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Die
Philosophin und der Latin Lover
ein
neues ebook von
Sabine
Scholz
Normalerweise genießt
der italienische Latin Lover einen guten Ruf bei deutschen Frauen. Ich
dagegen werde zeigen, dass dem nicht so ist, im Gegenteil, dass der
italienische Liebhaber nicht mehr das ist, was er einmal war. In meinen
Geschichten aus der Sicht einer philosophisch geschulten Frau werden Sie
das Schlimmste über die italienischen Männer erfahren, und wenn Sie das
Pech haben sollten, selbst einen zu treffen, schwöre ich, dass es noch
schlimmer kommen wird. Auch Philosophinnen haben ein Herz, das theoretisch
und praktisch zerbrechen kann.
Der Klempner
Meine
neapolitanische Kollegin Laura fand, dass ich nicht länger Trübsal
blasen sollte wegen Hank, denn depressiv würde ich ihm auf keinen Fall
helfen können. Das Leben gehe weiter, meinte sie und klopfte mir eines
Tages in der Pause auf die Schulter.
„Mein Mann hat da so einen netten alleinstehenden Freund, den du
unbedingt kennen lernen solltest!“ sagte sie mit einem verschmitzten Lächeln.
„Aber Laura!“ warf ich empört ein. „Ich bin eine verheiratete Frau,
und das erst seit wenigen Wochen!“
„Ja, das bist du, aber dein Mann ist zur Zeit eingebuchtet, oder etwa
nicht?“ entgegnete sie frech.„Willst du versauern, während er seine
Strafe absitzt. Das kann Jahre dauern...“
„Das will ich nicht hoffen.“ entgegnete ich
und spürte eine tiefe Resignation in mir. Mit Männern hatte ich
noch nie Glück gehabt. Wenn Hank mich nicht geheiratet hätte, wäre ich
bestimmt eine alte Jungfer geworden, die ihre einsamen Abende mit dem
Korrigieren von Schulaufsätzen verbrachte und vor Einsamkeit in ihr
Taschentuch heulte. Sobald ich begriffen hatte, wie es an der
italienischen Schule lief, bekam ich Lust es meinen italienischen Kollegen
gleich zu tun und übernahm ihr volles Freizeitprogramm, d.h. ich ging
jeden Abend bis spät nachts aus, trieb mich in Bars und Kneipen herum und
diskutierte bis in die Puppen mit dem Personal hinter dem Tresen über das
deutsche Schulsystem und die Pünktlichkeit der teutonischen Busse und
Bahnen. Sie konnten es einfach nicht begreifen, dass man sich bei uns
schon im zarten Alter von 10 Jahren entscheiden muss, ob man ein Gymnasium
oder eine Realschule besuchen möchte, oder weiter auf die Hauptschule
gehen möchte.
„Dann bin ich praktisch schon als Kind dazu verdammt, entweder ein
durchgeknallter Seelenklempner, eine graue Büromaus oder ein
Stiefelputzer zu werden, der ins soziale Netz fällt?“ rief Arturo aus,
nachdem ich ihn ausführlich über Hartz IV aufgeklärt hatte.
„In Deutschland liebt man keine Quereinsteiger, die werden sofort zu
Aussteigern abgestempelt.“ versuchte ich vergeblich den Sachverhalt
metaphorisch zu verdeutlichen.
Lauras Bekannter, den sie mir vorstellen wollte, hieß Giovanni, war
Sizilianer und Klempner von Beruf. Seit seiner Scheidung vor drei Jahren fühlte
er sich sehr einsam, da seine Exfrau das Sorgerecht über seine heißgeliebten
Bambini erhalten hatte. Er vermisste sie schrecklich.
Der italienische Staat bezahlte seine Beamten wirklich mies. Da ich mit
meinem Gehalt die Kosten in Nürnberg decken musste, also Abzahlung und
Nebenkosten für unsere geräumige Dreizimmereigentumswohnung, blieb mir
nichts anderes übrig als sehr sparsam zu leben, um in Turin einigermaßen
über die Runden zu kommen.
„Gut“, dachte ich, „dann lasse ich mich eben von Giovanni zum Essen
einladen. Wenn er sonst zu nichts taugt, dann verhilft er mir wenigstens
kostenlos zu einem vollen Magen!“ In meinem Charakter überwog immer
schon die praktische Veranlagung die romantischen Gefühle.
Bis jetzt hatte ich nur ein Foto von Giovanni gesehen. Es zeigte einen südländischen
Typen mit jugendlicher Ponyfrisur, obwohl er schon 54 Jahre alt war. Ob
sein Körper durchtrainiert und braungebrannt war, konnte man nicht
erkennen, aber ich war ja auch nicht scharf auf das Klischee eines
Beach-Matadors mit
Pilotensonnenbrille und das Hemd offen bis zum Bauchnabel, ich suchte
vielmehr nach einem individuellen Latin Lover mit Persönlichkeit.
Ich versuchte mich extra schön zu machen für diesen Anlass, denn meine
Freundin Laura hatte mir empfohlen:
„Wirf dich in Schale und schmink dich dezent. Dann siehst du nicht so
streng aus! Weißt du, der italienische Mann fürchtet sich vor Frauen mit typischer Lehrerinnenbrille!“ War das eine Kritik
an meiner neuen Brille von Karl Lagerfeld? Ich hatte mir immer
vorgestellt, dass der wahre Latin Lover alle Frauen lieben würde, also
auch die kurzsichtigen, und nur sein Kollege Don Juan liebte keine, oder
verwechsle ich da etwas?
Als ich den Kleiderschrank öffnete, fiel mir auf, dass ich eigentlich
keine große Auswahl an hübschen Fetzen hatte, also blieb mir nichts
anderes übrig als eines der beiden verknitterten Leinenkleider anzuziehen,
die ich bei C&A im Sommerschlussverkauf erworben hatte. Zum Bügeln
war leider keine Zeit mehr. Auch Laura hatte sich hübsch gemacht, da
Giovanni einen Freund mitbrachte.
„Und trink nicht so viel wie sonst!“ ermahnte mich Laura. „Der Südländer
hat noch eine hohe Meinung von seiner Partnerin. Ihr deutschen Frauen seid
alle Alkoholikerinnen!“
Der Abend in der Pizzeria mit Giovanni aus Brindisi und seinem Freund
Benedetto verlief ganz anders als erwartet. Zunächst war ich ein bisschen
enttäuscht, als ich feststellte, dass Giovanni nicht sehr groß war, eher
klein. Er trug eine helle Hose und ein blaues Lacoste-Hemd. An seinem
Handgelenk schimmerte ein Goldkettchen. Aus seinem spitzen Igelgesicht
blickten mich zwei leuchtende Knopfäuglein an.
Alle Plätze in der neapolitanischen Pizzeria, die Giovanni ausgesucht
hatte, waren besetzt, weswegen man uns auf die Warteliste setzte. Die
folgende halbe Stunde verbrachten wir nicht etwa mit einem leckeren
Aperitif oder einem netten Gespräch, sondern hetzten wie vier Verfolgte
durch die dunkelsten Straßen der Stadt, als ob wir den Turin-Marathon
gewinnen müssten. Bei dieser Geschwindigkeit wäre es eigentlich keine Überraschung,
wenn Giovanni einen athletischen und straffen Körper besäße. Ich
dagegen brach vor Hunger und Erschöpfung fast zusammen, außerdem hatte
ich keine Laufschuhe angezogen, sondern Stöckelschuhe, deren hohe Absätze jeden
Schritt in eine Tortur verwandelten.
„Wenn Giovanni schon beim Vorspiel so ein irres Tempo draufhat, wie wird
das dann weiter gehen?“ fragte ich mich besorgt. Nicht dass ich mich vor
dem italienischen Mann an sich fürchte. Allerdings möchte ich nicht
schon total kaputt sein, bevor wir zur Sache kommen. Als wir schließlich
in der Pizzeria an die Reihe kamen, wies man uns einen Tisch für
vier Personen zu, der direkt auf der Piazza del Plebiscito in Neapel
eingekeilt war. Jedenfalls stellte das bunte Gemälde an der Wand
diesen Platz dar.
„Für
mich bitte eine Pizza Bismarck!“ sagte Giovanni laut zum Kellner und
warf Laura einen vielsagenden Blick zu. Wollte er bei mir Eindruck
schinden? Giovannis Stimme war sehr tief mit einem starken süditalienischen
Einschlag, was auf mich sehr sexy wirkte. Ja, dieser Mann liebt
leidenschaftlich und zügellos, dachte ich. Sein melancholischer
Gesichtsausdruck erinnert mich sehr stark an Günter Pfitzmann (das ist ein Schauspieler, den ich immer sehr toll fand, weil er sehr lustig war
– aber wie kommt der Pfitzmann nach Brindisi?)
„Warum bist du heute Abend so niedergeschlagen,
Giovanni?“ fragte Laura. „So kenne ich dich ja gar nicht!“
Ich
folgerte daraus, dass Giovanni sonst eine Stimmungskanone war. Jeder kann
mal einen schlechten Moment haben. Giovanni ist vielleicht nicht der
unterhaltsamste Typ auf Erden, doch ist er im Bett bestimmt exstatisch
nach dem Motto „Italians do it better!“
Mir fiel auf, dass er schöne große sehr
männliche Hände hatte mit denen er gestikulierte, wenn er sprach. Ab und
zu legte ich meine Hand auf seinen Arm oder stupste ihn an der Schulter,
und jedes Mal war ich wie elektrisiert, was ein eindeutiges Zeichen dafür
ist, dass er meinem Körper schon wesentlich besser gefiel als meinem
Geist. Dann erzählte Giovanni von einer Maestra (Volksschullehrern), der
er drei Monate lang den Hof gemacht habe. Sie hatte fünf Katzen in der
Wohnung und jedes Mal, wenn er bei ihr gewesen sei, habe er eine Katze mit
nach Hause getragen, so sehr hätten diese Tiere gehaart.
„Giovanni geht mit den Frauen um wie mit seinen Santäranlagen...“
sagte Laura.
Im Laufe des Abends machte er einige Anspielungen, als hätte er vor,
danach noch mit mir ins Bett zu gehen. Ich wurde immer ausgelassener und
begann den Abend zu genießen.
„Es
tut mir Leid, aber mir geht
es zur Zeit nicht gut. Meine letzte Frauengeschichte hat ein schlechtes
Ende genommen...“ sagte Giovanni.
„Denkst du eigentlich, dass meine
Männergeschichten ein gutes Ende hatten?“ fragte ich.
Ich kaute noch an meinem letzten Bissen Pizza, als sich mein Gigolo erhob
und in die Hände klatschte.
„So Leute, wir gehen!“ rief er selbstbewusst.
Mein Glas war noch halb voll. Es tat mir Leid, dass ich den Rest des
ausgezeichneten Weißweines nicht austrinken konnte. Anschließend
stürzten wir in eine Bar, um noch einen Espresso zu trinken und dann
setzte uns Giovanni zu Hause ab.
„Aber Giovanni!“ protestierte Laura. „Ich dachte wir würden noch in
die Disco gehen.“
Laura war putzmunter und wies noch einmal daraufhin, dass sie nur
mitgekommen war, damit wir nicht
zu dritt wären, d.h. sie und Benedetto, Giovannis Freund, bildeten
das zweite Paar. Insgeheim beneidete ich Laura, aber ich konnte mir doch
nicht offen anmerken lassen, dass mir in Wirklichkeit Benedetto viel
besser gefiel als der Papagallo Giovanni, und nicht nur deswegen, weil er
den gleichen Namen trug wie der deutsche Papst. Sie waren auch fast
gleichaltrig. Wie würde das denn aussehen, wenn ich mich ihm an den Hals
werfen würde?
Benedetto brachte mich den ganzen Abend zum Lachen. Er sah aus wie ein
entlaufener Häftling, d.h. abgebrüht und etwas enigmatisch. Er trug ein
ärmelloses Muskelhemd und eine enge schwarze Lederhose und bestellte eine
Pizza „diavolo“ (Teufelspizza) Ihm fehlten auch einige Zähne, was
mich keineswegs irritierte. Ab und zu reichte er mir seine Gabel mit einem
Stückchen scharfer Salami:
„Probier mal, diese Wurst schmeckt ausgezeichnet.“ sagte Benedetto und
schenkte mir Wein nach.
Er war kein Pomadenhengst, sondern besaß stattdessen viel Humor. Sein
einziger Nachteil war, dass er mir nur bis zur Schulter reichte. Zum Glück
saßen wir die meiste Zeit.
„Im Leben erhält man nie das, was man will, und wenn man es
schließlich erreicht, ist es nicht das, was man braucht.“ Verkündete
Benedetto mit einem Seitenblick auf Giovanni.
„Das ist wahr.“ sagte ich. „Ich suche seit 20 Jahren den idealen
Liebhaber, noch ein Jahr und ich pilgere nach Lourdes."
Nur
Benedetto lachte. Giovanni und Laura hatten einen finsteren
Gesichtsausdruck. Übrigens hatte Benedetto genauso langsam wie ich
gegessen, während Laura und Giovanni ihre Pizza in fünf Minuten
runtergeschlungen hatten. Das war kein Wunder, sie hatten auch kaum
gesprochen. Zum Schluss erfuhr ich noch, dass Giovanni und Benedetto
Juventusfans waren. Sie kennen sich schon seit 30 Jahren. Ach ja, sie
teilten die Rechnung. Zum Glück musste ich diesmal nicht draufzahlen wie
sonst immer bei den Männern, die ich kenne. Als wir uns verabschiedeten
konnte sich Giovanni nicht an meinen Namen erinnern. Ob das was zu
bedeuten hat? Als ich daraufhin einen Hustenanfall bekam, meinte der
Strandgockel: „Das sind die ersten Anzeichen der Vogelgrippe!“
Als ich meine Haustür öffnete, fiel mir
der Juventusschlüsselanhänger, den mir Benedetto zum Abschied geschenkt
hatte, aus der Hand und
zerbrach auf dem Boden.
„Es ist immer etwas Wahnsinn in der Liebe. Es ist aber auch immer etwas
Vernunft im Wahnsinn." schrieb der große Nietzsche. Ich glaube ich
habe das Spiel begriffen.
Sabine
Scholz
Die Philosophin und der Latin Lover
138 Seiten
Das
Buch ist im New
E-Book-Verlag erschienen
Preis: 6,40 Euro
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© Sabine Scholz
Die
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