Der Zeitgeist im neuen Asterix

Scherze, die kaum jemand lesen wollte

von Gerald Jörns (Heise/Telepolis, 24.03.2001)

Bilder und neue Links: Nikolas Dikigoros

Fünf Jahre hat man auf den neuen Asterix-Band 31 warten müssen. Die Grundgeschichte ist alt: Das kleine gallische Dorf trotzt weiterhin den römischen Invasoren und immer noch macht das Feuerwasser verdammt viel möglich. Schon mal irgendwo gehört? Kein Wunder, "Asterix und Latraviata" setzt in seinen Witzen auf einen neuen Zeitgeist. Asterix ist Deutscher geworden oder wieso sonst könnte er etwas wissen von "Hol mir mal ne' Flasche Bier" oder "Manchmal, aber nur manchmal haben Römer ein kleines bisschen Haue gern!"?

2,6 Millionen Hefte sind in Deutschland gedruckt worden und werden wohl den Weg in die Hände der Asterix-Fans finden. Europaweit liegt die Auflage bei ganzen acht Millionen. Egal ob Jung oder Alt, der neue Asterix ist ein Muss für alle Kulturwilligen. Schon im Vorfeld wurde jedoch gejammert, ein neuer Asterix habe nichts mehr mit den alten Ausgaben gemeinsam. Ohne den Texter Goscinny könne das ja nicht gut gehen, so die Voraussagen.

Der neue Texter Michael Walz, der speziell die deutsche Ausgabe betreute, hat seinen Wortwitz spielen lassen und die Fans sind entsetzt, denn die Sprechblasen sind gefüllt mit aktuellen Worthülsen. Mit "Cultus retro est" hat der Band 31 nun wirklich nichts mehr zu tun, denn der Kult geht nicht weiter, sondern vielleicht seinem sprachkulturellen Niedergang entgegen. Uderzo dagegen zeichnet wie gewohnt und erfreut uns mit bestem Können, wenn auch Obelix immer mehr zunimmt. Das ist wohl auch der Grund, warum diesmal die Mütter der beiden Helden auftauchen und Asterix und Obelix unter die Haube bringen wollen. Überhaupt spielen wieder die Frauen eine wichtige Rolle, denn auch eine römische Spionin kommt in das kleine gallische Dorf, die dem Einfaltspinsel Obelix prompt den Kopf verdreht. Am Schluss gibt es natürlich wieder das obligatorische Wildschweinfestmahl ohne Gesang.

Posthumer Retro-Look

Doch wer jammert da wirklich, wenn der Humor sich ändert? Irgendwie klingt das alles nach "Wir wollen unseren alten Kaiser wieder haben". Postjugendliche Kritiker regen sich auf, dass aktuelle Sprüche genutzt werden, und ganz Eifrige rechnen nach, ob Asterix nicht doch in einem anderen Monat als Obelix geboren wurde. Sprachlich und historisch korrekt soll alles sein, dann wird der Comic ernst genommen.

Das Rad der Zeit dreht sich jedoch weiter. Der VW-Käfer heißt inzwischen "New Beetle" und ist ganz bestimmt kein Volkswagen im Sinn der ursprünglichen Philosophie des Unternehmens mehr. Leisten kann sich diesen Wagen eben nicht mehr Jedermann. Für den Preis wird in erster Linie Design verkauft. Die Beatles würden heute auch eine andere Musik spielen und da wundern wir uns auf einmal, dass Möllemann und Westerwelle mit Redbull um die Wette fliegen? Jeder fordert im 21. Jahrhundert eine Rückbesinnung auf alte Werte - eine verrückte Zeit, in der einem vielleicht doch noch der Himmel auf den Kopf fällt.

Deutscher Slang und Mutterwitz

Fast stellt sich die Frage, ob der neue Asterix-Band von der Werbewirtschaft mitfinanziert wurde. Stefan Raab ist genauso vertreten wie Angela Merkel oder Guido Westerwelle. Selbst für die Bahn wird per ICE geworben und die Lebensmittelindustrie mischt auch mit. Wie immer wirkt Werbung nicht offensichtlich, sondern subtiler, denn wer denkt beim "verkohlen" nicht sofort an die Spendenaffäre von Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl. Sogar ein Römer hat inzwischen den Spruch "Hol mir mal ne' Flasche Bier" verinnerlicht und erinnert auf diese Weise indirekt an die Comedy-Show TV-Total und den aktuellen Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Das Reisen war schon immer beschwerlich, doch Obelix kann sich nichts unter einem ICE vorstellen und wird prompt aufgeklärt: "Das ist der Irrfahrten & Chaos Express, mein lieber Obelixlein!" In der französischen Originalausgabe soll statt dessen der französische Schnellzug TGV stehen. Die Werbebranche konnte ihre besten Aussagen unterbringen: "Eine sichere Wertanlage mit glänzenden Wachstumsperspektiven: Da weiß man, was man hat!" oder "Rund um die Uhr ein Preis!" Selbst der EXPO-Werbespruch findet eine Wiederverwertung: "Das gibt's nur einmal, das kommt nie wieder!"

Nur die BSE-Erwähnung in Zusammenhang mit Wildschweinen aus heimischen Wäldern und Übersetzung ist nicht ganz richtig. Sie lautet "Bizarres Sauen Elend" und müsste sich eigentlich eher auf die Maul- und Klauenseuche beziehen, doch zum Zeitpunkt der Drucklegung war die MKS noch nicht so aktuell. Insgesamt zeigen sich in diesem Asterix-Heft deutlich mehr Inhalte in den Sprechblasen. Fast alles wird erklärt und zur Not wird der Leser auch mit der Nase darauf gestoßen, dass er zum Beispiel noch in einem anderen Heft nachsehen soll. Jedoch einem Obelix zu unterstellen, dass "der Hunger gegessen ist", ist doch eine ziemliche Untertreibung. Ein Vielfrass von dieser Gestalt wird nie satt und erst recht nicht bei einer Anspielung auf einen Müsliriegel.

Auch der Klosterfrau Melissengeist ist vor Anspielungen nicht sicher und jedermann weiß, dass ein Enerdschidrink selbst einen zaubertrankerfahrenen Asterix zur Werbeaussage "DASVERLEIHTFLÜÜÜÜÜGEL!" zwingt. Nüchtern betrachtet kommt er dann zu der Erkenntnis "Oah, bin ich ausgemerkelt ... hab Flugsteine in meinem Bauch!". Noch nicht ausgedeutet ist allerdings die Erklärung "Viel später ... der Blanke Hans peitscht die Westerwellen vor sich her..." Wird hier etwa ein Koalitionswechsel in der Bundesregierung nach der nächsten Wahl angedeutet und der Finanzminister Hans Eichel wird den FDP-ler Westerwelle zum Teufel schicken?

Mit solch prophetischen Weisheiten wird wahrlich kaum noch jemand zum Schmunzeln gezwungen werden. Und die Kids werden wohl schwer etwas mit dem "OWERNEITKURIER" anfangen können. Spätestens hier offenbart sich die eigentliche Zielgruppe des Bandes 31.

Alea iacta est!

Es hilft kein Jammern, der neue Asterix wird ein erfolgreicher Band werden und die Sammlung komplettieren. Er fügt sich gut in das Gesamtbild dieses kleinen gallischen Dörfchens ein und zeigt, dass selbst Helden mit nervigen Müttern zu kämpfen haben, die sie verzweifelt unter die Haube bringen wollen. Sprache ist beweglich und folgt immer auch den Strömungen der Zeit, eigentlich nur schade, dass der Computer und das Internet noch keine Rolle spielen, oder? Und so nehmen wir es hin, mit Beckenbauerischen Weisheiten besudelt zu werden: "Römer prügeln Römer! Ja, is' denn heut schon Weihnachten?!". Von Big Brother Zlatko blieben wir zum Glück verschont, wenn auch deutsches Liedgut eine Rolle spielt: "Manchmal, aber nur manchmal haben Römer ein kleines bisschen Haue gern!"


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