Fahrverbot für Arme, freie Fahrt für Reiche

Unbezahlbare Maut für Normalbürger in der Stadt

von Felix Perrefort (Die Achse des Guten, 27. August 2023)

leicht gekürzt von Nikolas Dikigoros

2019 gelang es dem Lungenfacharzt Prof. Dr. Dieter Köhler, eine Debatte um die Schadstoff-Grenzwerte zu entfachen, die er als zu niedrig angesetzt kritisierte, womit sie unnötige Fahrverbote begründen. Damit gab es wissenschaftlich-fundierte Kritik, der sich 137 Fachkollegen anschlossen, an den EU-Richtlinien. [...] Köhler verneinte, dass die zahlreichen Krankheits- und Todesfälle, mit denen in WHO-Studien hantiert wird, wirklich durch Feinstaub verursacht werden. Auf diesen Studien basiert die EU-weite Festlegung der Grenzwerte.

Wie in vielen anderen Bereichen gibt es beim Thema Schadstoff-Grenzwerte wissenschaftliche Gegenpositionen, auf die sich die Politik beruft. Weil Politik Wissenschaft zur Selbst-Legitimierung benötigt, nimmt Politik Einfluss auf Wissenschaft. Vor diesem Hintergrund blicken wir nun ins Ausland. Was dort passiert, muss man auch hierzulande befürchten.

In Großbritannien ist nun ein besonders skandalöser Vorgang bekannt geworden, bei dem es um eine Studie des Imperial College London geht, deren Ergebnisse die Verkehrspolitik der Stadt in Frage stellen. Im Großraum London dürfen Fahrzeuge ab bestimmten Emissionswerten nur gegen Entgelte fahren, so will es die „Ultra Low Emission Zone [Ultraniedrig-Emissionszone]“ (ULEZ). Forscher des Imperial London College kamen 2021 jedoch zu dem Ergebnis, dass die extrem strenge Politik kaum etwas bringe. So reduziere die ULEZ „die Stickstoffdioxid-Belastung nur um 3% und hatte nur unbedeutende Effekte auf die Belastung mit Feinstaub und Ozon“, wie der Telegraph  schreibt. Er titelt aktuell: „Sadiq Khan versuchte Wissenschaftler, die behaupteten, ULEZ hätte nur wenig Einfluss auf die Luftverschmutzung, zum Schweigen zu bringen.“

Eine 'wissenschaftliche' 180-Grad-Wende

Der Zeitung vorliegende E-Mails zeigen nun eine direkte Einflussnahme des Londoner Bürgermeisters Sadiq Khan (Labour): Die Vize-Bürgermeisterin für den Bereich Umwelt und Energie, Shirley Rodrigues, hatte dem Imperial College mitgeteilt, „sehr enttäuscht“ über die Publikation von Ergebnissen zu sein, welche die Wirksamkeit von ULEZ in Zweifel ziehen. In der Folge veröffentlichte die Hochschule einen Bericht, der das Gegenteil des früheren Studienergebnisses behauptete: Die ULEZ hätte die Luftverschmutzung sogar „dramatisch reduziert“.

Dabei handelt es sich um nicht weniger als eine politisch veranlasste 180-Grad-Wende. In der Studie von 2021, erschienen in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Environmental Letters, resümierten die Forscher  wörtlich:

"Wir stellen fest, dass die ULEZ nur geringe Verbesserungen der Luftqualität bewirkt hat [...] Während andere Städte die Einführung ähnlicher Regelungen in Erwägung ziehen, deutet diese Studie darauf hin, dass die ULEZ für sich genommen keine wirksame Strategie darstellt.“

2023 wird in einem Bericht, den die Regierung selbst erstellt hat und vom Imperial College begutachten („peer-review“) ließ, verkündet:

„Die Ausweitung der ULEZ in der Londoner Innenstadt führt zu einer erheblichen Verringerung der Emissionen und der Luftverschmutzung; es besteht jedoch noch weiterer Handlungsbedarf, da mehr als die Hälfte der durch Luftverschmutzung bedingten Todesfälle in den Außenbezirken Londons zu verzeichnen sind.“

Was 2021 noch kaum Wirkung hatte, soll 2023 eine lebensrettende Maßnahme sein.

Nochmal: Kritische Wissenschaftler kommen zu einem Ergebnis, das Londons repressive Autopolitik delegitimiert. Daraufhin erstellt das Bürgermeisteramt eine eigene Studie und lässt sie von der zunächst unter Druck gesetzten Institution absegnen. Die Politik verletzt offen die Wissenschaftsfreiheit, um ihre Ziele durchzusetzen und gewünschte Ergebnisse zu erhalten.

Bei alledem spielen auch finanzielle Abhängigkeiten eine Rolle: Über 800.000 Pfund (ca. 940.00 Euro) hat die Hochschule laut Telegraph seit 2021 vom Bürgermeister an finanziellen Zuwendungen bekommen. Der Vorsitzende der „London Conservatives“ im Rathaus, Peter Fortune, beschuldigt den Londoner Bürgermeister nun, "geheime Absprachen getroffen zu haben, um Forschungen über die Umweltzone zu unterdrücken."

„Spenden“ in Millionenhöhe erhält das Imperial College übrigens auch von der pharmafreundlichen Bill und Melina Gates Stiftung. Im August 2022 waren es 5,3 Millionen Pfund,  angegebener Zweck: „Vaccine Delivery“. 2018 gab es einen 14,5-Millionen- Dollar-Zuschuss der Gates-Stiftung "zur Verbesserung der weltweiten Gesundheitsversorgung".

Klassenkampf von oben

Interessant an dieser Geschichte ist auch, dass sie zunächst einmal zeigt: Auch 2021 war noch unabhängige, kritische Forschung am Imperial College of Science, Technology and Medicine möglich – ein Jahr nachdem die Institution 2020 mit „Lockdown-Professor“ Neil Fergusons hanebüchenen Horror-Modellierungen Stimmung für Lockdowns gemacht hatte. Und auch 2022 fiel das Imperial College erneut negativ auf, indem Forscher – erneut via Modellierung und finanziert von WHO und Gates-Stiftung – die verheerenden Corona-Impfkampagnen in eine Erfolgsgeschichte  umdichteten.

Nun sehen wir, wie noch bestehende kritische Wissenschaftsenklaven regierungsamtlich gezähmt und auf Linie gebracht werden. Die vom Londoner Rathaus gemaßregelten Studienautoren erklärten zwar, dass sie "zu 100%" zu ihren Forschungen stünden, doch laut Informationen des Telegraphs „sind sie aufgrund der Folgen nicht mehr bereit, weitere Arbeiten zu diesem Thema zu veröffentlichen“.

Die Einschüchterung und Instrumentalisierung der Wissenschaft steht im Dienst der Reichen. Die ultraniedrige Emissionszone bedeutet faktisch ein Fahrverbot für Arme und geht mit überwachungsstaatlichen Tendenzen einher, worauf der Journalist Norbert Häring  hinwies:

„Bei Benzinern sind Autos betroffen, die 2005 oder früher gebaut wurden. Wer mit einem dieser alten Autos fahren will, muss 12,50 Pfund (14,50 Euro) pro Tag bezahlen. Wer in die Innenstadt fahren will und kein Elektroauto hat, für den wird zusätzlich die City-Maut von 15 Pfund fällig. Wer nicht genug Geld hat, um sein altes Auto zum Weiterbetrieb in weniger umweltbewussten Ländern abzustoßen und sich ein neues zu kaufen, kann sich dann das Autofahren kaum noch leisten. Überwacht wird das Ganze automatisiert von einer Unmenge Kameras. Weil empörte Bürger diese massenhaft nachts abmontieren oder zerstören, wird deren Aussehen immer martialischer.“

Makaber ist, dass Sadiq Khan diesen grünen Klassenkampf von oben als "Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit" betrachtet. Diese Anregung wird man hierzulande sicherlich gerne aufgreifen.


weiter zu Kein Fleisch, kein Auto, keine Reisen: Die SDG und die C40-Städte