Tiberius im Senat

Dann wurden Bitten an Tiberius gerichtet. Und dieser brachte verschiedene Ansichten über die Größe des Reiches (uns) seine eigene Unzulänglichkeit vor. Allein der Verstand des göttlichen Augustus sei einer so gewaltigen Aufgabe gewachsen: Von diesem zur Teilnahme an den Staatsgeschäften berufen, habe er durch Erfahrung gelernt, wie schwierig, wie abhängig vom Glück [wörtl. dem Glück ausgesetzt] die Last einer Gesamtregierung [wörtl. alles zu regieren] sei. Daher sollte man in einer Bürgerschaft, die sich auf so viele berühmte Männer stütze, nicht alles auf einen einzigen übertragen; mehr Leute würden im vereinten Bemühen die Aufgaben des Staates leichter erfüllen. In einer solchen (Art von) Rede lag mehr Würde als Aufrichtigkeit. Und Tiberius gebrauchte sogar in Angelegenheiten, die er nicht verheimlichen konnte, sei es aus Veranlagung, sei es aus Gewohnheit, immer unbestimmt gehaltene und unklare Worte. Als er sich dann wirklich bemühte, seine Gedanken ganz und gar zu verbergen, gerieten (seine Worte immer) mehr in ungewisse Zweideutigkeit.

Die Senatoren aber, die die einzige Angst hatten, man könne ihnen anmerken, dass sie ihn durchschauten, brachen in Klagen, Tränen und Bitten aus; zu den Göttern, zum Bild des Augustus, ja zu seinen Knien strecken sie die Hände aus – da befahl er, ein Schriftstück herbeizuholen und vorzulesen. Es waren die Machtmittel des Staates enthalten: die Zahl [wörtl. wie viel es an … gab] der in Waffen stehenden Bürger und Bundesgenossen, der Flotten, Königreiche und Provinzen, der direkten und indirekten Steuern, die notwendigen Ausgaben und Schenkungen. Alles dies hatte Augustus eigenhändig genau niedergeschrieben und den Rat hinzugefügt, das Reich auf seine (jetzigen) Grenzen zu beschränken, wobei es ungewiss ist, (ob er es) aus Angst oder aus Missgunst getan hat.

Während sich der Senat dabei zu den demütigsten Bitten erniedrigte, sagte Tiberius beiläufig, er sei zwar nicht der gesamten Staatsführung gewachsen, werde aber jedes Teilgebiet, das ihm anvertraut werden, in seine Obhut übernehmen. Da sagte Asinius Gallus: "Ich frage, Caesar, welchen Teil der Staatsführung du dir übertragen wissen willst." Von dieser unerwarteten Frage betroffen, schwieg er eine Weile; dann fasste er sich und antwortete, es stehe keineswegs seiner Bescheidenheit an, etwas von diesem auszuwählen oder auszuschlagen, von dem als Ganzem er lieber verschont bleiben wolle. Gallus erwiderte, (denn er hatte aus der Miene des Tiberius geschlossen, dass er nicht Anstoß erregte hatte), er habe nicht in der Absicht gefragt, dass er teile, was nicht getrennt werden könne, sondern dass durch sein eigenes Eingeständnis erwiesen werde, dass der Staat eine Einheit sei und nach dem Willen eines (Mannes) gelenkt werden müsse. Er fügte einen Lobspruch auf Augustus hinzu und erinnerte Tiberius selbst an seine Siege und an seine hervorragenden langjährigen Leistungen im Frieden [wörtl. was er im Friedenskleid, das heißt im Frieden, so viele Jahre hindurch in so hervorragender Weise getan hätte]. Doch besänftigte er damit dessen Zorn nicht; (denn) er war (dem Tiberius) schon von früher verhasst, da er seit seiner Vermählung mit Vipsania, der Tochter des M. Agrippa, die einst die Gattin des Tiberius gewesen war, seiner Meinung nach höhere Ziele verfolge, als sie einem Bürger zukommen, und den gleichen Trotz wie sein Vater Pollio Asinius habe.

keine Angaben

 

 

 

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