Proömium

Den Anfang meines Werkes werden die Konsuln Servius Galba, der zum zweiten Mal Konsul war, und Titus Vinius bilden. Denn nach der Gründung Roms berichteten viele Autoren über die 820 Jahre der vergangenen Zeit, solange die Geschichte des römischen Volkes mit gleicher Beredsamkeit und Freiheit erzählt wurde: nachdem bei Actium Krieg geführt worden war und es im Interesse des Friedens lag, dass alle Macht auf einen einzigen übertragen werde, da verstummten jene großen Talente; gleichzeitig ist die Wahrheit auf mehrere Weisen/Arten entstellt worden, erstens durch die Unkenntnis des Staates, der einem ja fremd geworden war, zweitens durch zügellose Schmeicheleien oder wiederum durch Hass gegenüber den Herrschenden: so sorgte sich keine von beiden Gruppen [von Historikern] um die Nachwelt weder die Feindseligen noch die Unterwürfigen. Aber die Schmeichelei eines Schriftstellers könnte man leicht abwenden, die Verfolgung und Neid werden bereitwillig (mit geneigten Ohren) entgegengenommen; freilich der Schmeichelei wohnt der schimpfliche Vorwurf der Sklaverei inne, der Bosheit der falsche Anschein von Freiheit.

Mir sind Galba, Otho, Vitellius weder durch eine Wohltat noch durch ein Unrecht bekannt. Ich möchte nicht in Abrede stellen, dass meine politische Karriere/Ämterlaufbahn von Vespasiano begründet, von Titus gefördert und von Domitian weiter ausgebaut wurde: aber diejenigen, die sich zu einer unbestechlichen Ehrlichkeit bekannt haben, dürfen niemanden mit Bevorzugung beschreiben, sondern sie müssen jeden ohne Hass darstellen.

Wenn also mein Leben ausreichen sollte, habe ich den Prinzipat des göttlichen Nerva und die Herrschaft des Trajan, einen ergiebigeren und weniger gefährlichen Stoff, für mein Alter ausgespart/aufbewahrt, aufgrund des seltenen Glücks der Zeiten, wo es erlaubt ist, zu denken was man will, und zu sagen, was man denkt.

eloquentia/ae: Beredsamkeit, Redegewandtheit
assentor1: in allem beistimmen, schmeicheln
obnoxius3: straffällig, schuldig, unterworfen, abhängig, demütig
ambitio/onis: Schmeichelei
obtrectatio/onis: Missgunst, Neid, Eifersucht, Herabsetzung
livor/oris: blauer Fleck, Neid
pronus3: (vorwärts) geneigt, abschüssig, sich senkend, bereit
quippe: freilich, allerdings, natürlich, denn, also; ja, nämlich
adulatio/onis: Kriecherei, Schmeichelei, Schweifwedeln
foedus3: häßlich, schimpflich
malignitas/atis: Schlechtigkeit, Bosheit, Kargheit, Knauserei
dignitas/atis: Würdigekeit, Ansehen, Verdienst; hier: Ämterlaufbahn
inchoo1: beginnen, anfangen
suppedito1: beistehen, unterstützen, (aus)reichen
uber/eris: fruchtbar, ergiebig, reichlich, ausführlich

 

 

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