Caesars erstes Eingreifen

[5] Nach seinem Tod versuchten die Helvetier nichtsdestoweniger, dass zu tun, was sie beschlossen haben, nämlich aus ihrem Gebiet auszuwandern. Sobald sie glaubten dafür schon bereit zu sein, setzten sie alle ihre Städte, an die zwölf, in Brand, an die 400 Dörfer und die übrigen privaten Gebäude, verbrannten das ganze Getreide außer dem, dass sie mit sich nehmen wollten, um nach Beseitigung der Hoffnung auf Heimkehr bereit zu sein alle Gefahren aus sich zu nehmen; sie befahlen, dass jeder Mehl für drei Monate für sich von zu Hause mitnehme. Sie überredeten die benachbarten Rauraker, Tulinger und Latobriger, die dieselbe Absicht hatten (in der selben Absicht), ihre Städte und Dörfer in Brand zu setzen und gemeinsam mit ihnen aufzubrechen. Und die Boier, die jenseits des Rheins gewohnt hatten und in das Gebiet von Norikum gewandert waren und Norea bekämpft hatten, machten sie sich zum Bundesgenossen nachdem sie sie zu ihnen aufgenommen hatten.

[6] Es gab im ganzen zwei Wege, auf denen sie von zu Hause auswandern konnten: Den einen durch das Gebiet der Sequaner, einen engen und schwierigen, zwischen dem Juragebirge und dem Fluß Rhone, wo kaum ein Wagen hinter dem andren geführt werden konnte; das sehr hohe Gebirge ragte drohend darüber auf, so dass ganz wenige mit Leichtigkeit (wörtl.: leicht) den Weg versperren konnten; den zweiten durch unsere Provinz [= Gallia Narbonensis], einen viel leichteren und bequemeren, weil zwischen den Gebieten der Helvetier und Allobroger, die (erst) vor kurzem unterworfen worden waren, die Rhone fließt und man sie an einigen Stelen in einer Furt überqueren kann. Die nördlichste (wörtl.: am weitesten entfernte) Stadt der Allobroger und dem Gebiet der Helvetier nächste in Genava. Von dieser Stadt aus führt eine Brücke zu den Helvetiern. Sie glaubten, die Allobroger (in nächster Zeit) entweder überreden zu können, da sie dem römischen Volk gegenüber noch nicht gut gesinnt zu sein schienen, ober mit Gewalt zwingen zu können, sie durch ihr Gebiet gehen zu lassen. Als alles für den Aufbruch vorbereitet war, setzten sie einen Termin fest, an dem alle am Ufer der Rhone zusammenkommen sollten. Es war dies der 28. März in Konsulatsjahr des Lucius Piso (und) des Aulus Gabinius.

[7] Als (dies) Caesar berichtet worden war, dass sie es wagten durch unsere Provinz zu ziehen, macht er sich schnell fertig um von der Stadt (= Rom) aufzubrechen und eilte in möglichst großen Märschen jenseits nach Gallien und kam in Gallien an. Der ganzen Provinz befielt er die Stellung einer möglichst großen Anzahl von Soldaten – (denn) es befand sich jenseits in Gallien überhaupt nur eine Legion –; die Brücke, die sich bei Genava befand, ließ er abreißen. Sobald die Helvetier von seiner Ankunft benachrichtigt worden waren, schickten sie die vornehmsten Bürger als Gesandte zu ihm; Nammeius und Verucloetius hatten den ersten Rang dieser Gesandtschaft, die sagen sollten, sie hätten vor, ohne irgendein Unrecht durch die (römische) Provinz zu ziehen, weil sie keinen anderen Weg hätten; sie ließen bitten, dass es ihnen erlaubt sei, das zu tun mit seinem Einverständnis. Weil Caesar in Gedächtnis hatte, dass der Konsul Lucius Cassius ermordet, und sein Heer von den Helvetiern geschlagen und unterdrückt worden war, glaubte er ihnen nicht nachgeben zu dürfen; auch glaubte er nicht, dass sich feindlich gesinnte Menschen, wenn sie die Möglichkeit hatten durch die Provinz zu ziehen, von Unrecht und Verbrechen zurückhalten werden. Dennoch antwortete er den Gesandten, damit ein Zeitraum verstreichen könne, bis die Soldaten, deren Stellung er befohlen hatte, zusammenkämen, er wolle sich Bedenkzeit nehmen; wenn sie etwas wünschten, sollten sie am 13. April wiederkommen.

[8] Inzwischen läßt er mit der Legion, die er bei sich hatte und den Soldaten, die aus der Provinz zusammengekommen waren, vom Genfer See, aus dem (der Fluß) die Rhone ausfließt, bis zum Juragebirge, das das Gebiet der Sequaner von dem der Helvetier trennt, neunzehn Meilen (lang) einen Erdwall bis zu einer Höhe von sechzehn Fuß aufführe und einen Graben ziehen. Nach Vollendung dieses Werkes verteilt er die Wachposten und errichtet Festungen, damit er sie umso leichter hindern könnte, wenn sie gegen seinen Willen den Durchzug versuchten. Sobald der Tag/Termin, den er mit den Gesandten vereinbart hatte, gekommen war und die Gesandten wieder zu ihm kamen, sagt er, er könne nach Sitte und Brauch des römischen Volkes keinem den Durchmarsch durch die Provinz gestatten und mache ihnen klar, dass er sie, falls sie Gewalt anzuwenden versuchten, (daran) hindern werde. Die Helvetier sahen sich in ihrer Hoffnung getäuscht und versuchten auf zusammengebundenen Schiffen und mehreren gebauten Flossen, andere (wieder) durch Furten der Rhone, wo der Fluß am seichtesten war, manchmal bei Tag, öfters in der Nacht, ob sie durchbrechen könnten, gaben aber, durch die (Befestigung der) "Befestigungsanlage", das Anrücken der Soldaten und die Geschosse zurückgeschlagen, diesen Versuch auf.

comburere3: verbrennen
uti = ut
persuadere + ut: überreden
exurere3: verbrennen
persuasuros…coacturos: sind Futurinfinitive; hier: in nachzeitiger Verwendung daher: "in nächster Zeit"
omnibus rebus…comparatis: ist Abl. Abs.
uib (temp.): sobald
qui…dicerent: ist konjuntiver Relativsatz mit finaler Bedeutung
quo = ut eo + Komp.: damit umso
communire: etwas befestigen; etwas Befestigtes anlegen
deicere: hinunterwerfen
operis munitione: Befestigungsanlage
militum concursu: (das) zusammenströmen der Soldaten
conatus/us: Vorhaben

 

 

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