Pygmalion

Weil aber Pygmalion gesehen hatte, dass diese ihr Leben schuldhaft [wörtl.: in Verbrechen] verbrachten, lebte er, empört über die Fehler, die die Natur in sehr großer Zahl dem weiblichen Sinn gab, ohne Gemahlin, unvermählt und hatte auch lange keine Genossin seines Bettes. (247) Indessen schnitzte er schneeweißes Elfenbein erfolgreich mit wunderbarer Kunst und gab ihm eine Gestalt, wie [wörtl.: von welcher] keine Frau geboren werde kann, und verliebte sich [wörtl.: empfand Liebe zu] in sein Werk. (250) Es ist das Aussehen einer echten Jungfrau, man möchte glauben, sie lebt und, wenn nicht die Scham dagegenstünde, will sich bewegen: so sehr verbirgt sich die Kunst durch seine Kunst. Pygmalion staunt und entbrennt [wörtl.: saugt Feuer ein] in seinem Herzen zum künstlich geschaffenen Körper. Oft nähert er seine Hände seinem Werk, um es zu berühren, ob jenes (Werk) ein Leib oder Elfenbein sei: er gesteht auch jetzt noch nicht, dass es Elfenbein sei. (256) Er gibt ihm Küsse und glaubt, sie würden erwidert, und redet und hält sie und glaubt, die Finger würden sich in die berührten Glieder eindrücken, und fürchtet, ein blauer Fleck könnte in die Glieder kommen, wenn sie erdrückt würden [wörtl.: die gedrückten Glieder]. (259) Und bald schmeichelt er ihm, bald bringt er ihm als Geschenke, die Mädchen lieb sind, Perlen und geschliffene Steine, kleine Vögel und tausendfarbige Blumen, Lilien, bunte Bälle und von den Bäumen herabgefallene Tränen der Heliaden; auch schmückt er die Glieder mit Kleidern, gibt auf die Finger Siegelringe, gibt auf den Hals lange Ketten, vom Ohr hängen zierliche Perlen, von der Brust Kettchen (herab). (266) Alles steht ihr gut: auch als Nackte scheint sie nicht weniger schön zu sein. Er legt sie auf Decken, die mit sidonischem Purpur gefärbt sind, nennt sie Genossin seines Lagers und stützt – gleichsam als ob er es fühle – den Nacken in weiche Federkissen, damit er sich hinneige.

(270) Der Festtag der Venus, der auf ganz Zypern (immer) festlich begangen wurde, war gekommen, und die jungen Kühe, an den gekrümmten Hörnern mit Gold überzogen, waren, getroffen am schneeweißen Nacken, zu Boden gestürzt, und der Weihrauch dampfte, als Pygmalion nach dargebrachtem Opfer [wörtl.: das Opfer verrichtet habend] zum Altar trat und schüchtern sagte: „Wenn ihr Götter alles geben könnt, so sei meine Gattin, wünsche ich“ – er wagte nicht zu sagen: „die elfenbeinerne Jungfrau“, sondern sagte: „ähnlich der elfenbeinernen!“ (277) Die goldene Venus verstand, wie sie ja selbst bei ihrem Fest zugegen war, was jene Wünsche bedeuten wollten, und als Vorzeichen einer freundlichen Gottheit, loderte eine Flamme dreimal auf und stieg spitz zulaufend durch die Luft empor.

Wie jener zurückgekehrt war, eilte er zum Bild seiner Geliebten, legte sich aufs Lager und gab ihm Küsse: Es schien warm zu sein. (282) Er nähert wiederum den Mund, berührt mit den Händen auch die Brüste: Das berührte Elfenbein wird weich, legt ab die Starre, gibt dem Druck der Finger nach und fügt sich, wie das Wachs vom Hymettos in der Sonne weich wird und, vom Daumen geknetet, sich in viele Formen biegt und gerade durch den Gebrauch brauchbar wird. (287) Während der Liebende staunt und sich zweifelnd freut und sich zu täuschen fürchtet, berührt er wieder und wieder mit eigener Hand den Gegenstand seiner Sehnsucht: Es war ein Leib! Es schlagen die vom Daumen berührten Adern. Da aber findet der Held von Paphos reiche Worte, mit denen er Venus dankt, und endlich drückt er auf den Mund, (der nun) nicht (mehr) falsch (ist) [wörtl.: drückt er den nicht falschen Mund mit seinem Mund], seinen eigenen, und das Mädchen fühlte die gegebenen Küsse und errötete; und als sie schon das Auge zum Licht hob, sah sie zugleich mit dem Himmel den Liebenden. (295) Bei der Vermählung, die sie bewirkt hat, ist die Göttin anwesend, und nachdem sich schon neunmal die Sicheln des Mondes zum vollen Kreis gerundet hatten, gebar jene die Paphos, von der die Insel den Namen hat.

keine Angaben

 

 

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