Der Faschist und Rassist Allende

Neue Erkenntnisse von Victor Farías

(mit Links und Anmerkungen von Dikigoros)

[Politik-Forum, 08.05.2005]

Bei den Linken gilt Allende als Held. Man behauptet gerne, er sei der erste demokratisch gewählte Marxist und ein großer Vorkämpfer der Freiheit gewesen, der dann von dem Faschisten Pinochet ermordet woren sei.

Wir haben hier schon mehrfach nachgewiesen, daß Allende alles andere als ein demokratischer Musterknabe gewesen ist und darüber hinaus ein ziemlicher Dummkopf, der sich seinen Sturz selbst zuzuschreiben hat. Schließlich hat er Pinochet höchtspersönlich zum Heeereschef ernannt.

Nun wird klar, warum Allende als Gewaltherrscher geendet ist und sein gewaltsamer Sturz unausweichlich war: Allende war ein lupenreiner Faschist und Rassist. Sein Weg in die Gewaltherrschaft war vorgezeichnet.

Zu den Fakten: Victor Farías hat sein neuestes Buch vorgelegt: Salvador Allende - Antisemitismo y Eutanasia, welche auf den Bestsellerlisten in Chile vorne rangiert.

1. Er hat die bisher verschollen Dissertation Allendes von 1933 ausgegraben: Higiene Mental y Delincuencia. Pikanterweise hat er sie der Alvador-Allenda-Stiftung überreicht. Allende wollte darin etwa Homosexuelle heilen, indem man Ihnen Hodenstücke in die Magengegend implantierte oder die Milz bestrahlte.

2. Allende behauptet weiterhin, Zigeuner, Nomadenvölker und Araber seien aufgrund der Unverträglichkeit ihres Klimas nicht in der Lage, ein moralisches Gewissen zu erlangen. Pikanterweise behauptet er das auch von Spaniern und Süditalienern. Über Chilenen sagt er nichts aus. Über Juden hingegen schreibt er: Die Hebräer sind durch bestimmte Verbrechensformen gekennzeichnet: Betrug, Falschheit, Verleumdung und vor allem Wucher". Als hätte er bei Marx abgeschrieben [Gemeint ist der Aufsatz "Zur Judenfrage", Anm. Dikigoros]. Er hält diese Charaktereigenschaften für nicht heilbar und empfiehlt deshalb das Gefängnis. Diese Ansichten haben die Nazis bekanntlich konsequent weiter entwickelt und gleich die Gaskammer empfohlen.

3. 1939 bis 1942 war Allende Gesundheitsminister in einer Volksfrontregierung. Er hat sein Programm "Por la defensa de la raza" am 16. November 1939 in der Zeitung La Nación publiziert: Alkoholismus, Geschlechtskrankheiten und Geisteskrankheiten sollten bekämpft werden. Bei Geisteskrankheiten empfiehlt Allende Zwangssterilisation. Er beauftragte den Arzt Eduardo Brücher mit einem Gesetzesentwurf, der dabei mit Hans Betzhold zusammen arbeitete. Dieser publizierte 1941 ein Buch mit dem Titel "Eugenia", in dem er die "Vorzüge der negativen Eugenik" in Deutschland, sprich der Euthanasie, lobte und die "segensreiche Initiative" Allendes pries, die Sterilisierung "krankhaft asozialer Elemente" anzustreben.

4. Allende hat auch später von seinen faschistischen Überzeugungen nicht abgelassen. Im Falle des Walther Rauff, SS-Standartenführer, der für Eichmann die fahrbaren Gaskammern entwickelte und der für den Mord an 100.000 Juden verantwortlich gewesen sein soll, hat Allende 1971 die Auslieferung verhindert. In einem Brief an Wiesenthal schrieb er 1971, Rauffs Verbrechen seien nach chilenischem Recht verjährt.

Man sollte vielleicht erklärend hinzufügen, daß unter Linken rassehygienische Vorstellungen lange weit verbreitet waren. So wissen wir, daß die schwedischen Sozialdemokraten ebenfalls in den 1930er Jahren eugenische Maßnahmen diskutierten und daß solche Maßnahmen bis in die 1970er Jahre in Schweden üblich waren. Und die "Fabian Societay" vertrat ebenfalls rassehygienische Positionen. Hier zeigt sich, daß Extremisten häufig zu extremistischen Positionen neigen.

Ums so wichtiger ist es, die dunklen Seiten dieser menschenverachtenden Ideologien offenzulegen und die linken "Heilande" radikal zu entzaubern.

* * * * *

Wieder ein Heiliger vom Sockel gestürzt
(Kommentar von Werner Balsen)

Sein "Haus"-Verlag, Seix Barral in Barcelona, schickte das Manuskript zurück: "Großartig - aber leider nicht zu publizieren". Genauso erging es Víctor Farías bei 13 anderen Häusern: Niemand wollte seinen Text veröffentlichen. Für den Chilenen keine allzu große Überraschung. Denn er hat sich in seinem jetzt schließlich doch in Chile und Spanien erschienenen Buch überaus kritisch mit einem - sowohl in seinem Heimatland als auch in weiten Teilen der europäischen Linken - "Unberührbaren" auseinander gesetzt: mit Salvador Allende, dem früheren sozialistischen Staatschef Chiles, dem ersten "freigewählten Marxisten der Welt".

Salvador Allende - Antisemitismo y Eutanisia (Salvador Allende - Antisemitismus und Euthanasie) heißt das neue Werk von Farías. Der Autor stützt sich darin vor allem auf die Dissertation Allendes, die der Arzt und Politiker 1933 in der Universidad de Chile einreichte und die - bis Farías sie aufspürte - als verschollen galt.

In jener Arbeit mit dem Titel Higiene mental y delincuencia (Psychohygiene und Verbrechen) stellt Allende zunächst eine enge Beziehung zwischen Geisteskrankheiten und Verbrechen her. Darüber hinaus formuliert er die These, dass die Rasse als eine der natürlichen Ursachen für Delinquenz zu gelten habe. In diesem Zusammenhang attestiert Allende Juden "eine genetisch determinierte Veranlagung für verschiedene Typen von Verbrechen": "Die Hebräer lassen sich durch bestimmte Delinquenzformen charakterisieren: Betrug, Unehrlichkeit (falsedad), Verleumdung und vor allem Wucher", stellt der Doktorand auf Seite 112 seiner Dissertation fest. Diese kriminelle Prä-Determination schreibt er auch "Zigeunern" und "Landstreichern" zu. Araber kommen bei dem jungen Wissenschaftler ebenfalls nicht gut weg: Zwar erkennt er "einige aufrichtige und strebsame Stämme", aber die meisten seien doch "leichtfertige und faule Abenteurer, mit Hang zu Eigentumsdelikten".

Keine Jugendsünden

Farías weist nach, dass diese Formulierungen Allendes keineswegs als Jugendsünden abgetan werden können. Denn in seinem ersten Ministeramt, als Gesundheitsminister in der Volksfrontregierung von Pedro Aguirre Cerdas (Radikale Partei), der von 1938 bis 1941 den Andenstaat regierte, setzte Allende eine Kommission ein mit dem Ziel, einen Gesetzentwurf für die Zwangssterilisierung von Geisteskranken auszuarbeiten. Die Initiative des Ministers scheiterte am Widerstand der Ärzteschaft.

Das Buch von Farías, das die chilenische Presse bereits als "Bombe" bezeichnet, wird die historische Beurteilung Allendes verändern. Durch seine Regierungszeit von 1970 bis 1973, in der er Chile unter strikter Einhaltung der parlamentarischen Spielregeln auf den Weg zu einem "Sozialismus mit demokratischem Antlitz" bringen wollte, und - mehr noch - durch seinen Tod im Regierungspalast während des Militärputsches, gilt der chilenische Politiker als der "Gutmensch" schlechthin und vielen, gerade in Europa, als moralische Instanz.

Erste Kratzer hatte Farías diesem Bild Allendes bereits vor fünf Jahren zugefügt. 2000 veröffentliche er das Buch 'Los nazis en Chile'. Die deutsche Ausgabe - 'Die Nazis in Chile' - folgte 2002. In dem kurzen Epilog dieser Veröffentlichung präsentierte Farías den Briefwechsel zwischen dem sozialistischen Politiker und dem Leiter des jüdischen Dokumentations-Zentrums in Wien, Simon Wiesenthal. Der bat 1972 den Präsidenten um die Auslieferung des international gesuchten deutschen Kriegsverbrechers Walther Rauff. Zur Überraschung Wiesenthals weigerte sich der chilenische Präsident, der in einer Reihe von politischen Statements jede Form von Antisemitismus scharf verurteilt hatte, Rauff der internationalen Justiz auszuliefern. Er begründete seine Haltung bezeichnenderweise genau so, wie ein Vierteljahrhundert später die Anwälte des Diktators Augusto Pinochet dessen Überstellung an die spanischen Behörden ablehnten.

Revolutionäre in die Psychiatrie

Als das chilenische Fernsehen die Affäre vor fünf Jahren aufgriff, forderte Allendes Tochter Isabel, Senatorin der Sozialistischen Partei, ihren Parteifreund, den amtierenden Präsidenten Ricardo Lagos auf, gegen die Fernsehjournalisten vorzugehen.

Man darf gespannt sein, wie die chilenische Linke auf die neue Veröffentlichung von Farías reagiert. Bislang ist in Chile die kritische Auseinandersetzung mit der Zeit vor dem Militärputsch, die Debatte über politische Fehler, strategische Irrtümer und korruptes Verhalten der damaligen Regierung der Volkseinheit (Unidad Popular) viel zu kurz gekommen. Deren Anhänger, die sich als revolutionär verstanden, verklärten gerade während der brutalen Militärdiktatur die Zeit der Unidad Popular.

Um so heftiger dürfte ihnen aufstoßen, was Allende über Revolutionäre schrieb. Er bezeichnete sie als "gefährliche Geisteskranke", die "ganze Völker in den Abgrund führen können". Folglich gehörten sie für ihn in geschlossene Psychiatrien.

Wenn einer nun ein Buch schreiben würde, in dem er nachweist, dass derartige Vorstellungen von Erbhygiene und Rasseneigenschaften damals in den USA an den Universitäten erforscht und gelehrt und von deren Foundations über den Erdkreis verbreitet wurden, dass selbst die Rassenvorstellungen der NS nur ein billiger Abklatsch der neuesten Lehren aus den USA waren... er würde keinen Verleger finden.

* * * * *

Víctor Farías' Sysiphusarbeit von anderthalb Jahrzehnten
Salvador Allendes Chile in Dokumenten

Von Robert Lamberg

Der Chilene Víctor Farías sympathisierte mit der Regierung der "Unidad Popular" (UP) unter Salvador Allende und verliess nach dem Militärcoup seine Heimat. Seit 1974 widmet sich der Philosoph und Historiker der Forschung und Lehre an der Freien Universität Berlin. Bekannt wurde Farías durch seine in mehrere Sprachen übersetzte Arbeit über Heideggers Verhältnis zum Nazismus und Studien zu Ernst Jünger. Im Jahre 2000 erschien in Spanien seine umfangreiche Untersuchung über die Nazis in Chile (besprochen in der "NZZ", 15. 11. 2000).

Dokumentation ohne Beeinflussungsbeiwerk

Kürzlich hat Farías nach anderthalb Jahrzehnten Sichtung und Studiums eine sechsbändige, über 5.000 Seiten umfassende Dokumentensammlung über die chilenische Linke in den Entscheidungsjahren 1969-1973 herausgebracht. Die Sammlung gibt etwa 6.000 Dokumente wieder, von denen ein gutes Drittel bisher noch nirgendwo publiziert worden ist. Die veröffentlichten Schriftstücke stammen zumeist aus öffentlichen und privaten Bibliotheken sowie aus Archiven in Chile und Europa (einschliesslich dem ehemaligen Ostblock). Dabei ist festzuhalten, dass viele Materialien über Chiles Linksparteien vernichtet wurden und folglich für die Forschung verloren sind.

Das Werk ist in acht Kapitel gegliedert; die Dokumentation ist chronologsich geordnet. In einer Einleitung zu jedem Kapitel werden die publizierten Unterlagen kurz analysiert; Wertungen irgendwelcher Art nimmt der Herausgeber aber grundsätzlich nicht vor. Veröffentlicht werden u.a. politische und ökonomische Analysen, Gesetzesvorlagen und Regierungsbotschaften, Erklärungen des Staatspräsidenten sowie führender Vertreter des kommunistischen Auslands zu chilenischen Grundsatzfragen, öffentliche wie interne Dokumente der UP-Regierungsparteien (Allendes Partido Socialista [PS], die KP, die Radikale Partei sowie die christlichen Linksgruppen MAPU und Izquierda Cristiana) und der castristischen Bewegung MIR, die die Regierung "kritisch" unterstützte, und anderes mehr.

Nicht wenige der Schriftstücke waren einst geheim gestempelt oder nur zum internen Gebrauch bestimmt. Dazu zählen etwa Moskauer und Ostberliner Akten, doch beispielsweise auch ein offizielles internes Dokument des christlichen [!] MAPU um 1971-72, in dessen "Technik der Massenaktion" betiteltem Teil praktische Anleitungen (mit Illustrationen) zum Gebrauch von Messern, Knüppeln und Schleudern gegeben werden, um tödliche Verletzungen zu bewirken. Es ist anzunehmen, dass auch die Allende-Sozialisten, die KP und der MIR ähnliche Handbücher für ihre Schlägertruppen herausgegeben haben. Im Blick auf den Inhalt der Dokumentation nimmt es nicht wunder, dass Farías - so versicherte er diesem Rezensenten - geraume politische Hindernisse zu überwinden hatte, ehe die Sammlung das Licht der Welt erblicken konnte.

Auf dem Weg zum Bürgerkrieg

Die Dokumente sprechen eine deutliche Sprache, deutlicher, als sie ideologisierte Interpretationen vermitteln könnten. Ihr Grundtenor ist der Hass und die Arroganz der Besitzer der einzigen, der marxistischen Wahrheit. Die Regierenden wollten nicht zur Kenntnis nehmen, dass sie nur eine Minderheit repräsentierten und eigentlich nur dank der Uneinigkeit der Bürgerlichen an die Macht gelangen konnten. Sie glaubten sich "revolutionär" legitimiert, eine zugegebenermassen fehlerhafte Demokratie in ein totalitäres Machtgebilde nach damals bestehenden Vorbildern verwandeln zu können, auch wenn auf dem Weg dahin in den wenigen Regierungsjahren der UP Disziplinlosigkeit, administratives Chaos und Faktionalismus dem zentralistisch-totalitären Ziel stellenweise entgegenwirkten. Dies verstärkt übrigens den aus dem Studium der Dokumentation gewonnen Eindruck der Regierungsunfähigkeit Allendes und seines Kreises.

Der Staatspräsident, legal an die Macht gelangt, doch die Legalität zusehends deutlicher missachtend, ein bedingungsloser Freund Castros mit demonstrativ zur Schau getragenen Sympathien für "Guevaristen" - nach heutiger Lesart: Terroristen - jeglicher Nationalität, zeichnete sich - die Dokumente belegen es - durch Ignoranz gegenüber den Nöten der Bevölkerung, den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten, den Traditionen seines Landes und nicht zuletzt den Strömungen in den chilenischen Streitkräften aus. Darin glich er seiner Umgebung, in der der Gewalt verschriebene Elemente dominierten (einschliesslich des majoritären linken Flügels seiner Partei, des PS).

Man schürte in den Regierungskreisen eine Bürgerkriegspsychose. PS-Generalsekretär Carlos Altamirano - die Dokumente belegen es eindeutig - goss wo nur möglich Öl ins Feuer, PS-Spitzenfunktionär und Aussenminister Clodomiro Almeyda prägte den Negativbegriff "Wahlillusionismus", dem die Linke nicht verfallen dürfe. Im Kreis um Allende machte man kein Hehl aus dem Vorsatz, nach der Machtübernahme keine freien Wahlen mehr zuzulassen; in einem längeren, 1965 geführten Einzelgespräch hatte dies der damalige Senator Allende auch diesem Rezensenten gegenüber angedeutet, den er irrtümlicherweise für einen DDR-Journalisten hielt.

Korrektur eines Chile-Bildes

Eine geraffte, auf die wichtigsten, aussagekräftigsten Dokumente beschränkte deutsche Ausgabe dieser Riesendokumentation, ohne deren Berücksichtigung künftig Chile-Historiker nicht mehr auskommen werden, wäre äusserst wünschenswert. Denn nach dem Coup der Militärs von 1973 ist um Allende in Europa ein wahrer Kult getrieben worden. Er wurde - nicht zuletzt auf Betreiben der damals von Willy Brandt geführten Sozialistischen Internationale - zum demokratischen Sozialisten hochstilisiert: ein Mann, der für die "reformistische Vorhut des Weltimperialismus" nur Hohn und Verachtung - so auch in dem erwähnten Gespräch mit dem Rezensenten - übrig hatte. Hinter dem stellenweise bis heute schiefen Chile-Bild waren vor allem deutsche und französische "Achtundsechziger" auszumachen, die - den Realitäten gegenüber blind - in Allendes UP-Regime ihren Idealstaat verwirklicht glaubten.

* * * * *

zur Eugenik

Galtons Theorien wurden teils durch seine Untersuchungen der Stammbäume der reichsten Familien in England beeinflusst. Darauf, dass die meisten besser gestelltenen Leute untereinander verwandt waren, gründete er eine Art aristokratische Theorie der Intelligenz. Damit schaffte er über die Genetik einen theoretischen Unterbau für das aristrokratische System und lieferte eine Pseudo-Rechtfertigung für Klassengesellschaft und Kastensystem in Britannien und dem Rest der Welt.

Schon die Wortschöpfung verrät den geist des Themas: Galton leitete das Wort Eugenie vom griechischen Begriff für "von guter Geburt" her. Diese Glorifizierung der priviligierten Klasse war einer der Gründe, warum die Eugenie-Forschung so bereitwillige Unterstützung seitens der Geldigen in Amerika wie in Europa bekam; schließlich rechtfertigte sie deren Shmarotzertum und Verachtung gegenüber "den Massen".

Lehrstühle für Eugenie und 'Eugenie in der arbeitenden Gesellschaft' wurden 1904 im University College, London, eingerichtet, 1907 das Galton-Labor für Nationale Eugenie gegründet. 1905 riefen in den USA die Rockefellers und die Carnegies das Eugenics Records Office in Cold Springs Harbor, New York, ins Leben, wo noch heute (1999) genetische Forschung (wage es niemand, Eugenie dazu zu sagen) betrieben wird.

1912 wurde an der Universität in London der erste internationale Eugenie-Kongress einberufen, geleitet von ihrem Präsidenten, der rein zufällig auch noch Charles Darwins Sohn war. Vizepräsidenten dieses Kongresses waren u.a. der oberste Dienstherr der Admiralität Winston Churchill, der Hygieneprofessor an der Universität München M. von Gruber, der Präsident der internationalen Gesellschaft für Rassenhygiene Dr. Alfred Ploetz, der emeritierte Präsident von Harvard Charles W. Elliot, und der Erfinder des Telefons Alexander Graham Bell.

Der zweite internationale Eugenie-Kongress wurde 1921 abgehalten, gefördert vom U.S.-Handelsminister Herbert Hoover und den Präsidenten der Clark-Universität, des Smith-Kollegs und des Carnegie-Instituts. Darauf folgen andere prominente Unterstützer – dabei viele Establishment-Mitglieder aus dem Osten Amerikas, speziell der Familien Dulles und Harriman.

Von 1907 bis 1960 wurden mehr als 100.000 Personen über 30 Staaten der USA aus eugenischen Gründen zwangssterilisiert. Es ist unwahrscheinlich, dass die wohlbekannte und schreckliche Nazi-Variante der Eugenie, brutal umgesetzt in Labors und Konzentrationslagern während des II. Weltkriegs und deren hunderttausenden Opfern, so hätte stattfinden können, wenn nicht vorher die Theorie der Eugenie von britischen und amerikanischen Wissenschaftlern und Medien so populär gemacht und durch amerikanische und britische Finanz-Interessensgruppen finanziert worden wäre.

In Deutschland wurden Eugenie-Studien organisiert und finanziert von der Rockefeller-Foundation (in Familienhand) und ihren Verbündeten aus Medizin, Industrie und Politik. Große Zuwendungen bekamen das Kaiser-Wilhelm-Institut für Psychiatrie und das gleichnamige Institut für Antropologie, Eugenik und Menschliche Vererbungslehre in München. Letzteres wurde geleitet von dem faschistischen schweizer Psychologen Ernst Rudin und seinen Untergebenen Otmar Verschuer und Franz J. Kallmann. 1932 wurde Ernst Rudin zum Präsidenten der weltweiten Eugenie-Föderation ernannt.

Die Finanzmittel der Rockefellers für eugenische Forschungen in Deutschland dauerten den II. Weltkrieg über fort, mit der Rechtfertigung, der Krieg dürfe wissenschaftliche Forschung nicht verhindern.

Die Eugenie-Studien des Kaiser-Wilhelm-Instituts waren eine Stiftung von Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, dem Oberhaupt des Waffenkonzerns Krupp, und James Loeb von der Bankiersfamilie Kuhn-Loeb (die Finanziers von Franklin Delanoe Roosevelt, Anm. Dikigoros). Die Warburgs, Verwandte Loebs, waren Geschäftspartner von William Rockefeller, und beide Familien waren dafür verantwortlich, dass die Harriman-Familie ins Geschäft kam - ebenfalls Protagonisten der Eugenik.

* * * * *

Ein Buch über Salvador Allende sorgt für Wirbel
War die Ikone der Linken ein Antisemit und Rassist?

Die Bibliothek der medizinischen Fakultät in Santiago de Chile ist ein gespenstischer Ort. Hinter dem Lesesaal fährt ein winziger Aufzug hoch durch mehrere verwaiste Stockwerke. Zwischen Regalen mit vergilbten Anatomiehandbüchern und einem vorzeitlichen Röntgenapparat steht eine Vitrine mit Flaschen voller undefinierbarer Flüssigkeiten.

Neben dem Giftschrank führt eine Tür, die mit einem Vorhängeschloss gesichert ist, in ein kleines Zimmer. Dort lagert ein vergilbter und zerfledderter Sammelband, darin auch die Doktorarbeit des Arztes und späteren Präsidenten Salvador Allende Gossens aus dem Jahr 1933. Das Werk sei, so heißt es, "öffentlich und für jeden einsehbar".

Wirklich gelesen hat die Arbeit anscheinend erstmals der Wissenschaftler Víctor Farías, 65. Darin entlarve sich eine Ikone der Linken in Südamerika und Europa, so behauptet er nun in einem Buch, als Rassist und Antisemit, als Anhänger von Eugenik und Zwangssterilisierungen.

Damit hat der Philosoph, der seit 1974 am Lateinamerika-Institut der Freien Universität in Berlin lehrt, einiges Aufsehen erregt - und das nicht zum ersten Mal. In seinem Buch "Heidegger und der Nationalsozialismus" hatte er Peinliches und bis dahin Unbekanntes über den deutschesten der deutschen Philosophen ausgebreitet. Später zürnte halb Chile Farías, weil er in "Die Nazis in Chile" belegte, wie tief sein Heimatland einst von NS-Gedanken und NS-Emigranten geprägt worden war.

Sein neues Buch heißt "Salvador Allende: Antisemitismus und Euthanasie". Es ist bislang nur in Chile und Spanien erschienen und zielt mitten in die Erinnerungskultur. Denn Salvador Allende hat im linken Bürgertum weltweit die Aura des Opfers genossen, seit er 1973 bei einem Militärputsch umkam.

Auch in Deutschland heißen Oberschulen, Straßen und Plätze nach ihm. In vielen Städten ist, zum Dauerverdruss Konservativer, der "Revolutionär im Maßanzug" ("Frankfurter Allgemeine") gegenwärtig. Und nun das? Der Intellektuelle mit den sanften Augen, der sich beim Bombardement auf den Regierungspalast Moneda das Leben nahm - in Wirklichkeit ein verkappter Nazi?

Mit manchen Standpunkten war der junge Dr. Allende tatsächlich den Faschismusinfizierten Strömungen der ersten Jahrhunderthälfte nahe. So kolportierte er die Ansicht, dass psychische Krankheiten, Verbrechen und Alkoholismus vererbbar seien. So lautete seine Diagnose, Homosexualität sei eine Krankheit, die sich durch die Implantation von menschlichem Hodengewebe in den Bauchraum kurieren lasse.

Und: Südländer sind für Allende aufgrund des heißen Klimas nicht zu moralischem Handeln fähig. Über Juden heißt es, unter Bezug auf andere Forschungen, in dieser ominösen Dissertation: "Die Hebräer sind durch bestimmte Verbrechensformen gekennzeichnet: Betrug, Falschheit, Verleumdung und vor allem Wucher."

Farías bleibt das Verdienst, diese arg zeitgebundenen Auffassungen, die nicht erkennen lassen, dass hier ein Mann schreibt, aus dem ein bewunderter Sozialist werden würde, entdeckt zu haben. Er geht aber weiter in seinem bekannten Schwung: Er kreidet Allende an, dass er diesem Rassismus und Antisemitismus lange treu geblieben sei, jedenfalls bis hinein in die Volksfrontregierung des Präsidenten Pedro Aguirre Cerda (1939 bis 1942). Da war er Gesundheitsminister und trieb ein Gesetz zur Zwangssterilisierung von Geisteskranken voran, das freilich nie in Kraft trat.

Wahr ist aber auch, dass Eugenik und rassistisches Gedankengut lange vor der Machtergreifung der Nazis an vielen Hochschulen Europas und Amerikas zum Mainstream gehörten. In den USA arbeiteten Forscher schon Anfang des 20. Jahrhunderts mit staatlicher Billigung an regelrechten Zuchtprojekten, um die Gesellschaft gegen "unerwünschte" Menschen abzuschotten. Rund 60 000 Amerikaner - vielfach Epileptiker, Alkoholiker und sozial Auffällige aus der Unterschicht - wurden bis in die siebziger Jahre noch zwangsweise sterilisiert.

Amerikanische Autoren wie Edwin Black ("Krieg gegen die Schwachen") beschreiben, dass der "weltweite US-Export Eugenik" viel Anklang fand. Sozialwissenschaftler in Brasilien sahen die Chance zur "Aufhellung" der Bevölkerung. In Schweden diskutierte man wie selbstverständlich über Eugenik als Mittel zur Förderung der Volksgesundheit. Deshalb vor allem nahm ausgerechnet Chiles führende Tageszeitung, die konservative "El Mercurio", den toten Allende gegen seinen Biografen in Schutz: "Farías verschweigt den historischen Kontext."

Den Autor in Berlin ficht das nicht an. Er war einmal ein großer Bewunderer Allendes. Er verließ Chile nach dem Militärputsch 1973 aus Angst vor Verfolgung und wandelte sich im Exil zum Verächter linker Revolutionsromantik. Er hat den Habitus des Gelehrten, der es aber versteht, seine Thesen der öffentlichen Wirkung wegen kraftvoll zuzuspitzen.

In sein Bild vom wahren Allende fügt sich ein, dass der 1972 nicht bereit war, den in Chile untergeschlüpften NS-Verbrecher Walther Rauff nach Deutschland auszuliefern. Auch Interventionen des Nazi-Jägers Simon Wiesenthal beim Präsidenten halfen damals nicht.

Ihm antwortete Allende in einem Brief, dass er, der Präsident, sich nicht in Belange der Justiz einmischen dürfe. Das war formal richtig. Denn der Oberste Gerichtshof Chiles hatte die Auslieferung Rauffs, der im Reichssicherheitshauptamt der SS die Entwicklung fahrbarer Gaskammern geleitet hatte, wegen "Verjährung" abgelehnt.

Das Echo in Chile auf Farías' Enthüllungen ist maßvoll. Dort ist Allende mittlerweile zur historischen Figur geworden. Die Rehabilitierung ist so gut wie vollendet. Die christdemokratisch beherrschten Regierungen nach der Pinochet-Diktatur hatten zunächst versucht, Allende totzuschweigen. Der sozialistische Präsident Ricardo Lagos aber würdigte Allende als Humanisten und Staatsmann.

Zum 30. Todestag eröffnete in Santiago ein Allende-Museum. Eine Allende-Stiftung verwaltet seither den Nachlass. Dort liegt auch eine Zusammenfassung der Doktorarbeit aus. Die kompromittierenden Passagen fehlen allerdings.

Alte Freunde des ermordeten Präsidenten halten die Enthüllungen natürlich für Leichenfledderei. "Farías betreibt eine gigantische Geschichtsfälschung", behauptet Victor Pey, der 89 Jahre alte Weggefährte Allendes. Der rüstige alte Herr, ein gebürtiger Spanier, der nach dem Bürgerkrieg Ende der 1930er Jahre vor den Faschisten nach Chile floh, verteidigt seinen Freund im Auftrag der Familie und der Sozialistischen Partei. Der Autor Farías, sagt Pey, unterstelle Allende Zitate, "die in Wirklichkeit von anderen Forschern stammen. Allende war kein Rassist und kein Antisemit. Seine Mutter war Jüdin". [Pey verkennt, daß kein anderes Volk der Weltgeschichte den Rassismus - wie man schon in der Bibel nachlesen kann - dermaßen verinnerlicht und zu seiner politischen und ideologischen Richtschnur gemacht hat wie das jüdische und daß viele Antisemiten - von Heydrich bis Eichmann - Juden waren, Anm. Dikigoros.]

Eine Tochter des Toten, Isabel Allende, die für die Sozialistische Partei als Abgeordnete im Kongress sitzt und nicht mit der weltberühmten Schriftstellerin gleichen Namens zu verwechseln ist, sagt nur knapp zu den Enthüllungen: "Persönlich werde ich mich nicht zu dem Machwerk äußern."

Der Autor nennt die Vorwürfe aus dem Allende-Zirkel "Quatsch" und verweist auf die einschlägigen Passagen der Doktorarbeit.

Der junge Allende bekam damals für seine akademischen Bemühungen übrigens nur eine mäßige Note. Das zerfledderte Exemplar vergilbte jahrelang ungelesen im Regal. Jetzt ist das Interesse daran ungemein erwacht. Die Leitung der Bibliothek ergriff rasch Vorsichtsmaßnahmen. Die Arbeit darf nur noch unter Aufsicht gelesen werden.
(Jens Glüsing, Christian Habbe, Der Spiegel, Mai 2005)


weiter zu The Allende Myth

zurück zu Augusto Pinochet

heim zu Politiker des 20. Jahrhunderts