Cicero, de officiis I 50-52

Aber am besten wird die Gemeinschaft und die Freundschaft/der Zusammenhang der Menschen bewahrt werden, wenn einem jeden, je näher er stehen wird, umso mehr an Wohlwollen entgegengebracht werden wird. Aber es scheint, daß man weiter ausholen muß, was die natürlichen Prinzipien der Gemeinschaft und der menschlichen Gesellschaft sind. Es ist nämlich zunächst (das), was in der Gemeinschaft der gesamten Geschlechter der Menschen erkannt/wahrgenommen wird. Deren Band aber ist Vernunft und Rede, welche durch Belehren, durch Lernen, durch Mitteilen, durch Verhandeln, durch Urteilen die Menschen füreinander gewinnt und sie in einer gewissen natürlichen Gemeinschaft verbindet; und durch keine andere Sache sich wir weiter entfernt von der Natur der wilden Tiere; wir sagen oft, daß in diesen Tapferkeit ist, wie zum Beispiel in Pferden, in Löwen, daß Gerechtigkeit, Gleichheit und Gütige (in ihnen sei) sagen wir nicht; denn sie sind unbeteiligt an Vernunft und Rede. Und freilich ist diese Gemeinschaft untereinander für die Menschen sehr weitreichend. In dieser muß die Gemeinschaftlichkeit aller Dinge, welche die Natur zum gemeinschaftlichen Gebrauch der Menschen hervorgebracht hat, bewahrt werden, wie es in einem Sprichwort der Griechen ist, daß alles, was Freunden gehört, gemeinsam(er Besitz) ist. Allen Menschen aber gemeinsam zu gehören scheint aber das, was von dieser Art ist, welche von Ennius in einer Sache angewendet worden ist und auf viele Sachen übertragen werden kann:

Ein Mensch, der einem Umherirrenden freundlich den Weg zeigt,
tut, als ob er ein Licht von seinem Licht anzündete.
Nichts desto weniger spendet er sich selbst Licht, da er es jenem angezündet hat.

Aufgrund einer Sache lehrt er ausreichend, daß dies, was auch immer ohne Schaden gewährt werden kann, sogar einem Unbekannten gewährt werden soll. Daraus ergeben sich jene allgemeinen Grundsätze: das Wasser nicht durch Quellwasser hindern, Feuer von Feuer nehmen lassen, wenn dies irgendeiner will, einem Überlegenen einen zuverlässigen Ratschlag geben; das ist für jene nützlich, die empfangen, für den Gewährenden nicht lästig.

societas/atis: Gemeinschaft, Gesellschaft, Gemeinsamkeit
coniunctio/onis: Verbindung, Vereinigung, Ehe, Freundschaft
benignitas/atis: Wohlwollen, Freundlichkeit, Güte, Gefälligkeit
naturalis/e: Natur-, natürlich, naturgegeben, angeboren
vinculum/i: Schnur, Band, Strick, Fesseln
ratio/onis: Vernunft, Überlegung, Ansicht, Berechnung,
discepto1: erörtern, verhandeln, streiten, entscheiden, schlichten
concilio1: gewinnen, vereinigen, verbinden
expers/pertis: unbeteiligt, unteilhaftig, ohne Anteil, unkundig, frei
patens/entis: offen, frei, offenbar
gigno3/genui/genitus: zeugen, gebären, hervorbringen, verursachen
accendo3/cendi/census: anzünden, erhellen, erhitzen, entflammen, schüren, erregen, steigern
praecipio3M/cepi/ceptus: voraus-, vorwegnehmen, vorschreiben, verordnen, lehren
tribuo3/ui/utus: ein-, zu-, verteilen, erweisen, gewähren
commodo1: sich gefällig erweisen, (hin)geben, gewähren, leihen
communia/ium: "allgemeine Grundsätze"
profluo3/fluxi: hervorströmen, hervorfließen

 

 

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