)  .
Hori definiert die Neue Rechte in seinem "Lexikon des Rechtsextremismus" wie folgt:
"Systemgegnerische Rechte - hantaisei uyoku, die in der zweiten Hälfte der 60er Jahre mit der grundlegenden Forderung der Zerschlagung des Jalta-Potsdam-Systems aus der Auseinandersetzung mit der linken Studentenbewegung heraus entstand" (104)  .
Um die Bedeutungsvielfalt einzuschränken, wird als Arbeitsdefinition vorläufig der für die BRD entwickelte, aber durchaus auf die japanische Situation übertragbare Begriff der Neuen Rechten nach Schönekäs zugrunde gelegt:
"Neue Rechte bedeutet im vorliegenden Kontext die Entstehung jugendlich-intellektueller Gruppen, Zirkel und Zeitschriftenprojekte entlang einer gemeinsamen Frontstellung gegen die Alte Rechte. Dies schlägt sich in eigenständigen politischen Aktivitäten nieder und wird von einem, durch einen Generationskonflikt begründeten, eigenen subkulturellen 'Stil' getragen. Dabei finden sich ideologisch sowohl Abweichungen als auch Übereinstimmungen mit der Alten Rechten. Der Konflikt findet fast vollständig innerhalb des rechten Lagerzusammenhangs statt, für das die Neue Rechte die Funktion einer politischen Avantgarde gewinnt. Die Aktivisten der Neuen Rechten waren mit ihren neuen nationalistischen Konzepten maßgeblich an der tiefgreifenden Umstrukturierung des Rechten Lagers beteiligt ('Generationswechsel'). Ihre Reformierungs-Versuche innerhalb des Lagers und das ständige Bemühen, die Grenzen des Lagers durchlässiger zu gestalten und den Ideentransfer zu befördern, waren eine Voraussetzung für den zunehmenden Einfluß nationalistischer Positionen in den politischen Diskursen der späten 80er Jahre innerhalb und außerhalb des Rechten Lagers ('Neuer Nationalismus')" (105)  .
Die allgemeine Umbruchssituation in Japan am Ende der 60er Jahre trug wesentlich zur Entstehung der Neuen Rechten bei. Das Konjunkturmodell der Hochwachstumsphase mußte aufgegeben werden, an den Universitäten formierte sich eine starke linke Studentenbewegung. Die Neue Rechte entsteht als deren Gegenbewegung, für die angesichts des Todes Mishima Yukios (s.u.) vor allem die Forderung nach der Umwandlung der "Selbstverteidigungsstreitkräfte" - jieitai - in reguläre Streitkräfte und die Zerschlagung der Nachkriegsordnung im Vordergrund stehen. Sie macht in ihrer systemgegenerischen Haltung auch vor der Kritik der etablierten rechtsextremen Bewegung - kisei uyoku - nicht halt. Sie habe sich ausschließlich auf ihre antikommunistische Ausrichtung beschränkt, dabei keine eigenständige theoretische Basis entwickelt und sich als systembefürwortend, als "Wächter" des Establishments erwiesen (106)  .
Die Entwicklung der Neuen Rechten ist bestimmt durch eine neue Qualität ihrer Organisation. Ein weitverzweigtes kommunikatives Netzwerk, bestehend aus einer Unmenge neu gegründeter Verlage, Zeitschriften, Kulturgemeinschaften und Diskussionszirkel, entsteht. Im Gegensatz dazu gibt es kaum mehr fest organisierte Gruppierungen. Kennzeichnend für die sich so formierende 'rechte Subkultur' ist einerseits eine starke Zersplitterung, andererseits ein dichtes kommunikatives Netzwerk.
Hori nennt als wichtigste Gruppen der Neuen Rechten: Im Rahmen einer Diplomarbeit können all diese Organisationen nicht im Sinne einer Gesamtdarstellung abgehandelt werden. Die folgende Darstellung beschränkt sich im wesentlichen auf die Organisationsgeschichte der Issuikai um Suzuki Kunio (geb.1943), die in der Literatur am häufigsten als repräsentativ für die Neue Rechte bezeichnet wurde, und die mit der Issuikai in Beziehung stehenden Gruppen. Neben Suzuki Kunio war Nomura Shûsuke (1935-1993) (108) der führende Theoretiker der japanischen Neuen Rechten.

6.2. Die rechtsextreme Studentenbewegung

"The right-wing student movement, as indeed right-wing nationalism in general, can be profitably examined only by reference to political movements of the extreme left. For right-wing sentiment among students has, as we shall see, developed to a large extent as a direct reaction to the overwhelming influence of the left. This form of reaction occured also in the pre-war period (...)" (109)  .
In diesem Sinne soll zunächst die Geschichte der linken Studentenbewegung der frühen Nachkriegszeit kurz skizziert werden: In den ersten Jahren lag der Schwerpunkt der zahlreichen unabhängigen Gruppen, in denen sich die japanischen Studenten zusammengeschlossen hatten auf der Linderung materieller Nöte, unter denen die Studenten wie alle anderen Teile der japanischen Gesellschaft gleichermaßen zu leiden hatten. Ab 1947 war eine deutliche Politisierung und Radikalisierung nach links zu verzeichnen, die nach einer Periode regional begrenzter Aktivitäten im September 1948 in die Gründung des "Alljapanischen Allgemeinen Verbands der studentischen Selbstverwaltungen" - Zen Nihon Gakusei Jichikai Sôrengô - mündete. Mehr und mehr studentische Selbstverwaltungen  - Jichikai - traten dem Verband bei. Von Anfang an spiegelte sich in der Politik des Zengakuren der starke Einfluß der Kommunistischen Partei Japans (KPJ) - Kyôsantô - wieder, die in der Studentenorganisation einen Teil ihrer Einheitfront linker Massenorganisationen sah. Im Oktober 1949 gehörten dem Zengakuren nach eigenen Angaben 394 studentische Selbstverwaltungen an, was einer Gesamtmitgliederzahl von 350.000 Studenten entsprach (110)  . Nachdem die japanische Regierung dem Zengakuren im selben Jahr die Anerkennung als politische Körperschaft verweigert hatte und der Organisation gegenüber im Zuge der antikommunistischen Hysterie im Gefolge des Koreakriegs eine zunehmend feindliche Haltung an den Tag legte, kam es - mit Unterstützung der Besatzungsbehörden - zur Konfrontation - tairitsu - zwischen den linken Studenten und der konservativen Regierung. Insbesondere die von Dr.Walter Eells, einem Berater der Erzeihungsabteilung des Alliierten Oberkommandos SCAP, angeregten "Säuberungen" an den Universitäten, sorgten für Empörung (111)  .
"By this time, however, the main student movement, which in earlier days had regarded the Occupation as an 'army of emancipation', was in open opposition, and since then Zengakuren's statements and activities have been marked by a vocally anti-American brand of nationalism"(112)  .
Aufgrund der zunehmenden Repression, dem Tod eines Studenten bei anti-amerikanischen Ausschreitungen im Verlauf der 1.Mai-Demonstration von 1952 und der Entscheidung des Unternehmerverbandes Nikkeiren, keine Angehörigen linker Studentenorganisationen mehr einzustellen verlor der Zengakuren deutlich an Popularität unter den Studenten. Im selben Jahr wurde eine Reihe rechtsextremer Organisationen an den japanischen Universitäten gegründet, die in erster Linie antikommunistisch orientiert waren.
"It must be emphazised that the rightist student groups arose primarily as a reaction to Zengakuren and that they can only be understood against the background of overwhelming leftist sentiment among politically-minded students.
In addition, these new groups shared the main sentiments of the general right-wing organizations on such issues as rearmament and constitutional revision. A further motive that appears to have inspired many students to join them was precisely that which had in 1952 made others shy away from Zengakuren, namely the new employment policies governing university graduates. In some cases the anti-Communist groups were openly supported by employers as a counterbalance to the radical student movement (...)" (113)  .
Kitaoka Juitsu, Professor an der Kokugakuin-Universität, schrieb 1953 mit "Die Studenten von den Roten zurückgewinnen!" - gakusei wo aka kara 'torimodose' - ein Manifest für die im Entstehen begriffene rechte Studentenbewegung. In ihm fordert er das Verbot der KPJ als kriminelle Vereinigung, dann die Entfernung ihrer Symphatisanten aus den Universitäten gefolgt vom Aufbau einer patriotischen antikommunistischen Studentenbewegung (114)  .
Als erste Organisation wurde im Juni 1952 die "Neue Japanische Studentenliga" - Shin Nihon Gakusei Dômei - von der rechtsgerichteten "Kameradschaftsvereinigung zur Vaterlandsverteidigung" - Sokoku Bôei Dôshikai - gegründet (115)  . Im November 1952 folgte unter Federführung von Kitaoka Juitsu die "Studentengesellschaft für nationale Verteidigung" - Gakusei Kokubô Kyôkai (116) , an deren Stelle im Februar 1953, ebenfalls unter Führung Kitaoka Juitsus, die "Studentenliga für den Schutz der Freiheit" - Jiyû Yôgo Gakusei Renmei - trat (117)  . Der Versuch, im Mai 1954  durch die Gründung der "Studentenliga für die nationale Rettung" - Kyûkoku Gakusei Dômei - einen Dachverband zu schaffen, um dem Zengakuren entgegentreten zu können, blieb ebenso erfolglos wie die Gründung der "Japanischen Studentenliga" - Nihon Gakusei Renmei - im April 1956 (118)  .
Vor den Auseinandersetzungen um die Erhöhung der Studiengebühren und den amerikanisch-japanischen Sicherheitsvertrag 1960 - anpo - gab es eine große Zahl von Unterorganisationen rechtsextremer Gruppen, die den Charakter von Studentenorganisationen hatten, z.B. die "Vereinigung gleichgesinnter Studenten für die  nationale Verteidigung" - Gokoku Gakusei Dôshikai, die 1959 als Studentenorganisation der "Vereinigung für die nationale Verteidigung" - Gokokudan -  gegründet wurde, oder die 1960 gegründete Studentenorganisation "Studentenvereinigung für eine neue japanische Erziehung" - Shinnikkyô Gakuseibu(119)  .
Darüberhinaus gab es an den Universitäten Gruppen, die eigenständigen Studentenorganisationen ähnelten, aber allesamt einem übergeordneten Organisation der extremen Rechten unterstanden, darunter der 1960 durch das "Jugendkorps der Nationalen Märtyrer" - Junkoku Seinentai - gegründete "Japanische Studentenverband" - Nihon Gakusei Kaigi - oder die im selben Jahr von Jitaikyô gegründete  "Studentenunion für Reinheit und Wahrheit" - Gakusei Junsei Dômei (120). 1963 kam die "Gesamtjapanische politische Studentenunion" - Zen Nihon Gakusei Seiji Renmei hinzu, die von der rechtsextremen Kyôronsha ins Leben gerufen wurde (121). Auch die 1964 gegründete "Gesamtjapanische Union der Prinzipienstudienkreise" - Zenkoku Daigaku Rengô Genri Kenkyûkai bzw. Genriken  - der "Kirche des einen Geistes Christi in der Welt" - Sekai Kirisutokyô Tôitsu Shinrei Kyôkai - muß zu dem rechtsextremen Organisationen gerechnet werden, die 1967 von der Seisantô gegründete "Neue Japanische Studentenunion" - Shin Nihon Gakusei Dômei - und die "Nipponistische Studentenunion" - Nihonshugi Gakusei Rengô - der Dai Tô Juku ebenso (122).
Seichô no Ie Gakuseikai Zenkoku Sôrengô, die "Landesweite Vereinigung der Studentenvereinigungen des Hauses des Lebenswachstums" - Seigakuren -  wurde 1966 durch Seichô no Ie gegründet und faßte die bereits bestehende "Forschungsgruppe für rechtschaffenes Denken" - Kômei Shisô Kenkyûkai - und die "Forschungsgruppe für die Wissenschaft des Geistes" -  Seishin Kagaku Kenkyûkai - von Seichô no Ie zusammen (123) .

6.2.1. Die Waseda Daigaku Gakusei Renmei
 

"Die neurechten Studentenorganisationen gingen aus den zahlreichen Auseinandersetzungen an den Hochschulen in der zweiten Hälfte der 60er Jahre hervor. Sie waren die Antithese zu den linken Studenten und dementsprechend war der Zengakuren das Ziel ihrer Angriffe" (124)  .
1965 begann an der Waseda-Universität ein Streik gegen eine Erhöhung der Studiengebühren, der sich schnell zur landesweiten Protestbewegung ausweitete. Suzuki Kunio, der zu dieser Zeit der Kômei Shisôkai angehörte, erinnert sich wie folgt:
"Als Privatperson war ich auch gegen die Erhöhung der Studiengebühren. Aber von Seiten der älteren Semester von Seichô no Ie hieß es: `Die Protestbewegung wird von Kommunisten gemacht. Sie wollen sie nur für eine kommunistische Revolution benutzen.´ So war ich zwar gegen die Gebührenerhöhung, wollte mich aber auch nicht von linksgerichteten Studenten, die Japan verkauft hatten, herumkommandieren lassen. Im dritten Jahr meines Lebens im dôjô von Seichô no Ie war ich wohl auch zu einem ziemlich hartgesottenen antikommunistischen Studenten geworden. An der Waseda Universität gab es nicht mehr als zehn Studenten von Seichô no Ie. Aber mit Unterstützung von Studenten anderer Universitäten begannen wir eine Anti-Streik-Bewegung han sutoraiki undô (besser gesagt eine Bewegung gegen links han sayoku)" (125).
Am 22. Februar 1966 wurde die "Freiwilligenvereinigung der Studenten der Waseda-Universität" - Waseda Daigaku Gakusei Yûshikaigi, kurz Yûshikai genannt - gegründet. An ihr waren neben der Kômei Shisô Kenkyûkai Mitglieder kleinerer Zirkel wie der "Samstagsclub" - Doyôkai, Jiyûshugi Kenkyûkai, "Vereinigung für japanische Kulturstudien" - Nihon Bunka Kenkyûkai, Yajinkai, Yûbenkai, u.a. beteiligt (126).
Neben dem Verteilen von Flugblättern zählte es zu den Hauptaktionsformen der neuen Bewegung, mit Megaphonen über den Campus zu ziehen und die Studenten gegen den Streik zu agitieren, insbesondere diejenige, die gerade ihre Eingangsprüfungen ablegten.
"An der Waseda gab es neben Seichô no Ie nur wenige rechtsgerichtete Zirkel. Wir versuchten, diese Zirkel und Einzelpersonen in einer Organisation zusammen zu bringen, um Opposition gegen den Zenkyôtô zu leisten und die Universität zu verteidigen. Dazu paßte der unauffällige, neutrale Name 'Studentenunion der Waseda-Universität' - Waseda Daigaku Gakusei Renmei"(127) .
Suzuki Kunio wurde der erste Vorsitzende der am 6. März 1966 - dem letzten Tag der Eingangsprüfungen an der Waseda-Universität - neugeschaffenen Organisation, die ein nahegelegenes Café zu ihrem Anlaufpunkt - renraku dôjô - machte. Neben Transparenten, Flugblättern und Plakaten nutzten die Mitglieder der Gruppe auch ihr Rederecht auf studentischen Vollversammlungen, um den Streik zu kritisieren. Dabei kam ihnen zugute, daß sich zahlreiche Studenten angesichts der Dauer des Streiks Sorgen um ihre Zukunftsaussichten machten. Mehrere Fachbereiche sprachen sich dafür aus, den Streik zu beenden. Hauptziel ihrer Agitation war der "einfache Student" - ippan gakusei (128). Inhaltlich ging es nicht mehr nur um die "Normalisierung der Lage an den Universitäten", sondern zu den Slogans zählten auch die folgenden: Solche intellektuellen Zirkel bildeten die Keimzellen, die ersten eigenständigen Organisationsformen der Neuen Rechten. Sie erklärten sich als theoretische Gruppen, deren Ziele zumeist in den folgenden Punkten übereinstimmten: eine Abgrenzung zur etablierten Rechten, die Hinwendung zu Theoriebemühungen, die die Weltanschauung der Neuen Rechten wissenschaftlich legitimieren sollten und die Adaption von Aktionsformen der Neuen Linken  (131) :
"Während dieser Zeit waren unsere Gruppen, die dem Zenkyôtô entgegenstanden, immer in der Minderheit. Die ihnen angehörenden Studenten wurden als antikommunistische Gewalttäter - hankyôbôryoku gakusei - denunziert und verloren stets bei Auseinandersetzungen und Schlägereien - gebaruto. Aber in Wahrheit wurden in dieser Zeit unsere Charaktere gestählt. So entstand die völkische Studentenbewegung. Ohne den Zenkyôtô hätten wir uns als einfach nur antikommunistische, sportlich orientierte, spontane Bewegung wohl zerstreut. Wie auch Mishima Yukio und Morita Masakatsu sagten, war mit dem Zenkyôtô ein guter erster Gegner geboren" (132).


6.2.2. Gründung der Nichigakudô

Für Hori beginnt mit der Gründung der "Japanischen Studentenunion" - Nichigakudô bzw. Nippon Gakusei Dômei - eines landesweiten Verbandes rechtsextremer Studenten, der sich einen "neuen völkischen Nationalismus" - shin minzoku shugi - zum Ziel gesetzt hatte, am 14. November 1966 an der Waseda-Universität die Geschichte der "Neuen Rechten"  (133) . An der Gründungsveranstaltung in der Ozaki-Gedächtnishalle im Tokyoter Stadtteil Nagata-chô nahmen Yamadaira zufolge 250 Studenten aus 23 Hochschulen teil  (134) .
Der Nichigakudô  setzte sich aus Mitgliedern der Nihon Bunka Kenkyûkai, der "Vereinigung für Verfassungsstudien" -Kenpô Kenkyûkai und anderen rechten Zirkeln unter Federführung der im vorangegangenen Abschnitt bereits vorgestellten Waseda Daigaku Gakusei Renmei zusammen  (135). Deren Führer Suzuki übernahm - seinen eigenen Angaben zufolge - im neuen landesweiten Dachverband nur deshalb keine höhere Funktion, weil er im Mai 1966 zum Generalsekretär von Seigakuren, der Studentenvereinigung der rechtsextremen Religionsgemeinschaft Seichô no Ie, gewählt worden war  (136). Zum Vorsitzenden wurde Maruyama Hideyuki von der Kokuchikan-Universität gewählt. Alle wichtigen Posten im Rahmen der neuen Organisation gingen an Vertreter der Kokuchikan- und der Waseda-Universität. Dabei kam es Yamadaira zufolge von Anfang an zur Herausbildung einer von zwei Hauptströmungen und einer dualen Machtstruktur:
Während Studenten der Kokuchikan-Universität den Vorsitzenden und den stellvertretenden Vorsitzenden des Nichigakudô stellten, wurden Tsukimura Toshio und Saitô Hideyoshi, Studenten der Waseda-Universität, zum Vorsitzenden und zum stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralen Exekutivausschusses gewählt  (137) . Nakaya Toshirô wurde zum Generalsekretär ernannt. Bis auf Saitô gehörten alle Waseda-Studenten einer Faktion der Studentenverbandes der Liberaldemokratischen Partei um den späteren Unterhausabgeordneten Tamazawa Tokuichirô an  (138) .
Der Nichigakudô bezog ein Büro im Waseda-chô, dem Universitätsviertel im Tokyoter Stadtteil Shinjuku. Am 7. Februar 1967 erschien die erste Ausgabe des Organs der Nichigakudô, der "Japanischen Studentenzeitung" - Nihon Gakusei Shinbun (139) .
Hori nennt folgende vier Prinzipien des Nichigakudô:

Zu den zentralen politischen Slogans des Nichigakudô gehörten: Am 25.Februar 1967 kam es nach hitzigen Debatten über die von Nakaya und Tsukimura geleistete Wahlkampfunterstützung für Kaifu Toshiki (142), der in der Präfektur Aichi für die Liberaldemokratische Partei (LDP) bei den Unterhauswahlen in diesem Jahr antrat, und deren Pläne zur Unterstützung der LDP bei den Tokyoter Gouverneurswahlen zur Spaltung des Nichigakudô führen (143). Die Pro-LDP-Minderheit wurde unter erbitterten Opportunismusvorwürfen hinausgesäubert und spielte in den weiteren Auseinandersetzungen keine Rolle mehr. Mochimaru Hiroshi ersetzte Nakaya Toshirô als neuer Generalsekretär des Nichigakudô (144). Tsukimura wurde später Kaifu Toshikis Privatsekretär  (145).
Als dringendste Aufgabe wurde die Anwerbung neuer Mitglieder unter den Neuzugängen an der Universität betrachtet. Dazu machte der Nichigakudô Gebrauch von verschiedenen Studienzirkeln - saakuru. Der Nichigakudô als solcher war nicht so bekannt wie diese Vorfeldorganisationen. Der Nihon Bunka Kenyûkai an der Waseda-Universität gehörten mit Mochimaru Hiroshi, Saitô Hideyoshi, Ôishi Mitsuhide, Miyazawa Tetsuyoshi, Morita Masakatsu und Miyazaki Masahiro zu dieser Zeit gerade einmal sechs Studenten an.
Mitte Februar 1968 gründeten Miyazawa Tetsuyoshi, Ôishi Mitsuhide und Morita Masakatsu einen neuen Studienzirkel, die "Abteilung für nationale Verteidigung an der Waseda Universität" - Waseda Kokubôbu  (146).
Yamadaira bewertet die Neugründung als "epochemachendes Ereignis", das von den Massenmedien begierig aufgegriffen wurde, weil der Begriff "nationale Verteidigung" bis zu diesem Zeitpunkt mit einem Tabu belegt war, und sieht erst darin den allmählichen Beginn des Auftretens der Nichigakudô als "Neue Rechte"  (147).
1968 wurde Morita erster Vorsitzender des als Unterabteilung der Nichigakudô neu eingerichteten "Gesamtjapanischen Studentenausschusses für die nationale Verteidigung" - Zen Nihon Gakusei Kokubô Kaigi (148).

6.2.3. Nichigakudô und Zenkokugakkyô

Mit dem Wahlsieg von Seichô no Ie bei den Wahlen zur studentischen Selbstverwaltung an der Nagasaki Universität hatte die extreme Rechte erstmals ein Organ der studentischen Selbstverwaltung in ihrer Hand. Danach begann Seigakuren, die Studentenorganisation von Seichô no Ie, sich landesweit auf die Wahlen zu konzentrieren. Auf den Erfolg des Nagasaki Daigakusei Kyôgikai (Nagadai Gakkyô) folgte 1968 der Zusammenschluß mehrer Universitäten zum Kyûshû Gakkyô. Der Organisierungsprozeß setzte sich in Form des Kansai Gakkyô, Chûgoku Gakkyô, Shikoku Gakkyô, usw. fort, bis am 12. Mai 1969 der Zenkoku Gakusei Jijitai Renraku Kyôgikai (Zenkoku Gakkyô) als zweite landesweiter Dachverband der extremen Rechten an den Universitäten ins Leben gerufen wurde, an dem sich auch die Studentenorganisation der "Vereinigungskirche" Genriken beteiligte  (149). 5.000 Studierende nahmen Suzuki zufolge an der Gründungsveranstaltung teil  (150), Hori geht von 2.000 Teilnehmern aus  (151). Suzuki Kunio hielt die Grundsatzrede. Sieben grundsätzliche Forderungen wurden aufgestellt:

"(1) Zerschlagung von Minsei und Zenkyôtô; (2) Zerschlagung der Nikkyôsô; (3) Zerschlagung der Besatzerverfassung; (4) Auflösung des japanisch-amerikanischen Sicherheitsvertrags - Für eine selbstbestimmte Verteidigungspolitik; (5) Zerschlagung des Atomwaffensperrvertrags - Für wahre Unabhängigkeit; (6) Rückeroberung der Nördlichen Territorien; (7) Für eine Ultramodernisierung und die Verteidigung der japanischen Kultur" (152).

"Im Oktober 1968 gab es - einem Artikel der Nihon Keizai Shinbun vom 7.Oktober 1968 zufolge - 27 Organisationen der rechtsextremen Studentenbewegung mit 7.200 Mitgliedern. Das sind im Durchschnitt 260 Mitglieder pro Organisation. Die rechte Studentenbewegung wurde von folgenden Strömungen dominiert: der Nichigakudô und dem zu Seichô no Ie gehörenden Zenkoku Gakusei Jijitai Renkaku Kyôgikai (Zenkoku Gakkyô)"(153).

War das gegenseitige Verhältnis zunächst ein freundschaftliches, sah man sich bei der landesweiten Organisierung der Hochschulrechten bald als Rivalen.
"Mit der Mobilisierungskraft von Seichô no Ie im Rücken befand sich der Zenkoku Gakkyô in einer Position überwältigender Dominanz. Darüberhinaus kontrollierte der Zenkoku Gakkyô zum Zeitpunkt seiner Gründung die studentischen Selbstverwaltungen von 28 Universitäten und nahm die Wahlen zu den studentischen Selbstverwaltungen an 14 weiteren Universitäten in Angriff. Nach der Gründung des Zenkoku Gakkyô erhob der Slogan `Einen nationalen rechtsextremen Studentenverband (minzokuha zengakuren) aufbauen!´ die Geister. Aber dieser `nationale rechtsextreme Studentenverband´ wurde durch die Störungen der Nichigakudô zerschlagen" (154).
Suzuki datiert den Beginn der Auseinandersetzungen auf die Gründungsversammlung des Tôkyô-to Gakkyô 1968, die nach dem Eindringen von Mitgliedern der Nichigakudô in handgreiflichen Auseinandersetzungen endete  (155). Bemerkenswert ist dabei, daß Suzuki zur Beschreibung der Auseinandersetzungen den Begriff der uchi-geba verwendet - entstanden aus der Kombination des chinesischen Schriftzeichens uchi (hier: "intern") und dem verkürzten Lehnwort geba ("Gewalt") - der ansonsten im Zusammenhang mit der Neuen Linken gebräuchlich ist  (156).
Suzuki zufolge waren in jeder Ausgabe der "Nationalen Studentenzeitung" - Zenkoku Gakusei Shinbun, des monatlich im Zeitungsformat erscheinenden, vierseitigen Organs des Zenkoku Gakkyô, das schließlich zweimal pro Monat achtseitig erschien, Artikel zu finden, die die Nichigakudô kritisierten und beleidigten. In der Nihon Gakusei Shinbun wurde wiederum der Zenkoku Gakkyô permanent angegriffen  (157).
"Nach und nach organisierte die Nichigakudô die Studentenausschüsse für die nationale Verteidigung - kokubôbu - der Universitäten und ähnliche Zirkel zum Gesamtjapanischer Studentenausschuß für die nationale Verteidigung - Zen Nihon Gakusei Kokubô Kaigi - (gegründet am 15.Juni 1968), zum Gesamtjapanischen Studentenausschuß für die Verfassung(srevision) - Zen Nihon Gakusei Kenpô Kaigi (gegründet am 3.Mai 1969), zur gesamtjapanischen Oberschülerkonferenz - Zen Nihon Kôkôsei Kyôgikai, etc" (158).
Zu den Auseinandersetzungen zwischen Zenkoku Gakkyô und Nichigakudô kamen interne Auseinandersetzungen zwischen Hitleristen - hitorâhugisha - und Anhängern einer staatssozialistischen Orientierung - kokka shakai shugisha - innerhalb des Nichigakudô, die an Auseinandersetzungen innerhalb der Neuen Linken Japans erinnern. Im Rahmen von Säuberungen wurden Kritiker und Unzufriedene aus der Organisation ausgeschlossen, darunter auch zahlreiche Gründungsmitglieder  (159). "Er hat seine Seele den Kommunisten verkauft!" war zum Ausschlußverfahren von Morita Masakatsu, der zur Tatenokai übergetreten war, in großen Lettern in der Nihon Gakusei Shinbun zu lesen  (160).
Im November 1970 gründete der Zenkoku Gakkyô die "Japanische Jugendkonferenz" - Nihon Seinen Kyôgikai - als Zusammenschluß ehemaliger Studenten des Zenkoku Gakkyô(161).

6.3. Die kleinste Armee der Welt

"Morita und Mishima fanden in erster Linie wegen ihrer ähnlich gelagerten politischen Ansichten zusammen. Beide gehörten zur Minorität der Japaner, die der Ansicht waren, daß gegen die Zengakuren mit Gewalt vorgegangen werden müsse. Beide wollten Kampfgruppen gegen die linken Studenten anführen, beide waren flammende Kaisertreue und schrieben - unabhängig voneinander - Manifeste, in denen sie dazu aufriefen, daß Japan die Wasserstoffbombe brauche" (162).
Suzuki unterstellt, daß es auch an der ständigen gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den rechten Studentenverbänden - uchi-geba - gelegen haben könnte, daß Morita den Nichigakudô verließ, um sich Mishima anzuschließen (163).
Im Frühsommer 1967 begann der japanische Schriftsteller Mishima Yukio, den sein im Jahr zuvor in der Zeitschrift Chûô Kôron veröffentlichtes Werk "Die Stimmen der Gefallenen" - eirei no koe - bei der Uyoku wie beim rechten Flügel der LDP gleichermaßen beliebt gemacht hatte, mit der Organisation seiner Privatarmee, nachdem seine Pläne zur Schaffung einer Massenorganisation zur Verteidigung des Vaterlandes - sokokubôeitai - gescheitert waren (164). Er konzentrierte sich dabei auf zwei Gruppen, um potentielle Mitglieder zu werben: eine kleine Studentengruppe, deren Anführer ein Student namens Kuramochi war und die das rechtsgerichtete Ronsô Journal herausgab, sowie die Nichigakudô an der Waseda-Universität, die aber anfangs nichts mit ihm zu tun haben wollte. Im März 1968 nahmen sechs Waseda-Studenten an einer Wehrübung in der Fuji-Kaserne teil, darunter Morita Masakatsu, der sich einen Monat zuvor bei einem Unfall ein Bein gebrochen hatte (165). Morita wird unter Anleitung Mishimas zum Studentenführer der Tatenokai.
Bei der offiziellen Gründung der Tatenokai, der "Schildgesellschaft", am 5.Oktober 1968, wurden folgende Statuten festgelegt:
"(I) Kommunismus ist mit japanischer Tradition, Kultur und Geschichte unvereinbar und steht im Widerspruch zum Kaiser-System.
(II) Der Kaiser ist das einzige Symbol unserer historischen und kulturellen Gesellschaft und rassischen Identität.
(III) Die Anwendung von Gewaltmitteln ist gerechtfertigt im Hinblick auf die Bedrohung durch den Kommunismus" (166).
Die Gesamtmitgliederzahl belief sich auf etwa 80, zumeist Studenten verschiedener Tokyoter Universitäten.  Mishima teilte die Tatenokai in acht voneinander unabhängige Untergruppen zu je zehn Mitgliedern, deren Anführer nur ihm persönlich verantwortlich waren. Gerne hätte er auch Arbeiter angeworben, mußte sich jedoch, aufgrund der zeitlichen Anforderungen, die an die Mitglieder seiner Privatarmee stellte, auf Studenten beschränken  (167).
In einem Artikel für die Zeitschrift Queen schrieb Mishima im Januar 1970:
"Meine Schildgesellschaft SS (Mishima scheute sich nicht, die Abkürzung der englischen Übersetzung von Tatenokai 'Shield Society', SS, zu benutzen [Anm. von H.S.Stokes, d.Verf.]) umfaßt nur hundert Mitglieder. Sie ist die kleinste Armee der Welt, und ich habe nicht die Absicht, sie zu vergrößern. Meine Männer erhalten keinen Sold, doch zweimal im Jahr werden sie mit neuen Uniformen, Mützen und Stiefeln ausgerüstet. Die speziell für die SS entworfene Uniform sticht so ins Auge, daß Passanten auf der Straße erstaunt stehen bleiben. Ich habe auch eine Flagge entworfen, auf der zwei rote, mittelalterliche, japanische Helme auf weißem Seidenhintergrund zu sehen sind. Das schlichte Emblem wiederholt sich auf Mützen und Knöpfen unserer Uniformen.
Die Mitglieder der SS rekrutieren sich vorwiegend aus der Studentenschaft.
Die SS ist eine Armee im Wartestand. Unmöglich zu wissen, wann unser Tag kommt. Vielleicht nie, vielleicht aber auch schon morgen. Bis dahin bleiben wir in Habachtstellung. Keine Straßendemonstrationen, keine Plakataktionen, keine Auseinandersetzungen mit Molotow-Cocktails oder Steinwürfen. Bis zum letzten, schlimmsten Augenblick weigern wir uns, uns durch Handlungen bloßzustellen. Denn wir sind die kleinste Armee der Welt und die größte an Geist"  (168).
Am 25. November 1970 drangen Mishima, Morita und drei weitere Mitglieder der Tatenokai, von denen zwei Seichô no Ie angehörten, in die Ichigaya-Kaserne der Selbstverteidigungsstreitkräfte in Tokyo ein und nahmen den kommandierenden Offizier, General Mashita Kanetoshi, als Geisel  (169). Die Geiselnehmer, die, außer ihren Phantasieuniformen, mit roten Kreisen bemalte Stirnbänder - hachimaki - mit der Aufschrift "Diene der Nation sieben Leben lang!" - shichishô hokoku - trugen,  ließen die Mannschaften auf dem Appellhof antreten  (170). Mishima rief die Soldaten vom Balkon des Verwaltungsgebäudes in einer ca. achtminütigen Ansprache zum gemeinsamen Staatsstreich auf. Ziel sollte die Revision der japanischen Nachkriegsverfassung, der Aufbau eigener Streitkräfte und die Wiederbelebung des Tennôsystems sein  (171). Von den ca. 1000 Soldaten ausgebuht und verspottet begingen Mishima und Morita rituellen Selbstmord durch das Schwert, die restlichen Geiselnehmer ergaben sich.
Von besonderem Interesse für die Neue Rechte war das Schicksal Morita Masakatsus. Bereits in seinem vorab verfaßten letzten Befehl an die Tatenokai - meireisho - versuchte Mishima, Morita zum Märtyrer der rechten Studentenbewegung aufzubauen:
"Meine Selbsttötung durch das Schwert ist, der Verantwortung eines Kommandanten entsprechend, eine Selbstverständlichkeit, aber die Selbstötung Morita Masakatsus weist diesen als selbstbestimmt voranschreitenden Vertreter aller Mitglieder der Tatenokai und einer Jugend, die patriotische Ziele besitzt, aus. Nehmt ihn Euch zum Vorbild, wenn es darum geht, den Kampfesgeist der Jugend zu beweisen. Die Ernsthaftigkeit seiner Tat ist in der Lage, die Seelen der Verstorbenen zu wecken. Ich will, daß der Weg Moritas - Morita no Seishin -der Nachwelt um jeden Preis verkündet wird"  (172).
.Für Suzuki entstand die "Neue Rechte" erst durch den Tod Moritas:
"Für all diejenigen, die sich bereits aus der rechten Studentenbewegung verabschiedet hatten, war dieser Zwischenfall (besser gesagt: die Selbsttötung Moritas durch das Schwert) ein "fumie", das ihnen brutal vorgehalten wurde. Weil es einen von uns gab, der bis zu diesem Zeitpunkt ständig weiter aktiv war und schließlich sein Leben gegeben hatte, fragten wir uns, ob wir einfach so weiterleben konnten, wie wir es uns vorgestellt hatten. Deses "fumie" und das "Schuldgefühl" - ushirometasa - brachten die "Neue Rechte" hervor"  (173).
Bei einem Fumie handelt es sich um ein "Tretbild (ein Christus- oder Marienbild, welches zum Zeichen der Abkehr vom Christentum mit Füßen getreten werden mußte, 1628-1857)"  (174). Wie die wahren Christen nicht auf das Fumie traten, konnten - diesem Vergleich Suzukis zufolge - die wahren Rechtsextremen den Tod Moritas nicht ignorieren
Suzuki führt den zweiten Faktor bei der Entstehung der "Neuen Rechten", das erwähnte, seiner Meinung nach weit verbreitete Schuldgefühl gegenüber Morita - ushirometasa, auch: oime - darauf zurück, daß die Tatenokai bis zum Tode Mishimas und Moritas von anderen rechtsextremen Gruppen nicht ernstgenommen wurde, sondern als "Spielzeugsoldaten", "Mishima Fanclub"(175), "Homosexuellengruppe" (176), etc. diffamiert wurde  (177). Zum Erstaunen über die Ernsthaftigkeit der Tat trat, Suzuki zufolge, neben diesem Schuldgefühl auch das Gefühl, rechts überholt worden zu sein  (178).

6.4. Die Issuikai

Zum Zeitpunkt des Todes Mishimas und Moritas arbeitete Suzuki in der Rechnungsabteilung des Verkaufsbereichs der konservativen Tageszeitung Sankei Shinbun (179) . Ohne es vorher geplant zu haben, trafen zahlreiche Teilnehmer der rechtsextremen Studentenbewegung, die wie Suzuki die Universität mittlerweile abgeschlossen hatten, im Haus von Etô Toyohisa - dem Gründer der "Japanischen Jugendgesellschaft" - Nihon Seinensha (180)  - wieder zusammen, um den Mishima jiken zu diskutieren, der zum "Sprungbrett" für die Gründung der Issuikai wurde (181).
Die Versammelten kamen überein, sich einmal monatlich zum Informationsaustausch zu treffen, zunächst unter dem Namen "Forschungsgesellschaft Massenkommunikation" - Masukomi Kenkyûkai - , da sich unter ihnen zahlreiche Medienvertreter und freie Journalisten befanden. Das erste Treffen dieser Art fand am 27. März 1972 statt (182).
Nach zwei Monaten ging aus diesen Treffen die Issuikai hervor, die stärker bewegungsorientiert arbeiten wollte und im Mai 1972 erstmals zusammenkam. Der Name beruht auf der Vereinbarung, sich jeweils am ersten Mittwoch des Monats zu Diskussionen und gemeinsamer Weiterbildung zu treffen. Er beinhaltet die chinesischen Schriftzeichen für "eins" - itsu - , "Mittwoch" - sui(yôbi) - und "Treffen" - kai (183).
Rund 40 bis 50 Mitglieder gehörten der Gruppe an, Führungsrollen kamen Suzuki Kunio, Inuzuka Hirohide, Tawara Yasushikuni, Itô Kunisuke und Abe Tsutomu zu (184). Suzuki, Inuzuka und Tawara gehören der Sekte Seichô no Ie an und waren zuvor im von ihr bestimmten Zenkoku Gakkyô aktiv, Itô und Abe waren Mitglieder der Tatenokai  (185). So verbanden sich die von Seichô no Ie vorgebrachten Forderungen nach der Wiedereinsetzung der Meiji-Verfassung mit den Vorstellungen Mishimas vom Kaiser als das japanische Volk einigendem Symbol  (186).
Am 24. November 1972 führte die Issuikai erstmals ein "Heldengedenken" für Mishima und Morita durch, an dem auch Einzelpersonen und Vertreter anderer rechtsextremer Organisationen teilnahmen  (187). Diese Veranstaltung wurde fortan jährlich unter dem Namen Nowaki Matsuri - "Herbststurm-Fest" - abgehalten, der sich aus einer Zeile im Abschieds-Tanka-Gedicht Morita Masakatsus erklärt, und bot unterschiedlichen rechtsextremen Strömungen die Möglichkeit zum Informations- und Meinungsaustausch  (188).
Durch den Beitritt von jugendlichen Aktivisten der auf der Grundlage des Nichiren-Buddhismus arbeitenden "Volksbewegung für die Wiederbelebung der Vernunft" - Ryôshikifukkatsu Kokumin Undô - entwickelt sich die Issuikai Suzuki zufolge in eine aktionistische Richtung, startete im März und April 1973 Aktionen gegen den Eisenbahnerstreik und führte im Oktober 1973 unter dem Titel "Nachdenken über Erziehung" - kyôiku wo kangaeru shûkai - eine Gegenveranstaltung zur Jahresvollversammlung der Lehrergewerkschaft Nikkyôsô durch (189).
Am 25. März 1974 wurde Suzuki, nachdem er bei einer Propagandaaktion vor dem Verteidigungsamt erstmals verhaftet und drei Tage von der Polizei festgehalten worden war, von der Sankei Shinbun entlassen (190). Er sieht darin rückblickend den Wendepunkt für die weitere Entwicklung der Issuikai vom "Teetrinkerzirkel" zur rechtsextremen Organisation - minzokuha dantai  (191).

6.5. Niedergang der rechtsextremen Studentenbewegung und neurechter Terrorismus

Nach der Gründung der "Landesweiten Union der verfassungsfeindlichen Studentenausschüsse" - Hankenpô Gakuseiiinkai Zenkoku Rengô - im März 1974 spaltet sich der Zenkoku Gakkyô: Während die Studenten des Seichô no Ie-Flügels der Hanken Gakuren beitreten und sich die Absolventen dieser Richtung der Seinen Kyôgikai anschließen, nimmt die Hauptströmung des Zenkoku Gakkyô um die Zeitschrift  Gekisen eine radikalere Linie an  (192). Im Oktober desselben Jahres organisiert die Issuikai Aktionen gegen den Staatsbesuch des US-Präsidenten Gerald Ford in Japan und gegen die Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrags (193).
1975 gründen der Rechtsterrorist Nomura Shûsuke, Torinoumi Shigeta, ein Stadtverordneter aus Yonezawa in der Präfektur Yamagata, und Suzuki Kunio die "Jugendkonferenz für den Aufbau eines Neuen Japans" - Atarashii Nihon wo Hajimeru Seinenshûkai  (194). Nomura hatte gerade 12 Jahre im Präfekturgefängnis von Chiba verbüßt, nachdem er den damaligen Landwirtschaftsminister Kôno Ichirô wegen dessen Beteiligung an den japanisch-russischen Fischereiverhandlungen angegriffen und sein Haus niedergebrannt hatte  (195). Das erste Treffen der neuen Organisation fand am 23. Juni 1976 in Yonezawa statt, im Anschluß wurden ähnliche Zusammenkünfte in ganz Japan, u.a. in Sendai, Tokushima, Aizu Wakamatsu und Ômiya abgehalten (196). Mit dem Namen wollten die Organisationsgründer zum Ausdruck bringen, daß eine Restauration der Vorkriegsordnung nicht zu ihren Zielen gehört  (197).
In Artikeln für die rechtsextremenen Publikationen Yamato Shinbun, Seinen Gunzô ("Jugendgruppe") sowie in seinem im Oktober 1975 erschienenen Buch "Der 'Wolf' und die voller Erregung tickende Uhr" - harahara tokei to 'ôkami' - drückte Suzuki Kunio den Angehörigen der "Ostasiatischen Antijapanischen Bewaffneten Kampffront" - Higashi Ajia Han-Nichi Busô Sensen, einer Organisation der Neuen Linken seine Symphathie aus, weil ihn die unbeugsame und "heroische" Haltung der festgenommenen Mitglieder der Kampffront - einer tötete sich mit einer Zyankalikapsel - beeindruckte  (198). Unterstützt wurde er dabei auch von einer Gruppe namens "Jugendvereinigung für Politikforschung Yokohama" - Yokohama Seinen Seijikenkyûkai , der auch der spätere Rechtsterrorist Ninagawa Masahiro (s.o.) angehörte (199).

"Das Spektrum der Angriffsziele [der "Ostasiatischen Anti-Japanischen Bewaffneten Kampffront", Anm. d. Verf.] war breit gefächert: Industrieunternehmen (Begründung: Neokolonialismus via Wirtschaftsexpansion), Tennô-System (Begründung: Bestrebungen zur Wiederherstellung der Vorkriegsideologie), staatliche Einrichtungen auf Hokkaidô (Begründung: Diskriminierung der Ainu-Minderheit) und andere mehr. Alle Begründungen weisen auf eine zutiefst antijapanische Haltung der Akteure hin"(200) , die kaum inhaltliche Ansatzpunkte für ein Bündnis mit der Neuen Rechten lieferte.
Suzukis Sympathieerklärung sorgte nicht nur innerhalb des rechten Lagers für heillose Verwirrung, Suzuki, die Issuikai sowie die seine Artikel druckenden Publikationen wurden fortan von der traditionellen Rechten als "prokommunistisch" bzw "kommunistische Rechte" - kyôsankei uyoku - kritisiert  (201), sondern auch innerhalb der Politikwissenschaft:
Mittels des von Ino Kenji geprägten Begriffs shin uyoku wurde die Neue Rechte mehr und mehr als Spiegelbild der Neuen Linken - shin sayoku - dargestellt (202) . Auch die von Ino stammende Bezeichnung "sayoku Ketsumeidan", mit der er die "Ostasiatische Antijapanische Bewaffnete Kampffront" in die Nähe der bereits erwähnten rechtsgerichteten Terrorgruppe der 20er Jahre rückte, trug nicht eben zur Klärung der Verhältnisse bei (203).
Zwar sah die Neue Rechte im Gegensatz zur traditionellen Rechten im Kommunismus nicht ihren Hauptfeind, allerdings beschränkten sich die angeblichen Übereinstimmungen zwischen der extremen Linken und der extremen Rechten auf ihre Systemopposition und die Bejahung terroristischer Aktionen zur Durchsetzung ihrer jeweiligen Ziele. Während Nomura Shûsuke die Bezeichnung shin uyoku nicht anstößig fand, wurde der Begriff von Suzuki Kunio als "diskriminierender Ausdruck" zurückgewiesen (204).
Durch den Niedergang der linken Studentenbewegung seit Anfang der 70er Jahre verlor auch die als deren Antithese entstandene Neue Rechte an Anziehungskraft (205). Hauptträger dieser Neuen Rechten, die sich selbst als "Jugendgruppen der völkischen Bewegung" - minzokuha seinen dantai - bezeichnete, waren ehemalige Mitglieder rechtsextremer Studentengruppen  (206).
Durch die Veröffentlichung eines Nachrufs auf Maeno Mitsuyasu in der Aprilausgabe 1976 der Rekonkista profilierte sich die Issuikai innerhalb des rechten Lagers erneut als nicht salonfähig und löste einen Sturm der Entrüstung seitens der traditionellen Rechten aus (207). Maeno Mitsuyasu, ein junger Pornofilmstar, hatte sich bei einem Selbstmordanschlag mit einem gemieteten Sportflugzeug des Typs Piper-Cherokee und den Worten "Lang lebe der Kaiser!" - tennô heika banzai - in das Haus Kodama Yoshios gestürzt  (208). Kodama, der im Rahmen des Lockheed-Skandals Schmiergelder des US-Flugzeugbauers in Höhe von 6 Mio. US$ erhalten hatte, war für die traditionelle Rechte eine Symbolfigur und, neben Kanemaru Shin, die Verbindung zur regierenden LDP (209).
Am 3.März 1977 besetzte Nomura Shûsuke mit drei weiteren Rechtsextemisten verschiedener Organisationszugehörigkeit unter dem Namen "Jugendliga zum Umsturz des Jalta-Potsdam-Systems" - YP-Taiseidatô Seinen Dômei - die Zentrale des japanischen Föderation der Wirtschaftsorganisationen Keidanren (Keizai Dantai Rengôkai).
Auch hier kann man die Enstehung der "Neuen Rechten" verorten. Was sich nach dem Keidanren Jiken abzeichnet, ist, Ino zufolge, jedoch eher eine Zweiteilung des rechten Lagers in eine systemimmanente Rechte - taisei uyoku - und eine systemgegnerische Rechte - hantaisei uyoku (210).
"Die 'systemfreundlichen' Rechten, die den weitaus größten Teil darstellen, knüpfen zwar ideologisch an die Tradition der Vorkriegszeit an, erweisen sich aber im wesentlichen nur in antikommunistischer bzw. 'anti-linker' Richtung aktiv. In diese Kategorie fallen auch die meisten der 'yakuza-Rechten.' Zu den systemgegnerischen Rechten zählt neben den 'Neuen Rechten' ein kleiner Teil der rechtsextremen Gruppen, die direkt aus der Genealogie der Vorkriegszeit stammen (junsei uyoku; 'reine' rechtsextreme Gruppen bzw. dentô uyoku; 'traditionelle Rechte') und entweder den Sicherheitsvertrag oder aber das gegenwärtige Gesellschafts- und Wirtschaftssystem insgesamt ablehnen" (211).
Im September 1977 wurde der "Jugendausschuß zur Rückeroberung der Nördlichen Territorien" - Hoppô Ryôdo Seinen Dakkan Iinkai - gegründet  (212). Zuvor, am 27. Juli 1977, wurde der Jugendliche Watanabe Naotake beim Versuch, zur Insel Kaigara, die zur Habomai-Inselgruppe zählt, zu schwimmen, von einem sowjetischen Schiff aufgesammelt und festgenommen  (213).
Um 1980 existierten noch etwa 44 Gruppen der Neuen Rechten mit rd. 3000 Mitgliedern, die sich an den Forderungen der rechtsextremen Studentenbewegung orientieren  (214).

6.5.1. Das "Freiwilligenkorps der Vereinigten Front"- Tôitsu Sensen Giyugun

Das "Freiwilligenkorps der Vereinigten Front"- Tôitsu Sensen Giyugun - wurde am 23. September 1981 von Angehörigen des  "Jugendausschusses zur Rückeroberung der Nördlichen Territorien" - Hoppô Ryôdo Seinen Dakkan Iinkai, der Issuikai und anderer Gruppen der systemgegnerischen Rechten als Kampforganisation gegründet (215). Vorsitzender wurde Kimura Mitsuhiro (216). Die Gruppe bezeichnete sich selbst als "antisowjetische, antiamerikanische, sich gegen die Herrschenden - hankenryoku - richtende, kämpferisch-radikale Kraft, die nicht-öffentliche und illegale Aktionen bejaht" und zählt die "Zerschlagung der Nachkriegsordnung" zu ihren Forderungen  (217). Bereits am folgenden Tag kam es während einer Demonstration der Gruppe zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die sich zu Unrecht von der Polizei angegriffene Gruppe demonstrierte im Anschluß daran vor der Polizeiwache im Tokyoter Stadtteil Shibuya  (218). Die Mitgliederzahl wurde auf landesweit ca. 100 beziffert  (219). Von Mai bis September gibt die Gruppe die Zeitschrift "Informationen des Freiwilligenkorps" - Giyugunhô - heraus  (220).
Im Verlauf eines "Verhörs" - supai samon - kam es im September 1982 zu einem Fememord an einem als Spitzel verdächtigten Gruppenmitglied (221). Die drei Verdächtigen wurden zu 12, 10 bzw. 6 Jahren Gefängnis verurteilt  (222). Nach der Verhaftung ihrer Führungsmitglieder in diesem Zusammenhang - darunter auch Kimura, der aber nicht verurteilt wurde - schien die Gruppe im Zustand der Auflösung begriffen, wurde aber nach der Freilassung von Nomura Shûsuke aus dem Fuchû-Gefängnis von diesem 1983 wiederbelebt  (223).
Am 13. Januar 1987 griffen Ninagawa Masahiro und zwei weitere Rechtsterroristen, darunter ein Mitglied des "Freiwilligenkorps der Vereinigten Front"- Tôitsu Sensen Giyugun - unter dem Kriegsnamen YP-Taisei Datô Seinen Dômei den Präsidenten des Immobilienunternehmens Sumitomo Fudôsan, Andô Tarô, in seinem Haus an  (224).
Der Name YP-Taisei Datô Seinen Dômei kam am 5.März 1989 noch ein weiteres Mal zum Einsatz, als Mitglieder verschiedener neurechter Organisationen bei einem weiteren Anschlag einen Benzintanklastwagen nur wenige Meter vor dem Amtssitz des damaligen Premierministers Takeshita zum Stehen bringen  (225). Suzuki betont, daß die unter diesem Namen ausgeführten Anschläge in keiner Beziehung zueinander standen  (226). Wie aus dem bereits gesagten hervorgeht, handelte es sich bei der YP-Taisei Datô Seinen Dômei nicht um eine eigenständige Organisation, sondern um einen "Kampfnamen" rechtsextremer Aktivisten für bestimmte Aktionen.
Auch bei der "Antikommunistischen Vergeltungseinheit" - Sekihôtai - ist nicht auszuschließen, daß es sich hierbei um ein Phantom, d.h. lediglich um einen nom de guerre rechter Aktivisten aus verschiedenen Organisationen handelt. Die Ermittlungen der Polizei gegen Mitglieder der Tôitsu Sensen Giyugun weisen in diese Richtung. Am 9.August 1988 wurden bei der alljährlichen Demonstration zum "antikommunistischen Tag" - hanso dê - im Tokyoter Stadtteil Roppongi 11 Mitglieder der Gruppe im Zusammenhang mit den Ermittlungen der Polizei gegen die "Antikommunistische Vergeltungseinheit" - Sekihôtai -  festgenommen (227). Aus dem selben Anlaß, formal gerechtfertigt mit dem Vorwurf, Arbeitsschutzrichtlinien verletzt zu haben - wurden am 28. Juni 1989 drei Führungsmitglieder der Gruppe festgenommen  (228).
Suzuki zufolge handelt es sich bei der Sehihôtai, die wegen ihrer Anschlagskampagne gegen die Tageszeitung Asahi Shinbun zu den bekannteren rechten Terrororganisationen zählte, um eine Abspaltung  des "Freiwilligenkorps für die Unabhängigkeit des Japanischen Volkes" - Nihon Minzoku Dokuritsu Giyugun, das am 13. August 1983 einen Brandanschlag auf das Büro der Asahi Shinbun in Nagoya unternommen hatte (229). Die Bekennerschreiben wurden in der Zeitschrift Rekonkisuta veröffentlicht  (230).

6.6. Die Neue Rechte heute

Nachdem sich abzeichnete, daß die Mehrzahl der Aktivisten der Neuen Rechten dem Studentenalter entwachsen war, wurde am 15.März 1989 der "Konferenzzusammenschluß nationalistischer Studenten Japans" - Nihon Minzokushugi Gakusei Hyôgikai - als neue Studentenorganisation gegründet  (231). Der neuen Organisation gehörten die studentischen Mitglieder der Issuikai und der Tôitsu Sensen Giyugun an  (232). Durch eine ganze Reihe von Kampagnen versuchte die Neue Rechte, neue Bündnispartner bzw. Anknüpfungspunkte an andere gesellschaftliche Bewegungen zu finden.

6.6.1. Unterstützung der chinesischen Demokratiebewegung

Das Jahr 1990 wurde von einer Kampagne zur Unterstützung der chinesischen Demokratiebewegung geprägt, wobei sich Issuikai und Tôitsu Sensen Giyugun besonders für Zhang Zhen Hai einsetzten, der im Dezember 1989 durch eine Flugzeugentführung politisches Asyl in Japan erpressen wollte (233). Eine Veranstaltung der Issuikai mit Vertretern der "Chinesischen Demokratischen Union" - Minshu Chûgoku Rengô - fand ein weites Presseecho, u.a. im Asahi Jânaru vom 13. April 1990  (234). Am Jahrestag des Tienanmen-Massakers führte die Neue Rechte Aktionen und Veranstaltungen mit anderen Gruppen durch, die sich für die Demokratisierung Chinas einsetzen  (235).

6.6.2. Unterstützung der irakischen Seite im Golfkrieg

Als zweiter Arbeitsschwerpunkt zeichnete sich nach dem irakischen Einmarsch ins benachbarte Kuwait am 2.August 1990 die Unterstützung der irakischen Seite im Golfkrieg ab. Im September besuchten jugendliche Mitglieder der Issuikai die irakische Botschaft, um sich als Freiwillige zu melden (236). Nach den ersten alliierten Luftangriffen auf den Irak organisierte die Issuikai am 17.Januar 1991 Proteste vor der amerikanischen Botschaft (237). Nach dem Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen machte sich Kimura Mitsuhiro mit fünf anderen Mitgliedern des eilends von der Issuikai ins Leben gerufenen "Hilfsfonds für das irakische Volk" - Iraku Minkan Kyûen Kikin - am 4.April 1991 mit Hilfsgütern auf den Weg nach Bagdad (238). Eine weitere Delegation der Issuikai besuchte am 24.März 1992 den Irak und wurde von der Baath-Partei mit allen protokollarischen Würden empfangen (239).
Die Unterstützung des Irak blieb auch in den folgenden Jahren ein wesentliches Thema für die Organisation: Nach den erneuten alliierten Luftangriffen auf den Süden des Iraks am 13. Januar 1993 organisiert die Issuikai zum 2. Jahrestag der ersten Luftangriffe am 17. Januar Proteste vor der amerikanischen Botschaft (240). Am 20. Februar 1993 entsandte die Issuikai eine neunköpfiges "Freiwilligenkorps" in den Irak, das von der irakischen Jugendliga protokollgemäß empfangen wurde  (241).
Im Mai 1996 nahm Kimura Mitsuhiro als Vertreter der Issuikai am "Internationalen Symposium über Wirtschaftssanktionen und Volksrechte" in Bagdad teil, das von der Generalkonferenz der nicht-paktgebundenen Studenten- und Jugendorganisationen NASYO organisiert wurde (242). Offenbar sind die Beziehungen zur Baath-Partei so gut, daß Kimura die Gelegenheit erhielt, ein 90minütiges Interview mit Udai Hussein, dem ältesten Sohn des irakischen Staatschefs Saddam Hussein zu führen, das vom japanischen Monatsmagazin Analysis veröffentlicht wurde  (243).

6.6.3. Bündnis mit der Neuen Linken und der yakuza

Neben den Aktivitäten zur Unterstützung der chinesischen Demokratiebewegung und der irakischen Seite im Golfkrieg, die der Issuikai neue Bündnismöglichkeiten erschlossen, sorgte im Jahre 1992 ein weiteres Bündnisprojekt der Neuen Rechten für Aufsehen:
Am 19. Januar führten neurechten Organisationen, darunter auch die Issuikai, mit der neulinken "Kommunistischen Partei - Aktionistische Faktion" - Kyôsantô-Kôdôha - und mehreren yakuza-Gruppen, die für diese Aktion unter dem Namen "Bürgerunion für Ritterlichkeit" - Ninkyô Shimin Rengô - auftraten, eine gemeinsame Veranstaltung gegen das neue "Gesetz gegen das organisierte Verbrechen" - bôryokudan shinhô - mit einer anschließenden Demonstration durch das Tokyoter Stadtzentrum durch  (244). Dem folgten am 1.März, dem Tag der Inkraftsetzung des neuen Gesetzes, weitere "gemeinsame Aktionen" (245), nachdem die Polizei in Ôsaka mehr als 100 Büros einer der größten yakuza-Gruppen, der Yamaguchi-gumi, durchsucht und 65 ihrer Mitglieder festgenommen hatte (246). Aufgerufen hatten zu den Aktionen Nomura Shûsuke und der Anwalt Endô Mamoru, die damit argumentierten, daß grundlegende Bürgerrechte wie die Vereinsfreiheit und das Vermögensrecht auch für Angehörige der yakuza gelten (247). An ersten Vorgesprächen hatten auch Vertreter der yakuza-Gruppe Yamaguchi-gumi und der Chûkakuha teilgenommen (248). Einigendes Moment war die Forderung nach Garantie der Vereinsfreiheit auch für systemgegnerische Organisationen - hantaisei no kessha (249).

6.6.4. Die "Gesellschaft des Windes" - Kaze no Kai

Nachdem Suzuki Kunio 1989 erstmals an der Hauptversammlung des bereits erwähnten Dachverbands Zen'ai Kaigi teilnahm, zeichnet sich eine gewisse Kooperations- und Diskussionsbereitschaft zwischen der traditionellen und der Neuen Rechten ab (250).
Ausdruck dieser Zusammenarbeit war die Teilnahme an den Unterhauswahlen 1993, von der sich Japans rechtsextreme Bewegung einen wesentlichen propagandistischen Erfolg erhoffte. Auf einer landesweiten, strömungsübergreifenden Zusammenkunft, an der auch die Issuikai teilnahm, wurde am 9.Juni im Tokyoter Zennikkyû-Hotel eine gemeinsame Wahlliste mit Namen "Gesellschaft des Windes" - Kaze no Kai - beschlossen (251). Suzuki befürwortete die Teilnahme an den Wahlen mit dem Argument, die Neue Rechte müsse ihre Bürgerrechte wahrnehmen, um in diesem Rahmen zu zeigen, daß sie zu verantwortlichem Handeln in der Lage sei. Er versprach sich davon eine veränderte Wahrnehmung der Neuen Rechten im öffentlichen Bewußtsein, das die Neue Rechte stets mit organisiertem Verbrechen und Terrorismus in Zusammenhang bringe (252).
Nomura Shûsuke wird zum Vorsitzenden der gemeinsamen Liste gewählt und auf Platz 1 gesetzt. Zehn Tage später stellte die Kaze no Kai ihre Kandidatenliste auf einer Pressekonferenz, an der rund 100 Journalisten teilnahmen, im selben Hotel der Öffentlichkeit vor (253).
"I want to rid Japan of the postwar myths which have bound the Japanese people and left us trussed up like broiler chickens", wird Nomura vom Far Eastern Economic Review zitiert, das die neue Rechtspartei gemeinsam mit der New Motor Party des All Japan Drivers' Club und der UFO Party zu den Kuriositäten des Wahlkampfs zählte  (254).
Vom 8. bis zum 26.Juli 1992 unterstützt die Issuikai wie landesweit viele andere Gruppierungen der extremen Rechten auch, den Wahlkampf der Kaze no Kai, die schließlich landesweit lediglich 220.000 Stimmen erreichen konnte (255). Nomura war sehr optimistisch, was die Aussichten seiner Gruppe betraf: Insgesamt hatte die Gruppe 10 Kandidaten aufgestellt und Nomura begann bereits vor der Wahl damit, Freunden Stellen als Privatsekretär anzudienen (256). Entsprechend groß war die Enttäuschung nach der Wahlniederlage, die Suzuki auf mangelnde Vorbereitung des Wahlkampfs zurückführt (257). Nomura plädierte schließlich gegen eine Beteiligung an weiteren Wahlen und für die Auflösung des Zusammenschlusses (258).
In der Wochenzeitschrift Gekkan Asahi vom 24. Juli 1992 wurde die Kaze no Kai in einer Karrikatur durch Weglassen eines Striches beim Schreiben des Schriftzeichens "kaze" zur "Läusegesellschaft" - shirami no kai - degradiert  (259). Nach einer langen Auseinandersetzung um diese Darstellung, in deren Verlauf sich der verantwortliche Karrikaturist formell entschuldigte, die Kaze no Kai aber eine öffentliche Selbstkritik des Verlags forderte, beging Nomura Shûsuke am 20.Oktober, 1993 im Empfangszimmer des Firmenpräsidenten der Asahi Shinbun-sha vor dessen Augen Selbstmord (260). "Jesus Christ would not have needed to die if he had been a politician", hatte er zwei Tage zuvor in einem Interview dem Far Eastern Economic Review erklärt (261). Die Nachricht von seinem Tod stürzt die Teilnehmer eines am selben Tage stattfindenden Symposiums zur Zukunft der Neuen Rechten im Zennikkyû-Hotel in tiefe Verwirrung (262).
In einem Interview mit der Japan Times beziffert Kimura Mitsuhiro 1996 die Mitgliederzahl der Issuikai auf rund 200.


7. Die Finanzierung der rechtsextremen Gruppen

Vor dem Zweiten Weltkrieg finanzierten vor allem das Militär und die zaibatsu rechtsextremistische Gruppen. Wer die heutigen Aktivitäten der extremen Rechten finanziert ist weitgehend unklar. Öffentlich zugängliche Quellen geben darüber nur unzureichend Aufschluß. Auch neuere wissenschaftliche Untersuchungen operieren mit veralteten Daten (264). Eine getrennte Auflistung der Daten entsprechend der Zuordnung der Gruppen zur traditionellen oder Neuen Rechten existiert nicht.
Für das Jahr 1980 gaben beim Ministerium für Selbstverwaltung 128 als rechtsextrem eingestufte Gruppen Einnahmen in Höhe von 2 864 065 144 Yen an (265). Die tatsächliche Höhe der den Rechtsextremen zur Verfügung stehenden Gelder dürfte allerdings weitaus höher liegen, da nur ein kleiner Teil der Gruppen beim Ministerium für Selbstverwaltung als politische Vereinigung registriert ist. Einem Artikel der Asahi Shinbun vom 1.März 1982 zufolge sind zu dieser Zeit von den rund 700 existierenden rechtsextremen Gruppen ganze 400, d.h. etwa 60% als politische Vereinigungen registriert (266).
Folgende Geldquellen werden vom Ministerium genannt: Für Parteispenden gibt es im seiji shikin kisei hô gesetzlich festgelegte Obergrenzen. Die Spenden lassen sich nach Herkunft - Individuen, Vereinigungen oder politische Vereinigungen - aufschlüsseln. Für politische Parteien liegt die Obergrenze für Spenden durch Privatpersonen bei 20 Millionen Yen, handelt es sich nicht um eine Partei, ist die Obergrenze schon bei 1.5 Millionen Yen erreicht.
Um diese Obergrenzen zu umgehen, werden Parteispenden immer öfter in Form von  Scheinkrediten erteilt, die angeblich von der Führungsriege der Gruppen selbst gestellt werden. So spendete z.B. Sonoda Akira, der Vorsitzende der Shôwa Ishin Renmei, seiner Organisation, nicht nur 1.5 Millionen Yen, sondern stellte ihr zugleich eine Million Yen in Form eines Kredits zur Verfügung. Die Gesamtsumme der Kredite, die der Dai Nippon Kikusuikai durch ihren Gründer, Kawai Haruzô, zur Verfügung gestellt wurden, beläuft sich auf 110 Millionen Yen (268). Zumeist handelt es sich dabei nicht um Gelder aus dem Privatvermögen der Führungsmitglieder, sondern um verdeckte Zuwendungen von Großunternehmen (269).
Unter den 128 vom Ministerium für Selbstverwaltung aufgeführten Gruppen gaben 50 (40%) Jahreseinnahmen unter 990 000 Yen an. 26 davon wollten überhaupt keine Einnahmen erzielt haben. 43 von den 128 Gruppen (33%) gaben Einnahmen von 1 000 000 Yen bis 9 990 000 Yen an, 35 Gruppen (27%) erwirtschafteten mehr als 10 000 000 Yen (270).
Vier Gruppen konnten Einnahmen von mehr als 100 000 000 Yen verbuchen: Kokusai Shôkyô Rengôkai, Seichô no Ie, Tamakikai und Dai Nippon Kikusuikai  (271).
Es sind vor allem die japanischen Großunternehmen, die die extreme Rechte mit Parteispenden unterstützen, darunter z.B. auch der Lebensversicherer Sumitomo Seimei  (272). Die Baufirma Toda Kensetsu spendete 1,5 Millionen Yen an die Nihon Seinensha (273). An zweiter Stelle folgen Klein- und Mittelbetriebe. Vor allem der Rüstungssektor ist stark vertreten.
Bei den Einnahmen aus eigenen Geschäftsbetrieben handelt es sich in erster Linie um den Erlös aus dem Anzeigenaufkommen und dem Vertrieb der  Verlautbarungsorgane der jeweiligen Organisationen. Wichtigste Anzeigenkunden und zugleich Hauptabnehmer dieser Publikationen sind wiederum Wirtschaftsunternehmen (274). Dieser sonderbaren Marketingstrategie der Unternehmen liegen offenbar weniger marktstrategische Überlegungen zugrunde als die Angst vor Erpressung durch sôkaiya.
Der Begriff sôkaiya bürgerte sich nach der Veröffentlichung der vor rund 40 Jahren bei Shincho Bunko erschienenen Kurzgeschichte "Sôkaiya Kinjo" des japanischen Schriftstellers Shiroyama Saburô im allgemeinen Sprachgebrauch ein (275). Er bezeichnet Firmenerpresser, die sich auf die Sicherstellung des reibungslosen Ablaufes der Jahreshauptversammlungen von Aktiengesellschaften bzw. die Störung derselben spezialisiert haben.
Daß diese Sorge nicht ganz unbegründet ist, zeigt sich u.a. daran, daß eine von mehreren rechtsextremen Gruppen unterhaltene Internet-Homepage einen Link zur weltweit aktiven sôkaiya-Gruppe Rondan Dôyûkai aufweist (276).
Nach wie vor übernehmen Rechtsextreme für die sie beauftragenden Unternehmen die Einschüchterung von Gewerkschaftlern, Bürgerinitiativen oder widerspenstigen Beamten.
Ein aktuelles Beispiel bieten die Auseinandersetzungen um den Bau einer Müllverbrennungsanlage für Industrieabfälle in der Stadt Mitake in der Präfektur Gifu. In diesem Fall beauftragte die zukünftige Betreiberfirma Toshiwa Kôgyô einen in Nagoya lebenden Rechtsextremisten, Mukai Mikito, im Mai 1996 mit einem Lauschangriff auf Yanagawa Yoshiro, den Bürgermeister von Mitake, und bezahlte dafür 15 Mio. Yen in bar. Vom 22. Juni bis zum 19. August 1996 wurde Yanagawa in der Hoffnung, belastende Gespräche abzuhören, belauscht. Am 30. Oktober 1996 wurde Yanagawa von Unbekannten vor seiner Wohnung zusammengeschlagen (277). Im April 1998 wurde Mukai schließlich aufgrund von Betrugsvorwürfen im Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften rund um die geplante Müllverbrennungsanlage festgenommen (278).
Hinzu kommen Einnahmen aus organisationseigenen Unternehmen, zumeist  im Bau-, Immobilien- und Kreditgewerbe, die allerdings zur Finanzierung der Organisationen nicht ausreichen  (279).
Es kann also festgestellt werden, daß die rechtsextremen Gruppen nahezu ihr gesamtes Einkommen nicht aus Mitgliedsbeiträgen, Eintrittsgeldern oder ähnlichen eigenständigen Quellen beziehen, sondern - wie in der Vorkriegszeit - von außen. Dabei sind sie Takagi zufolge in hohem Maße von den Unternehmen abhängig, von denen 80% ihrer Einkünfte stammen (280).
Es ist bemerkenswert, daß Suzuki Kunios Issuikai, die im Rahmen dieser Arbeit hervorgehoben betrachtet wird, ebenso wie andere Gruppen der Neuen Rechten betont, daß sie ihre Einkünfte ausschließlich aus Spenden von Einzelpersonen und dem Bezugspreis ihres Publikationsorgans Rekonkista bestreitet. Angesichts einer Auflage von 2000 Stück, einem Einzelpreis von 500 Yen bzw. einem jährlichen Bezugspreis von 5000 Yen sind hieran allerdings Zweifel angebracht  (281). Über eine finanzielle Unterstützung seitens der mehr als 100 Mio. Yen im Jahr erwirtschaftenden Sekte Seichô no Ie kann aber nur spekuliert werden.

8. Zur Sozialstruktur der Neuen Rechten

Untersuchungen über die Sozialstruktur der Neuen Rechten liegen dem Autor dieser Arbeit ebensowenig vor wie diesbezügliche Studien zur extremen Rechten insgesamt.
Als die wesentliche forschungsrelevante Besonderheit politischer Kleingruppen nennen Dudek und Jaschke in diesem Zusammenhang deren hermetische Struktur:
"Aufgrund öffentlicher, graduell abgestufter Stigmatisierung vollziehen sich die Prozesse der Bindung von Organisation/Mitgliedern in der Regel nicht-öffentlich, nämlich in der geschützten Atmosphäre organisationsinterner Öffentlichkeit. Das führt zu einer kommunikativen Doppelstruktur politischer Kleingruppen: Der interne Code umfaßt die Strategien organisationsinterner Willensbildung, Formen der Stabilisierung und Rekrutierung von Mitgliedern, die Interaktionsregeln, normativ-alltägliche Verhaltensgebote und die Festlegung der externen Codes. ...Der externe Code umfaßt alle Formen öffentlicher Selbstdarstellung (z.B. Parteitage, Programmschriften, symbolische Aktionen, subkultureller Stil). (...) Forschungspragmatisch erscheint die Doppelstruktur als 'hemmende' Hermeneutik, da bei den gängigen Verfahren sozialwissenschaftlich-historischer Recherche schnell grenzen sichtbar werden: Quellenmaterial, wichtige sozialstatistische Daten sind nur schwer zugänglich oder nicht vorhanden"  (282).
Die Gewinnung und Analyse interner Daten sowie eine entsprechende Intensivbefragung von Aktivisten, die von Dudek und Jaschke als "herausragende Methode zur Aufdeckung interner Codes" (283) genannt werden, konnten im Rahmen dieser Studie nicht geleistet werden. Entsprechend rudimentär bleiben die Aussagen, die in diesem Abschnitt gemacht werden können. Sie beziehen sich im wesentlichen auf Äußerungen der neurechten Theoretiker zur eigenen Biographie.
In einer Hinsicht dürfte sich die extreme Rechte in Japan allerdings nicht von den rechtsextremen Bewegungen anderer Länder unterscheiden: Was die Geschlechterverteilung angeht übertrifft die Zahl der männlichen Mitglieder die der Frauen bei weitem. Das findet nicht nur darin seinen Ausdruck, daß die von den verschiedenen Gruppen aufgeführten Präsidenten, Ortsgruppenleiter, u.a. Funktionsträger ausnahmslos Männer sind, sondern auch in verzweifelten Versuchen, den Frauenanteil in der eigenen Organisation zu erhöhen. In seinem Artikel "Unter der Flagge der Menschenrechte, der Ökologie und des Feminismus" für die Februarausgabe 1992 der Monatszeitschrift Gekkan Taimusu sprach sich Suzuki Kunio nicht nur für ein Ende der Diskriminierung der Frauen in der rechtsextremen Bewegung aus, sondern kündigte darüber hinaus noch die Einführung eines am System der deutschen SPD orientierten Quotierungsverfahrens an  (284).
Die vorgestellten Organisationen der Neuen Rechten rekrutieren ihre Mitglieder an den Universitäten, insbesondere unter den Angehörigen rechter Religionsgemeinschaften wie Seichô no Ie. Dabei nimmt die politische Tätigkeit der Aktivisten dem Studium gegenüber großen Raum ein. Suzuki erklärt in seinen autobiographischen Anmerkungen zur Geschichte der Neuen Rechten, er sei im dritten und vierten Jahr seines Studiums zwar jeden Tag zur Universität gegangen, aber nicht um den Unterricht zu verfolgen, sondern um für die Bewegung tätig zu sein. Dementsprechend hätten sich seine Noten verschlechtert (285).
"Wenn ich versuche mich an meine früheren Kommilitonen aus der Studentenbewegung zu erinnern, fallen mir nur Leute ein, die ihr Studium abgebrochen haben", so Suzuki, der immer wieder von seinen Mitkämpfern zu hören bekam: "Daß nur Du einen Abschluß gemacht hast, ist unfair" (286).
Für die Studienabbrecher aus der Neuen Rechten mußte die Idee, als "Elite" die Verantwortung für die Zukunft ihres Vaterlandes zu tragen, attraktiv erscheinen. Tatsächlich stellt die extreme Rechte in Japan ein Auffangbecken für soziale Randgruppen aller Art dar. Nomura Shûsuke erklärt seine ursprüngliche Faszination in Bezug auf die extreme Rechte mit der Idee der "Ritterlichkeit" - ninkyô - wie sie in romantisierenden Darstellungen der yakuza vorkommt (287). Sie besteht im wesentlichen darin, den Schwachen zu helfen und die Starken zu schröpfen, eine Idee, die jugendlichen Schulabbrechern, Arbeitslosen und Gelegenheitsarbeitern mit Sicherheit entgegenkommt.
Viele davon haben sich in der Scheinwelt der rechtsextremen Bewegung hoffnungslos verrannt:
"Neben Organisationen, die 2.000, 3.000 Mitglieder zählen, gibt es auch Gruppen, die aus nur einer Person bestehen - hitori ittô. Ich habe solche Rechtsextremisten aus zahllosen verschiedenen Parteien auf Versammlungen getroffen. Auf der Visitenkarte steht Präsident der 'Großjapanischen Irgendwas-Union' und als Sitz der Parteizentrale ist die Privatadresse angegeben. Man denkt, das ist der Chef von hunderten, ja tausenden von Leuten, aber in Wirklichkeit ist er allein in seinem viereinhalb Tatami-Zimmer. Dort ist die Parteizentrale. Das Mitglied ist der Präsident. Das gibt es ziemlich oft. Im Zimmer hängt die Hinomaru und die Flagge der Kriegsmarine. An der Wand stehen Slogans wie 'Töte die Verräter'. Das ist ganz wie eine Fangemeinde. Solche Leute gibt es, aber das sind nicht alle, man kann nicht sagen, daß es die Mehrheit ist" (288).
Tatsächlich macht man es sich zu einfach, wenn man die Neue Rechte, wie auch schon die traditionellen Rechtsextremisten, unter "lunatic fringe" ablegt. Zwar sind, bis auf Suzuki und Nomura bislang keine weiteren großen Theoretiker der Neuen Rechten hervorgetreten, aber von der neurechten Partei "Neuer Wind" - Shinpû -  werden z.B. 31 Hochschullehrer namentlich auf ihrer Homepage aufgelistet, die ihre Forderungen unterstützen (289). Insbesondere die andauernde Auseinandersetzung um die Inhalte des Geschichtsunterrichts an Japans Schulen zeigt, daß auch Intellektuelle rechtsextreme Positionen vertreten.

9. Die Ideologie der Neuen Rechten

Zerschlagung des Jalta-Potsdam-Systems - YP taisei datô
Das Jalta-System
Zurückgewinnung verlorener Gebiete - shitchi kaifuku
Das Potsdam-System
Anti-Amerikanismus - hanbei
Restauration: shôwa ishin bzw. heisei ishin
Antikommunismus
Antikapitalistische Rethorik

Bisher konnte die Neue Rechte mittels des Begriffs des 'rechten Lagers' bzw. der 'rechten Subkultur' im Rahmen der von Dudek und Jaschke entwickelten Rechtsextremismusbegriffs definiert werden. Dabei wurde der Rechtsextremismusbegriff als Zusammenspiel dreier Komponenten präzisiert: einer organisationssoziologischen, einer ideologiekritischen und einer interaktionskritischen Dimension.
Die organisationssoziologische Dimension, in deren Zentrum die Darstellung der chronologischen Entwicklung der japanischen Neuen Rechten stand, gewährte Einblick in das komplexe Phänomen Neue Rechte und legitimierte im Kontext der Definition der 'kommunikativen Netzwerke'  als zentralem Aspekt zur Bestimmung des Rechtsextremismus  die Einordnung der Neuen Rechten analog zum von Dudek/Jaschke definierten Rechtsextremismusbegriff.
Die ideologiekritische Dimension ist eine weitere Komponente, die die Neue Rechte ins rechtsextremistische Lager verweist, wobei sich die ideologischen Gehalte der japanischen Neuen Rechten als ebenso komplex wie ihre Vernetzungsstrukturen erweisen.
Dudek und Jaschke bestimmen die ideologiekritische Dimension des rechten Lagers durch ein dem Rechtsextremismus wesentliches immanentes Merkmal. In einer Stammkultur, die den diesen Rechtsextremismus identifizierenden Bezugsrahmen bildet, konstituiert sich dieses Merkmal. Diese Stammkultur steht  zum herrschenden Wertesystem der Gesamtgesellschaft in Beziehung

"als oppositionelle Minderheitskultur, deren Entstehungsquellen zwar objektive Probleme und Koflikte des politischen und gesellschaftlichen Systems sind, die aber über die Normalisierungsleistung von Traditionsbildung vom rechten Lager selbst ontologisiert werden" (290).
Der Begriff der Stammkultur wird von Dudek und Jaschke mit Ideologieelementen aus der Analyse des heroisch-völkischen Realismus durch Marcuse bestimmt (291). Er konstituiert sich aus
"einem heroisches Menschenbild, das im Leitbild des selbstlos für sein Volk kämpfenden heldischen Menschen und seines Antipoden, des politischen und militärischen Führers Gestalt annimmt. Diesem Menschenbild entspricht eine anti-materialistische und anti-rationalistische Geschichtsauffassung, die Geschichte als Geschichte der Schicksalskämpfe von Völkern schreibt. Die Interpretation von historisch-gesellschaftlichen Ereignissen wird vor der Annahme eines naturhaft-organischen, jeder geschichtlichen Veränderung entzogenen Wert- und Normengefüges organisiert.
Danach lautet die konstitutive Gleichung des irrationalistischen Naturalismus: 'Die Natur ist als das Ursprüngliche zugleich das Natürliche, Echte, Gesunde, Wertvolle, Heilige. Das Diesseits der Vernunft erhöht sich, kraft seiner Funktion "jenseits von Gut und Böse", zum Jenseits der Vernunft.'(Marcuse, 1965, S.19) Dem Naturalismus entspricht auf dem Gebiet der Gesellschaftstheorie ein Universalismus, der den Primat von Ganzheitsbegriffen behauptet. So wird Volk gegen Individuum, Wille gegen Interesse, Gemeinwohl gegen Partikularinteressen, Gemeinschaft gegen Gesellschaft, Natur gegen Kultur ausspielt. Naturalismus und Universalismus bilden in der rechtsextremen Stammkultur den Humusboden ihrer Ordnungsideologie "(292) .
Historisch lassen sich ähnliche Elemente in Japan bereits in der Meiji-Zeit (1868-1912) verorten. Organismus, Ganzheit, Wesen, Intuition waren Leitbegriffe sowohl der nationalistischen Kokugaku-Ideologen als auch der japanischen rechtsextremen Bewegung zu Anfang des 20.Jahrhunderts, deren Ordnungsideologie das kokutai bildet.
"Bei den oben genannten Topoi handelt es sich um globale Deutungsmuster von der Art von Weltbildern, die den Rechtsextremisten Gesellschaft und Geschichte auslegen und ihnen selbst einen globalen, situationsübergreifenden Sinn vermitteln. Unter funktionalen Gesichtspunkten gesehen harmonisieren die Deutungsmuster die objektiven gesellschaftlichen Widersprüche und konstituieren einen Rechtfertigungsrahmen, der es erlaubt, gesellschaftliche Ereignisse in das eigene Werte- und Normensystem zu integrieren. Sie sind als sinnstiftende Muster der rechtsextremen Aktivisten der formale Kernbestand ihrer Stammkultur, die abgesperrt bleibt gegenüber gesellschaftlicher Realität. Politisch-programmatische Erneuerungen und Themenverschiebungen vollziehen sich innerhalb der stabilen globalen Deutungsmuster" (293).
Der 'Neue Nationalismus' - shinminzoku shugi - kann als wesentliches Element dieser Stammkultur gewertet werden, deren Spannbreite von den verschiedenen Gruppen unterschiedlich genutzt wird. Die japanische Neue Rechte wiederum kann als agierende "oppositionelle Minderheitskultur" (294) begriffen werden, die sich unter der Stammkultur 'Neuer Nationalismus' subsumieren läßt.
Obwohl der japanischen Neuen Rechten angesichts der Unübersichtlichkeit ihrer organisatorischen Vernetzung sowie der Vielfalt ihrer theoretischen Argumentationsmuster keine einheitliche Ideologie zugesprochen werden kann, gibt es einen entscheidenden Bezugsrahmen, auf den der so definierte Begriff einer gemeinsamen Stammkultur der Neuen Rechten angewendet werden kann und der das Phänomen der Neuen Rechten als spezifische rechte Subkultur letztendlich legitimiert:
Der 'Neue Nationalismus' der Neuen Rechten vereint genau die Ideologieelemente, die Stöss unter dem Begriff der 'Demokratiefeindschaft' formuliert:
"Im antidemokratischen Denken verbinden sich in der Regel übersteigerter Nationalismus mit imperialistischem Großmachtstreben oder zumindest mit einer feindseligen Haltung gegenüber anderen Staaten und Völkern (...) Antidemokratisches Denken negiert die universellen Freiheits- und Gleichheitsrechte des Menschen (...) Antidemokratische Konzepte richten sich gegen parlamentarisch-pluralistische Regierungssysteme, die auf der Volkssouveränität und dem Mehrheitsprinzip beruhen (...) Gesellschaftliches Leitbild antidemokratischer Konzepte ist die angeblich der natürlichen Ordnung entsprechende Volksgemeinschaft (...) Dieses Leitbild gilt als Verwirklichung 'wahrer' Volksgemeinschaft im Gegensatz zu dem verhaßten, die Nation vermeintlich zerreißenden und schwächenden Liberalismus" (295).
Der 'neue Nationalismus' der Neuen Rechten wird also durch Begründungsmuster legitimiert, die auf die Beseitigung oder die nachhaltige Beeinträchtigung demokratischer Strukturen und Prozesse zielen, was auch im von Ino geprägten Begriff "systemgegnerische Rechte"-  hantaisei uyoku - zum Ausdruck kommt (296).
Im folgenden sollen die zentralen Forderungen bzw. Parolen der Neuen Rechten untersucht werden, die diesen 'neuen Nationalismus' charakterisieren. Sie lassen sich funktional als ein System von Mathaphern, Symbolen, geteilten Bedutungen - shared meanings - und Denkmustern verstehen, das sich die Adressaten der Propaganda der Neuen Rechten zu eigen machen sollen. Gleichzeitig dient dieses System als Konfiguration politischer Identität und Orientierung personaler Identitätsbildung, vollbringt also spezielle Orientierungsleistungen für Mitglieder des Lagers, die in zwei - Ohnmacht und Allmacht symbolisierende - Mythen münden: Das Motto "Aktion vor Theorie" - riron yori kôdô - bzw. das durch den Ketsumeidan-Zwischenfall 1932 geprägte Wort "Ein Mann, ein Mord" - hitori issatsu - machen nach Tendô den entscheidenden Unterschied zwischen der kommunistischen und der rechtsextremen Bewegung in Japan aus (297). Im Gegensatz zur kommunistischen Bewegung, die ihren Schwerpunkt auf die Entwicklung einer überzeugenden Theorie und die Schaffung einer Massenbewegung legt, setzt die rechtsextreme Bewegung Japans traditionell auf symbolische Aktion bzw. Terroraktion selbsternannter Eliteeinheiten..
In ihren Aktionsformen kommt dabei ein Symbolverständnis zum Ausdruck, das - Ernst Cassirer zufolge - dem primitivsten Stadium symbolischen Denkens entspricht, für das, wie für das Denken des Mythos bezeichnend ist, daß sich für beide
"der Inhalt der 'Sache' und der des 'Zeichens' nicht deutlich scheidet, sondern daß beides in bloßer Indifferenz ineinander überzugehen pflegt. Der Name einer Sache und diese selbst sind untrennbar miteinander verschmolzen; - das bloße Wort oder Bild birgt in sich eine magische Kraft, durch die sich uns das Wesen des Dinges zu eigen gibt" (298).
Die japanische Rechte versteht Symbole seit jeher als nicht-rational. Sie sind nicht Zeichen, die auf etwas verweisen, sondern Beseeltes, Wesenhaftes, "magische Zeichen", Teil eines Ganzen, als Moment von Ganzheitlichkeit. Dieses Ganze verleiht dem Symbol eine eigenständige Kraft. Es stiftet die Einheit des Volkes, die das Wort nicht zustandebringt.
Spätestens die nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg seitens der Besatzungsmacht USA erzwungene Säkularisierung zerstörte die magischen Kräfte, von denen Cassirer spricht. Maruyama zufolge fehlt der Nachkriegsgeneration bereits
"ein scharfes Bewußtsein davon, welch magische Macht diese mit dem Wort kokutai bezeichnete nichtreligiöse Religion besaß,..., während es der älteren Generation, welche dieser 'Magie' völlig verfallen war und welche innerhalb dieses magischen Rahmens die 'Freiheit des Denkens' genoß, von Angeginn abging" (299).
Allerdings hat die Entmythologisierung der hergebrachten Symbolwelten die Symbole nicht überflüssig gemacht. Zwar sind die Symbole nicht mehr aus sich selbst heraus verständlich, aber das Bedürfnis, sich von Symbolen anspornen oder trösten zu lassen, wurzelt tief genug, um der aufgeklärten Reflexion zu widerstehen. Leistet das Symbol nicht mehr die ihm von der extremen Rechten zugedachte Aufgabe der Einigung des Volkes, wo Worte es spalten, kann es immer noch dazu dienen, die internen Widersprüche derer zu verdecken, die sich unter dem Emblem vereinigen.

9.1. Zerschlagung des Jalta-Potsdam-Systems - YP taisei datô

9.1.1. Das Jalta-System

Das Jalta-System - yaruta taisei, benannt nach dem von Stalin, Roosevelt und Churchill im Februar 1945 unterzeichneten Abkommen, steht in der Propaganda der Neuen Rechten für die Aufteilung der Welt zwischen den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges, die durch die Existenz der Vereinten Nationen als bloßem Instrument der Siegermächte festgeschrieben wird. Seit Ende des Kalten Krieges betrachtet die Neue Rechte die Vereinten Nationen zunehmend als Instrument der USA. Sie fordert eine der wirtschaftlichen Bedeutung Japans angemessene Rolle des Landes im internationalen System (300). Dazu gehört für die Neue Rechte eine eigenständige Verteidigungspolitik - jishubôei - und ein souveräner, unabhängiger Staat - kokka no jishudokuritsu (301).
Die Issuikai formuliert ihre Vorstellungen von der "Zerschlagung des Jalta-Potsdam-Systems" vergleichsweise gemäßigt: Kam es während des Kalten Krieges aufgrund der Pattsituation zwischen den beiden Großmächten nicht zu militärischen Auseinandersetzungen, so habe sich am Golfkrieg gezeigt, daß Krieg wieder zum Mittel der Politik geworden sei, so Suzuki Kunio, der in einem in der Maiausgabe 1991 der Zeitschrift Komikku Bukkusu erschienen Artikel unter dem Titel "Gut, daß wir die Selbstverteidigungsstreitkräfte nicht geschickt haben"- jieitai ha dasanaide yokatta - seine Vorstellungen einer Reform des Jalta-Systems folgendermaßen skizzierte:

"Wenn die 159 Länder der Welt in Frieden leben wollen, müssen die heute von den 5 Großmächten beherrschten Vereinten Nationen reformiert werden. Japan oder Deutschland - wenigstens eines der beiden Länder - muß einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erhalten. Wenn Japan einen Sitz erhält, legt es gegen jegliche Militäreinsätze sein Veto ein. Dadurch, daß über die Zustimmung der 5 Großmächte (bzw. Japan eingeschlossen 6 Großmächte) hinaus die Zustimmung der Vollversammlung der Vereinten Nationen erforderlich wäre, würde der Einsatz militärischer Mittel stark erschwert" (302).
Suzuki will die japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte in von ihm vorgeschlagenen regulären UN-Streitkräften aufgehen lassen und verlangt darüberhinaus, daß diese UN-Streitkräfte - "eine Weltpolizei im wahrsten Sinne des Wortes" (303)  - nicht mit Atomwaffen ausgerüstet werden dürfen. Zu seinen weiteren Forderungen zählen die Abschaffung der "Feindstaatenklausel" - Artikel 53 und Artikel 107 der UN-Charta - und die Einrichtung von UN-Institutionen auch auf den pazifischen Inseln (304).
Im Golfkrieg unterstützte die Issuikai die irakische Seite. Suzuki geht davon aus, daß das nächste "Reich des Bösen" innerhalb des westlichen Lagers ausgemacht wird: Japan oder Deutschland (305).
Die Jûensha dagegen
"propagiert die Zerstörung der Vereinten Nationen von innen heraus, nämlich mittels des permanenten Sitzes Japans im Sicherheitsrat, und nach deren Untergang die Schaffung eines neuen internationalen Organs mit Japan an der Spitze. Mit Hilfe dieses Organs soll eine auf der Führung Japans basierende neue Weltordnung aufgebaut werden" (306).
Sie geht so weit, diese
"die UNO beherrschenden ehemaligen Siegermächte als 'weiße Imperialmacht' (hakujin teikoku shugi-sha) zu bezeichnen, die die Länder der 'farbigen Rasse' (yûshoku jinshu) - Asien, Afrika, Arabien, Lateinamerika - zu Boden zu zwingen und zu kolonialisieren trachte und dafür von den Verliererstaaten des Zweiten Weltkriegs - Japan, Deutschland, Italien - finanzielle und andersartige Unterstützung in Form eines 'internationalen Beitrags' (kokusai kôken), ein seit den 1980er Jahren von japanischen Politikern und den Medien häufig verwendetes Schlagwort, fordere" (307).
9.1.1.1. Zurückgewinnung verlorener Gebiete - shitchi kaifuku

In einem Geheimprotokoll hatte sich die UdSSR im Zuge des Jalta-Abkommens zum Kriegseintritt gegen Japan verpflichtet und im Gegenzug 1945 die Kurilen und Südsachalin besetzt und später annektiert (308). Von der Zerschlagung des Jalta-Potsdam-Systems verspricht sich die Neue Rechte auch die Zurückgewinnung der verlorenen Gebiete - shitchi kaifuku. In Form der Forderung nach Rückgabe der sogenannten Nördlichen Territorien - hoppô ryôdo henkan - war diese Thematik stets fester Bestandteil der Programmatik nahezu aller rechtsextremer Organisationen.
Die Rückgabe der Nördlichen Territorien wurde von Japan während des Kalten Krieges mit zunehmender Schärfe zur Vorbedingung für normale bilaterale Beziehungen mit der UdSSR gemacht. Demzufolge konnte bis heute kein förmlicher Friedensvertrag geschlossen werden, die bilaterale Wirtschaftskooperation blieb auch nach dem Ende des Kalten Krieges minimal. Selbst die Kommunistische Partei Japans (KPJ) fordert die Rückgabe der Nördlichen Territorien.
Im Gegensatz zur japanischen Regierung versteht die extreme Rechte unter der Bezeichnung Nördliche Territorien allerdings nicht nur die zwei südlichen Kurileninseln (Kunashiri und Etorofu) und eine Inselgruppe nördlich von Hokkaidô (Shikotan und Habomai), sondern die gesamte Inselkette - chishima rettô - und Südsachalin - minami karafuto. Darüber hinaus erhebt die extreme Rechte Ansprüche auf die Takeshima-Inseln (koreanisch Tokto) und die Senkaku-Inseln (chinesisch Diaoyutai).

9.1.2. Das Potsdam-System

Das Potsdam-System - potsudamu taisei - steht in der Ideologie der Neuen Rechten für den "antitennôistischen, volksfeindlichen, staatsfeindlichen Nachkriegszustand" (309), d.h. für die im Einklang mit der Potsdamer Erklärung über Japan verhängten Maßnahmen der amerikanischen Besatzungsmacht, insbesondere die Zerschlagung des Tennôsystems, die MacArthur-Reformen und die Nachkriegsverfassung.
Nicht nur die Verfassung und der Sicherheitsvertrag mit den USA, auch die Finanz- und Wirtschaftswelt, die Bürokratie, die bestehenden "korrupten" Parteien, die Neue Linke, die etablierte Rechte, die "verwestlichte" Kultur und die dekadenten Sitten - all dies sind für die Neue Rechte Elemente des Potsdam-Systems, die es noch vor dem Jalta-System zu vernichten gelte (310).
Insbesondere in diesem Bereich weist die Neue Rechte Ähnlichkeiten mit den von Voegelin beschriebenen Sektenbewegungen auf:

"Sofern die Sektenbewegungen politisch werden, werden sie von der Idee der zwei Welten - der Welt des Lichtes und der Welt der Finsternis, den Welten Gottes und Satans, den Welten des Geistes und der Materie - beherrscht. Um die Implikationen der Dichotomie zu verstehen, muß zwischen der mystischen Bedeutung von Geist und Materie und modernen Theorien über Materie und psychologische Prozesse unterschieden werden. Geist und Materie - oder Licht und Finsternis - sind kosmische Kräfte. Die manichäische Konzeption der Katharer als auch die Spekulation Eriugènas und der Sekten des 13.Jahrhunderts fassen die Welt als eine wechselseitige Durchdringung der Kräfte des Lichtes und der Finsternis oder des Geistes und der Materie auf. Die 'Welten' der politischen Spekulation werden als aufeinanderfolgende Perioden der Vorherrschaft der einen oder der anderen der beiden Kräfte unterschieden. In der gröberen, populären Konzeption, die für uns relevant ist, bedeutet dies, daß die zwei Welten in ihrer Struktur identisch sind und sich nur durch die in ihnen wirkenden Kräfte unterscheiden. Die Errichtung der Welt des Lichts beseitigt nicht die Struktur der Welt, wie wir sie kennen; wir lassen diese Welt nicht hinter uns und betreten ein jenseits; die Welt bleibt vielmehr erhalten, doch das Böse hat sie verlassen. Die Erlösung von dem Bösen bedeutet nicht den Tod, sondern im Gegenteil das Leben in einer herrlicheren Welt, die von den Kräften der Finsternis befreit wurde" (311).
Zwar hat der von Voegelin aufgeführte Gegensatz zwischen Gott und Satan in Japan keine vergleichbare Bedeutung, es sei allerdings auf Maruyama verwiesen, der feststellt, daß dem kokutai, zu dessen Schutz die Neue Rechte angetreten ist, seitens der Meiji-Reformer "die ungeheure Aufgabe übertragen [wurde], in Japan als geistiger Ersatz für das Christentum, das tausend Jahre lang die 'Achse' der europäischen Kultur gebildet hat, zu dienen" (312). Der Kampf der Welt des Geistes gegen die der Materie bildete bereits ein zentrales Thema der japanischen Propaganda im Zweiten Weltkrieg (313).

9.1.2.1. Anti-Amerikanismus - hanbei

Auch der Antiamerikanismus der Neuen Rechten läßt sich unter der Forderung nach der "Zerschlagung des Jalta-Potsdam-Systems" subsumieren. Während die systemimmanente extreme Rechte für den Abbau der wirtschaftlichen Spannungen und eine Verständigung mit den USA plädiert, werden US-amerikanische Forderungen nach Marktöffnung, freiem Handel und transparenter Marktgestaltung von der Neuen Rechten zurückgewiesen.

"Für die Jûensha ist der von den USA propagierte Slogan 'freier Handel' gleichbedeutend mit dem Streben der USA nach weltweiter wirtschaftlicher Kontrolle. Auch in diesem zusammenhang greift die Jûensha ihr stereotypes Feindbild der 'imperialistischen weißen Rasse mit den USA an der Spitze' auf, die mit der Propagierung des Freihandels nach Kolonialisierung der Länder der 'farbigen Rasse' trachte. Auf die unfairen Forderungen der USA müsse Japan neben der Verwirklichung politischer und sicherheitspolitischer Unabhängigkeit mit rigorosem wirtschaftlichen Autarkiestreben und einer Abschottung des japanischen Marktes reagieren" (314).
Am Antiamerikanismus entzündeten sich auch immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Vertretern der traditionellen Rechten und der Neuen Rechten:
"Es ist weit bekannt, daß Herr Akao Bin von der Aikokutô die Hinomaru und das Sternenbanner zusammen hißte, wenn er auf der Straße Reden hielt. 'Wie wenig wir Amerika auch schätzen: Wenn wir uns heute Amerika widersetzen, wird Japan an die Sowjetunion fallen. Deshalb müssen wir Amerika benutzen', sagte er dabei oft. 'Parolen der Neuen Rechten wie nichibei anpo hantai ("Nieder mit dem japanisch-amerikanischen Sicherheitsvertrag!") und hanbei ("Nieder mit Amerika!") sind unreifes Studentengeschwätz. Mit der Realität dieser Welt hat das nichts zu tun', wurden wir oft gescholten" (315).
Der Antiamerikanismus der Neuen Rechten hat darüber hinaus eine kulturkämpferische Dimension: Suzuki kritisiert z.B. in einem seiner Aufsätze die Teilnehmer einer antiamerikanischen Protestkundgebung, die Jeans trugen und Hamburger aßen, während sie gegen die USA demonstrierten und fordert sie auf, das von ihnen bereits "verinnerlichte Amerika"(316) zu bekämpfen:
"Während des Krieges wurde gesagt, Japan sei das Land des Geistes und der Kultur, die USA das Land des Materialismus und es gebe keinen Grund dafür, daß der Geist der Materie unterliegen könnte. Aber heute ist es Japan, das Geld und materielle Güter über alle Maßen wertschätzt. Es ist zu dem verkommen, was es früher als 'das verfressene Amerika' anzugreifen versuchte"(317).
9.2. Restauration: shôwa ishin bzw. heisei ishin

Mit der Forderung nach der Wiedereinsetzung des Tennô in eine seiner früheren Funktion vergleichbare Position sind die im Abschnitt über die nipponistische Vorkriegsrechte angedeuteten antiindividualistischen, antiparlamentarischen, antikommunistischen und nationalistischen Positionen eng verbunden.
Die Neue Rechte leugnet die japanische Kriegsschuld ebenso wie die japanischen Kriegsverbrechen. Sie fordert die Tilgung der entsprechenden Passagen aus den japanischen Schulbüchern, was sie in Konflikt zur Lehrergewerkschaft Nikkyôso setzt. "Laßt nicht zu, daß die roten Lehrer die Kinder für die politische Auseinandersetzung mißbrauchen!", lautet einer der Kernsätze Suzukis, der sich als Vorkämpfer einer politisch "neutralen" Schulausbildung sieht (318).
Die Neue Rechte beklagt den moralischen Verfall, die geistige Desolation und die politische, wirtschaftliche wie kulturelle Dekadenz, die das Japan der Nachkriegszeit für sie bedeuten. Die von ihr so wahrgenommene Leugnung traditioneller Werte,  die politische Korruption und die Uneinheitlichkeit der öffentlichen Meinung haben ihrer Meinung nach ihren Ursprung in der nach der Niederlage Japans durch die Besatzungsmacht USA erzwungenen Übernahme westlicher Ideen wie Demokratie, Individualismus und Materialismus.
Um dem entgegenzuwirken fordert die Juensha die rigorose Zerschlagung der Parteipolitik, die nach dem Prinzip der 'Macht des Geldes' - kinken - und der Korruption arbeite. Die wahren Gründe für die Korruptheit in der Politik seien der Glaube, daß durch die Einführung westlicher Systeme und Ideologien wie der parlamentarischen Demokratie die politischen Leistungen angehoben würden, und das unsinnige Festhalten am parlamentarischen System (319).
Suzuki Kunio und Nomura Shûsuke, die führenden Theoretiker der Neuen Rechten, propagieren die symbolische Rolle des Tennô, dessen Rolle als Garant für die Stabilität und Einheit der Nation von ihnen betont wird. Mit der Gründung der "Jugendkonferenz für den Aufbau eines Neuen Japans" - Atarashii Nihon wo Hajimeru Seinenshûkai - 1975 wollten sie bereits im Organisationsnamen zum Ausdruck bringen, daß die Rückkehr zu den Verhältnissen der Vorkriegszeit nicht zu ihren Anliegen zählt (320).
Sie halten die geistige Autorität des Tennô für entscheidend. Suzuki gesteht zu, daß in der japanischen Geschichte die Phasen überwiegen, in denen der Tennô nur als Staatssymbol - shôchôteki hataraki - fungierte, ohne die Regierungsgewalt faktisch in seinen Händen zu halten (321). Wichtig sei der "Geist des Tennô", die Idee. Deshalb ist es Suzuki zufolge sogar besser, wenn der Tennô sich mit voller Kraft seinen kulturellen Aufgaben widmet, ohne mit tagespolitischen Fragen in Berühung zu kommen, d.h. "eine die Politik transzendierende symbolhafte Existenz" annimmt (322). Dabei wirken Suzuki zufolge die Lautsprecherwagen der Rechtsextremen mit ihrem "Tennô, Tennô-Geschrei" oft abschreckend auf die Bevölkerung  (323).
Das entspricht der Sichtweise des Historikers Ashizu Uzuhiko (1909-1992), einem Experten für die Geschichte der nationalistischen Bewegung Japans und der Tennô-Institution, der als Kolumnist der "Shintô-Schrein Nachrichten" - jinja shinpô - einen Namen gemacht hat. jinja shinpô ist das offizielle Organ des Hauptamts für Angelegenheiten der Shintô-Schreine - jinja honchô. Ashizu hebt vor allem die Rolle des Tennô als über den politischen Parteien stehender Repräsentant der Einheit des japanischen Volkes hervor (324).
Nach dem Tod des Shôwa-Tennô gibt Nomura Shûsuke allerdings bei einer von der Issuikai veranstalteten Vortragsveranstaltung am 27.Januar 1989 folgende Losung aus: "Wir können nicht bis in alle Ewigkeit trauern. Für die Heisei-Restauration!"  (325). Damit greift Nomura die bereits in der Vorkriegszeit formulierte Forderung nach einer Shôwa-Restauration - shôwa ishin - auf, die bis 1989 in der Programmatik sowohl zahlreicher Gruppen der Neuen Rechten als auch der traditionellen Rechten zu finden war und eher für eine Rückbesinnung auf die Vergangenheit als für einen Neubeginn spricht.
Wichtigstes tagespolitisches Thema war für die extreme Rechte nach dem Tod des Shôwa-Tennô der Ablauf der Feierlichkeiten zur Inthronisierung des neuen Tennô. Bei der Thronbesteigung Akihitos im November 1990 handelte es sich um den ersten Thronwechsel seit der Trennung von Religion und Staat. Neben Protestaktionen gegen die Veranlagung des Kaiserhauses zur Erbschaftssteuer forderte die Neue Rechte vor allem, daß sowohl das Daijôsai als auch das Sokui no Rei in der Form eines Staatsakts - kokuji kôi - stattfinden sollten (326).
Beim Daijôsai handelt es sich um die dritte und abschließende Zeremonie bei der Inthronisierung eines neuen Kaisers, einen Erntedankritus, das "Große Opferfest des neu geernteten Reises" (327). Die Zeremonie trägt stark religiösen Charakter, da der neue Kaiser in ihrem Verlauf Reis und andere Opfergaben der Sonnengöttin Amaterasu Ômikami offeriert, diese vorkostet und so ein symbolisches Mahl mit den Gottheiten einnimmt. So wird die Rechtmäßigkeit der Thronfolge bestätigt und der Thronfolger zur Gottheit erhoben. Genaue Anweisungen für die Ausführung der Zeremonie enthält das bereits unter 5.1. erwähnte Engishiki von 927. Vom späten 15. bis zum späten 17. Jahrhundert wurde die Zeremonie nicht durchgeführt. Erst nach der Meiji-Restauration wurde das Ritual in veränderter Form wieder eingeführt. Im Gesetz über die Inthronisationsfeierlichkeiten - Tôkyokurei - von 1909 wurden die Prozeduren genau festgeschrieben und für die Taishô- und Shôwa-Kaiser entsprechend durchgeführt (328). Im Imperial Household Law von 1947 ist das Daijôsai nicht erwähnt. Das Tôkyokurei wird aber für nichtig erklärt (329).
Für die Neue Rechte sind die Riten des Daijôsai eng verknüpft mit der Idee der ungebrochenen Kaiserdynastie - bansei ikkei - und der Abstammung des Kaisers von der Sonnengöttin Amaterasu. Das Daijôsai wurde schließlich als Staatsakt abgehalten und zu wesentlichen Teilen mit öffentlichen Geldern finanziert. Die Thronbesteigung - Sokui no Rei - fand dagegen lediglich als Festakt der kaiserlichen Familie - kôshitsu no kôtekikôi - statt  (330). Der neue Tennô bietet Suzuki zufolge eine Chance für einen unbelasteten Neuanfang des Tennôsystems (331).
Zur Verwirklichung des Ziels der Restauration wird zuerst die Forderung nach Revision der Verfassung - kenpô kaisei - erhoben, die sich von der von Gruppen der traditionellen Gruppen erhobenen Forderung nach Wiedereinsetzung der Meiji-Verfassung - meiji kenpô fukugen - deutlich unterscheidet. In diesem Zusammenhang erläutert Nomura Shûsuke:

"Ich denke, daß sich die Wertvorstellungen einer Gesellschaft dem Zeitalter entsprechend verändern müssen. Deshalb mußte es zur Herausbildung einer neurechten Theorie kommen, die im wirklichen Sinne völkisch gesonnene rechte Jugendliche anzieht. Daran glaube ich, seitdem ich 1960 wegen dem Anschlag auf Kôno Ichirô - Kôno Ichirô yakiuchi jiken - ins Gefängnis kam (...) Ich bin Tennôist, ich liebe Japan, ich liebe meine Freunde. Daran hat sich nichts geändert. Was sich geändert hat, ist die Ausdrucksform. Wir werden nicht auf einmal das Großjapanische Reich ein zweites Mal errichten. Das ist am 15.August 1945 untergegangen"(332).
Geht es um die anzustrebende Richtung der künftigen Entwicklung, sind in der programmatischen Literatur der Neuen Rechten nur ausweichende Statements zu finden. Einen alternativen Verfassungsentwurf sucht man in der für diese Studie verwendeten programmatischen Literatur der Neuen Rechten vergebens. Während einer Veranstaltung konkret auf diese Frage angesprochen, verwies Suzuki - der Mitschrift der Diskussion zufolge - auf die vielen unterschiedlichen Richtungen und Organisationen der extremen Rechten, die noch zu keiner Einigung gekommen seien und auf vier Ausgaben der Rekonkisuta in denen verschiedene Standpunkte zur Verfassungsproblematik dargestellt werden (333). Zumindest solle es in der Verfassungsfrage eine Volksabstimmung geben. Deren Ergebnis werde von einem Großteil der Rechtsextremen akzeptiert, selbst wenn sich eine Mehrheit für die derzeitige Verfassung aussprechen würde, so Suzuki weiter (334).
Auf der Symbolebene finden die Forderungen nach einer - wie auch immer gearteten  - Restauration ihren Ausdruck in der Forderung nach der Anerkennung des Sonnenbanners hinomaru als Nationalflagge und der die Absolutheit des Kaisers preisenden kimigayo-Hymne als Nationalhymne. Bis heute werden beide zwar als Nationalsymbole betrachtet, eine gesetzliche Regelung die sie als Nationalflagge bzw. Nationalhymne festschreibt, gibt es aber  nicht. Die öffentliche Verbrennung der hinomaru durch einen linken Aktivisten auf Okinawa hatte am 1.März 1988 eine Protestversammlung - hinomaru shôkyaku jiken kyûdan shûkai - zur Folge, zu der rd. 600 Rechtsextremisten nach Okinawa anreisten, darunter auch die Tôitsu Sensen Giyugun  (335).

9.3. Antikommunismus

Der Antikommunismus der Neuen Rechten ist in erster Linie reaktiv. Die Neue Rechte entstand als Antithese zur linken Studentenbewegung. Ihr Hauptanliegen ist der Schutz des kokutai vor den linken Gegnern des Tennôsystems.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sieht Suzuki in antikommunistischen Aktionen keine Perspektive für die Neue Rechte mehr:

"Wenn man heute auf die Straße geht, fahren zwar die Wagen der uyoku an einem vorbei, aber meistens sind darauf Parolen wie 'Rückeroberung der Nördlichen Territorien' oder 'Zerschlagt die Lehrergewerkschaft' zu lesen. Aber der Kommunismus ist tot. Wenn sich die Lehrergewerkschaft von innen heraus spaltet (336)  , ist das dasselbe wie ihre Zerschlagung. Auch die Nördlichen Territorien werden wir zurückbekommen, es ist nur die Frage, wieviele Jahre es noch dauern wird. Es gibt also kein Angriffsziel mehr. Deshalb wird eine solche uyoku aussterben. Die als Antithese entstandene, antikommunistische extreme Rechte wird aussterben" (337).
9.4. Antikapitalistische Rethorik

Im Unterschied zur traditionellen Rechten, für die angesichts ihrer primär antikommunistischen Haltung Kritik am Kapitalismus in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg kein Thema war, bezieht die Neue Rechte gegen das kapitalistische Wirtschaftssystem Stellung.
Interessant ist in diesem Zusammenhang das Bekennerschreiben der "Jugendliga zur Zerschlagung des Jalta-Potsdam-Systems" zur Geiselnahme des Firmenpräsidenten von Sumitomo Fudô:

"Die Verschwörung der Liberaldemokraten mit der Finanzwelt und den Großkonzernen hat mit ihrem Streben nach materiellen Gütern - butsushitsu bannô shugi - und Profitmaximierung - eiri shijô shugi - die Berge und die Flüsse ruiniert, die Meere aufgeschüttet. Im Zuge dieser unheilvollen Entwicklung konnten sich korrupte Immobilienhändler wie Sumitomo Fudô auf Kosten von Staat und Bevölkerung die Taschen füllen, indem sie alle Grundstücke aufkauften und durch Scheinfirmen die Grundstückspreise gewaltig in die Höhe trieben.
Tatsächlich haben die großen Immobilienkonzerne seit den Plänen zum Umbau des japanischen Archipels - rettô kaizôron - ihren Vorteil daraus. Gemeinsam mit den ihnen verbundenen Politikern haben sie ihre Kapitalkraft dazu genutzt, durch Grundstücksspekulation - tochikorogashi - die Preise in die Höhe zu treiben und dabei eine Situation geschaffen, in der sich ein Büroangestellter sein ganzes Leben lang keinen einzigen Tsubo (jap. Flächenmaß: 3,3m², Anm.d.Verf.) in der Stadtmitte in seine Hände bekommen kann"(338).
Koppel liefert folgende Beschreibung des von der Jûensha angestrebten Wirtschaftssystems:
"Das auf den privaten Gewinn ausgerichtete 'amerikanisierte' Wirtschaftssystem müsse einem den individuellen Gewinn zugunsten des Staates und der Nation regulierenden Wirtschaftssystem (chôsei keizai) weichen. Das Finanzkapital sowie der 'Wuchergewinn' der Großunternehmen müsse vom Staat konfisziert, Schlüsselindustrien sowie Klein- und Mittelbetriebe 'geschützt' und 'gepflegt' werden" (339).

10. Aktionen der Neuen Rechten

Publikationen
Studienveranstaltungen
Paramilitärische Übungen
Straßenpropaganda - gaisenkatsudô - und Demonstrationen
Der "Tag der Nordgebiete"
Der "Antisowjetische Tag" - hansô de
Die Jahreshauptversammlung der Lehrergewerkschaft Nikkyôso

Rechtsextremer Terrorismus
Terror zum Schutz des kokutai
Angriffe auf linke Organisationen
Angriffe auf die Lehrergewerkschaft Nikkyôso
Angriffe auf die Massenmedien
Terror gegen "Großkapitalisten"
Terroraktionen gegen die Siegerstaaten des Jalta-Potsdam-System
Rassistischer Terror

Die folgende Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Zunächst soll ein kurzer statistischer Teil einen groben Überblick über das Ausmaß der Aktivitäten der extremen Rechten geben:
Beunruhigt äußert sich die Nationale Polizeibehörde Japans - keisatsuchô -  in ihren jährlich erscheinenden Weißbüchern - keisatsu hakusho - über die in den vergangenen Jahren konstant hohe Zahl der bei Rechtsextremisten beschlagnahmten Schußwaffen, die  sie für 1996 mit 104, für 1995 mit 100, für 1994 mit 102 angibt, während sie 1993 noch bei 24 und 1992 bei 61 lag  (340).
Die Zahl der von Rechtsextremisten verübten, aufgeklärten terroristischen Anschläge wird im Weißbuch von 1998 wie folgt angegeben: 1996: 8 Anschläge (8 Festnahmen), 1995: 6 Anschläge (8 Festnahmen), 1994: 10 Anschläge (14 Festnahmen); 1993: 10 Anschläge (13 Festnahmen); 1992: 15 Anschläge (18 Festnahmen) (341). Dubios erscheint, daß dagegen in der englischen Version des Weißbuchs von 1995 die Zahl der Anschläge für 1994 mit 13, für 1993 dagegen mit 7 angegeben wird (342).
Insgesamt wurden 1996 bei 208 "Zwischenfällen" - uyoku jiken - 324 Personen festgenommen (343). Die Vorjahreszahlen werden hier nicht angegeben, deshalb hier einige Vergleichswerte: 1995 waren es, der Nationalen Polizeibehörde zufolge,  282 "Zwischenfälle" und 440 Festnahmen (344). Für 1991 wurden lediglich 127 "Zwischenfälle" mit 186 Festnahmen aufgeführt (345). 1985 wurden 330 "Zwischenfälle" und 440 Festnahmen verzeichnet (346).
Die von den Polizeibehörden erstellten Statistiken nehmen keine Trennung zwischen Aktionen der Neuen Rechten und anderer rechter Gruppierungen vor. Von den erwähnten Inkonsistenzen einmal abgesehen geben sie lediglich einen groben Überblick und werden daher in diesem Zusammenhang nicht weiter berücksichtigt.

10.1. Publikationen und Pressearbeit

Die Herausgabe einer eigenen Publikation - kikanshi - zählt zu den typischen Aktivitäten sowohl der traditionellen wie auch der Neuen Rechten. Hinzu kommen einmal jährlich erscheinende Veröffentlichungen und in unregelmäßigen Abständen erscheinende Broschüren. Über die Hälfte der unterschiedlichen Dachverbände der extremen Rechten geben ebenfalls Monatszeitschriften heraus.
Während die Zeitschriften der Neuen Rechten zahlreiche Veranstaltungshinweise enthalten zeigt das Fehlen solcher Hinweise in zahlreichen Veröffentlichungen der traditionellen Rechten, daß sich diese Gruppen primär auf schriftliche Propagandatätigkeit beschränken. Die Zeitschriften der wichtigsten Gruppen der Neuen Rechten sind derzeit:

Der Zeitschriftenvertrieb stellt eine wichtige Einnahmequelle rechtsextremer Gruppen dar, insbesondere, wenn es die Gruppen schaffen, Anzeigenkunden zu gewinnen.
Hayashi nennt folgende Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen als Inserenten des von der mit der Inagawa-kai, einem Yakuza-Syndikat, verbundenen Taikôsha herausgegebenen Magazins Taikô: die Daiichi Kangyô Bank, Fuyo, Mitsui, Mitsubishi, Sanwa und Sumitomo (348). Taikô erschien erstmals im August 1981 und enthielt 321 Firmenanzeigen, von denen 95 von Firmen aus den genannten Unternehmensgruppen stammten (349).
"Zeitschriften, die Werbeanzeigen, etwa für Unternehmen enthalten, sind fast ausnahmslos 'yakuza-Rechten' zuzuordnen, während sich Zeitschriften ohne Werbeanzeigen entweder als Organe systemgegenerischer, traditioneller rechter Gruppen wie der Dai Nippon Seisantô oder aber der 'Neuen Rechten' entpuppen" (350).
Geht es der "yakuza-Rechten" in erster Linie um finanzielle Interessen, betonen Gruppen der Neuen Rechten wie Suzuki Kunios Issuikai ihre Unabhängigkeit. Dabei spielt die Frage der Glaubwürdigkeit eine nicht zu unterschätzende Rolle, propagiert die Neue Rechte doch die entschiedene Ablehnung der bestehenden politischen und wirtschaftlichen Ordnung, was sich durch Anzeigen führender Wirtschaftsunternehmen nur schwerlich untermauern ließe.
Im August 1975 erschien die erste Ausgabe des monatlichen Issuikai-Publikationsorgans "Reconqista" - bzw. Rekonkisuta (Shitchi Kaifuku) -, dessen aus dem Spanischen abgeleiteter Name nicht etwa auf emanzipatorische, anti-kolonialistische Inhalte hindeutet, sondern "die Rückeroberung der im zweiten Weltkrieg politisch, territorial und geistig verlorenen Gebiete zum Ziel hat" (351). Die Verwendung eines spanischen Lehnworts für die Namensgebung wurde Suzuki zufolge häufig kritisiert, allerdings konnte durch die Vermeidung typischer Namensbestandteile rechter Publikationen wie aikoku ("patriotisch"), ishin ("Restauration"), hankyô ("antikommunistisch") oder gokoku ("Vaterlandsverteidigung") im Titel eine sofortige Zuordnung der Zeitschrift zur extremen Rechten durch den potentiellen Käufer vermieden werden (352). Im Gegensatz zu den Artikeln in den Publikationsorganen der rechtsextremen Studentengruppen sollten die Berichte in der Rekonkisuta einfach und verständlich geschrieben sein und ohne das Fachvokabular der uyoku und der Studentenbewegung auskommen, so Suzuki (353). Zur Finanzierung des Zeitungsprojekts wurde im wesentlichen auf die Mitglieder zurückgegriffen, die jeweils mindestens sechs Monate lang zwischen 10.000 und 20.000 Yen aufbringen mußten (354).
Die Issuikai geht neue Wege bei der Verbreitung ihrer Informationen. Ähnlich den auch in der Bundesrepublik anzutreffenden "Nationalen Infotelefonen" unterhält die Gruppe ein durchgängig erreichbares Infotelefon - shûkan terefon nyuusu - unter der Nummer 03-3367-7606, dessen wöchentlich aktualisierter Anrufbeantworter die neuesten Informationen und Veranstaltungshinweise abspielt. Hier können auch Nachrichten hinterlassen werden (355).
Zahlreiche Gruppen nutzen die Möglichkeiten des World Wide Web zur Selbstdarstellung und zur Werbung für Veranstaltungen und Aktionen. Auf der am 20. März 1997 eingerichteten Homepage der Issuikai finden sich neben einer kurzen Organisationsgeschichte und einer Selbstdarstellung des Publikationsorgans Rekonkisuta nicht nur aktuelle Artikel ihrer Vordenker, sondern auch Hinweise zu den aktuellen Studienveranstaltungen der Organisation, zu denen auf diese Weise unmittelbar, d.h. ohne die bei Printmedien gegebene Zeitverzögerung, mobilisiert werden kann (356). Die neurechte "Sturmangriffstruppe" - Totsugekitai - mobilisiert auf diese Weise zu ihren Propagandaauftritten, die sie zweimal monatlich vor Bahnöfen des öffentlichen Nahverkehrs im Regierungsbezirk Tôkyô unter dem Titel "Das Teewasser fängt Feuer!" abhält (357).

10.2. Studienveranstaltungen

Regelmäßige monatliche Veranstaltungen in Form von Studienveranstaltungen - benkyôkai - gehören zur gängigen Praxis der "Neuen Rechten." Neben der Fortführung der Tradition der "Nationalen Schule" - kokugaku - dienen die Veranstaltungen dem Studium der Geschichte der rechtsextremen Bewegung in Japan, der Planung und Mobilisierung zu eigenen Aktivitäten sowie der Diskussion aktueller Ereignisse. Oft dienen die Veranstaltungen auch dem Austausch mit anderen Gruppen des rechten Lagers. Dann werden Gastredner aus anderen Organisationen bei der Gestaltung herangezogen.
Hinzu kommen Veranstaltungen wie der gemeinsame Besuch des Ise-Schreins, der der Sonnengöttin Amaterasu gewidmet ist, oder das jährliche Nowaki Matsuri mit anschließendem Besuch des Grabes von Mishima Yukio zu dessen Todestag. Daran nehmen Vertreter aller rechtsextremen Strömungen teil, was einen Austausch zwischen den ansonsten eher getrennt operierenden Lagern der "traditionellen" und der "Neuen Rechten" zumindest ermöglicht.
Darüberhinaus nutzt vor allem Suzuki Kunio jede sich bietende Gelegenheit zur Teilnahme an öffentlichen Diskussionsveranstaltungen, z.B. sprachen Suzuki und Kimura Mitsuhiro am 23. November 1989 auf dem Universitätsfest - Shiroyama Matsuri - der Tôyô-Universität, während Angehörige der linksgerichteten "Vierten Internationale" - Dai-Yon-Intâ - vergeblich versuchten, die Veranstaltung zu stören (358).

10.3. Paramilitärische Übungen

Militärischer Drill nimmt innerhalb der Aktivitäten der extremen Rechten eine bedeutende Stellung ein. Seit Mitte der 60er Jahre werden regelmäßig paramilitärische Übungen - butô kunren - abgehalten. Im Herbst 1966 richtete Mishima Yukio ein Gesuch an die jieitai, in ihren Kasernen trainieren zu dürfen (359). Informationen zu Umfang und Inhalt der Ausbildung sind nicht öffentlich zugänglich.
Vom 1. bis zum 3.August 1988 führte z.B. die Tôitsu Sensen Giyugun ein Trainingscamp in der Präfektur Ibaraki durch (360).

10.4. Straßenpropaganda - Gaisenkatsudô - und Demonstrationen

Die gaitô sendensha oder kurz gaisensha genannten "Straßenpropagandawagen" der extremen Rechten sind ein aus dem Straßenbild japanischer Großstädte nicht wegzudenkendes Phänomen geworden. Es handelt sich hierbei zumeist um schwarze, mit dem Sonnenbanner und zahlreichen Slogans bemalte Lastwagen mit aufmontierter Lautsprecheranlage, die die Umgebung mit Parolen und japanischer Militärmusik sowie der Kaiserhymne kimigayo in ohrenbetäubender Lautstärke beschallen. Die Erfindung dieser Aktionsform wird Akao Bin, in der Vorkriegszeit Führer der Kenkokukai, bis 1990 Präsident der "Großjapanischen Patriotischen Partei" - Dai Nippon Aikokutô - zugeschrieben (361).
Diese Form der Propaganda der Straße stellt u.a. ein bevorzugtes Mittel zur Einschüchterung und Erpressung von Einzelpersonen dar.
Um das aus solchen Aktivitäten resultierende schlechte Image der Rechtsextremen abzuschütteln, setzt die "Neue Rechte" auf einen gemäßigten Propagandastil. Auf militärische Uniformen soll verzichtet werden, die schwarzen Lastwagen gegen weiße ausgetauscht und eine gemäßigte Lautstärke eingehalten werden.
Der Übergang von der Propagandaaktion zu Handgreiflichkeiten ist dabei fließend. Am 9.April 1977 wird Suzuki Kunio bei einer solchen Propagandaaktion gegen das Gebäude der japanisch-sowjetischen Freundschaftsgesellschaft - nichiso yûkô kaikan - festgenommen (362). Die Gewaltbereitschaft der Rechtsextremen beschreibt die folgende Darstellung Suzukis:

"Einmal ist folgendes passiert. Einer der Jugendlichen der Issuikai hielt gerade eine Ansprache vom Dach eines Lautsprecherwagens in Harajuku. Er wurde von den Zuhörern ausgebuht. Das kommt immer wieder vor. Wenn man es ignoriert, ist es nicht so schlimm. "Idiot! Es wäre besser, wenn das Volk aussterben würde", "Hör auf!" wurde mit lauter Stimme geschrieen. Langsam ging ihm das auf die Nerven, er beugte sich unerwartet nach unten und packte den Jungen am Kragen. Das war für den Schreihals, den er am Kragen hatte, recht überraschend"(363).
Dabei stellt die Übergabe des Mikrofons an jüngere Mitglieder offenbar eine Art Initiationsritus der Rechtsextremen dar. Noch heute erinnert sich Etô Toyohisa von der Nihon Seinensha daran, wie er vor mehr als 20 Jahren das Mikrofon von Akao Bin überreicht bekam:
"Als ich in den Wagen stieg und das Mikrofon überreicht bekam, dachte ich mir, ich sei sozusagen der Größte" (364)  .

Mit der Gründung der Tôitsu Sensen Giyugun als "schlagende Bewegung" orientierte sich die Neue Rechte an der Kampfpraxis des Zengakuren, der den Zick-Zack-Marsch - jiggu-jaggu-demo - berühmt machte:

"Dieser Demonstrationsstil, bei dem sich die Demonstranten in dicht aneinandergepreßten Vierer- bis Zehnerreihen schlangenförmig vorwärtsbewegen, wird bis heute praktiziert. Eingeübt wird diese Gangart schon im Vorfeld der Kundgebung oder Demonstration, wenn einzelne kleine Gruppen am Versammlungsort in Blöcken aus solchen Reihen über den Platz ziehen, wobei sie eine gegen sie gerichtete Reihe, die einen Balken trägt, nach hinten drücken" (365)
Suzuki benutzt lediglich einen anderen Begriff - jigu-zagu-demo - um zu beschreiben, wie sich die behelmten Mitglieder der Giyugun durch die Straßen bewegten (366).

10.4.1. Der "Tag der Nordgebiete"

Zu mehreren festen Terminen finden Massenaufmärsche der rechtsextremen Bewegung statt, an denen sämtliche Strömungen teilnehmen. Besonders hervorzuheben ist darunter der "Tag der Nordgebiete", der von der Regierung Suzuki (LDP) eingeführt und am 7. Februar 1981 erstmals begangen wurde. Im am selben Tag im Jahre 1855 abgeschlossenen Vertrag von Shimoda legten Japan und Rußland erstmals ihre gemeinsame Grenze fest. Sie verlief zwischen den Inseln Etorofu und Uppuru (russisch: Urup).

"Bei Veranstaltungen am 'Tag der Nordgebiete' sind stets der Premierminister und Mitglieder seines Kabinetts sowie Vertreter der Oppositionsparteien anwesend. die Einführung des Gedenktages bot Premierminister Suzuki 1981 eine Gelegenheit, als erster Regierungschef im Amt eine Inspektion der Nordgebiete von der Nordküste Hokkaidos aus vorzunehmen. Auch die Präfekturen des Landes halten inzwischen Veranstaltungen aus Anlaß des 'Tages der Nordgebiete' ab.
Innerhalb von sechs Jahren breitete sich auf diese Weise die organisierte Bewegung zur Unterstützung der Forderung nach Rückgabe der Inseln von zunächst 13 auf alle 47 Präfekturen des Landes aus" (367).
10.4.2. Der "Antisowjetische Tag" - hanso dê

Einen weiteren landesweiten Aktionstag stellt der "antisowjetische Tag" - hanso dê -  am 9.August jeden Jahres dar. Am selben Tag im Jahre 1945 erklärte die Sowjetunion auf Drängen der westlichen Alliierten Japan entgegen dem bilateralen Neutralitätsvertrag den Krieg und marschierte in die Mandschurei ein.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im August 1991 fand, Suzuki zufolge, am 22. April 1992 im Tokyoter Teikoku-Hotel ein Gespräch zwischen rund 50 Vertretern der japanischen extremen Rechten und russischen Botschaftsangehörigen über die Zukunft der japanisch-russischen Beziehungen statt (368).

10.4.3. Die Jahreshauptversammlung der Lehrergewerkschaft Nikkyôso

Einen weiteren strömungsübergreifenden Aktionstag stellen Großveranstaltungen und die Jahreshauptversammlung der Lehrergewerkschaft Nikkyôso dar, die von den Rechtsextremen für die "Zerstörung des traditionellen japanischen Wertesystems" verantwortlich gemacht wird:

"In January 1979, some 900 people representing 114 different right-wing bodies held protest demonstrations at a Nikkyôso education research seminar in Mito City. Again in July of that year, 1100 people from 130 different groups flocked to Fukuoka City to stage protests at the union's annual convention. The persistence of the right wing in barging on Nikkyôso gatherings and creating disturbances is such that town fathers are increasingly reluctant to lend out their facilities, fearing trouble" (369).
An den Aktionen gegen die Jahreshauptversammlung von Nikkyôso im Jahre 1987 in Ôsaka nahmen 4290 Mitglieder aus 518 Organisationen teil (370).

10.5. Rechtsextremer Terrorismus

Der Terrorismus der Neuen Rechten läßt sich mit dem von Voegelin entwickelten Begriff der "eschatologischen Gewalt" faßbar machen:

"Unter eschatologischer Gewalt verstehen wir ein Reich der Aktion, das - im Verständnis der aktivistischen Gläubigen - jenseits von Gut und Böse liegt, weil es den Übergang von der Welt des Unrechts in eine Welt des Lichts sicherstellt (...) Die Kräfte der welt-immanenten menschlichen Geschöpfe mischen sich auf unsagbare Weise mit den transzendentalen Kräften des Göttlichen, so daß die Tat des menschen nicht länger eine menschliche ist, sondern die Wirksamkeit göttlicher Energie durch die menschliche Form. Was in Wirklichkeit durch politische Aktion und Gewalt geschieht, wird als eine Operation des transzendentalen Geistes verstanden. Moralisches Urteilen, das in der gewöhnlichen menschlichen Existenz gültig ist, ist augenscheinlich nicht auf die spirituelle Aktion anwendbar. Diese 'letzte Gewalt', im aktivistisch-mythischen Sinne, liegt jenseits einer Existenzordnung, in der der Mensch in seiner kreatürlichen Endlichkeit verstanden wird"(371).

Das Verständnis der eigenen Aktion als "Strafe des Himmels" - tenchû - erklärt die Brutalität rechtsextremer Terroristen (372):
"Da die eschatologische Gewalt jenseits von Gut und Böse liegt, und da der Krieg für die Welt des Lichtes eine transzendentale geistige Operation ist, in der die Mächte der Finsternis aus dem Kosmos entfernt werden, werden sich die Gläubigen zwangsläufig in einer Gründlichkeit der Vernichtung ergehen, die von der Warte der Realität aus als Bestialität und Grausamkeit erscheint" (373) .

Schriftliche Bekennerschreiben sollen die Öffentlichkeit nach den Anschlägen von der Richtigkeit einer Aktion überzeugen und das Opfer, dem solchermaßen ein "Verweis" - kyûdan - erteilt wurde, zur Reflexion seiner angeblichen Verfehlungen und unmoralischen Handlungen, die den Bestand des kokutai in Frage stellten, bewegen (374).
"Da die Veränderung der menschlichen Natur und die Transfiguration der Geschichte nicht in den Bereich des menschlichen Handelns fallen, kann menschliches Handeln, das auf dieses Ziel hingerichtet ist, nicht im Rahmen einer rationalen Zweck-Mittel Relation operieren. Die politische Praxis einer aktivistischen Bewegung kennzeichnet deshalb entweder die vorher diskutierte Planlosigkeit oder das Fehlschlagen eines Plans - oder eine Mischung aus beidem" (375).
Nichts könnte die politische Praxis der rechtsextremen Terrorgruppen besser charakterisieren, bei der die Angemessenheit derVorgehensweise in Anbetracht von Zeit, Ort und Anlaß der Aktion - interessanterweise mit der englischsprachigen Abkürzung TPO, "appropriate to the time, place and occasion", bezeichnet -  eine große Rolle spielt (376). Etô Toyohisa berichtet z.B. von einer geplanten Aktion gegen den Vorsitzenden der japanischen Ärztekammer, Takemi Tarô, die an der nicht erwarteten Anwesenheit einer weiblichen Patientin scheiterte (377).

10.5.1. Terror zum Schutz des kokutai

10.5.1.1. Angriffe auf linke Organisationen

Häufigste Opfer der Terroraktionen der Neuen wie der traditionellen Rechten waren Vertreter linker Parteien und Organisationen, die für eine Abschaffung des Tennôsystems eintreten. Einige der spektakulärsten Anschläge seien im folgenden genannt:

Hori verzeichnet für den Zeitraum von 1966 bis 1987 101 größere terroristische Aktionen gegen Vertreter der KPJ (378).
Zu regelmäßigen gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt es zwischen Angehörigen der Neuen Rechten und der Neuen Linken:
Am 17.April 1988 lieferte sich die Tôitsu Sensen Giyugun heftige Auseinandersetzungen mit Angehörigen der linksgerichteten "Kernfaktion" - Chûkakuha, die beim "21. Festival für die Rechte des Volks von Okinawa" - Dai-21-Kai Okinawa Minken Matsuri, einer von der Rechten in der Vergangenheit stets bekämpften Veranstaltung, den Schutz des Eingangsbereichs übernommen hatte (379).
Mit dem "Verein Revolutionärer Arbeiter" - Kakurôkyô - schlug sich die Tôitsu Sensen Giyugun - anläßlich einer Protestveranstaltung gegen den Sicherheitsvertrag nahe der US-Marinebasis Yokosuka am 1. November 1989 (380).
Vom 3.Oktober bis zum 20.Oktober führte die Issuikai tägliche Aktionen vor dem Gebäude des "Vormarsch"-Verlags - Zenshinsha - der Chûkakuha ab, bei denen die Gruppe aufgefordert wurde, die bevorstehenden Inthronisierungsfeierlichkeiten für den Heisei-Tennô nicht zu "entweihen" - daijôsai wo kegasu na (381). Nachdem die Chûkakuha im November 1990 mehrere Raketen auf den Kaiserpalast abgefeuert hatte, um die Inthronisation des Kaisers am 22. und 23. November zu stören, verübten Rechtsextreme einen Bombenanschlag auf das Gebäude der Chûkakuha (382). Im November 1992 zerstörten Rechtsextreme nach einem Brandanschlag auf einen Shintô-Schrein einen Schwertransporter der Chûkakuha(383).
Am meisten Aufsehen erregte im vergangenen Jahrzehnt jedoch das Attentat eines Mitglieds der traditionellen rechtsextremen Organisation "Schule der gerechten Herzen" - Seiki Juku, das den Bürgermeister von Nagasaki, Motoshima Hitoshi, am 18.Januar 1990 niederschoß, einen LDP-Politiker, der erklärt hatte, der Tennô trage seiner Meinung nach die Verantwortung für den Krieg (384).

10.5.1.2. Angriffe auf die Lehrergewerkschaft Nikkyôso

Ein weiteres Ziel der rechten Terroristen bildet die Lehrergewerkschaft Nikkyôso:


10.5.1.3. Angriffe auf die Massenmedien

Neben der Linken, die das Tennôsystem abschaffen will, und der Lehrergewerkschaft Nikkyôso, die für den Verfall der Werte verantwortlich gemacht wird, sind die Massenmedien ins Fadenkreuz der rechten Terroristen gerückt.
Mitglieder der Tôitsu Seinen Giyugun stürmten im Juli 1984 das Büro der Zeitschrift Shinzasshi X, nachdem diese eine Karrikatur des Tennô abgedruckt hatte, sowie die Privatwohnung des Zeichners (385).
Am 24. Januar 1987 überfielen Sekihôtai-Mitglieder die Zentrale der Asahi Shinbun in Tokyo, die nach Meinung der Rechtsextremisten dem Kaiser nicht den gebührenden Respekt zollte und die japanische Geschichte verzerrt darstelle (386). Am 3.Mai 1987 wurde der Journalist Kojiri Tomohiro im Hanshin-Büro der Asahi Shinbun in Nishinomiya von einem Rechtsextremisten der Sekihôtai erschossen, ein weiterer Journalist wurde verletzt (387). Der Täter wurde nie gefaßt. Am 24. September 1987 verübte die Sekihôtai einen Anschlag auf das Beschäftigtenwohnheim der Asahi Shinbun in Nagoya (388). Am 11. März 1988 schlug ein Bombenanschlag auf das Büro der Zeitung in Shizuoka fehl, weil die Paketbombe rechtzeitig entdeckt worden war (389).
Kurz nach dem Bombenanschlag soll der damalige japanische Premierminister Takeshita einen maschinengeschriebenen Drohbrief der Gruppe an seine Privatadresse in der Präfektur Shimane erhalten haben. Darin wurde er aufgefordert, den Yasukuni-Schrein zu besuchen und Einfluß auf die Darstellung der japanischen Kriegsverbrechen in Schulbüchern zu nehmen (390).
Im Yasukuni-Schrein werden die Seelen der Kriegstoten, unter ihnen auch zahlreiche Kriegsverbrecher wie der japanische Regierungschef im Zweiten Weltkrieg Tojo Hideki, als Gottheiten verehrt. Takeshita besuchte den Schrein 1988 nicht, weil er kurz vor einem Staatsbesuch in China dadurch nicht die Gesprächsathmosphäre verderben wollte (391).
Auch sein Vorgänger Nakasone Yasuhiro, der es sich zum 40.Jahrestag des Kriegsendes 1985 nicht hatte nehmen lassen, den Schrein in offizieller Funktion als Ministerpräsident zu besuchen, erhielt Drohungen. Nach heftigen Reaktionen Chinas und Koreas hatte er im folgenden Jahr auf den Besuch des Schreins verzichtet, was ihm den Vorwurf der Sekihotai einbrachte, das japanische Volk betrogen zu haben. Auch Nakasone erhielt das Drohschreiben an seine Privatadresse in der Präfektur Gunma. Er solle Einfluß auf Takeshita ausüben, wenn er von der Exekutionsliste gestrichen werden wolle, hieß es in dem Schreiben, das am selben Tag in Shizuoka aufgegeben wurde wie ein Bekennerschreiben der Gruppe zum Bombenanschlag auf das Shizuoka-Büro der Asahi Shinbun (392).

10.5.2. Terror gegen "Großkapitalisten"

Am 3.März 1977 besetzte Nomura Shûsuke mit drei weiteren Anhängern unter dem Namen "Jugendliga zum Umsturz des Jalta-Potsdam-Systems" - YP-Taiseidatô Seinen Dômei - die Zentrale des japanischen Föderation der Wirtschaftsorganisationen Keidanren (Keizai Dantai Rengôkai). Es war die erste militärische Aktion der Neuen Rechten seit dem Tode Mishimas und Moritas (393).
Zehn Jahre später, am 13. Januar 1987 griffen Ninagawa Masahiro und zwei weitere Rechtsterroristen unter demselben Namen - YP-taiseidatô seinen dômei - den Präsidenten des Immobilienunternehmens Sumitomo Fudôsan, Andô Tarô, in seinem Haus an. Mit einem Schwert bewaffnet nahmen sie Andôs Ehefrau als Geisel, bis sie von der Polizei festgenommen werden konnten. Den Hintergrund dieses Anschlags bildeten der sprunghafte Anstieg des Yen gegenüber dem US-Dollar - endaka - und die daraus resultierende Wirtschaftskrise sowie das Bekanntwerden der betrügerischen Methoden, mit denen Sumitomo Fudôsan nach dem forcierten Kauf von Baugrundstücken in Tôkyô durch den Zwischenhandel mit affiliierten Unternehmen die Grundstückspreise in die Höhe trieb, um sich finanziell zu bereichern (394). Am 16.Juni wird Andô von der Tôkyô Shinbun mit dem Worten zitiert, "Geld" sei das Ziel der Terroristen gewesen, wofür er sich nach heftiger Kritik seitens der Tôitsu Sensen Giyugun am 24. September 1987, entschuldigt (395).
Am 10. August 1988 setzte ein Mitglied der Sekihôtai das Wohnhaus des Recruit-Firmenpräsidenten Ezoe Hiromasa in Brand (396).
Auch die aktuelle Wirtschaftskrise hat die Neue Rechte zu Aktionen bewegt: Am 13.Januar 1998 drang Itagaki Tetsuo, ein ehemaliges Mitglied der Tôitsu Seinen Giyugun mit einer Pistole bewaffnet in die Tokyoter Börse ein und nahm Abe Masahiro, den stellvertretenden Revisor, als Geisel. Itagaki forderte die Aussetzung des nachmittäglichen Handels, den Verzicht auf die angekündigten Deregulierungsmaßnahmen im Finanzsektor und ein Treffen mit dem Finanzminister (397).

10.5.3. Terroraktionen gegen die Siegerstaaten des Jalta-Potsdam-System

Am 19. Juli 1984 wurde Ikawa Takeshi von der Tôitsu Sensen Giyugun, bei einem Angriff gegen die US-Botschaft unter der Parole "Nieder mit Amerika, hoch das Vaterland! Zerschlagt das Jalta-Potsdam-System!" - hanbei aikoku YP-taisei datô -   festgenommen (398).
Im Mai 1985 beteiligte sich die Organisation an einer Demonstration der Widerstandsbewegung gegen den Bau eines Wohngebiets für US-Militärangehörige in Ikego, nahe der Stadt Zushi in der Präfektur Kanagawa. Am 27. Mai 1985 wurden Itagaki Tetsuo und Ikawa Takeshi nach einem Brandanschlag auf eine Militäreinrichtung in diesem Zusammenhang festgenommen (399).
Dabei richten sich die Aktionen der Neuen Rechten nicht nur gegen die beiden Großmächte: Im Juni 1982 verübte Kimura Mitsuhiro, damals noch Mitglied der Tôitsu Sensen Giyugun, die im Falkland-Krieg die argentinische Seite unterstützte, mit einem Molotow-Cocktail einen Brandanschlag auf die Kulturabteilung der britischen Botschaft (400). Kimura wird verhaftet und zu acht Monaten Gefängnis verurteilt (401).

10.5.4. Rassistischer Terror

Am 17.Mai 1990 wurde in Nagoya eine Veranstaltungshalle der koreanischen Minderheit vor einem Staatsbesuch des südkoreanischen Präsidenten Roh Tae Woo in Japan von der Sekihôtai in Brand gesetzt, nachdem Roh den Tennô aufgefordert hatte, sich für die japanischen Kriegsverbrechen zu entschuldigen (402). Im Bekennerschreiben werden die zugrundeliegenden Ressentiments gegenüber der koreanischen Bevölkerungsgruppe deutlich:

"Die Koreaner haben als Handlanger der Mongolen unsere Vorfahren hingemordet. Die Japaner werden diese Wunde nicht vergessen. Roh Tae Woo soll nicht kommen! Wenn er kommt, garantieren wir nicht für seine Sicherheit. Wenn er kommt, werden wir die antijapanisch eingestellten, in Japan lebenden Koreaner bis zum letzten Mann hinrichten. Auch die Japaner, die sich zu Handlangern der antijapanischen Massenmedien machen, werden wir hinrichten. Wir werden nicht zulassen, daß der Stolz der Japaner beschmutzt wird".
Bereits Wochen vor dem geplanten Besuch wurde zwischen der japanischen und der koreanischen über die Form der Entschuldigung für die japanischen Kriegsverbrechen verhandelt, während rechtsextreme Gruppen vehement gegen jede Form des Bedauerns protestierten und erklärten, der Kaiser mit seiner symbolischen Rolle dürfe nicht für politische Zwecke mißbraucht werden.


11. Interaktionskritische Dimension

Der interaktionskritische Aspekt soll das Beziehungsgeflecht zwischen politischer Gesamtkultur und rechter Subkultur sowie die daraus entstehende Beeinflussung des Resonanzfeldes der Organisationen der Neuen Rechten analysieren. Die hierfür notwendige Untersuchung des Wirkungszusammenhanges von rechter Subkultur und Gesamtkultur und der sich durch dieses Wechselspiel verändernden Strukturen ideologischer wie auch organisatorischer Natur sowie die dazu erforderliche Ursachenforschung würden den Rahmen dieser Arbeit sprengen.
An dieser Stelle sollen lediglich zwei Anmerkungen gemacht werden, einmal das Verhältnis der Neuen Rechten zur Neuen Linken betreffend, zum anderen die Artikulationsmöglichkeiten der Neuen Rechten in den Massenmedien betreffend.
Die Issuikai bemühte sich erfolgreich, Kontakte zur "Neuen Linken" herzustellen, was als Zeichen der Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der ideologischen Position des Gegners verstanden werden soll. Am 24. September 1989 fand in der Nachhilfeschule Kawai Juku in Ôsaka eine erste Diskussionsveranstaltung mit Suzuki Kunio und einem Vertreter der Linken zur Problematik der in Japan lebenden Ausländer vor 500 Nachhilfeschülern statt (405). Dem folgte am 6. Oktober 1991 eine Veranstaltung mit Shiomi Takaya, dem Gründer der Rote Armee Faktion - Sekigunha - unter dem Titel "Dialog über den Kampf der Linken mit der Rechten" am selben Ort  (406). Am 27. September 1992 fand der so begonnene Dialog wiederum im Ôsaka Kawai Juku seine Fortsetzung. Neben Shiomi Takaya und Suzuki Kunio nahm Kitano Makoto teil  (407). Am 16. Oktober 1993 kam es dort zu einer dritten Veranstaltung mit Shiomi und Suzuki (408).
Die Issuikai sieht ihre Studienveranstaltungen als Teil ihrer Bemühungen um die Verbesserung ihres Images. Besonders bemerkenswert ist dabei, daß der solchermaßen salonfähig gewordene Suzuki Kunio von der Buraku-Befreiungsliga - Buraku Kaihô Dômei - zu einer Veranstaltung unter dem Titel "Diskriminierung und Menschenrechte aus der Sicht der Neuen Rechten" in ihre Zentrale im Stadtteil Ikeda von Ôsaka eingeladen wurde (409).
Mittlerweile hat die Neue Rechte auch Eingang in die von ihr bekämpften Massenmedien gefunden:
Ganze 12 Tage nach dem Attentat auf den Bürgermeister von Nagasaki organisierte die Issuikai am 30.Januar 1990 eine Diskussionsveransstaltung unter dem Titel "Terror und das Recht auf Meinungsfreiheit", bei der neben Suzuki Kunio auch Inami Shinosuke, ein verantwortlicher Redakteur der Asahi Shinbun sowie Murayama Minoru, der Herausgeber der Zeitschrift Shinzasshi X auf dem Podium saßen (410).
Insbesondere Suzuki Kunio ist zu einem beliebten Gast des mehrstündigen, nächtlichen Diskussionsprogramms "Live-TV bis in den Morgen" - asa made namaterebi - geworden. Am 23. November 1990 konnte er im Rahmen dieser Sendung neben Nomura Shûsuke seine Ansichten über das "Symbolische Tennôsystem und Japan" verbreiten (411). Nach dem Beginn der alliierten Luftangriffe auf den Irak trat Kimura Mitsuhiro am 17. Januar 1991 in derselben Sendung auf, diesesmal zum Thema "Was tun im Nahen Osten? Was tun, Japan?" Am 23. April 1991 nahm Suzuki an einer im selben Rahmen abgehaltenen Diskussion zur japanischen Verfassung teil.
Auch als Gastkolumnist ist Suzuki zum gefragten Autor geworden, vor allem für Wochenzeitschriften, z.B. für die Sonderausgabe von Shûkan Kinyôbi vom 25.Februar 1994, die unter dem Titel "Was das Tennôsystem für mich bedeutet" erschien.

12. Fazit

Ziel dieser Arbeit war es, dem bislang noch recht diffus bearbeiteten Forschungsfeld des japanischen Rechtsextremismus eine systematische Betrachtung entgegenzustellen, ein Versuch, der durch die Komplexität des Themas "Japans Neue Rechte" und die wissenschaftlich wenig ausgereiften Vorarbeiten zu diesem Thema erschwert wurde. Durch eine skizzenhafte Darstellung der deutschen und japanischen Begrifflichkeiten wurde zunächst ein Einblick in die Problematik gegeben, aus dem sich die Notwendigkeit einer Standortbestimmung der "Neuen Rechten" Japans ergab. Dabei wurden die Wurzeln der japanischen "Neuen Rechten" mittels einer historisch deskriptiven Herangehensweise offengelegt, nicht ohne dabei die japanspezifischen Besonderheiten der japanischen rechtsextremen Bewegung zu berücksichtigen, die sich insbesondere in der herausragenden Bedeutung des kokutai für deren Ideologie wiederspiegeln. Das Phänomen "Neue Rechte" hat seine Ursprünge in einem Wandel des geistig-politischen Klimas in Japan in den 60er Jahren, der u.a. geprägt wurde durch den Aufstieg der Studentenbewegung, die sich als Opposition zum japanisch-amerikanischen Sicherheitsvertrag formierte, und den in konservativen Kreisen thematisierten Sinn- und Werteverlust der von Dekadenz bedrohten modernen japanischen Gesellschaft, der nur in deren Untergang münden könne. Vor diesem Hintergrund entstand Japans "Neue Rechte" als eine von Intellektuellen getragene Gruppierung, die sich aus Protest gegen die veralteten, unbeweglichen Strukturen des alten Rechtsextremismus formierte.
Um zu einer differenzierteren Betrachtung der "Neuen Rechten" zu gelangen, nachdem die Entstehungsbedingungen derselben dargestellt wurden, habe ich auf das zumindest in Ansätzen analytische Modell von Dudek und Jaschke zurückgegriffen und versucht, eine den japanischen Gegebenheiten angepaßte Version desselben zu entwickeln. Dieses Modell ermöglichte zunächst die Einordnung der "Neuen Rechten" auf einer Metaebene: im Rahmen der politischen Kultur Japans. Japans "Neue Rechte" ist demzufolge eine Ausprägung des japanischen Rechtsextremismus der Nachkriegszeit, die als rechte politische Subkultur in Erscheinung getreten ist. Das Modell von Dudek und Jaschke stellt ein auf drei stets in Abhängigkeit zu betrachtenden Ebenen basierendes Untersuchungsraster bereit, um diese rechte Subkultur zu präzisieren. Es konkretisiert sich in einer Untersuchung der "Neuen Rechten" mit Blick auf ihre organisatorische Vernetzung, ihre ideologischen Bezugspunkte sowie ihre Wechselbeziehung zur Gesamtgesellschaft, ein Aspekt, der im Rahmen dieser Arbeit lediglich ausschnittweise dargestellt werden konnte.
Es ist ein Defizit der gesamten Rechtsextremismusforschung, daß bei der Untersuchung des Phänomens an entscheidenden Stellen normative Begriffe verwendet werden. Als Beispiel mag Stöss' Definition der Demokratiefeindschaft als zentraler Erklärungswert für Rechtsextremismus genannt werden (415). Es fehlt bereits an verläßlichen empirischen Daten, aber auch an geeigneten analytischen Modellen, um den in der Bundesrepublik Deutschland existierenden Rechtsextremismus wissenschaftlich aufzuarbeiten. Ein Defizit, das sich angesichts des völligen Fehlens japanischer Literatur über Japans "Neue Rechte" unweigerlich auch in dieser Arbeit niederschlägt, wenn es um die Bestimmung der ideologischen Dimension der "Neuen Rechten" auf der Basis der Stammkultur geht. Dudek und Jaschke erklären die politische Stammkultur der westdeutschen rechtsextremen Bewegung der Nachkriegszeit auf der Basis eines normativen Begriffs, des heroisch-völkischen Realismus nach Marcuse, der sich wiederum in normativen Begriffen auflöst wie dem Streben nach Ganzheit, usw. Genauso verhält es sich mit dem in dieser Arbeit zentral verwendeten Begriff des "Neuen Nationalismus", der lediglich im Kontext seiner Verwendung durch verschiedene Autoren rekonstruiert wurde. Es war mir im Rahmen dieser Arbeit unmöglich, diese Defizite zu relativieren.

Am Ende dieser Arbeit soll eine kurze, mehr subjektive, politische Einschätzung der Neuen Rechten Japans folgen. Entgegen der gängigen Darstellung der japanischen Rechtsextremisten als "lunatic fringe" ist Japans Neue Rechte gerade im praktisch-politischen Bereich nicht zu unterschätzen. Es handelt sich um eine in hohem Maße handlungsfähige rechte Subkultur, die zwar keine große Anziehungskraft für den Mainstream der Gesellschaft besitzt, aber einen steten Zufluß an Mitgliedern aus den Reihen der Marginalisierten der japanischen Gesellschaft verzeichnen kann. Der Versuch neurechter Theoretiker, durch Loslösung von den traditionellen rechtsextremen Strukturen breitere Bevölkerungsschichten für sich zu erschließen, ist bislang erfolglos geblieben. Das muß, wie die aktuelle Diskussion um die Geschichtsbücher für den Schulunterricht zeigt, nicht so bleiben. Die Neue Rechte schafft es immer wieder, Themen aus der gesellschaftlichen Diskussion aufzugreifen, und in ihrem Sinne aufzubereiten. In diesem Zusammenhang ist es besonders beunruhigend, daß sich Suzuki Kunio zum Medienstar entwickeln konnte. Darüber hinaus erscheint es befremdlich, daß selbst Vertreter der Neuen Linken Suzuki gegenüber offenbar keinerlei Berührungsängste verspüren. Wie der jüngste Anschlag auf die Tokyoter Börse zeigt, schreckt Japans Neue Rechte nach wie vor auch vor gewalttätigen Aktionen nicht zurück.


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