Ehe und Familie

Allerdings sind die Ehen dort streng, und man könnte keinen Bereich der Sitten mehr loben. Denn fast als einzige unter den Barbaren sind sie mit einer einzigen Ehefrau zufrieden, ausgenommen nur ganz wenige, die nicht aus Lust, sondern wegen ihrer adeligen Stellung durch sehr viele Heiratsanträge umworben werden. Nicht die Frau gibt die Mitgift dem Mann, sondern der Mann der Frau. Die Eltern und nahen Verwandten sind anwesend und billigen die Geschenke, Geschenke, die nicht zum Vergnügen der Frau erworben wurden und auch nicht, damit die Braut sich damit schmücke, sondern sie bekam Ochsen und ein aufgezäumtes Pferd und ein Schild mit einem Wurfspieß und einem Schwert. Auf diese Geschenke hin wird die Ehefrau angenommen, und sie selbst wiederum bietet dem Mann irgendwas an Waffen an: Das halten sie für das stärkste Band, das für die geheimnisvolle Weihe, das für die Schutzgötter der Ehe. Damit die Frau nicht glaube, sie stehe außerhalb der Entschlüsse zu tapferen männlichem Handeln und dass sie außerhalb von Wechselfällen des Krieges stehe, wird sie gerade durch die Auspizien der beginnenden Ehe erinnert, dass sie als Gefährtin in Mühen und Gefahren kommt, um dasselbe im Frieden, dasselbe in der Schlacht zu ertragen und zu wagen: darauf weisen die ins Joch gespannten Rinder, das gezäumte Pferd und die geschenkten Waffen hin. So solle sie leben, und so solle sie sterben: Sie erhalte, was sie ihren Kindern unversehrt und in Ehren weitergeben soll, was die Schwiegertöchter erhalten und ihrerseits an die Enkel weitergeben sollen.

So leben sie also in wohlbehüteter Schamhaftigkeit, durch keine Verführungen durch Schauspiele, durch keinen Verlockungen durch Gastmähler verdorben. Heimlichen Briefwechsel kennen die Männer ebensowenig wie die Frauen. In dem so zahlreichen Volk gibt es sehr wenig Ehebruch, dessen Bestrafung auf der Stelle erfolgt und den Ehemännern überlassen ist: Mit abgeschnittenen Haaren und nackt, jagt der Ehemann sie aus dem Haus in Gegenwart der Verwandten und treibt sie mit Schlägen durch das ganze Dorf; denn für die Preisgabe der Keuschheit gibt es keine Verzeihung: Weder durch Schönheit, noch durch Jugendlichkeit, noch durch Reichtum würde sie zu einem Ehemann finden. Denn dort lacht niemand über Laster, und Verführen und sich verführen lassen wird nicht Zeit(erscheinung)/Mode genannt. Noch besser dran sind allerdings diese Bürgerschaften, in denen nur Jungfrauen heiraten und es mit dem Hoffen und Wünschen einer Ehefrau ein für alle Mal vorbei ist. So erhalten sie einen einzigen Ehemann, wie sie nur einen Körper und ein Leben erhalten, damit sie darüber hinaus keinen Gedanken haben, damit sie keine weitere Begierde haben, damit sie gleichsam nicht den Ehegatten, sondern die Ehe lieben. Die Zahl der Kinder zu beschränken oder irgendeinen von den Nachgeborenen zu töten galt als Schandtat, und dort vermögen gute Sitten mehr als anderswo gute Gesetze.

In jedem Haus wachsen sie nackt und schmutzig zu diesem (uns bekannten) Gliederbau auf, zu dieser Körpergestalt, die wir bewundern. Die Mutter ernährt jedes Kind an ihrer Brust, und sie werden weder Mägden noch Ammen anvertraut. Herren und Sklaven könnte man durch keine Verzärtelung in der Erziehung unterscheiden: zwischen demselben Vieh, auf demselben Boden leben sie, bis das Alter die Freigeborenen trennt und die Tüchtigkeit zur Anerkennung bringt. Spät erst erfolgt die Liebe unter den jungen Männer die Liebe kennen, und daher ist bleibt ihre Zeugungskraft ungeschwächt. Auch werden die jungen Mädchen nicht rasch verheiratet (man beeilt sich nicht); gleich ist ihre Jugend, ähnlich ihr hoher (Körper)Wuchs: im gleichen Alter und in voller Kraft treten sie in die Ehe, und die Kinder spiegeln die Stärke der Eltern wider.

vinculum/i: Schnur, Band, Strick, Fessel
arcanus3: geheimnisvoll, mysteriös, geheim, heimlich
coniugalis/e: ehelich, Ehe-
denuntio1: ankündigen, kundtun, erklären, androhen, befehlen, prophezeihen
nurus/us: Schwiegertochter
pudicitia/ae: züchtiges, schamhaftes Betragen, Schamhaftigkeit, Sittsamkeit, Keuschheit
illecebra/ae: Verführung, Reiz
convivium/i: Gastmahl, Gelage, Festessen, Tischgesellschaft
pariter: gleich, in gleicher Weise, ebenso, gleichzeitig
crinis/is: Haar, Haupthaar
flagitium/i: Schimpf, Schande, Schandtat, Niederträchtigkeit
agnatus/i: nachgeborener Sohn, Verwandter
excresco3/crevi: auf-, emporwachsen, anschwellen
sordidus3: unrein, schmutzig, geizig, habsüchtig, verächtlich
uber/eris: Euter, Zitze, Mutterbrust, Fruchtbarkeit, Ergiebigkeit, Fülle
delego1: anvertrauen, hinschickten, zuweisen, übertragen, zuschieben
nutrix/icis: Ernährerin, Amme
di(g)nosco3/(g)novi: unterscheiden, erkennen
dego/ere: verbringen, (ver)leben

 

 

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