Meine sehr verehrten Mitbürger, liebe Schwestern und Brüder, unsere
verehrten Botschafter, die ihr den Duft der anatolischen Erde, jene
anatolische Sensibilität bis nach Deutschland, in die Mitte Europas,
getragen habt, meine Damen und Herren. Ich grüße Sie alle aus tiefstem
Herzen. Ich grüße jeden Einzelnen von Ihnen mit Liebe und Respekt. Heute ist
die Stadt Köln Zeuge eines denkwürdigen Programms.
Heute wird von hier aus die Botschaft von Brüderlichkeit, Freundschaft,
Solidarität und Frieden nach ganz Europa und in die gesamte Welt
übermittelt. Die türkische Gemeinschaft in Deutschland demonstriert heute
wieder einmal der ganzen Welt den mit Liebe, Freundschaft, Zuneigung
durchdrungenen Charakter unseres Volkes. Die türkische Gemeinschaft ist eine
Gemeinschaft der Liebe, des Friedens, die türkische Gemeinschaft ist eine
Gemeinschaft, die die Brüderlichkeit hochhält. Die türkische Gemeinschaft
und der türkische Mensch, wohin sie auch immer gehen mögen, bringen nur
Liebe, Freundschaft, Ruhe und Geborgenheit mit sich. Hass und Feindschaft
können niemals unsere Sache sein. Wir haben mit Streit und
Auseinandersetzung nichts zu schaffen. Genau wie jenes Licht, das vor
Hunderten von Jahren in Anatolien von Yunus (gemeint ist der türkische
Volksdichter Yunus Emre, d.Red.) in unsere Herzen eingepflanzt wurde:
Wie Sie wissen, bevor wir nach Deutschland
kamen, befand sich der deutsche Innenminister in der Türkei. Die erste
Einschätzung haben wir mit ihm gemeinsam in der Türkei vorgenommen. Sofort
nach dem Vorfall haben wir unseren Staatsminister Mustafa Said Yazicioglu
zusammen mit einer vierköpfigen Expertengruppe der Polizei zum Ort des
Geschehens geschickt. Hier haben wir in allen unseren Gesprächen mit den
deutschen Stellen unsere Sensibilitäten und unsere Erwartungen zum Ausdruck
gebracht und die Sache auch mit der verehrten Frau Kanzlerin detailliert
besprochen. Wir haben unsere Erwartung, daß dieser Vorfall in all seinen
Dimensionen untersucht wird, mit ihnen besprochen. Wir haben auch zum
Ausdruck gebracht, daß wir diese Sache weiterhin verfolgen werden. Unser
Wunsch ist der folgende: Nicht nur unsere Staatsbürger hier, sondern auch
unsere Staatsbürger in der Türkei, die diese Entwicklung aus nächster Nähe
verfolgen, mögen Ruhe finden. Doch glaube ich, daß auch die deutsche
Regierung, das deutsche Volk ebenso beunruhigt sind. Die Aufklärung ist auch
erforderlich, damit auch sie Ruhe finden können. Möge Allah geben, daß
solche bitteren Bilder die letzten gewesen sind. Möge Allah geben, daß wir
nicht noch einmal solchen Schmerz erdulden müssen.
Und heute,
wie Sie wissen, werden unsere Brüder und Schwestern, die ihr Leben verloren
haben, mit einem Flugzeug der Turkish Airlines, das von dem Amt des
Ministerpräsidenten geschickt worden ist, gemeinsam mit ihren Angehörigen
und unserem Staatsminister Herrn Said Yazicioglu, nach Gaziantep überführt.
Seit
dem Jahr 1961 haben Tausende unserer Brüder und Schwestern ihre Häuser,
manchmal ihre Familien, ihre Eltern, ihre Ehefrauen und ihre Kinder
zurückgelassen und sind hierhergekommen. Nicht wenige haben hier geheiratet,
es kamen hier Kinder zur Welt, es wurden hier Enkel geboren. Heute haben Sie
allein in Deutschland eine zahlenmäßige Stärke von fast drei Millionen
erreicht. Sie haben nunmehr seit 47 Jahren mit Ihrer Arbeit, mit Ihrem
Bemühen dazu beigetragen, daß Deutschland vorankommt, daß Deutschland in
Europa und in der Welt zu einem mächtigen Land wird. Sie haben hier
einerseits gearbeitet, andererseits aber haben Sie sich bemüht, Ihre
Identität, Ihre Kultur, Ihre Traditionen zu bewahren. Ihre Augen und Ihre
Ohren waren immer auf die Türkei gerichtet. Die Tatsache, daß Sie seit 47
Jahren Ihre Sprache, Ihren Glauben, Ihre Werte, Ihre Kultur bewahrt haben,
vor allem aber, daß Sie sich gegenseitig stets unterstützt haben, diese
Tatsache liegt jenseits aller Anerkennung.
Ich verstehe die Sensibilität, die Sie gegenüber Assimilation zeigen, sehr
gut. Niemand kann von Ihnen erwarten, Assimilation zu tolerieren. Niemand
kann von Ihnen erwarten, daß Sie sich einer Assimilation unterwerfen. Denn
Assimilation ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Sie sollten sich
dessen bewusst sein. Wir müssen jedoch auch Folgendes zur Kenntnis nehmen:
Sie können sich im heutigen Deutschland, in Europa von heute, in der
heutigen Welt, nicht mehr als „der Andere“, als derjenige, der nur
vorübergehend hier ist, betrachten, Sie dürfen sich nicht so betrachten. Die
türkische Gemeinschaft hat sich volle 47 Jahre für dieses Land verausgabt.
Nicht nur in Deutschland, in zahlreichen Ländern Europas nähert sich die
Zahl unserer Staatsbürger fast fünf Millionen. Es ist bemerkenswert, daß
trotz diesem immensen Einsatz, trotz dieser zahlenmäßigen Stärke gewisse
grundlegende Probleme in diesen Ländern sich immer noch nicht auf der
Tagesordnung befinden. Selbstverständlich werden unsere Kinder Türkisch
lernen. Das ist Ihre Muttersprache und es ist Ihr natürlichstes Recht, Ihre
Muttersprache Ihren Kindern weitergeben.
Jedoch würden Sie, wenn Sie die Sprache des Landes erlernen, in dem Sie
leben, oder sogar noch einige Sprachen dazu, in jeder Hinsicht davon
profitieren. Schauen Sie, viele unserer Kinder hier lernen in frühem Alter
keine Fremdsprachen. Diese Kinder werden mit Deutsch erst dann konfrontiert,
wenn sie mit dem Schulbesuch beginnen. Und das führt dazu, daß diese Kinder
im Vergleich zu den anderen Schülern die Schullaufbahn mit einem Nachteil
von eins zu null beginnen müssen. Doch würde es für Sie und für Ihre Kinder
in jeder Hinsicht vorteilhaft sein, wenn Sie die Möglichkeiten maximal
ausschöpfen, die das hiesige gute Schulsystem Ihnen bietet.
Sie werden einen Beruf ausüben, Sie werden öffentliche Dienste in Anspruch
nehmen. Wenn Sie die Sprache des jeweiligen Landes nicht beherrschen, nicht
lernen, so fallen Sie unweigerlich in eine Situation der Benachteiligung.
Weiter: Jahrelang hat eine Haltung vorgeherrscht, die durch eine Distanz
gegenüber der Politik in diesem Lande, gegenüber der Außenpolitik, der
Innenpolitik, der Sozialpolitik charakterisiert war. Doch sollte die
türkische Gemeinschaft mit ihren drei Millionen Menschen in der Lage sein,
in der deutschen politischen Landschaft einen Einfluss auszuüben, Wirkungen
zu erzielen. (Zurufe „Die Türkei ist stolz auf dich“, Anm. d. Übers.)
Warum sollten wir nicht in Deutschland, in den Niederlanden, in Belgien, in
den anderen Ländern Europas auch Bürgermeister haben? Warum sollten wir
keine Vertreter und Gruppen in den politischen Parteien haben? Warum sollten
wir im deutschen Parlament, im EU-Parlament nicht noch mehr Vertreter haben?
Warum sollten unsere Ansichten bei der Formulierung der Sozialpolitik der
Länder, in denen wir leben, nicht zur Kenntnis genommen werden?
Schauen Sie sich die amerikanischen Wahlen an. Achten Sie darauf, wie die
Menschen aus unterschiedlichen Ländern im Prozess der Wahlen und nach den
Wahlen bei der Formulierung der Politik Einfluss ausüben. Hoffentlich
(Antwort auf einen Ruf seitens der Zuhörer, d. Red.) – Leider leidet unser
Land seit Jahren darunter. Manche Gemeinschaften sind in der Lage, auch wenn
sie nur aus einer Handvoll Menschen bestehen, basierend auf ihrem intensiv
betriebenen Lobbyismus, die Politik eines jeden Landes, in dem sie sich
befinden, zu beeinflussen. Sie können Druck ausüben, um Beschlüsse der
Parlamente in den jeweiligen Ländern zu erwirken. Warum sollten wir nicht
Lobbyismus betreiben, um unsere Interessen zu schützen? (Applaus, Anm. d.
Übers.)
Meine lieben Brüder und Schwestern ... Im Moment leben in Deutschland etwa
drei Millionen Türken, doch sind davon 800000 deutsche Staatsbürger, 800000.
Das ist keine Zahl, die man einfach ignorieren könnte. Es ist angebracht,
sich damit eingehend auseinanderzusetzen. Sie sollten sich diese Fragen
gegenseitig nunmehr öfters stellen. Allahsei Dank haben wir in den letzten
Jahren eine beachtliche Strecke zurückgelegt. Wir stehen in ständigem
Kontakt mit unseren Vereinen und den zivilgesellschaftlichen Organisationen
hier. Was könnte man noch unternehmen? Wie könnten die Probleme der
türkischen Gesellschaft gelöst werden? Wir beschäftigen uns nun viel mehr
mit diesen Fragen und wir geben uns viel mehr Mühe und setzen uns stärker
ein. Es ist jetzt unumgänglich geworden, daß auch Sie, jeder für sich und
in Ihren Familien, mit Ihren Verwandten, Freunden, Nachbarn diese Fragen
verstärkt stellen und die Schritte, die aus diesen Fragen folgen,
unternehmen. Schauen Sie, heute ist die Türkei ein Land im Beitrittsprozess
in die Europäische Union. Das heißt, wir führen Verhandlungen. Wie Sie
wissen, hat vor zwei Jahren der Verhandlungsprozess begonnen. Von Zeit zu
Zeit kommt es vor, daß gewisse Länder die Frage der Mitgliedschaft der
Türkei für ihre innenpolitischen Ziele instrumentalisieren und Schritte
unternehmen, die darauf gerichtet sind, den Beitrittsprozess der Türkei zu
unterbinden.
Ich möchte hier besonders betonen: Die Türkei hat keine andere Alternative
als die Vollmitgliedschaft in der EU, sie kann keine andere Alternative
haben. Von Zeit zu Zeit sprechen einige von etwas, das sie die privilegierte
Partnerschaft nennen. Unser Buch enthält nichts dergleichen, nichts, was man
als privilegierte Partnerschaft bezeichnet. Aber ich möchte, daß Sie auch
folgenden Punkt beachten: Auch das Rechtssystem der Europäischen Union kennt
keine privilegierte Partnerschaft. Nun bereiten sie ein neues Szenario vor.
Die Türkei wird in einem solchen Szenario nicht mitspielen. Niemand wird in
der Lage sein, der Türkei diesen Anzug aufzuzwingen. Das sollten Sie wissen.
Wir haben den Prozess der europäischen Einigung 1959 gestartet. 1963
starteten wir den vertraglichen Prozess. Die Türkei befindet sich seit 1963
vertraglich im Prozess der europäischen Einigung. Und, können Sie sich
vorstellen, sie haben seit 45 Jahren immer das getan, immer solche Sachen
verlautbart. Doch die Türkei war geduldig. Mit Geduld sind wir so weit
gekommen. Nun sagen sie sich, vielleicht können wir etwas unternehmen, daß
die Türkei sich abwendet. Sie mögen uns entschuldigen, wir werden uns nicht
abwenden. Wir werden diesen Weg fortsetzen. Nun, wollen sie uns nicht?
Wenn sie uns nicht wollen, sollen sie diejenigen sein, die die Entscheidung
fällen. Sie sollen sich entscheiden. Doch wir werden nicht diejenigen sein,
die sich davonmachen. Wir werden uns nicht abwenden. Wir machen unsere
Hausaufgaben. Wir wissen auch, was wir zu tun haben. Schauen Sie: Das
Projekt „Bündnis der Zivilisationen“, das unter der Führung von Kofi Annan
begonnen wurde und bei dem wir, gemeinsam mit meinem verehrten Kollegen
Zapatero, dem spanischen Ministerpräsidenten, die Moderation übernommen
haben, stellt einen wichtigen Schritt dar. Warum haben wir an diesem
wichtigen Schritt teilgenommen? Warum? Weil wir wollten, daß die
Europäische Union zu einer wichtigen Adresse im Rahmen dieses wichtigen
Schritts wird. Wenn wir das nicht getan hätten, hätte man das dann als
Bündnis bezeichnen können? Nein. Dann wären sie unter sich geblieben. Doch
gibt es hier einen Punkt, den es zu bemerken gilt. Auf der einen Seite, im
Namen der islamischen Welt, die 1,5 Milliarden Menschen umfasst, steht die
Türkei, die ein demokratischer, laizistischer, sozialer Rechtsstaat ist, auf
der anderen Seite, im Namen des Westens, Spanien. Gemeinsam haben wir dieses
Projekt gestartet. Was wollen wir? Es soll keinen Zusammenprall der
Zivilisationen, sondern ein Bündnis der Zivilisationen geben. Welche soll
die erste Adresse sein? Es soll die Europäische Union sein. Wenn jedoch die
Europäische Union nicht in der Lage ist, dieses Unterfangen durchzustehen,
so werden wir nicht dafür verantwortlich sein. Es werden diejenigen
verantwortlich sein, die nicht in der Lage sind, das durchzustehen. Ich
betone das besonders. Deswegen sage ich allen unseren Brüdern und
Schwestern, die in diesem Moment in Köln-Arena versammelt sind: Ja, Sie sind
bereits in der Europäischen Union, Sie sind in der EU. Wir sagen unseren
europäischen Freunden, schauen Sie, Sie machen einen Fehler. Diese
Herangehungsweise an die Türkei ist nicht angebracht. Wir haben sowieso im
Moment fast fünf Millionen Staatsbürger, die sich in der Europäischen Union
befinden.
Schauen Sie, halten Sie uns nicht länger mit fadenscheinigen Vorwänden auf.
Lassen Sie uns diese Sache rasch abschließen. Es sind bereits 45 Jahre
vergangen, das ist keine kurze Zeitspanne, lassen Sie diese Hinhaltetaktik.
Natürlich, wir setzen uns und sprechen darüber. Da sieht man, daß sie unter
Atemnot leiden. Wir sind jedoch geduldig. Hoffentlich werden wir das
schaffen. Es gibt jedoch auch andere, die da sagen, ziehen Sie sich zurück.
Mit der europäischen Union wird es nicht funktionieren. Liebe Brüder und
Schwestern, wir werden auch diesem Trick nicht verfallen. Wir werden diesen
Weg beharrlich fortsetzen. Seit fünf Jahren haben wir diesen Weg
fortgesetzt. Schauen Sie, Allahsei Dank, wir konnten in unserer
Regierungsperiode die politischen Kriterien von Kopenhagen erfüllen. Jetzt
marschieren wir in Richtung der ökonomischen Maastricht-Kriterien. Es ist
interessant festzustellen: Auch in Richtung der ökonomischen
Maastricht-Kriterien konnten wir eine beachtliche Wegstrecke zurücklegen.
Auch in dieser Hinsicht ist der Punkt, den wir erreicht haben, ansehnlich.
Obschon zahlreiche Länder, die der EU zugehören, die ökonomischen
Maastricht-Kriterien nicht erfüllen können, sind wir in der Lage, sie zu
erfüllen. Wir können sie erfüllen.
Es genügt, daß wir zusammen halten. Es
genügt, daß wir uns nicht als Fremde, nicht als Gast, nicht als der/die
Andere sehen, daß wir uns als ein wesentliches Element dieses Landes
betrachten. Sie werden sehen, in dem Moment, in dem wir dies erreichen,
werden unsere Probleme hier eines nach dem anderen gelöst werden.
Meine
verehrten Brüder und Schwestern, meine verehrten Mitbürger. Dank Allah
hat die Türkei in den letzten fünf Jahren Fortschritte verzeichnet, die als
historisch zu bezeichnen sind. Ich bin mir sicher, daß Sie von hier aus den
Prozess der Umwandlung, die die Türkei durchmacht, viel besser erkennen
können. Sie können das Echo der Türkei in der ganzen Welt und in Europa viel
besser wahrnehmen. Schauen Sie, was die Freiheiten betrifft, hat die Türkei
in den letzten fünf Jahren Riesenschritte unternommen. Noch im dritten Jahr
nach unserer Regierungsübernahme haben wir die politischen Kriterien
von Kopenhagen erfüllt, das liegt nun hinter uns. Auf diese Weise wurde der
Weg für die Beitrittsverhandlungen eröffnet. Unsere Bemühungen, die
Menschenrechte und die Freiheiten entsprechend den europäischen Standards zu
gestalten, werden fortgesetzt. Wir schreiten entschieden voran, um alle
Hindernisse für die Inanspruchnahme der Freiheiten zu beseitigen und eine
demokratischere Struktur für die Türkei zu erreichen. Haben wir keine
Mängel? Natürlich haben wir welche. Aber, wir werden unser Ziel früher oder
später erreichen.
Meine lieben Brüder und Schwestern, Sie,
Ihre Angehörigen, waren gezwungen, wegen der schlechten wirtschaftlichen
Bedingungen, wegen Arbeitslosigkeit, wegen Mangels an Straßen hierhin zu
kommen und hier unter schweren Bedingungen zu arbeiten. Niemand sonst kann
so gut verstehen, was das heißt, was das Leben in der Fremde bedeutet.
Genauso waren Tausende von unseren Studentinnen gezwungen, wegen gewisser
Hindernisse (z.B. dem Kopftuchverbot an türkischen Universitäten, Anm. Dikigoros) ihr Land und ihre Universitäten zu verlassen und hierhin und in andere Länder der Welt zu fahren, und in der Fremde zu leben. Wer kann ein
solches Recht haben? Wer kann das Recht haben, den Menschen ihre eigene
Heimat, das eigene Vaterland in einen Ort zu verwandeln, in dem Zwang
herrscht? Mit welchem Blickwinkel, mit welcher Berechtigung kann diese
bekannte Einstellung unsere intelligenten und fleißigen Jugendlichen, unsere
unternehmerischen Jugendlichen dazu zwingen, die Träger eines „Braindrain“
zu sein und die eigene Heimat zu verlassen? Diese Dinge sind nicht
nachvollziehbar. Die Türkei, die sich im Prozess der Aufnahmeverhandlungen
für die europäische Union befindet, verdient solche Maßnahmen nicht.
(Es
folgen Ausführungen zur weltökonomischen Stellung und binnenwirtschaftlichen
Entwicklung der Türkei, d.Red.)
Meine lieben Schwestern und Brüder, die Türkei wird nunmehr von einer
Regierung gelenkt, die Ihre Probleme kennt und die ihre Arbeitszeit für die
Lösung Ihrer Probleme aufwendet. Ich muß natürlich hier eine Sache
ansprechen, die uns Kummer bereitet. Ich weiß sehr wohl, daß die Änderungen
in dem Zuwanderungsgesetz Sie beunruhigt haben. Wir verfolgen dieses Thema
aus nächster Nähe. Gestern, vorgestern haben wir dieses Thema mit der sehr
geehrten Kanzlerin besprochen. Wir möchten insbesondere, daß Sie, sowohl
als Einzelpersonen wie auch als zivilgesellschaftliche Organisationen bei
Ihrem Einsatz für Ihre Rechte entsprechend den nationalen und
internationalen Regelungen, beim Ausdrücken Ihrer Reaktionen, wie bis heute
schon immer gewesen, immer respektvoll gegenüber dem Recht des Landes, in
dem Sie leben, besonnen und maßvoll vorgehen. Bei dieser Gelegenheit möchte
ich Sie auch für diese Ihre Verhaltensweise beglückwünschen. Ich bin
überzeugt, daß wenn Sie Ihre unterschiedlichen Ansichten beiseite lassen und
bezüglich der gemeinsamen Interessen gemeinsam vorgehen, diese Haltung Ihre
Stärke noch multiplizieren wird.
Und ich hoffe, daß bei den
nächsten allgemeinen Wahlen, bei den Wahlen für die Präsidentschaft und bei
den Volksentscheiden, wobei die Kommunalwahlen ausgenommen sind, denn bei
denen ist das nicht möglich, mein Volk nunmehr seine Stimme abgeben können
wird.
Ein anderer Punkt auf unserer Tagesordnung ist ein häßliches Programm, das
leider in einem deutschen Fernsehkanal gesendet worden ist. Ich möchte zum
Ausdruck bringen, daß unser Volk wegen dieser hässlichen Ausdrücke sich
tief verletzt gefühlt hat. Die Pressefreiheit kann niemals unbeschränkt
sein. Die Meinungsfreiheit kann niemals unbeschränkt sein. Die Freiheiten
reichen nur bis zur Grenze eines anderen Freiheitsbereichs. Bis dahin bist
du frei, aber sobald du den Freiheitsbereich eines anderen Menschen
betrittst, endet deine Freiheit, sollte deine Freiheit enden. Anders herum
würde dies die Missachtung der Menschenwürde bedeuten. Es würde die
Missachtung des Rechts auf eine unterschiedliche Organisation bedeuten. Wir
erwarten in diesem Punkt Sensibilität. Wir erwarteten und erwarten in diesem
Zusammenhang von denjenigen, die für die Ausstrahlung des besagten Programms
verantwortlich sind, von der betreffenden Behörde, daß sie sich vor allem
bei unseren alevitischen Staatsbürgern, bei der Öffentlichkeit wegen der
erfolgten Übergriffe entschuldigen. Unsere Unruhe in diesem Zusammenhang
haben wir, meine lieben Brüder und Schwestern, den deutschen Stellen
mitgeteilt, wir werden dies weiter verfolgen. Wir haben dies in zahlreichen
europäischen Parlamenten, im Europarat und bei unseren Gesprächen auf die
Tagesordnung gesetzt.
Meine werten Brüder und Schwestern, wir sind in der Türkei in dem Maße
glücklich und ruhig, wie Sie hier glücklich und ruhig sind. Ihre Probleme
sind unsere Probleme. Seien Sie versichert, daß Ihre Angelegenheiten auch
unsere Angelegenheiten sind. Wichtig ist, daß wir die Hoffnung nicht
verlieren, daß wir niemals Abstriche an dem Geist der Solidarität zulassen,
wir einheitlich sind, stark und vital sind. Es gibt kein Problem, das wir
mit Allahs Hilfe nicht überwinden können, es wird kein solches Problem geben.
zurück zu Reisen, die Geschichte[n] machten
heim zu Reisen durch die Vergangenheit