Plinius politisch gefährdet

Gaius Plinius grüßt seinen Tacitus

Ich ahne es – und die Ahnung trügt mich nicht – dass Deine „Historien“ unsterblich sein werden; umso mehr wünsche ich mir – ich gestehe es ganz offen -in sie aufgenommen zu werden. (2) Denn wenn wir schon für gewöhnlich dafür sorgen, dass unser Porträt nur von einem erstklassigen Künstler geschaffen wird, müssen wir uns da nicht wünschen, dass unseren Taten ein rühmender Chronist [wörtl.: Aufzeichner und Lobredner] von Deinem Rang [wörtl.: Dir ähnlicher] zuteil werde? (3) Ich weise also (auf eine Begebenheit) hin – obwohl sie Deiner Aufmerksamkeit nicht entgehen kann, weil sie im Staatsarchiv (aktenkundig) ist – ich weise dennoch auf sie hin, damit Du umso eher glaubst, dass es mir angenehm sein wird, wenn Du mein Verhalten, das durch die Gefahr noch größeren Eindruck gemacht hat [wörtl.: dessen Eindruck durch die Gefahr gewachsen ist], durch Dein Talent, durch Deine Bezeugung verherrlichst.

(4) Der Senat hatte mich mit Herennius Senecio zum Rechtsbeistand der Provinz Baetica gegen Baebius Massa bestellt und nach der Verurteilung des Massa den Beschluss gefasst, seine Besitzungen unter staatliche Aufsicht zu nehmen. Nachdem Senecio sich vergewissert hatte, dass die Konsuln für Gesuche zur Verfügung stehen würden, kam. er zu mir und sagte: „In derselben Eintracht [wörtl.: In welcher Eintracht…, in dieser…], in der wir die uns aufgetragene Anklage durch geführt haben, wollen wir jetzt zu den Konsuln gehen und sie bitten, es nicht zuzulassen, dass die Besitzungen von denjenigen, die sie beaufsichtigen sollen, verschleudert werden!“ (5) Ich antwortete: „Da wir vom Senat bestellte Rechtsbeistände gewesen sind, erwäge, ob du nicht doch glaubst, dass unsere Aufgabe (jetzt) erledigt ist, nachdem die Untersuchung von seiten des Senats abgeschlossen ist.“ Und jener: „Du kannst [wörtl.: wirst] dir die Grenze setzen, die du willst, da du zu (dieser) Provinz keine Beziehung hast, außer dass du ihr einen Dienst erwiesen hast – und das (erst) vor kurzer Zeit. Ich aber bin dort [wörtl.: in ihr] geboren worden und dort Quästor gewesen.“ Darauf ich: „Wenn das dein fester, wohlüberlegter Entschluss ist, werde ich mit dir gehen, damit, wenn daraus Anfeindungen entstehen, sie nicht nur gegen dich gerichtet sind.“

(7) Wir kamen zu den Konsuln; Senecio brachte vor, was die Sache erforderte, ich fügte einiges hinzu. Kaum hatten wir fertig gesprochen, da beschwerte sich Massa tatsächlich, dass Senecio nicht die Zuverlässigkeit eines Rechtsbeistands, sondern die Erbitterung eines persönlichen Feindes an den Tag gelegt habe – und klagte ihn wegen Majestätsbeleidigung an.(8) Allgemeines Entsetzen; ich aber sagte: „Ich fürchte, hoch angesehene Konsuln, dass mir Massa durch sein Stillschweigen Pflichtverletzung vorgeworfen hat, da er nicht auch mich angeklagt hat.“ Dieser Ausspruch ist sofort aufgegriffen und in der Folge in vielen Unterhaltungen sehr gelobt worden.

(9) Ja, der vergöttlichte Nerva (denn auch schon als Privatmann achtete er auf das, was in der Öffentlichkeit an anständigen Handlungen geschah) schickte mir einen inhaltsschweren Brief [wörtl.: (wünschte) mir in einem – Brief], in dem er nicht nur mich, sondern auch unsere Zeit beglückwünschte, dass ihr (so schrieb er nämlich wörtlich) eine beispielhafte Tat, würdig der alten Zeit [wörtl.: der Alten], zuteil geworden sei.

(10) Wie auch immer [es sich verhält], das (alles), wirst Du bekannter, berühmter, größer machen; freilich fordere ich nicht, dass Du das Maß des tatsächlichen Geschehens überschreitest. Denn die Geschichtsschreibung darf nicht (die Grenzen) der Wahrheit überschreiten, und für ehrenhafte Taten genügt die Wahrheit. Lebe wohl!

keine Angaben

 

 

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