E I N E - "K L E I N E" - � B E R R A S C H U N G



"Schau, Daniel! Sogar mit Fotos"
�berm�tig schwenkte ich die Zeitung des heutigen Tages in der Luft herum. Der gro�e 17j�hrige Junge unterbrach sofort die Putzarbeit an seinem ebenso gro�en Fuchswallach Camiro und riss mir die Zeitung aus der Hand.
"Im Regionalteil, nicht zu �bersehen. Lies vor, ich wei� selbst noch nicht was drin steht," bat ich nach Luft ringend. Ich hatte nur die Bilder gesehen, mich sofort aufs Fahrrad geschwungen und die dreizehn Kilometer zum Reitverein in Windeseile hinter mich gebracht. Meine wundersch�ne Fuchsstute Aischa mit fast wei�er M�hne und Schweif brummelte ungeduldig, dass ich sie noch nicht begr��t hatte. Nat�rlich holte ich dies gleich nach. Daniel lehnte indessen an der Boxent�r und vertiefte sich in seine Lekt�re.
"Nun lies schon vor," dr�ngte ich und halfterte meine Stute auf um sie auf der Stallgasse zu putzen. Den Strick lie� ich locker h�ngen; sie sollte lernen bei h�ngendem Strick oder Z�geln stehen zu bleiben.
"Moment mal," wehrte er zerstreut ab. Irgend etwas schien ihn zu irritieren. Schlie�lich hielt er mir den Artikel unter die Nase und deutete auf einen Abschnitt. "Hast du das hier den Reportern gesagt?"
Verwirrt �berflog ich die angedeutete Stelle. "Die 16j�hrige Sch�lerin Maike Kramer war gerade zusammen mit ihrem Freund Daniel Henning und ihrer Mutter auf der Heimfahrt von einem Reitturnier, als ihnen auf einem Rastplatz ein Schlachtpferdetransport mit angetrunkenen Fahrern auffiel. Die Polizei nahm auf ihren Anruf hin sofort die Verfolgung auf und hielten den Laster auf einem kleinen Parkplatz..."
"Und so weiter, und so weiter," unterbrach mich Daniel l�chelnd. Mir war nichts Ungew�hnliches an dem Artikel aufgefallen, also wiederholte er die ihm wichtig erscheinende Textstelle noch einmal. "Maike Kramer war gerade zusammen mit ihrem Freund Daniel Henning..."
Nun fiel bei mir der Groschen. "Nein, ich habe niemandem so etwas gesagt," beteuerte ich und sah ihn halb �ngstlich, halb belustigt an. Cool bleiben, Maike, ermahnte ich mich. So ganz schaffte ich es jedoch nicht; nur m�hsam brachte ich die richtigen Worte hervor. "St�rt es dich etwa?"
Etwas unsicher schaute auch er mich an und als sich unsere Blicke trafen, schien ein unsichtbarer Funke �berzuspringen, es wurde mir noch hei�er als ohnehin in der Augusthitze.
"Naja, eigentlich nicht. Es st�rt mich �berhaupt nicht!" Warf die Zeitung bei Seite, fasste mich um die Taille und schwenkte mich herum. Vorsichtig setzte er mich ab, er strahlte genauso wie ich. Pl�tzlich waren alle Bedenken wie weggewischt, ich gab mich voll dem - wie es schien - viel zu kurzen Kuss hin, ohne zu bemerken, dass wir mitten auf der Stallgasse standen und Aischa inzwischen zu Camiro r�bergewandert war, mit dem sie sich nun leise schnaubend unterhielt. Nach einer Weile wachte ich wieder wie aus Trance auf und sah erschrocken auf die Uhr.
"Mist, in einer Viertelstunde f�ngt die Dressurstunde an! Wir sollten uns beeilen!"
"Du solltest dich beeilen," berichtigte Daniel, gab mir dennoch noch einen Kuss, bevor er mich seufzend los lie� und begann sein Pferd zu satteln.
"Jaja, du bist auch nicht um sechs Uhr aufgestanden, hast einen Stall ausgemistet, ein Pferd geritten und mit zwei widerspenstigen Fohlen gek�mpft!" Liebevoll boxte ich ihm in die Seite. "Aber da du schon so weit bist, kannst du mir helfen Aischas Zeug aus dem Spind zu holen."
"Okay, weil du es bist." Gottergeben, aber noch immer strahlend, stapfte der Gebetene hinter mir her.

Bald darauf sa�en wir auf unseren Pferden und lie�en sie am langen Z�gel schreiten. Es war die erste Dressurstunde des f�nft�gigen Reitabzeichenlagers. T�glich w�rden wir jeweils eine Dressur-, Spring- und Theoriestunde erteilt bekommen.
Nun warteten also Daniel, ich und f�nf weitere Kandidaten f�r das Kleine Reitabzeichen auf unseren Reitlehrer, der wenige Minuten sp�ter erschien. Er erkl�rte uns was bei der Pr�fung am Donnerstag verlangt werden w�rde, also Abteilungsreiten, eine kurze Einzelaufgabe und Wendungen auf der Vorhand. F�r Aischa und Camiro kein Problem, sie h�rten zwar auf die Kommandos des Reitlehrers, warteten jedoch bis man ihnen als Reiter die Hilfen gab. Nat�rlich musste auch ich beim einzeln Angaloppieren kleine Paraden geben, damit mein Pferd nicht den Anderen hinterher rannte, doch das war normal, wenn man nicht gerade ein absolut bewegungsfaules Pferd hatte.
Viel zu schnell war die Stunde zu Ende; ich liebte die Dressur, die v�llige Verschmelzung zweier v�llig verschiedener K�rper, die zusammen eine Art Tanz auff�hren. Daniel und ich beschlossen noch eine Runde um das Gel�nde zu reiten, vornehmlich im Schritt, da der Boden von der schon zwei Wochen andauernden Trockenheit steinhart war. Au�erdem schwitzten unsere Pferde ohnehin schon - von uns Reitern ganz zu schweigen. Zwar bezogen jeden Nachmittag dunkle Wolken den ansonsten strahlend blauen Himmel und manchmal war auch ein Donnern in der Ferne zu h�ren, doch nie regnete es.
Ich nahm die Reitkappe ab und fuhr mit den Fingern durch die langen blonden Haare.
"Wann haben wir denn Springstunde?"
"Um halb drei, glaub ich."
Ich setzte den Helm wieder auf und verscheuchte die blutr�nstigen Fliegen, die um mein Gesicht schwirrten.
"Und wen springst du?"
"Halifax, hoffe ich. Die ist nicht ganz so heftig und schwer zu bremsen wie Tamara. Die genaue Einteilung bekommen wir nach dem Mittagessen."
"Apropos essen." Daniel schaute auf die Uhr. "Wir sollten langsam zur�ckreiten, ich m�chte meine Mahlzeit nicht aus den Resten der Kleinen zusammensuchen."
"Ich auch nicht: Los, Aischa, du willst doch sicher auch deinen Hafer!"

Ich hatte recht mit meiner Vermutung. Nach dem reichhaltigen Mittagessen in Form von Gulasch und Nudeln h�ngte Herr Ruben den Stundenplan auf: In einer Stunde, also um 14 Uhr, waren wir auf dem gro�en Springplatz dran, parallel dazu die J�ngeren f�r das Kleine und Gro�e Hufeisen im Schulungsraum zur Theorie. Nach dem Springen ritt ein M�dchen f�r das Gro�e Hufeisen Halifax, also musste ich sie nicht absatteln. Trotzdem musste ich mit der Heimfahrt bis nach der Theoriestunde um f�nf Uhr warten. Ich vertrieb mir die Zeit, indem ich Daniel beim Versorgen seines Wallachs half, nicht ohne mir gleich nebenbei die �Belohnung' daf�r zu holen.
Die halbe Stunde Theorie h�tte ich mir auch sparen k�nnen, gelangweilt beantwortete ich die paar einfachen Fragen, Daniel wusste auch stets die richtigen Antworten. Wir beeilten uns nach Hause bzw. zu den Schlachtpferden zu kommen, da der Tierarzt sie heute nochmals untersuchen und impfen wollte. Nach zwei Wochen Weidegang und gutem Futter sah man den meisten die Strapazen der Reise kaum noch an. Troika, die Fjordstute, kam mir ohnehin recht rundlich vor.
Schon als ich meinen Motorradhelm abnahm, h�rte ich Red Points helles Wiehern. Er konnte es nie erwarten, dass sein Pfleger zu ihm kam. Als wir in den Feldweg zur gro�en Weide einbogen, stimmten auch Stella und Salome in die Begr��ung ein. Die riesige Rappstute befreite sich gerade mit heftigem Kopfsch�tteln aus dem Griff des Tierarztes, der ihr gerade eine Wurmkur verabreichen wollte. Meine Mutter, Salome am Halfter haltend, daneben, froh, dass sie nicht mehr alleine mit dem Tierarzt war.
"Merian und Red Point sind schon fertig," berichtete sie.
"Und die hier auch," erg�nzte Dr. Winkler und klopfte Stella den Hals zum Zeichen, dass f�r sie die Prozedur beendet war. "Vollkommen in Ordnung, keine Krankheit oder Verletzung. Ich denke die Quarant�ne kann aufgehoben werden, wenn sich bei den �brigen nichts zeigt."
Ich atmete auf. Es war ganz sch�n l�stig sich jedes Mal umzuziehen oder zumindest gr�ndlich zu waschen, wenn man heimkam. Au�erdem hie� das wir konnten nun Anzeigen aufgeben, in denen unsere Sch�tzlinge zum Verkauf angeboten w�rden. Dann hie� es Abschied nehmen von den bis dahin endlich wieder gut behandelten Pferden und Fohlen. Pl�tzlich wurde ich von einer unsagbaren Traurigkeit befallen. Ich hatte sie in den letzten zwei Wochen so in mein Herz geschlossen, mich an die zus�tzliche Arbeit gew�hnt. Klar, w�hrend der Schulzeit konnte ich niemals acht Pferde versorgen, das kam gar nicht in Frage.
"Hey, Maike! H�rst du mir �berhaupt zu?" Daniel stupste mich aufmunternd an. "Wir sollen die Kleinen holen. Herr Winkler untersucht indessen Troika, sie ist die letzte."
"Ich komme."
Die beiden Fohlen Fiodor und Capriccio schienen zu sp�ren, dass sie zum Tierarzt mussten. Immer wieder brachen sie zur Seite aus, lie�en uns auf zwei Meter herankommen und galoppierten wieder davon. Endlich lie�en sie sich in einer Ecke zusammentreiben und aufhalftern. Inzwischen waren Daniel und ich schwei� �berstr�mt. Zum Gl�ck lie�en sich die beiden Schlitzohre nun ohne Probleme zur gro�en Weide f�hren.
Herr Winkler, der nette Tierarzt, war noch mit Troika besch�ftigt. Ich sp�rte ein nerv�ses Kribbeln in der Magengrube; irgend etwas stimmte nicht. Mehrmals horchte er den Bauch der alten Stute ab, kratzte sich verwirrt am Kopf und kontrollierte nochmals, ob er sich nicht geirrt hatte. Ich krallte meine Finger um Fiodors F�hrstrick. Hoffentlich hatte nicht ausgerechnet Troika eine Krankheit, das w�rde unsere Pl�ne wieder umwerfen! Schlie�lich richtete sich der Mann auf, klopfte Troika den Hals und notierte dann etwas in ihren Impfpass.
"Was hat sie denn?" Zaghaft schon ich mich vor und warf einen Blick auf den Pass. Ich musste sehr besorgt geklungen haben, denn nun lachte Herr Winkler und haute mir kr�ftig auf die Schulter.
"Was sie hat? Tja, ich wundere mich, dass ich das nicht schon fr�her bemerkt habe: sie ist tr�chtig!"
"Nein!"
Dreistimmig schallte ein Ruf des Erstaunens �ber die Ebene. Vor Schreck wich Fiodor ein paar Meter zur�ck und schnaubte. Geistesgegenw�rtig fasste ich den Strick nach.
"Das darf doch nicht wahr sein," st�hnte ich und lehnte mich �chzend an die Stallwand. Langsam ordnete ich meine Gedanken. "Wann ist es denn soweit?"
"Im Fr�hjahr, M�rz oder April. Vielleicht auch fr�her."
"Noch ein Pferd mehr! Wie sollen wir das blo� schaffen!" Mama sah schon schwarz.
"Bis dahin sind die anderen doch l�ngst verkauft!" beruhigte sie Daniel und strahlte �ber das ganze Gesicht. "Ich freue mich jedenfalls auf das Fohlen!"
Ich warf ihm einen dankbaren Blick zu.
"Ich werde euch ein paar Zusatzfuttersorten aufschreiben, sie braucht nun extra st�rkendes. Und nat�rlich nicht reiten, nur spazieren gehen."
"Geht klar."
"So, und jetzt zu den zwei Raufbolden hier..."

Troika und ihr Fohlen, das war das Gespr�chsthema des Abends. Hin und her wurde diskutiert, Pl�ne geschmiedet und spekuliert. Schlie�lich setzte Mama einen Punkt:
"Also, noch einen Stallwechsel vor der Geburt, das kann Troika und ihrem Fohlen nur schaden. Das hei�t sie muss noch mindestens ein halbes Jahr danach mit dem Fohlen hier bleiben. Au�erdem: wer kauft schon solch alte Pferde!"
"Stimmt. Salome hat Dr. Winkler noch etwa zwei bis drei Jahre gegeben. Die werden wir auch nicht so leicht los, f�rchte ich," warf mein Vater ein. "Und wo sollen sie bleiben? Wir m�ssen die Weiden so bald wie m�glich r�umen!"
"Vielleicht finden wir in der N�he eine Weide oder Ilse Baar kann sie zu ihren Ponys aufnehmen," �berlegte ich und g�hnte ungeniert. Daniel war schon l�ngst heim gefahren und ich wollte endlich ins Bett. "Bis dahin finden wir schon ein kleines Pl�tzchen. Ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht!"
"Gute Nacht."




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