AUF DER REEDE VOR NAGASAKI

Zur Geschichte des Reisens nach Japan im 20. Jahrhundert

Kurz vor der öffnung Japans Mitte des vorigen Jahrhunderts reiste Iwan Gontscharow im Auftrag des russischen Zaren nach Japan. Für ihn und viele andere endete die Expedition auf der Reede vor Nagasaki. "Am 20.August sichteten wir bei klarem, aber leider ungewöhnlich heissem Wetter, das geheimsnisvolle Märchenreich... Da waren wir also nach zehn Monaten endlich am Ziel unserer mühevollen Reise. Vor uns liegt dieser verschlossene Schrein mit dem verlorenen Schlüssel, das Land, in das so viele bisher vergeblich hineinblicken wollten und dessen Bekanntschaft sie mit Hilfe von Gold oder mit Waffengewalt oder politischer Schlauheit zu machen trachteten....Alle standen auf dem Achterdeck zusammen und weideten sich an dem Anblick der im hellen Sonnenlicht liegenden grünen Küste. Aber hier kamen uns nicht meilenweit Boote mit Früchten, Muscheln, Affen und Papageien entgegengefahren wie auf Java oder in Singapur, vor allem bot sich niemand an, uns an Land zu bringen. Im Gegenteil! Wir fuhren mit etwas beklommenem Herzen ein. Zumindest ich hatte das Gefühl, mit dem man ein Gefängnis betritt, obwohl es mit Bäumen bewachsen war." (l)

Diese Fremden durften zunächst einmal nicht an Land, spätere konnten es nicht. Trotz relativer Reisefreiheit blieben sie innerlich aufder Reede vor Nagasaki, bis heute ein fragwürdiger, schwankender Ort,ein Ort des Zögerns, der Irritation, ja der Verwirrung.

Was eigentlich bedeutet Reisen für uns? Für Alfred Andersch,den es nicht nach Japan führte, war es ein kritisches Unternehmen,"eine Form der Selbstkritik, der Kritik an den Zuständen, in denenman lebt, der schöpferischen Unruhe, des Zwanges, sich der Welt zu stellen." (2). Für den Japanreisenden Arthur Holitscher, den vielleichtbedeutendsten deutschen Reisenden im ersten Drittel dieses Jahrhunderts,bedeutete es noch etwas ganz Anderes: "Es liegt ein tieferer Sinn in demReisen und der Sehnsucht nach Veränderung, als sich im Augenblickenthüllen will. Sei es nun ein Bedürfnis nach Zerstreuung, Reisetrieb,Wißbegierde, Sehnsucht oder Unruhe - es sind dies nur instinktiveGesten einer verborgenen Gewalt, die in uns lebt, und für die wirin unserer stammelnden Unwissenheit Erklärungen suchen, indem wirsie mit landläufigen Bezeichnungen belegen. Es ist der tiefste undursprünglichste Trieb im Menschen, der Urquell allen Intellekts..." (3)

Was nun richtete das Reisen nach Japan mit einem an, insbesondere im 20. Jahrhundert? Bernhard Kellermann reiste vor dem ersten Weltkrieg nachJapan. Sein "Spaziergang in Japan" ist ein Glücksfall, denn mit finanziellerHilfe seines Verlegers Paul Cassirer durfte er ein ganzes Jahr in Japanverbringen, lernte etwas Japanisch und schrieb einen modernen Klassikerdes Japanreisens. Die Wissenschaft attestierte ihm später so etwaswie einen"ästhetischen Imperialismus" (3). Tatsächlich findensich Bekenntnisse wie diese: "Das erste, was ich in einer neuen Stadt tue, ist, daß ich sie in Besitz nehme." (4) Hier tat sich jedoch keine Herrenallüre kund, denn sein Spazierengehen blieb Mittel einer bis zur Verwirrung staunenden Wahrnehmung. Er mußte gestehen, daß ihm in Japan alles derartig neu und fremd war, so daß er sich selber schließlich fremd wieder vorfand.

So wie der bürgerliche, radikal staunende Schriftsteller Kellermann reiste auch der aristokratische Philosoph Hermann Graf Keyserling nach Japan. Leider fällte die Wissenschaft auch gegen diesen Weltreisenden ein vorschnelles Urteil. Mit seinem Bekenntnis zum Reisen als Selbstverwirklichung - "Der kürzeste Weg zu sich selbst führt um die halbe Welt" (5) machte man sich in den 1970iger und 1980iger Jahren der alten Bundesrepublik verdächtig. In seinem "Reisetagebuch eines Philosophen" ließ er dagegen seine Leser gleich nach dem ersten Weltkrieg an einem höchst spannenden und widerspruchsvollen Prozeß teilnehmen, der sich bis zu einer Identitätskrise steigerte. Kellermann staunte über die japnische Fremde, Keyserling über den "Reichtum der sichtbaren Welt", die den Philosophen sich zum bildenden Künstler verführt sehen und als Augenmenschen ertappen ließ.

Weniger Verwirrung stiftete Japan bei dem weltreisenden Arbeiter Fritz Kummer. Dort, wo Bürger und Aristokrat keinen Zugang fanden, nämlich im sozialen und politischen Bereich, recherchierte Kummer gründlich, wenn auch mit Hilfe seiner japanischen Genossen.(6) So konnte er ausführlich über die soziale Realität, besonders über die Lage der unteren Schichten der japanischen Gesellschaft berichten. Kummers Selbstwahrnehmung änderte sich jedoch kaum. Unter den deutschen Japanreisenden verweilte er also nicht sehr lange auf der Reede vor Nagasaki. Zusammen mit Keyserling und Kellermann zeichnete Kummer dennoch die deutsch-sprachige Japanerfahrung in groben Umrissen vor. Diese drei Japanfahrer könnten als die Archetypen der deutschsprachigen.

Japanerfahrung im 20. Jahrhundert begriffen werden. Die nach ihnen Reisenden, ein buntes Völkchen von Männern und Frauen aus allen Klassen, Schichten und Berufen, ergänzten und präzisierten nur noch im Detail. Gemeinsam ist ihnen die in Japan empfundene Irritation, die sich wie ein roter Faden durch ihre Reisebilder zicht.

Alice Schalek, eine österreichische Reiseberichterstatterin mit feministischen Interessen, reiste bald nach dem ersten Weltkrieg nach Japan. Ihr Buch "Japan - das Land des Nebeneinander" (7) wies durch den Titel schon auf jene Irritation und zugleich auf den Lebensnerv Japans seiner Zeit hin, nämlich auf das Nebeneinander von Alt und Neu, auf die erhalten gebliebene kulturelle Tradition und die wie rasend aufgenommene, adaptierte - selten kopierte ! - westliche Zivilisation. Dieses Nebeneinander, nirgendwo sonst vielleicht in der Welt so noch vorzufinden, mußte verwirren. Japan war weder Indien noch Amerika. Es war beides, fremd und bekannt. In Japan aber feierte das Alte fröhliche Urstände, ganz unbeeindruckt von der Moderne und ihren umsichgreifenden technischen Errungenschaften. Das war es, was den Japanreisenden oft den Kopf verdrehte. Die Japaner selber bewahrten Gleichmut in Lebensumständen, die Nicht-Japanern wie eine Zerreißprobe vorkommen mußte. Japan trieb seine Technologien voran und betete zu Buddha.

Arthur Holitscher kommentierte dies Mitte der 1920er Jahre. "An diesem Zwiespalt kann Japan zugrunde gehen. Es kann sich nicht entscheiden, wird zerrieben zwischen einander feindlichen Tendenzen. Vielleicht rettet einmal ein verlorener Krieg dieses Land." (8) Heute sieht es eher so aus, daß Japan an diesem Zwiespalt erstarkte. Gerettet wurde Japan 1945 jedenfalls nicht, wohl aber - bis auf Weiteres - geläutert. Wenn auch das Nebeneinander unverblümt fortbesteht und die Fremden verstört.

Richard Huelsenbeck reiste ebenfalls Mitte der 1920er Jahre nach Japan, als Schiffsarzt eines heruntergekommenen Frachtschiffs. Der Begründer des Dadaismus schlug sich auf die Seite der japanischen Moderne. Geishas z.B. sangen für ihn so, als "wenn man ein Messer an Porzellan schleift." Dagegen gewann er der Verkabelung und Vernetzung des Himmels über Japans Städten Schönheit ab. "Die Telegraphenstangen, das Spinugeweb der Drähte um Brust und Kopf gewickelt, erinnern mich an amerikanische Landstraßen, sie stehen da, gut ausgerichtet und doch salopp, Landstreicher, die weit ins Ferne marschieren." (9)

Ein hellsichtiger Blick in die Zukunft der gerade auch von Japan vorangetriebenen elektronischen Gesellschaft.

Anfang 1933 floh der Architekt Bruno Taut vor Hitler bis nach Japan. Drei Jahre hielt er sich dort auf. Nicht mehr Reisender, noch nicht Resident, war er ein für die Japanreiseberichterstattung günstiger Grenzfall. Denn als Reisender pflegte er den Telegrammstil der spontanen, vorbeifliegenden Eindrücke. Zu dieser Not des Festhaltenwollens gesellte sich dann die Ruhe des Vertrautwerdens. Sich selber sah er als Augenmensch im Augenland. Er war hingerissen von den spröden Schönheiten der Landschaft und dem Raffinement der Kultur, auch von der Liebenswürdigkeit einzelner Menschen. Er liebte Japan und kritisierte es deshalb auch. Man ließ den utopisch- sozialistischen Architekten nicht bauen. Bald wurde er japanmüde. 1936 nahm er eine Berufung nach Instanbul an und starb dort 1938. Bezogen auf den Widerspruch zwischen Tradition und Moderne war er zu folgendem Schluß gekommen. "Dieses Japan ist auf der Reise. Basho schrieb ... alles ist eine Reise. Das ganze Leben, alles." Leider schenkt man Tauts "Reisenotizen Japan" bis heute nur in Japan die ihnen gebührende Aufmerksameit. Das deutsche, handschriftliche Manuskript liegt imrner noch im Tresor eines großen Verlages in Tokyo.

Nach Japan reiste in den 1930er Jahren der bis heute vergessene, seiner Zeit aber mit einem Japanbuch in 13 Sprachen weltbekannt gewordene, ungarngebürtige Edgar Lajtha. Man hatte ihn in Anspielung auf Egon Erwin Kisch, den rasenden Regorter, den lyrischen Reporter genannt. Mit spätexpressionistischem Pathos hatte er all das an Japan-Materialien verarbeitet, was zu Hause so über die Redaktionstische rutschte. Aehnlich wie Friedrich Sieburg drei Jahre später, neigte Lajtha dazu, den japanischen Widerspruch einzuebenen. "Flatternde Seidenkimonos gegen einen Hintergrund von Eisen, Rauch, Stein, Beton, Stahl, Glas." (10) Und auf Tokyos Ginza fühlte er sich wie "mitten in einer marschierenden Kolonne eines verjüngten Volkes, das auf seinen Platz an der Sonne eilt." (11) Diesen Ton dürfte man mittlerweile in Deutschland gut und gern vernommen haben.

Beinahe zur gleichen Zeit reiste der erst nach dem zweiten Weltkrieg so richtig bekannt gewordene A.E. Johann nach Japan. Ähnlich wie Lajtha befand sich auch Johann reisend schon auf Kriegsfuß, d.h. beide Reiseberichterstatter folgten den japanischen Agressoren auf das asiatische Festland und entpuppten sich dort als Frontberichterstatter. Der Krieg als gesteigerte Reise - diese sowohl uralte wie seiner Zeit aktuelle Zuspitzung mochte auch Friedrich Sieburg nicht widerstehen. Sein bis heute gerühmter Stil stand 1939 mit einem Japanbuch im Dienst der deutschjapanischen Expansion. Und, wie es der Titel "Die stählerne Blume" (12) andeutet, war jener japanische Widerspruch, das von Alice Schalek genauer beschriebene, Japanfahrer gemeinhin verwirrende Nebeneinander von japanischer Tradition und westlicher Moderne, vorerst endgültig eingeschmolzen.

Die Jahre des zweiten Weltkrieges als Japanreisezeit zu untersuchen, wäre sicher unter politischen Gesichtspunkten aufschlussreich, da in dieser Zeit vornehmlich auch mittels Reiseberichten Propaganda betrieben wurde. Erst gegen Ende der 50er Jahre kam wieder wirkliche Bewegung in die Geschichte des Japanreisens. Ausgelöst wurde sie im Wesentlichen durch drei Reisende, die übrigens alle - ein Zeichen der Zeit - aus beruflichen Gründen nach Japan geflogen waren. Der auch nach dem Krieg noch im englischen Exil lebende Richard Friedenthal zeichnete sich vor allem dadurch aus, daß er mit einem geschärften Bewußtsein von Fremdwahrnehmung reiste. Denn alle Exotik, für den nunmehr allmächtigen Chef des Feuilletons der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Sieburg vor dem Krieg noch ein Narkotikum, war für Friedenthal wie zerstoben. "Der Geruch des Orients! Du meine Güte, auch das ist ein alter, romantischer Europäertraum. Joseph Conrad hat ihn einmal geschildert: Wie von weither über das Wasser ein Duft geschwommen kommt im Dunkel, von den Gewürzinseln her, deren Ruf den westlichen Menschen zuerst in die Weite lockte, ein Hauch von Zimt, Nelken, Mangrovendickicht, süB, etwas schwer und faulig, sehnsuchterregend und aufwühlend. Wir fahren nicht den Gewürzinseln entgegen, sondern der größten Stadt der Welt. Es riecht nach Benzin, nach Abgasen, nach zermalmten Abfällen. Wir sind auch hier auf der anderen Seite der Erdkugel, zu Hause, im weitläufigen Garagengebäude unserer Zivilisation, die überall gleich vorläufig aussieht und gleich mäBig riecht." (l3) Das hört sich so vernünftig an, doch selbst dieser späte Japanreisende ließ sich noch einmal verwirren, als er zum Beispiel durch die große, am Pazifik liegende Stadt Nagoya fuhr. " Ein augenbetäubendes Reklametreiben, ein wahrer Jahrmarkt tobt vor dem Fenster: turmhohe, schmale Gerüste über allen Fabriken, mit trompetenden Inschriften, ein Wald von solchen bunten Papierbauten, so dicht gedrängt wie die Wolkenkratzer der Skyline von New York; sie sehen aus wie eine Schar von Kastendrachen, die sich auf die Dächer niedergelassen haben, papageienfarben, papagaienhaft unaufhörlich ihre Worte wiederholend." (l4)

Kein Mißverständnis, eher ein schöner, schöpferischer Irrtum. Mit ihm aber hatte Friedenthal gegen Ende des nichttouristischen Reisens nach Japan, einen seiner Ausgangspunkte, nämlich den um die Jahrhundertwende von Paris ausgehenden Japonismus berührt. Auch hier hatte ein schöpferischer Irrtum Pate gestanden: Man packte die aus Japan importierten Kunsthandwerke aus, betrachtete das Einwickelpapier und war begeistert von jenen hellen, zarten Farbtönen.

Wie Friedenthal, so war auch Arthur Koestler Ende der 50er Jahre zu einem PEN-Kongress nach Japan gereist. Anders als alle Japanreisende vor ihm, reiste Koestler, einmal in Japan, nur noch im Kopf, d.h. er hatte sich auf eine kleine Insel zurückgezogen, blieb auf Reede gewissermassen. Die Japanreisende in aller Regel ereilende Irritation wollte er dennoch erfahren haben. Er teilt sie in drei Phasen ein: zunächst das Reisen in einem "Dunst von Euphorie", sodann das Reisen in manchmal an Wut grenzender "Irritation" und schließlich das Reisen in einem hinnehmenden Verständnis "vom So-sein der Dinge." "Man könnte", so ergänzte er, "das Leben in Japan mit einem parfümierten Bad vergleichen, das uns in unerwarteten Augenblicken elektrische Schläge versetzt." (l5)

Der Philosoph und Schriftsteller Günther Anders reiste 1959 als Teilnehmer eines internationalen Kongresses gegen die Atombombe nach Japan. Gleich zu Anfang seines Berichts stellte er Folgendes klar:"Wenn es heute noch etwas Exotisches gibt, dann allein unsere Vorzeit: Die nicht mehr erreichbare Küste des voratomaren Zeitalters, die ist wirklich exotisch geworden." (16) Damit aber hatte Anders nicht nur ein neues Kapitel in der Geschichte des Reisens nach Japan zu schreiben begonnen, sondern eines des menschlichen Reisens überhaupt. Yaizu, eine kleine Stadt am Pazifik, veranschaulicht eindringlich den Beginn des neuen Kapitels in der Geschichte des Reisens. Denn hier war das erste bekanntgewordene Fernopfer des Nuklearen Zeitalters an einem fall out gestorben. "Nächtlicher Strand. Kleine Krebse knirschen unter den FüRen. Links zu ahnen ein Beton- oder Steinwall. Starke sprühende Brandung. Cuxhavengeruch. Gewatet. Hier schwamm Lafkaido Hearn in voratomarer Zeit. Und hielt Yaizu für den Garten Eden. Tempora mutantur." (l7)

Lafkaido Hearn war wohl der bekannteste unter den modernen, westlichen Schriftstellern über Japan. Wie wäre es nunmehr, da kein Weg auf die Reede vor Nagasaki zurückführt, wenn wir jenes Japan der voratomaren Zeit noch einmal kraft seiner Reisenden aufleuchten ließen? Dies könnte dann ein einziger, groß angelegter Reisebericht der Moderne werden, so kostbar etwa wie jene klassischen Reiseberichte, die Elias Canetti den großen Werken der Kunst an die Seite gestellt haben wollte.

Im ersten Forschungsbericht zur Gattungsgeschichte des Reiseberichts stellte Peter J. Brenner Ende der 80er Jahre fest: "Die frappierende Zunahme philologischer und historiographischer Studien zum Thema ist ein deutliches Indiz dafür, daß der Reisebericht, zu einer abgestorbenen Kunstform geworden ist, welche die originären Erfahrungen der zivilisatorischen Gegenwart nicht mehr zu verarbeiten vermag." (18) Eine traurige und bedrohliche Aussicht, der ich mich so nicht anschliessen mag, obwohl auch die neuere Geschichte des japanbezogenen Reiseberichts dem recht zu geben scheint. Schon A.E. Johann hatte im Grenzbereich zum Sachbuch geschrieben. Später haben Reiseführer mehr und mehr die Reiseberichte ersetzt. Noch später kamen die Fernsehmagazine dazu. Aber, möchte ich entgegenhalten, schon Rainer Wuthenow hatte in seiner großen Studie über das Reisen im Zeitalter der Aufklärung auf den inneren Zusammenhang von Autobiographie und Reiseliteratur aufmerksam gemacht. Selbstreflexion und Reisen sind historisch untrennbar und sollten es bleiben.

Wie sonst sollten wir uns gerade heute in einer Zeit erneuter Völkerwanderungen unter einem undurchsichtiger werdenden Schirm aus High-Tech und H-Bomben zurechtfinden, wenn nicht als reisende, selbstkritische Individuen. Und bevor wir uns selber gänzlich fremd werden, könnten wir, wenn schon nicht mehr auf die Reede vor Nagasaki, so doch auf die Reede vor uns selber ziehen. Staunen, sich bis zur Verwirrung wundern, diese Erfahrung bot Japan, das Land des Nebeneinander von Geschichte und Gegenwart seinen Reisenden gerade im 20. Jahrhundert. Bei aller asiatischen Andersartigkeit konnten Mitteleuropäer in diesem fremden Land noch sich selber begegnen. Und dies nicht, weil Japan so fremd war, sondern zugleich so vertraut. Un-heimlich. Und das war gut.

ANMERKUNGEN

Dieser Text ist die überarbeitete Fassung eines im Oktober 1994 in Vasa/Finnland gehaltenen Vortrags.

1. Gontscharow, Iwan, Briefe von einer Weltreise, Zürich 1982, S. 184

2. Andersch, Alfred, Vom Reisen lesend, in: Aus einem römischen Winter, Reisebilder, Zürich 1979, S. 104

3. Holitscher, Arthur, Reisen, Berlin 1928, S. 11

4. Siehe hierzu u.a. Reif, Wolfgang, Exotismus im Reisebericht des frühen 20.Jahrhunderts, in: Der Reisobericht, hg. von Peter J. Brenner, Frankfurt am Main 1989, S.440

5. Kellermann, Bernhard, Ein Spaziergang in Japan, Berlin 1910, zit. nach der Ausgabe 1924, S.24

6. Keyserling, Graf Hermann von, Das Reisetagebuch eines Philosophen, Darmstadt 1919

7. Kummer, Fritz, Eines Arbeiters Weltreise, Stuttgart 1913

8. Schalek, Alice, Japan - Das Land des Nebeneinander, Breslau 1925

9. Holitscher, Arthur, Das unruhige Asien, Berlin 1926, S. 327

10. Huelsenbeck,Richard, Der Sprung nach Osten, Dresden 1928, S. 163

11. Lajtha, Edgar, Japan, Gestern, Heute, Morgen, Berlin 1936, S. 17

12. a.a.O., S. 32

13. Sieburg, Friedrich, Die stählerne Blume, Frankfurt am Main 1939

14. Friedenthal, Richard, Die Party bei Herrn Hokaldo, München 1958, S. 11f

15. a.a.O., S. 109f

16. Koestler, Arthur, Von Heiligen und Automaten, Bern Stuttart Wien 1961, S. 209

17. Anders, Günther, Der Mann auf der Brücke, Tagebuch aus Hiroshima und Nagasaki 1958, in Hiroshima ist überall, München 1982, S. 3 u.S. 41

18. Brenner, Peter J., Forschungsbericht zur Gattungsgeschichte des Reiseberichts,....S....(wird nachgereicht, ist noch auf dem Landweg nach Japan)


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