Unterredung mit Ariovist

(43,1) Es gab (dort) eine große Ebene und in ihr einen ziemlich großen Erdhügel. Dieser Ort war ungefähr gleich weit [wörtl.: eine ungefähr gleiche Strecke…entfernt] von den Lagern beider, Ariovists und Caesars, entfernt. (2) Dorthin kamen sie, wie vereinbart, zur Unterredung zusammen. Caesar ließ die Legion, die er zu Pferd herbeigeschafft hatte, 200 Schritt von diesem Hügel (entfernt) halten; ebenso stellten sich die Reiter des Ariovist in gleicher Distanz auf. (3) Ariovist forderte, dass die Unterredung zu Pferd geführt werde und sie außer ihnen je zehn Leute zur Unterredung mitbrächten. (4) Sobald man dort angelangt war, erwähnte Caesar zu Beginn seiner Rede die Dienste, die er und der Senat ihm erwiesen hätten [wörtl.: seine und des Senates ihm erwiesenen Dienste], nämlich, dass er vom Senat „König“ und „Freund“ [wörtl.: …König, dass er Freund] genannt worden sei und dass Geschenke im reichsten Ausmaß übermittelt worden seien; er zeigte auf, dass dies einerseits (nur) wenigen zuteil geworden sei, andererseits (nur) für große Verdienste [wörtl.: Verdienste der Menschen] erwiesen zu werden pflegte; (5) jener habe, obwohl er weder eine Veranlassung noch einen berechtigten Grund für seine Forderung habe, durch seine und des Senates Gefälligkeit und Freigebigkeit diese Auszeichnungen erlangt. (6) Er betonte ferner, wie alte und wie berechtigte Gründe für die Freundschaft zwischen ihnen und den Haeduern [wörtl.: (ihnen) selbst mit den Haeduern] bestünden, (7) welche Senatsbeschlüsse, wie oft und wie ehrenvolle zu ihren Gunsten erlassen wurden, wie die Haeduer zu aller Zeit den Ehrenvorrang über ganz Gallien innegehabt hätten, sogar bevor sie unsere Freundschaft gesucht hätten. (8) Dies sei die Gewohnheit des römischen Volkes, zu wollen, dass Bundesgenossen und Freunde nicht nur nichts von ihrem Besitz einbüßten, sondern dass sie an Einfluss, Würde und Ehre gewinnen sollten [wörtl.: größer wären]; was sie aber in die Freundschaft mit dem römischen Volk eingebracht hätten, wer könnte es zulassen, dass es ihnen entrissen werde? (9) Hierauf forderte er das gleiche, das er den Gesandten als Aufträge gegeben hatte: er solle weder mit den Haeduern noch mit deren Bundesgenossen einen Krieg beginnen; er solle die Geiseln zurückgeben; wenn er (schon) keinen Teil der Bundesgenossen nach Hause zurückschicken könne, dann solle er wenigstens nicht zulassen, dass irgendwelche (Germanen) weiterhin den Rhein überschritten.

(44,1) Ariovist antwortete auf die Forderungen Caesars wenig, machte aber viel Aufhebens von seinen tapferen Taten: (2) Er habe den Rhein nicht aus eigenem Antrieb überschritten, sondern sei von den Galliern gebeten und herbeigerufen worden; nicht ohne große Hoffnung und große Belohnungen habe er Haus und Verwandte zurückgelassen; er habe (nur) Wohnsitze in Gallien, die von ihnen abgetreten wurden, und Geiseln, die freiwillig [wörtl.: nach deren Willen] gestellt wurden; den Tribut, den die Sieger den Besiegten aufzuerlegen pflegten, nehme er nach dem Kriegsrecht. (3) Nicht er habe mit den Galliern, sondern die Gallier hätten mit ihm den Krieg begonnen; alle Stämme Galliens seien gekommen, um ihn zu bekämpfen, und seien gegen ihn im Feld gelegen; alle diese Truppen seien von ihm in (nur) einer Schlacht geschlagen und überwältigt worden. (4) Wenn sie es noch einmal versuchen wollten, wäre er noch einmal bereit, um die Entscheidung zu kämpfen; wenn sie (aber) Frieden haben wollten, sei es unbillig, den Tribut zu verweigern, den sie freiwillig bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt gezahlt hätten. (5) Die Freundschaft mit dem römischen Volk müsse für ihn Auszeichnung und Schutz, nicht (aber) Schaden bedeuten, und in Hoffnung darauf [wörtl.: in dieser Hoffnung] habe er diese Freundschaft gesucht. Wenn (ihm) der Tribut durch das römische Volk geschmälert würde und die Untertanen (heimlich) entzogen würden, werde er genauso gern die Freundschaft mit dem römischen Volk zurückweisen, wie er sie gesucht habe. (6) Was das betrifft, dass er eine Menge Germanen nach Gallien führe, so tue er das, um sich zu schützen, nicht um Gallien anzugreifen. Beweis dafür sei, dass er nur auf Bitten hin [wörtl.: außer wenn er gebeten wurde] gekommen sei und dass er den Krieg nicht begonnen, sondern abgewehrt habe. (7) Er sei früher nach Gallien gekommen als das römische Volk; niemals habe vor diesem Zeitpunkt ein Heer des römischen Volkes die Grenzen der Provinz Gallien überschritten. (8) Was wolle er? Warum komme er in seine Besitzungen? Dieses Gallien sei seine Provinz wie jene unsere. Wie es ihm selbst nicht gestattet werden dürfe, wenn er einen Angriff auf unser Gebiet mache, so seien ebenso wir ungerecht, dass wir ihn in seinem Recht stören. (9) Was die Behauptung (Caesars) betrifft [wörtl.: was das betrifft, dass er…sage], dass die Haeduer von ihm „Freunde“ genannt worden seien, so sei er nicht so ungebildet und in den politischen Verhältnissen so unerfahren, um nicht zu wissen, dass die Haeduer weder im letzten Krieg mit den Allobrogern den Römern Hilfe gebracht, noch sie selbst in den Kämpfen, die die Haeduer mit ihm und mit den Sequanern gehabt haben, die Hilfe des römischen Volkes genossen haben. (10) Er müsse den Verdacht haben, Caesar täusche Freundschaft nur vor: denn er unterhalte das Heer, das er in Gallien habe, (nur) um ihn zu überwältigen. (11) Wenn er nicht abziehe und das Heer aus diesen Gegenden wegführe, werde er ihn nicht als Freund, sondern als Feind betrachten. (12) Wenn er ihn (= Caesar) nun töte, würde er vielen Adeligen und führenden Männern des römischen Volkes einen Gefallen erweisen – das wisse er genau, von ihnen selbst und durch Boten: Den Dank und die Freundschaft von allen diesen könne er sich durch seinen Tod erkaufen. Wenn er aber abziehe und ihm den uneingeschränkten Besitz Galliens überlasse, wolle er ihn reichlich belohnen und alle Kriege, die er geführt haben wolle, ohne Mühe und Gefahr für ihn vollenden.

(45,1) Viel wurde von Caesar zugunsten der Meinung gesagt, warum er sein Vorhaben nicht aufgeben könne [wörtl.: von seinem Vorhaben nicht ablassen könne]; weder gestatte es seine Gewohnheit noch die des römischen Volkes, hochverdiente Bundesgenossen im Stich zu lassen, auch sei er nicht der Meinung, dass Gallien eher dem Ariovist gehöre als dem römischen Volk. (2) Von Quintus Fabius Maximus seien die Arverner und die Rutener in einem Krieg besiegt worden; ihnen habe das römische Volk verziehen und sie weder zu einer Provinz ge­macht, noch ihnen einen Tribut auferlegt. (3) Wenn man gerade die älteste Zeit berücksichtigen müsse, (dann) sei die Herrschaft des römischen Volkes in Gallien am ehesten gerechtfertigt; wenn man die Entscheidung des Senates beachten müsse, (dann) müsse Gallien frei sein, denn er (der Senat) habe gewollt, dass dieses, obgleich im Krieg besiegt, seine eigene Verfassung behalte.

(46, Z. 66) Während dies in der Unterredung verhandelt wurde, meldete man Caesar, dass die Reiter des Ariovist näher zum Hügel anrückten, an die Unseren heranritten und Steine und Geschoße auf die Unseren schleuderten. Caesar beendete das Gespräch [wörtl.: machte ein Ende des Sprechens], zog sich zu den Seinen zurück und befahl ihnen [wörtl.: den Seinen], ja kein Geschoß auf die Feinde zurückzuschleudern. Denn wenn er auch sah, dass ein Gefecht mit der Reiterei ohne irgendeine Gefahr für seine ausgewählte Legion (70) ausgehen [wörtl.: sein] werde, glaubte er, es dennoch nicht (darauf) ankommen lassen zu dürfen, dass man nach dem Vertreiben der Feinde sagen könne, sie seien bei der Unterredung von ihm in treuloser Weise hintergangen worden. Nachdem unter den gewöhnlichen Soldaten bekannt geworden war, welchen Hochmut Ariovist bei der Unterredung gezeigt und dass er den Römern ganz Gallien verboten hätte und seine Reiter einen Angriff auf die Unseren gemacht hätten und dieser Vorfall die Unterredung abgebrochen hätte, wurde dem Heer eine noch (75) weit größere Begeisterung und Kampflust eingeflößt.

keine Angaben

 

 

 

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