Die Gallier bitten Caesar um Hilfe gegen Ariovist

(30,1) Nach Beendigung des Helvetierkrieges kamen als Gesandte von beinahe ganz Gallien die Fürsten der Stämme bei Caesar zusammen, um ihm Glück zu wünschen: (2) Sie sähen ein, obgleich er für die alten Ungerechtigkeiten der Helvetier am römischen Volk diese durch einen Krieg bestraft habe [wörtl.: Strafe an diesen vollzogen habe], dass dies genauso zum Nutzen des gallischen Landes wie des römischen Volkes geschehen sei, (3) weil die Helvetier trotz blühendster Verhältnisse ihre Heimat in der Absicht verlassen hätten, mit ganz Gallien einen Krieg zu beginnen, sich der Herrschaft zu bemächtigen und aus der großen Zahl der (vorhandenen) Möglichkeiten [wörtl.: aus dem großen Vorrat] diesen Ort für ihren Wohnsitz auszuwählen, den sie für den günstigsten und fruchtbarsten von ganz Gallien hielten, und die übrigen Stämme tributpflichtig zu halten. (4) Sie baten, dass es ihnen gestattet sei, einen Landtag ganz Galliens zu einem bestimmten Termin einzuberufen und dies mit seiner Genehmigung zu tun; sie hätten manche Dinge, um die sie ihn aufgrund eines allgemeinen übereinstimmenden Beschlusses bitten wollten. (5) Als (ihnen) dies erlaubt worden war, setzten sie einen Termin für den Landtag fest und verpflichteten sich durch einen Eid, dass keiner (etwas davon) verrate, es sei denn, dass es jemandem auf einen gemeinsamen Beschluss hin aufgetragen wurde.

(31,1) Nach Auflösung dieses Landtages kamen dieselben Stammesfürsten, die vorher anwesend waren, zu Caesar zurück und baten (ihn), ohne Zeugen [wörtl.: gesondert/getrennt] (und) geheim über ihr und aller Wohl mit ihm verhandeln zu dürfen. (2) Als sie das erreicht hatten, warfen sich alle unter Tränen Caesar zu Füßen: Genauso dringlich bemühten sie sich darum, dass ihre Angaben [wörtl.: das, was sie gesagt hatten] nicht verraten würde, wie darum, dass sie ihre Absichten erreichten, weil sie sähen, sie würden, falls es verraten würde, ärgsten Martern entgegengehen. (3) Es sprach für sie der Haeduer Diviciacus: In ganz Gallien gäbe es zwei Parteien; die Führung der einen [wörtl.: einen von diesen] hätten die Haeduer inne, die der anderen die Arverner. (4) Da (nun) diese viele Jahre untereinander so sehr um den politischen Vorrang kämpften, sei es so weit gekommen, dass von den Arvernern und den Sequanern Germanen in Sold genommen wurden. (5) Von diesen hätten anfangs ungefähr 15.000 den Rhein überschritten; nachdem die wilden, barbarischen Menschen das Land, die Lebensweise und den Wohlstand der Gallier liebgewonnen hätten, seien (noch) mehr herübergebracht worden; (6) jetzt befänden sich an die 120.000 (Mann) in Gallien. (6) Mit diesen hätten die Haeduer und ihre Klienten wiederholt [wörtl.: ein und das andere Mal] mit Waffen gekämpft; sie seien geschlagen worden, hätten eine große Niederlage erlitten und den ganzen Hochadel, den ganzen Senat und die ganze Ritterschaft verloren (7) Durch diese Schlachten und Niederlagen seien sie zusammengebrochen, sie, die durch ihre eigene Tapferkeit, durch das Gastrecht und durch die Freundschaft mit dem römischen Volk vorher in Gallien die mächtigsten gewesen seien, und sie seien gezwungen gewesen, die Vornehmsten des Stammes den Sequanern als Geiseln zu stellen und durch einen Eid den Stamm zu verpflichten, weder die Geiseln zurück zu verlangen, noch Hilfe vom römischen Volk zu erflehen, noch sich zu weigern, dauernd unter ihrer (gesetzlichen) Gewalt und ihrem Oberbefehl zu stehen. (8) Er sei der einzige vom ganzen Stamm der Haeduer, der nicht dazu gebracht werden konnte, den Eid zu leisten oder seine Kinder als Geiseln zu stellen. (9) Deshalb sei er aus seinem Stamm geflohen und nach Rom zum Senat gekommen, um Hilfe zu verlangen, weil er allein weder durch einen Eid noch durch Geiseln gebunden sei. (10) Aber den siegreichen Sequanern sei es schlimmer als den besiegten Haeduern ergangen, weil sich der Germanenkönig Ariovist in ihrem Gebiet niedergelassen und ein Drittel des Sequanerlandes, das das beste von ganz Gallien sei, in Besitz genommen habe, und nun befehle er den Sequanern, ein weiteres Drittel zu räumen, weil vor wenigen Monaten 24.000 Haruden zu ihm gekommen wären, für die Platz und Wohnraum geschaffen werden sollte. (11) Es werde in wenigen Jahren so weit sein, dass sie alle aus dem Gebiet Galliens vertrieben würden und alle Germanen den Rhein überschritten; auch könne das gallische Land nicht mit dem der Germanen verglichen werden und auch diese Lebensgewohnheit nicht mit jener [wörtl.: könne nicht mit jener verglichen werden]. (12) Seit Ariovist aber einmal die Truppen der Gallier in einer Schlacht besiegt habe – diese Schlacht habe bei Magetobriga stattgefunden –, herrsche er stolz und grausam, verlange die Kinder aller Adeligen als Geisel und lasse an ihnen alle Strafen und Martern vollziehen, wenn irgend etwas nicht auf seinen Wink oder nach seinem Willen geschehen sei. (13) Er sei ein barbarischer, jähzorniger und verwegener Mensch; man könne seine Herrschaft nicht länger ertragen. (14) Wenn es nicht irgendeine Hilfe bei Caesar und dem römischen Volk gäbe, müssten alle Gallier dasselbe tun, was die Helvetier getan hätten, nämlich von zu Hause wegziehen [auch: auswandern], eine andere Heimat, andere, von den Germanen fernab (liegende) Wohnsitze suchen und sich jedem Schicksal, das (ihnen) widerfahren würde, zu stellen. (15) Würden diese Dinge Ariovist verraten, bestünde kein Zweifel, dass er an allen Geiseln, die bei ihm seien, die grausamste Art von [wörtl.: schwerste] Todesstrafe vollziehen lassen werde. (16) Caesar könne durch sein Ansehen und das seines Heeres oder durch den jüngsten Sieg oder im Namen des römischen Volkes verhindern [wörtl.: abschrecken], dass eine noch größere Menge Germanen über den Rhein geführt werde, und könne ganz Gallien vor der Ungerechtigkeit des Ariovist schützen.

(33,1) Nachdem Caesar dies vernommen hatte, sprach er den Galliern Mut zu [wörtl.: ermutigte er die Gallier mit Worten] und versprach, dass er sich darum kümmern werde; er habe große Hoffnung, dass Ariovist durch sein Verdienst und sein Ansehen den Ungerechtigkeiten ein Ende setzen werde. (2) Nach dieser Rede [wörtl.: nachdem diese Rede gehalten worden war] entließ er die Versammlung. Außerdem veranlassten ihn noch viele (weitere) Gründe, warum er glaubte, dies überlegen und in die Hand nehmen zu müssen, vor allem, weil er sah, dass die Haeduer, die oftmals vom Senat „Brüder und Blutsverwandte“ genannt worden waren, in der Knechtschaft und Gewalt der Germanen gehalten wurden, und (weil) er wusste, dass ihre Geiseln (sich) bei Ariovist und den Sequanern befinden; dies hielt er angesichts der so bedeutenden Macht des römischen Volkes für die größte Schande für sich und den Staat. (3) Dass sich aber die Germanen allmählich daran gewöhnten, den Rhein zu überschreiten und in großer Zahl [wörtl.: eine große Menge von ihnen] nach Gallien zu kommen, sah er als gefährlich für das römische Volk an; (4) auch glaubte er nicht, dass die wilden, barbarischen Menschen, wenn sie ganz Gallien besetzt hätten, wie es früher die Kimbern und Teutonen getan haben, davor zurückscheuen würden, in die Provinz einzumarschieren und von dort nach Italien zu ziehen, da doch nur die Rhone die Sequaner von unserer Provinz trenne; diesen Gefahren [wörtl.: Dingen] glaubte er möglichst schnell begegnen zu müssen. (5) Ariovist selbst aber hatte einen solchen Stolz (und) eine solche Anmaßung angenommen, dass er nicht (mehr) erträglich (zu sein) schien.

(34,1) Deshalb beschloss er, Gesandte zu Ariovist zu schicken, die von ihm verlangen sollten, irgendeinen Ort in der Mitte von beiden für eine Unterredung auszuwählen: Er wolle mit ihm über eine Staatsangelegenheit und über für sie beide sehr wichtige Dinge verhandeln.

bello…confecto: ist Abl. abs.
iudicassent
: = iudicavissent
ea re premissa
: ist Abl. abs.
eo concilio dimisso
: ist Abl. abs.
venturos (+ esse)
: ist Inf. Futur daher nachzeitig
repetituros
: ist Inf. Fut. von repto3
imploraturos
: ist Inf. Fut. von imploro1
recusaturos
: ist Inf. Fut. von recuso1
paucis mensibus
: ist Ablativus mensurae (ante ist Adverb)
conferendum
: ist Gerundiv
comparandam
: ist Gerundiv
faciendum
: ist Gerundiv
his rebus cognitis
: ist Abl. abs.
hac oratione
: ist Abl. abs.
ferendus: ist Gerundiv

 

 

 

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