Europa

Sobald der Enkel des Atlas die Worte und den ruchlosen Sinn bestraft hat, verlässt er das Land, das nach Pallas Athene genannt ist, und steigt mit Flügelschlägen in den Äther. (836) Der Vater ruft ihn beiseite und sagt, ohne dass er die Ursache (des Befehls) – die Liebe - gesteht: „Treuer Bote meiner Befehle, (mein) Sohn, zögere nicht länger und gleite schnell in gewohnter Fahrt hinab und suche dieses Land auf, das von der linken Seite her zu deiner Mutter emporblickt – die Eingeborenen heißen es dem Namen nach Sidonien–, und lenke die Rinderherde des Königs, die du in der Ferne auf einer Bergwiese weiden siehst, zur Küste.“

(843) Er sprach’s, und längst schon ziehen die vom Berg herab getriebenen Jungtiere wie befohlen zur Küste, wo die Tochter des großen Königs in Begleitung von Mädchen aus Tyros zu spielen pflegte. Hoheit und Liebe harmonieren nicht gut und verweilen auch nicht an einem (gemeinsamen) Ort. Die Würde seines Szepters ließ jener Vater und Lenker der Götter zurück, dessen Rechte mit den dreizackigen Blitzfeuern bewehrt ist, der mit seinem Nicken die Welt erschüttert, (850) und legt die Gestalt eines Stieres an, mischt sich unter die Jungtiere, brüllt und wandelt in Schönheit auf zarten Gräsern einher. Denn er hat eine Farbe wie Schnee, den weder die Schritte einer harten Sohle getreten haben, noch der feuchte Südwind zum Schmelzen gebracht hat. Der Hals ist geschwollen von Muskeln, vom Bug hängt die Wamme herab, (855) die Hörner sind zwar klein, doch man könnte meinen, sie seien von Hand gemacht, und sind durchscheinender als reiner Edelstein. Keine Drohungen (sind) an der Stirn, und nicht Schreckens erregend (ist) das Auge: Frieden trägt sein Blick. Da staunt die Tochter des Agenor, dass er so schön sei, dass er keine Kämpfe androhe; (860) aber obgleich er sanft (ist), scheut sie sich anfangs, ihn zu streicheln, geht bald auf ihn zu und streckt ihm Blumen zum glänzenden Maul. Da freut sich der Verliebte und gibt Küsse auf die Hände, wenn nur (damit) die erhoffte Lust käme: Schon mit Mühe, mit Mühe verschiebt er das Weitere; bald nähert er sich (ihr) spielend und hüpft im grünen Gras, (865) bald legt er seine schneeige Seite nieder im gelblichen Sand, und nachdem (ihr) allmählich die Angst genommen war, bietet er bald seine Brust dar zum Streicheln mit jungfräulicher Hand, bald die Hörner zum Umflechten mit frischen Kränzen. Da wagte es sogar die königliche Jungfrau, weil sie nicht ahnte, wen sie belaste, sich auf den Rücken des Stieres zu setzen, (870) als der Gott vom Land und allmählich von der trockenen Küste weg die Schritte seiner trügerischen Füße anfangs in die Wogen setzt; dann geht er weiter hinaus und trägt die Beute mitten durch die Fläche des Meeres. Die Entführte hat Angst davor und blickt auf das zurückgelassene Ufer zurück und hält sich mit der Rechten am Horn, die andere (Hand) liegt auf dem Rücken; vom Wind flatternd bauschen sich die Kleider.

keine Angaben

 

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