Die Macht des Sittlichen 

…die Macht des Ehrenhaften, ist so groß, daß sie den Schein des Nützlichen in den Schatten stellt. Als die Athener den Ansturm der Perser auf keine Weise mehr abwehren konnten und beschlossen, nach Verlassen der Stadt und Evakuierung der Frauen und Kinder die Schiffe zu besteigen und die Freiheit der Griechen durch die Flotte zu verteidigen, steinigten sie einen gewissen Cyrsilus, der ihnen riet in der Stadt zu bleiben und Xerxes zu empfangen. Aber jener schien dem Nutzen zu folgen, aber dieser war keiner, da die Ehrenhaftigkeit im Widerspruch dazu stand.

Nach dem Sieg in diesem Perserkrieg, sagte Themistocles in der Volksversammlung, er habe einen für den Staat nützlichen Plan, aber es sei nicht vorteilhaft diesen zu kennen. Er forderte, daß das Volk ihn jemanden gebe, mit dem er sich beraten könne. Man gab ihn den Aristides. Themistocles sagt ihm, daß die Flotte der Lacedemonier, die bei Gytheum an Land gezogen worden war, heimlich angezündet werden könne, wodurch die Macht der Lacedemonier notwendigerweise gebrochen werde. Als Aristides das gehört hatte, kam er in die Versammlung, wo er schon sehr erwartet wurde, und sagte, der Plan, den Themistocles vorgelegt hatte, sei sehr nützlich, aber äußerst unehrenhaft. Daher glaubten die Athener, daß das was nicht ehrenhaft sei, auch nicht nützlich sei, und sie wiesen auf Anraten des Aristides diese ganze Sache zurück, von der sie allerdings gehört hatten. Sie handelten besser als wir, die wir von den Piraten keine Abgaben verlangen und von den Verbündeten schon.

Es bleibe also dabei, daß das was schändlich ist, niemals nützlich ist, nicht einmal dann, wenn du das erreichst, was du für nützlich hältst; denn eben das für nützlich zu halten, was schändlich ist, ist verhängnisvoll…

…denn wenn sie sagen, daß das, was (sehr) nützlich ist, ehrenhaft wird, so muß man richtiger sagen, daß das, was ehrenhaft ist, sehr nützlich wird, vielmehr aber, daß es ist und nicht wird. Es ist nämlich nichts nützlich, was nicht gleichzeitig auch ehrenhaft ist, und nichts ehrenhaft weil es nützlich ist, sondern es ist nützlich, weil es ehrenhaft ist.

obscuo1: beschatten. verdunkeln, verfinstern, verhüllen, verbergen
sustineo2: aushalten, ertragen, hemmen, erhalten
recipo3M/sepi/ceptus: aufnehmen, zurücknehmen, annehmen
lapis/idis: Stein, [Halbedelstein]
obruo3/rui/obrutus (ruiturus): überschütten, bedecken, verhüllen, eingraben, versenken
utilitas/atis: Brauchbarkeit, Tüchtigkeit, Nützlichkeit, Nutzen
repugno1: Widerstand leisten, ankämpfen, entgegenstehen
honestas/atis: Ehre, Ansehen, Auszeichnungen, Ehrenhaftigkeit, Würde, Anstand, Sittlichkeit
contio/onis: (Volks-, Heeres-) Versammlung, Ansprache
postulo1: beanspruchen, fordern, verlangen, begehren
communico1: gemeinsam machen, vereinigen, zusammenlegen
exspectatio/onis: Erwartung, Spannung, Neugier

 

 

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