Mord an Agrippa Postumus – Tiberius, der neue Herrscher

Das erste Verbrechen der neues Herrschers/Prinzipats war die Ermordung des Postumus Agrippa, welchen Ahnungslosen und Unbewaffneten ein Zenturio nur mit Mühe, obwohl er sich Mut gemacht hatte, umbrachte. Im Senat besprach Tiberius nichts über diese Sache: Er gab vor, es handle sich um Befehle seines Vaters, in denen dieser einem dem Kommandanten der Wache die Anweisung gegeben hatte, er soll nicht zögern den Mord an Agrippa durchzuführen, wann einmal er selbst seinen letzten Tag vollendet habe.

Ohne Zweifel hatte sich Augustus oft bitter über den Charakter/das Benehmen des jungen Mannes beklagt und durchgesetzt, dass seine Verbannung durch seinen Senatsbeschluss bestätigt werde; im Übrigen ging er in seiner Härte nie so weit, bis zur Ermordung irgendeines der Seinen, und es war auch nicht wahrscheinlich/glaubwürdig, dass er seinen Enkel umbringen ließ, für die Sicherheit seines Stiefsohnes, näher der Wahrheit ist es schon, dass Tiberius und Livia sich beeilt hatten – jener aus Angst, sie aus stiefmütterlichen Hassgefühlen –, den beargwöhnten und verhassten jungen Mann zu ermorden.

Dem Zenturio, der meldete, wie es Brauch des Militärs ist, dass der Befehl durchgeführt worden sei, antwortete er, er habe nichts befohlen und er (der Zenturio) müsse beim Senat für diese Tat Rechenschaft ablegen. Nachdem Sallustius Crispus ein Mitwisser des Geheimnisses (er hatte dem Tribunen das Schreiben geschickt) dies erfahren hatte, befürchtete er, als Schuldiger vorgeschoben zu werden, wobei es gleichermaßen gefährlich gewesen wäre, ob er nun Erfundenes oder Wahres sage, und daher ermahnte er Livia nicht die Geheimnisse des Hauses, nicht die Ratschläge der Freunde und die Dienste der Soldaten unters Volk zu bringen; und Tiberius solle nicht die Macht des Prinzipats auflösen/schwächen indem er alles vor den Senat bringt: dass sei die Bedingung einer Alleinherrschaft, dass der Rechenschaftsbericht nur dann stimmt, wenn er einem einzigen, dem Kaiser gegeben wird.

Doch in Rom stürzten sich die Konsuln, Senatoren und Ritter in die Knechtschaft. Je angesehener jemand war, desto falscher und eiliger vermischte er Tränen mit Freude, Klagen mit Schmeichelei mit verstellter Miene, um nicht glücklich beim Tod des (ersten) Prinzeps aber auch nicht allzu traurig beim Regierungsantritt (des neuen Prinzeps) zu scheinen. Die Konsuln Sextus Pompeius und Sextus Appuleius leisteten als erste den (Treue)Eid auf Tiberius (Caesar), und vor/bei diesen Seius Strabo und C. Turranius, jener Präfekt der Prätorianerkohorten, dieser als Präfekt der Getreideversorgung; dann der Senat, die Soldaten und das Volk. Denn Tiberius begann alles mit den Konsulen, als ob die alte Republik noch bestünde, so als ob er unentschlossen wäre die Herrschaft zu übernehmen. Nicht einmal die Bekanntmachung, durch die er die Senatoren in die Versammlung rief, erließ er, außer mit dem Rechtstitel der tribunizia potestas, die er unter Augustus erhalten hatte. Die Worte des Edikts waren knapp und in einem sehr maßvollen Sinn: Er werde sie befragen bezüglich der Ehre für seinen Vaters, auch er weiche nicht von seinem Leichnam, und dieses einzige Amt nehme er von den öffentlichen Ämtern für sich in Anspruch. Er hatte jedoch nachdem Augustus gestorben war ein Zeichen den Prätorianerkohorten die Parole als Befehlshaber gegeben; die Wachen, die Waffen und die übrigen Merkmale eines Hofstaates; Soldaten begleiteten ihn aufs Forum und in die Senatssitzung. Er schickte Briefe an die Heere, als ob er die Herrschaft übernommen hätte, nirgends zögerte er, außer wenn er im Senat sprach. Der Hauptgrund lag in der Sorge, dass nicht Germanicus, in dessen Hand so viele Legionen, eine gewaltige Hilfstruppen der Bundesgenossen (waren), der eine erstaunliche Beliebtheit beim Volk (genoss), lieber die Macht haben wolle als auf sie zu warten. Er legte Wert auf den Ruf, eher vom Staat einberufen und auserwählt worden zu sein als durch die Ränke einer Frau und die Adoption eines Greisen sich eingeschlichen zu haben. Später erkannte man, dass er den Zögernden gespielt habe, um auch einen Eindruck von der Gesinnung der adeligen Krise zu gewinnen; denn er pflegte, sich ihre Worte und Mienen zu merken und sie als Verbrechen auszulegen.

conficio3M/feci/fectus: erledigen, anfertigen, ausführen
aegre: unangenehm, kränkend, mühsam, schwer, ungern
inermus3: waffenlos, wehrlos, ungerüstet, unbewaffnet
ignarus3: unerfahren, unwissend, nichts ahnend, nicht(s) merkend
dissero3/serui/sertus: auseinandersetzen, erörtern, besprechen
simulo1: ähnlich machen, ab-, nachbilden, vorgeben
cunctor1: zögern, zaudern
expleo2/plevi/pletus: aus-, anfüllen, vollenden, vervollständigen, vollzählig machen, ergänzen
ruo3/rui/rutus: stürzen, strömen, eilen, unüberlegt handeln
inlustris/e: hell, licht, erhellt, vornehm, berühmt, angesehen
excessus/us: Ableben, Tod
primordium/i: erster Anfang, Ursprung, Urkörperchen, Atome; hier: Regierungsantritt des T.
questus/us: (Weh)Klage
annona/ae: Jahrespreis, Wert, Teuerung, Not, Proviant, Getreidepreis, -versorgung
tamquam: sowie, als wie, gleichwie
edictum/i: Bekanntmachung, Verordnung, Verfügung, Edikt
defungor3/functus sum: zu Ende bringen, erledigen, ausführen, fertig werden, sterben
excubiae/arum: Wachen, Wachehalten, Wachposten
nusquam: nirgends, nicht vorhanden, weg, tot sein, bei keiner Gelegenheit
cunctabundus3: zögernd
favor/oris: Gunst, Geneigtheit, Voreingenommenheit, Zustimmung
introspicio3M/spexi: hineinblicken, -schauen, betrachten, prüfen

 

 

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