Genosse Frank-Walter: Er denkt, wie er spricht

von Fabian Nicolay (Die Achse des Guten, 21.11.2021)

mit Bildern und Links von Nikolas Dikigoros

Frank-Walter Steinmeier ist ein Mann der Doktrin. Er denkt, wie er spricht. Dabei erscheint er weder groß noch staatsmännisch. Es umgibt ihn eine Aura des peniblen Apparatschiks, der hinter dem Mikrofon bürokratische Anweisungen erteilt und das Staatsmann-Sein mit dem Vorführen parteiischer Sichtweisen verwechselt. Als "Staatsoberhaupt" ist er schon mehrfach negativ aufgefallen, wenn er sich absichtsvoll und kleinlich auf eine politische Seite schlägt, nämlich seine eigene, die linke Seite. Er tut dabei sachlich, das Salbungsvolle verrät seine Absichten.

Wer als Bundespräsident glaubt, der Regierungspolitik Schützenhilfe leisten zu müssen und diese zu oft wie ein Regierungssprecher verklärt, ist Erfüllungsgehilfe der Kanzlerin, aber nicht das repräsentative Oberhaupt aller Deutschen. Das muss man Frank-Walter Steinmeier leider attestieren. Er ist ein Opportunist, der gern mitregieren möchte, sich deshalb einzumischen im Recht glaubt und dabei gern die Möglichkeiten seines hohen Amtes zum Wohlgefallen seiner Kanzlerin außen vor lässt. Als Repräsentant des deutschen Volkes und der Bevölkerung als Ganzes ist er nicht seinen Wählern im Parlament verpflichtet, sondern seinen Bürgern. Wer sagt es ihm endlich?

Die handstreichartigen Gesetzesänderungen Angela Merkels während der Corona-Krise wären ohne eilfertige Unterschriften des Bundespräsidenten nicht ad hoc möglich gewesen. Er ist ihr Abnicker, Frau Bundeskanzler konnte bestellen und sofort abholen.

Wenn Frank-Walter Steinmeier redet, wertet er pausenlos, ermahnt einseitig und wertet ab, wo er die Position der Gegner seiner präferierten Politik zu schwächen wünscht. Seine Redekunst ist verbale Bückware, strukturell steif, hat nichts Ergreifendes, ist mehr Synthetik als Wolle, strotzt vor Beschwörungsformeln, bleibt irgendwie teilnahmslos, erschöpft sich in Worthülsen des Merkel'schen-Rhetorik-Kühlschranks, wo er im engen Selbstgehege seines unterkühlt-pastoralen Tons und seiner linken Larmoyanz auch intellektuell gefangen bleibt.

In den Verhandlungen mit Erdogan hilfreich

Wie kam es dazu? Einige letzte Stationen seiner Irrungen...

Kurz vor der "Flüchtlingskrise" 2015 trat er - noch Außenminister - mit Vehemenz einer Anerkennung des Völkermords an den Armeniern entgegen. Angeblich, weil eine solche Anerkennung den Holocaust relativiert hätte. Diese Haltung war kurze Zeit später in den Verhandlungen mit dem türkischen Präsidenten Erdogan hilfreich, der den Strom der Flüchtlinge nicht ungebremst nach Griechenland durchlassen sollte und dafür bei Laune gehalten werden musste. Half nicht viel. Der Bundestags-Abstimmung über die Armenien-Resolution im Juni 2016 blieben er und die Kanzlerin aus Termingründen dann fern.

Als in Chemnitz im August 2018 ein Mann mutmaßlich von mehreren Asylbewerbern getötet worden war, kam es zu mehreren spontanen Menschenansammlungen, die von den Medien als rechte Demonstrationen bezeichnet wurden. Auf einem wenige Tage später organisierten Freiluft-Konzert gegen Rechts trat auch die linksradikale, vom Verfassungsschutz beobachtete Band "Feine Sahne Fischfilet" auf. Der Bundespräsident empfahl die Veranstaltung und jene Band auf seiner offiziellen Facebook-Seite, was man nicht nur als Mangel an Fingerspitzengefühl bezeichnen kann.

Am 40. Jahrestag der islamischen Republik Iran im Jahr 2019 überraschte der Bundespräsident mit einem Glückwunschtelegramm an den iranischen Präsidenten Hassan Rohani, das er selbstverständlich qua Amt im Namen aller Deutschen verfasst hatte. Somit durfte sich das Volk darüber wundern, dass sich zumindest Frank-Walter Steinmeier mit den Mullahs über die erfolgreiche Geschichte der islamistischen Diktatur freute. Wie er das ein knappes Jahr später mit seinen Verlautbarungen in Yad Vashem zur zentralen Gedenkveranstaltung zum Holocaust deckungsgleich bringen konnte, bleibt sein Geheimnis.

Der Übergang vom Außenamt zur Metaebene des Bundespräsidenten ist Frank-Walter Steinmeier nie gelungen. Er bleibt sich so gesehen immer treu, ein starrer Genosse, der den Staat als Vormund des Bürgers bevorzugt, der die staatskritische Skepsis von freien Bürgern argwöhnisch betrachtet, dafür lieber den Oberlehrer als den Versöhner gibt und im Zweifel auf dem linken Auge blind ist. Es ist von ihm zu viel verlangt, in Zeiten tiefer gesellschaftlicher Risse Worte des Abwägens zu finden, weil er nicht abwägen möchte. Er ist ein Hardliner, machen wir uns nichts vor, mit einer klaren linken Agenda, die "die Menschen da draußen" in Gut und Böse einteilt.

Hier ist der Pappkamerad, der Sündenbock

So gesehen, sind seine neuerlichen Einordnungen folgerichtige, rhetorische Figuren aus dem Repertoire eines Aktivisten-Präsidenten, der die Abweichler im Volk auf Linie bringen will, statt sie für das Gemeinsame zu begeistern. Anlässlich einer Diskussionsrunde im Schloss Bellevue ließ der Bundespräsident letzte Woche Folgendes verlauten: "Wenn ich höre, dass Menschen, die im Krankenhaus mit dem Virus ringen, noch immer bestreiten, dass es dieses Virus gibt, dann erschüttert mich das zutiefst... Wer jetzt immer noch zögert, sich impfen zu lassen, den will ich heute ganz direkt fragen: Was muss eigentlich noch geschehen, um Sie zu überzeugen? Ich bitte Sie noch einmal: Lassen Sie sich impfen! Es geht um Ihre Gesundheit, und es geht um die Zukunft unseres Landes!"

Da staunt man. Der Bundespräsident steigt mit einem oder mehreren "Einzelfällen" ein, von denen er "gehört" hat: Corona-Leugner sollen in Krankenhäusern bezweifelt haben, dass es das Virus überhaupt gibt. Wie viele waren das, hat der Bundespräsident verlässliche Quellen? Oder ist das nur ein Gerücht, das der Bundespräsident höchstpersönlich weiterverbreiten möchte? Er stellt zunächst fest, mit was für Menschen wir es hier zu tun haben: Menschen mit illegitimen Meinungen. Er betreibt damit Hetze. Hier ist der Pappkamerad, der Sündenbock, den er gleich im nächsten Moment umhauen will. Eine schäbige, rhetorische Figur, um den Gegner klein und unwert zu machen und dessen Anliegen von vornherein zu diskreditieren. Also sind die Impfunwilligen nicht nur unwillig, sondern richtig deppert und schädlich. Das weiß der Bundespräsident jedenfalls verlässlich zu berichten und kommt sich gut dabei vor.

Es erschüttert selbst Frank-Walter Steinmeier. Deshalb stellt er gleich eine wiederum rhetorische Frage: "Was muss noch geschehen...?" Will uns der Bundespräsident jetzt in der Vierten Welle andeuten, dass Millionen von Toten auf der Straße liegen werden und gleichzeitig Krankenhausbetten abgebaut werden? Oder denkt er, dass seine Bleimantel-Argumentation tatsächlich überzeugen kann? Am Ende kommt er doch noch auf den Punkt: "Es geht um die Zukunft unseres Landes." Das ist bemerkenswert.

Wenn der Bundespräsident von der Zukunft unseres Landes spricht, könnte man meinen, er weiß, wovon er spricht: Wenn sich also alle impfen lassen, gibt es die Zukunft von Frank-Walter Steinmeier. Wenn nicht, dann eine andere. Ich wüsste liebend gern, welche!


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