Stellt Euch vor, es ist Expo, und niemand geht hin!

Besuchermangel zwingt Expo zu Preisnachlässen

Nicht mehr als 60.000 täglich - Pfingsten keine Besserung

(Titel und Zwischentitel: Dikigoros. Text: RZ Online, 12.06.2000)

Miliardengrab Expo 2000

Hannover. Der anhaltende Besuchermangel hat die Veranstalter der Expo in Hannover zu ersten Preisnachlässen veranlasst. Die Vergünstigungen sind allerdings zunächst nur befristet und auf die Abendstunden beschränkt. Statt der erwarteten 150.000 kamen auch an Pfingsten lediglich rund 60.000 Menschen täglich, um die Weltausstellung zu sehen. Derweil wird der Ruf nach Konsequenzen lauter. Politiker der CDU und CSU halten einen Krisengipfel für nötig. Nach Berechnungen des Finanzexperten der Grünen in Niedersachsen, Michel Golibrzuch, droht der Expo ein Defizit von bis zu 1,2 Milliarden Mark.

Unter Motto "Happy Birthday Expo" wird die Abendkarte nach Angaben von Expo-Geschäftsführer Reinhard Volk vom kommenden Mittwoch an bis zum Sonntag, den 2. Juli, für zehn statt der regulären 24 Mark angeboten. Anlass des Sonderangebots sei die zehnjährige Wiederkehr des 14. Juni 1990, an dem Deutschland den Zuschlag für Expo 2000 erhalten habe.

Volk vom Volk enttäuscht

Bereits am Samstag hatte Volk sich enttäuscht über die Besucherzahlen gezeigt. Zwischen dem 1. und dem 8. Juni waren 480.000 zahlende Besucher zu der Weltausstellung gekommen. Von dem Ziel, eine Besucherzahl von insgesamt 40 Millionen zu erreichen, hat sich die Expo-Gesellschaft nach eigenen Angaben aber noch nicht verabschiedet. Um sie zu erreichen, müssten bis zum Schlusstag täglich 261.000 zahlende Gäste kommen.

Durch Anzeigen in Printmedien und auf Plakaten werde man weiter um Besucher werben, kündigte der Geschäftsführer an. Allerdings stünden im Etat der Expo GmbH nur noch wenige Millionen Mark für Werbung zur Verfügung. Wenn sich der jetzige Trend bei den Besucherzahlen fortsetze, werde man dem Aufsichtsrat auf einer Sitzung am 7. Juli Vorschläge für Gegenmaßnahmen unterbreiten.

Steuerzahler sollen für Defizit aufkommen

Für den Fall eines Defizits signalisierte Bundesfinanzminister Hans Eichel die Unterstützung des Bundes. "Sollte am Ende Geld fehlen, werden wir zusammen mit dem Land Niedersachsen helfen", sagte der SPD-Politiker. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner, forderte dagegen eine deutliche Senkung der Eintrittspreise. Insbesondere Einkommensschwache würden von einem Besuch in Hannover abgehalten.

Adolf und der dicke Erzengel geben auch ihren Senf dazu

Für Preissenkungen traten auch die Bundestagsabgeordneten Adolf Roth (CDU) und Gerd Müller (CSU) ein. Der Haushaltsexperte der Grünen, Oswald Metzger, sagte: "Der Bund bürgt für die Expo und kann von der Geschäftsführung verlangen, dass sie sich etwas einfallen lässt". Der CSU-Abgeordnete Josef Hollerith verlangte in der "Welt am Sonntag" von Bundeskanzler Gerhard Schröder, die Initiative zur Rettung der Expo zu ergreifen und alle Beteiligten an einen Tisch zu rufen. Auch der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl-Heinz Däke, forderte einen Krisengipfel. Der niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel mahnte zur Gelassenheit. Auch die vergangenen Weltausstellungen seien zu Beginn nicht von einem großen Besucherandrang gesegnet gewesen. "Die Expo in Hannover bietet alle Voraussetzungen, sich zu einem Publikumsmagneten zu entwickeln", sagte der SPD-Politiker. "Wir sind wieder einmal typisch deutsch und reden die Expo kaputt", kritisierte er in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".


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