VERWERFLICH UND GESCHMACKLOS
Weinetiketten, die schwindlig machen . . .

Der italienische Winzer, gegen dessen mit Hitler-Bildern beklebte
Flaschen die Justizministerin protestiert, erfreut sich guter Absätze

von Alexandra Leuthner (Süddeutsche Zeitung, 09.09.2003)

Berlin - Mit Che Guevara oder Kaiserin Sissi hätte man ja kein Problem, auch mit Napoleon könnte man leben, bei Italiens einstigem faschistischen Diktator Benito Mussolini oder gar Adolf Hitler ist die Grenze der Geschmacklosigkeit allerdings weit überschritten. Dieser Ansicht ist auch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries [das ist die, die Vaterschaftstests unter Strafe stellen wollte, Anm. Dikigoros], die wie berichtet gerade bei Italiens Regierung gegen den Vertrieb von Weinflaschen mit Hitlerporträts und Etiketten mit Nazi-Parolen protestiert hat. Ein Bericht im ARD-Magazin Kontraste über einen Udineser Weinbauern und seine anstößig etikettierten Weine hatte die Ministerin auf den Plan gerufen.

„Verwerflich und geschmacklos“ finde sie diese Art der Präsentation, habe Zypries an ihren Amtskollegen in Rom, Roberto Castelli, geschrieben. Dem Berliner Protest will sich möglicherweise die bayerische Justiz anschließen. Generalstaatsanwalt Karl Huber beim Münchner Oberlandesgericht sei dabei, mit den anderen Bundesländern abzuklären, wo und ob bereits Ermittlungen gegen den Winzer eingeleitet sind. Falls das nicht der Fall sei, werde man das von München aus tun, kündigte Pressesprecher Kord Lemke an. Der Vorwurf: Verwendung von Abzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen, in Deutschland mit Geldstrafe oder Freiheitsentzug bis zu drei Jahren bedroht. [Oha, wenn man bedenkt, in wie vielen Wappen - einschließlich US-amerikanischen - die Fasci heute noch ganz offiziell enthalten sind, dann kann man morgen die ganze Welt kriminalisieren, Anm. Dikigoros] Italiens Justizminister wolle auch prüfen, ob rechtliche Schritte gegen die Firma im Friaul ergriffen werden könnten, heißt es.

Seit 1995 vertreibt die Firma Lunardelli ihre Cabernet-Sauvignons oder Merlots mit den Etiketten der „historischen Linie“. Den Firmeninhaber Alessandro Lunardelli habe sein Geschäftsführer und Sohn Andrea von der Idee erst überzeugen müssen, hatte schon vor längerem Die Gemeinde mitgeteilt, das Organ der israelitischen Kultusgemeinde in Wien. Mit einer gehörigen Portion Sarkasmus schlug sie damals vor, die lukrative Geschäftsidee doch gleich zu erweitern und Starkbier auch mit einem Bild des Braunauers und der Bezeichnung „Exterminator“ zu versehen... Geschäftsfördernd jedenfalls scheinen Hitler, Himmler und Konsorten [Göring, Hess und Rommel, Anm. Dikigoros] zu sein. Mehr als 40.000 Flaschen mit ihnen auf dem Etikett sollen allein im vergangenen Jahr über italienische Ladentheken gegangen sein und auch über die italienischen Landesgrenzen – nun Anlass für die deutsche Justiz, gegen die italienischen Weinbauern zu Felde zu ziehen. [Komisch - Dikigoros dachte immer, Don Quixote sei Spanier gewesen.]

Zwar haben die Lunardellis auch in Italien bereits Erfahrungen mit der Justiz gemacht - ein Gericht in Bozen hatte sie wegen Verharmlosung des Faschismus angeklagt - verurteilt wurden sie aber nicht. [Es war wohl eher so, daß ein übereifriger Staatsanwalt sie angeklagt hat, während das Gericht sie frei gesprochen hat, und zwar weil die bloße Etikettierung keine "Verherrlichung" darstellt - auch in Geschichtsbüchern und Lexika wird Hitler ja ungestraft abgebildet. (In Italien dürfen sogar noch Medaillen auf Hitler, Mussolini u.a. geprägt werden, obwohl man trefflich streiten kann, ob damit nicht schon die Grenze zur Verherrlichung überschritten ist.) Dieser rechtskräftige Freispruch sowie der Verfassungsgrundsatz "ne bis in idem" würde von Rechts wegen einem neuerlichen Verfahren gegen die Winzer entgegen stehen - auch in Deutschland, was die Justiz-Ministerin eigentlich wissen müßte. Aber gegen das Grundgesetz kann man ja ungestraft verstoßen, wie die jüngste Vergangenheit wiederholt gezeigt hat, solange es nur der Politik in den Kram paßt: legal, illegal, scheißegal, und schon wird plötzlich ein "Verteidigungskrieg" am Hindukusch geführt, Anm. Dikigoros] Während man den Führerwein also in Italien ungestraft erwerben [und sogar ungestraft trinken, Anm. Dikigoros] kann, ist die Grenze der Legalität nach Ansicht der deutschen Justiz dadurch überschritten, dass man die Weine per Internet auch von hier bestellen kann. Andrea Lunardelli hatte bereits früher jede Kritik zurückgewiesen: „Vollkommen unparteiisch“ biete er ja auch Flaschen mit Marx, Stalin oder Lenin an. [Und mit Churchill, Roosevelt und Dracula. Doch die Roten sind ja nicht das Problem, da es sich um Rotwein handelt, der ohne weiteres für das Blut stehen könnte, das sie so reichlich vergossen haben. Aber der Braunauer? Nun, vielleicht könnte man den Winzer wegen Irreführung der Verbraucher verurteilen, die womöglich bei einem Hitler-Etikett als Inhalt Kakao erwarten?!] Und auf seiner Homepage preist er die Idee, „Weine bester Qualität“ mit Etiketten zu versehen, die an „gefeierte Personen der italienischen und der Welt-Geschichte“ erinnern. Seinen Hitler-Merlot hat er übrigens als „weich, leicht süß und nicht aggressiv“ beschrieben.


Nachtrag Juni 2005:
In der BRD und in Italien spielen sich Dinge ab, die selbst Dikigoros noch vor kurzem für unmöglich gehalten hätte: Das Landgericht München hat einen Briefmarken- und Münzhändler wegen "Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen" verurteilt: Er hatte Briefmarken mit Hitlerkopf und Münzen mit Hakenkreuz aus der Zeit des "Dritten Reichs" zum Verkauf angeboten. Nun erfuhr er auch, was hinter dem Raubüberfall steckte, den am Rosenmontag 2004 eine Bande schwerbewaffneter Maskierter verübt hatte, die ihm den Laden ausgeräumt hatten: Es hatte sich um äußerst ehrbare "Polizisten" des Freistaats Bayern gehandelt, welche als "Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft" tätig geworden waren durch die "Beschlagnahme von Beweismitteln". [Wie war das gleich? 1933-1945 lebten die Deutschen in einem Verbrecherstaat und waren völlig recht- und hilflos der Willkür der Staatspolizei und ihrer so genannten Gerichte ausgeliefert? Gut, daß das heute alles viel besser geworden ist! Auch der Schutz vor Straftätern: In derselben Woche wurde ein schwuler Richter desselben Gerichts trotz erwiesener Kinderschändung freigesprochen. Begründung: Er konnte doch nicht ahnen, daß der Knabe erst 13 Jahre alt war - mit seinen 1,50 m sah er aus wie mindestens 18. Im "Dritten Reich" wäre der arme Mann womöglich verurteilt worden und hätte sein Richteramt verloren! Die diesbezügliche Schlagzeile in einem bekannten deutschen Boulevard-Blatt am 25.6.2005 durfte übrigens südlich des "Weißwurst-Äquators" nicht erscheinen - ja, auch um die Pressefreiheit ist es heute viel besser bestellt als 1933-1945!] Zur gleichen Zeit haben italienische Sondergerichte in Schnellverfahren ausländische Touristen zu hohen Geldstrafen verurteilt wegen des Kaufs von... nein, nicht von "Führerweinen", sondern von Markenimitaten! Wohlgemerkt - die italienischen Betrüger, die den Touristen gefälschte Uhren, Handtaschen, Sonnenbrillen u.ä. Nippes der "Nobel"-Firmen Gucci, Versace etc. andrehen, bleiben unbehelligt; aber Ausländer, die auf solche Betrüger herein fallen, werden dafür auch noch bestraft!
Also, liebe Leser, fahrt nicht mehr nach Bayern und nicht mehr nach Italien, und kauft dort vor allem nichts mehr ein - den Wein könnt Ihr ja jetzt ebenso gut im Internet bestellen (allerdings nur, wenn Ihr des Italienischen mächtig seid, denn die deutsche Fassung hat Lunardelli höchstvorsorglich still gelegt), und Briefmarken mit Hitlerköppen und Groschen mit Hakenkreuzen kann man eh nicht essen oder trinken. [Aber Vorsicht, wenn Ihr künftig mit [T]Euros aus Frankreich oder den Niederlanden bezahlt, auf denen irgendwelche Bumsköppe abgebildet sind - nachdem Franzosen und Holländer sich als Feinde der EU-Verfassung geoutet haben, könnte das bald als "Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen" unter Strafe gestellt werden!]


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