GRENZERFAHRUNGEN

Zwischen »Rajahs«, »Yoghis«, »Devadasis«
Das Indien-Bild im deutschen Film

von Brigitte Schulze, Frankfurt


Seit 1895 ermöglichten es »lebende Photographien«, unbefangen Blicke über das ferne und fremde Indien schweifen zu lassen. Doch mit der Durchsetzung des narrativen Langfilms in den 1910er Jahren blieb es nicht bei »instruktiver« An-Schauung z.B. der HEILIGEN STADT BENARES AM GANGES oder der TIGERJAGD DES MAHARADSCHA VON KAPURTHALA. Filme wie LOTOS, DIE TEMPELTÄNZERIN, DIE DEWADASI, INDISCHE RACHE und DIE LIEBLINGSFRAU DES MAHARADSCHA bedienten als »Publikumsfilms« Bedürfnisse nach Unterhaltung. Schon 1917 diskutierte die Fachpresse den Boom der »Indien-Films« - die Begeisterung ließ erst ein gutes Jahrzehnt später nach.

Das Indische Grabmal (1921)

Was leistete dieses Kino-»Indien« für das Unterhaltungsbedürfnis der deutschen Publika (Städter, Männer, Frauen etc.)? War »Indien« anders als »Afrika«, oder gab es bei der Funktionalisierung der Phantasien über »das kolonialisierte Fremde« keine wesentlichen Unterschiede?

Der Vortrag thematisiert die besondere Ambivalenz von Kinounterhaltung mit »kolonialen Plots«, die darin besteht, daß zur eigenen Zerstreuung Menschen, soziale und kulturelle Phänomene zum Objekt der Schau-Lust gemacht werden, vor dem historischen Hintergrund, daß »Inder«, »Inderinnen« und »Indien« durch europäische Imperialismen real entsubjektiviert wurden. Eine Spielart dieser Ambivalenz drückt sich schon in zeitgenössischen Film-Besprechungen aus: Sie kritisieren die »realitätsfremden« Stereotypisierungen populärer Filme und postulieren dagegen ihr Ideal »ethnologischer« Authentizität. Die gängigsten Metaphern der Filme sind weitere Dichotomien (Technik/Mystik, Mann/Frau, Hell/Dunkel etc.), die anhand von DAS GEHEIMNIS VON BOMBAY und DAS INDISCHE GRABMAL exemplifiziert und deren Stellenwert mit Bezug auf sozialpsychologische wie auch kinoökonomische und realpolitische Dimensionen der Kinoerfahrung erklärt werden sollen. (Welch ein Satz, Anm. Dikigoros :-)


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