Berlin - Mit Enttäuschung und Bitterkeit haben Sprecher der
Vertriebenen auf die Entscheidung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds
reagiert, besonders schwer geschädigten Sudetendeutschen eine finanzielle
"humanitäre Geste" zu verweigern.
Der Verwaltungsrat des Fonds hatte zuvor mit sechs zu zwei Stimmen
entschieden, einen entsprechenden Antrag der Arbeitsgemeinschaft
sudetendeutscher Sozialwerke abzulehnen. Zur Begründung hieß es, der Antrag
entspreche "inhaltlich und sinngemäß" nicht den Satzungszielen, außerdem seien
die dadurch entstehenden Kosten von 4,5 Millionen Euro "nicht zu finanzieren".
Eine "vertane Chance, Wunden zu heilen und damit einer besseren Zukunft zu
dienen", sieht der Bundesvorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL),
der CSU-Europaabgeordnete Bernd Posselt, in dem Beschluss. Aus dieser
"Fehlentscheidung" müssten Konsequenzen gezogen werden, sagte Posselt der WELT:
"Berlin und Prag müssen die Satzung des Fonds so abändern oder interpretieren,
dass künftig auch deutschen Opfern nationalistischer Gewalt Gerechtigkeit
widerfahren kann. Ansonsten ist der Ball in Prag, aus eigener Kraft etwas für
Härtefälle der Vertreibung zu tun."
Für eine einmalige Geldzahlung an diejenigen Sudetendeutschen, die
individuell durch Haft, Zwangsarbeit oder Misshandlung Leid und Unrecht erlitten haben, hatte sich neben dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) auch Außenminister Joseph Fischer (Grüne) eingesetzt. "Das Projekt könnte auch aus meiner Sicht zur weiteren Verbesserung der bilateralen Beziehungen beitragen, vorausgesetzt, dass die tschechische Seite die Initiative mitträgt", schrieb Fischer zuletzt am 6. Mai an Stoiber. Fischer hatte den Projektvorschlag bereits am 2. November 1999, ebenfalls in einem Brief an Stoiber, unterstützt. Der Außenminister wies zugleich darauf hin, dass der Verwaltungsrat des Fonds über Projektanträge frei und unabhängig entscheide. Für das Vorhaben setzte sich auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Jerzy Montag ein, der dem Verwaltungsrat angehört. "Es besticht durch seine Selbstbegrenzung auf individuelles und unverschuldetes Leid."
Nach WELT-Informationen zeigte die tschechische Seite Sympathie für das
Vorhaben, wurde aber durch Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (Grüne) zur
Ablehnung des Antrags veranlasst. Der Zukunftsfonds war 1997 mit knapp 85
Millionen Euro ausgestattet worden, von denen der größte Teil aus dem
Bundeshaushalt kommt.
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