Die "Befreier" als Plünderer

von Markus Günther - Kölner Stadt-Anzeiger, 21. März 2005

Links und Anmerkungen: Nikolas Dikigoros

Washington - Generalmajor Harry Collins, bei Kriegsende 1945 Oberbefehlshaber der US-Truppen im Westteil Österreichs, schrieb einen langen Wunschzettel mit den „Souvenirs“, die er mit nach Hause nehmen wollte. „Porzellan und Besteck für 45 Personen, 30 Tischdecken, silberne Kerzenleuchter, Teppiche und Pelzmäntel“, bestellte er in einem Lagerhaus der US-Armee, das die Ware prompt zustellte. Woher die „Kriegsbeute“ stammte, wusste der General sehr genau: Aus dem Besitz ungarischer Juden, die von den Nazis enteignet und in Konzentrationslager verschleppt worden waren. 60 Jahre nach Kriegsende findet die Plünderung ungarisch-jüdischen Eigentums durch amerikanische Soldaten nun ein juristisches und politisches Nachspiel: Die US-Regierung will 25,5 Millionen Dollar Entschädigung zahlen und sich erstmals öffentlich zu den Plünderungen bekennen.

Als alliierte Truppen in der Endphase des Zweiten Weltkriegs Ungarn "befreiten", versuchten die Deutschen in letzter Minute, die von verschleppten und ermordeten Juden geraubten Wertgegenstände in Sicherheit zu bringen.

"Goldzug" wurde zur Legende

Ein Zug mit 24 Waggons, später als der „ungarische Goldzug“ legendär, enthielt Schmuck, Kleidung, Möbel und Teppiche, außerdem Gold und kostbare Kunstwerke, darunter Werke von Rembrandt und Dürer. Bis ins Deutsche Reich kam der Zug nicht mehr. Als der Vormarsch amerikanischer Truppen immer schneller vonstatten ging, ließen die Deutschen die Waggons nahe Salzburg in einem Tunnel zurück. Als die Fracht dort amerikanischen Soldaten in die Hände fiel, wurde ein Teil spontan geplündert, der Rest landete in Lagerhäusern der US-Armee. Was dann geschah, konnte auch eine Expertenkommission nicht mehr in allen Details klären. Teils wurden die Wertgegenstände offenbar an US-Soldaten verkauft; anderes verschwand spurlos.

Nach jahrelangem Rechtsstreit mit Anwälten ungarischer Holocaust-Überlebender hat sich die US-Regierung jetzt bereit erklärt, 25,5 Millionen Dollar Entschädigung zu zahlen - nur gut ein Zehntel der Summe, die die Anwälte gefordert hatten. Da der tatsächliche Wert des geplünderten Besitzes nicht mehr rekonstruierbar war, haben die Anwälte dem Angebot zugestimmt. Das Geld soll jüdischen Wohlfahrtseinrichtungen in Israel, Ungarn und den USA zugute kommen.


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