F A B E N F R O H E S - K U D E L M U D E L



"Sag mal, wusstest du wie aus einem Braunschimmel ein Appaloosa wird?"
"Wie bitte?"
St�hnen meinen R�cken haltend richtete ich mich auf Salome gest�tzt auf. F�r den ersten Tag hatten wir eine gro�e Putzaktion angesetzt. Ich hatte bereits Fiodor und die Rappstute Stella hinter mir, jetzt unterzog ich die hellbraune Stute Salome einer gr�ndlichen Sch�nheitspflege. Daniel war gerade mit seinem Roller aus dem Nachbarort angebraust und k�mmerte sich um den noch namenlosen Wallach mit der bisher undefinierbaren Farbe. Jetzt deutete er auf den wei�en Hals, der Dutzende kleiner rotbrauner Flecken aufwies.
"Tats�chlich," staunte ich. "Jetzt f�llt mir auch endlich ein Name ein: Red Point. Was meinst du dazu, Kleiner?"
Das Kleinpferd nickte eifrig. Daniel lachte.
"Er ist einverstanden. Ich glaube, das wird mein Liebling hier, so ein s��er Kerl."
"Nichts dagegen. Dann habe ich wenigstens einen weniger zu betreuen. Als erstes solltest du mal seinen Schweif k�rzen und die M�hne verziehen. Da dr�ben ist ein Eimer f�r die abgeschnittenen Haare."
"Hoffentlich bleibt er dann immer noch so ruhig stehen. Bl�d, dass ich in nirgendwo anbinden kann."
"Behandle ihn so, dass er freiwillig bleibt," sagte ich schlicht. "Er ist noch jung, er kann noch lernen, dass es auch gute Menschen gibt. Bei Salome und den Norwegern ist das schon schwieriger; sie haben kein Vertrauen in ihre Besitzer gehabt, das merkt man sofort."
"Wie alt sind sie dann?"
"Salome und die Norwegerstute mit dem breiten Aalstrich etwa 18, der Wallach 13 oder 14."
"Und Red Point?"
"H�chstens viereinhalb. Wie Stella." Ich deutete auf die gro�e Rappstute mit dem kleinen Stern auf der Stirn und den drei wei�en Fesseln. Das neue leuchtend rote Halfter stand ihr echt gut, auch wenn ihr ehemals tiefschwarzes Fell nun voller Staub und Dreck war, sie hatte sich gleich nach der Putzaktion hingebungsvoll gew�lzt. "Unbegreiflich wie Menschen solch nette Tiere t�ten wollten."
Daniel zuckte mit den Schultern. "Vielleicht haben sie irgend eine Macke, lassen sich nicht satteln oder gehen regelm��ig im Gel�nde durch oder so."

Ganz unrecht hatte Daniel nicht mit seiner Vermutung. So ganz ohne waren unsere Sch�tzlinge doch nicht; die temperamentvollen und verspielten Hengstfohlen waren dagegen noch einfach, diese mussten vorerst nur lernen sich einfangen, aufhalftern und f�hren zu lassen. Na ja, also manchmal wurde ich ganz sch�n �ber die Koppel gezerrt, Daniel ging es nicht viel besser. Doch die immer gr��ere Freundschaft zwischen uns vieren - obwohl bei Daniel und mir nicht mehr von einer �normalen' Freundschaft zu reden war - gab uns Mensch Kraft und Geduld es mit den Gro�en aufzunehmen. Mit dem restlichen Weidezaunband trennten wir einen Teil von Kopfs ohnehin riesiger Wiese als Reit- und Trainingsplatz ab, auf den ich nun ein Pferd nach dem anderen holte um durch Monty Roberts Join-Up ihr Vertrauen zu gewinnen. Nat�rlich klappte es nicht bei allen gleich gut, dennoch lie� sich Salome nach f�nf Tagen als erste einen Sattel auflegen. Aufsitzen wollte ich erst in ein, zwei Wochen, damit sie bis dahin wieder an Gewicht und Muskeln zulegen konnte. Mit ihr war es eine reine Freude �ber die Felder und durch den Wald zu spazieren; sie lief stets gelassen neben mir.
Red Point und Stella hatten anscheinend noch nie einen Sattel gesehen, geschweige denn auf ihrem R�cken gesp�rt, also auch keine schlechten Erfahrungen damit gemacht. Daf�r jedoch mit Gebissen. Es schien unm�glich Stella eines ins Maul zu legen. Vermutlich hatte ihr Vorbesitzer ihre Gr��e und jugendliche Kraft mit scharfen Stangen versucht zu b�ndigen. Da half nur eines: sie musste mir freiwillig folgen und mit mir arbeiten, statt dagegen.
Mein Reiterfreund ging nach der selben Devise vor und nach einer Woche kannte der Appaloosa-Wallach das Ger�usch seines Rollers und lief zum Koppelgatter um ihn zu begr��en. Jeden Tag bewunderte ich Daniels Ruhe und Sensibilit�t, mit der er seinen neuen Freund behandelte, und freute mich �ber seine Fortschritte, auch mit Camiro. Mit kaum zu �bertreffender Sicherheit bew�ltigten sie alle Spr�nge, die Herr Ruben ihnen vor die Nase bzw. vor die N�stern setzte. Das Reitabzeichen hatte er so gut wie sicher.
Apropos Reitabzeichen: mit diesem Vorwand und der Aussicht auf weniger Zeit f�r die Schlachtpferde �berredete ich meine Eltern sich der beiden Norweger anzunehmen. So wechselten sie t�glich die Verb�nde um die geschwollenen Sehnen, f�hrten die gutm�tigen Ponys spazieren und mein sonst so aufbrausender Vater sollte in den bald eine geh�rige Lektion in Sachen Geduld erteilt werden: als sich der Wallach, dem Papa den Namen Merian verpasst hatte, wegen einem tief fliegenden Hubschrauber erschrak, sich losriss und zur Koppel zur�ck rannte und Papa ihn wegen dieser �Untat' strafen wollte, zeigte ihm das kluge Fjordpferd wie er auf Schl�ge zu reagieren pflegte: er stieg und weigerte sich sich am Halfter fassen zu lassen. Papa wollte daraufhin nichts mehr mit diesem �verzogenen' Vieh zu tun haben und war nur durch wortgewandtes Leviten lesen von Leuten mit mehr Pferdeverstand dazu zu bringen die ruhigere und �ltere Stute Troika zu �bernehmen.
In meinem Reitstall wurde ich noch monatelang auf die spektakul�re Rettungsaktion angesprochen und immer wieder steckte mir der eine oder andere ein paar Euros oder eine alte, aber noch brauchbare Trense oder eine T�te �pfel zu.
Wenn ich abends nach dem Training mit Stella, Fiodor, Salome und schlie�lich Aischa todm�de ins Bett fallen wollte, raffte ich mich oft nochmals auf und schaute aus dem Fenster auf den Teil der gro�en Weide, den ich von hier �berblicken konnte. In diesen Momenten der Ruhe f�hlte ich genau drei Dinge: Ich war froh und stolz zusammen mit meinen Freunden und Eltern die Leben dieser sieben Schlachtpferde gerettet zu haben, dankbar um die Erfahrung, die ich bei der Arbeit und Pflege gewann und erf�llt von etwas eigentlich Unbeschreiblichen, das die Pferde, Daniel und mich verband, kurz zusammengefasst in einem Wort: Liebe. Seltsam, denn eigentlich waren Daniel und ich gar nicht zusammen. Es w�rde mich aber, ehrlich gesagt, auch nicht st�ren, wenn doch...




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