S P E K T A K U L � R E - R E T T U N G S A K T I O N



Der folgende Tag barg Dutzende �berraschungen. Es fing damit an, dass Aischa und ich den Einfachen Reiterwettbewerb gewannen. Des Weiteren stolperte sie beim Verladen und es war lange unsicher, ob sie sich verletzt hatte. Zum Gl�ck hatte sie es nicht. Am fr�hen Nachmittag konnten wir schlie�lich die Heimfahrt antreten. Auf der Autobahn wurde Aischa immer unruhiger und wir hielten auf einem gro�en Rastplatz. Sofort suchte ich nach der Ursache f�r das Gestampfe und Gewieher. Ich hatte vergessen das Heunetz aufzuf�llen und Aischa wollte Besch�ftigung. Also stopfte ich schnell Heu hinein, w�hrend Daniel zur Rastst�tte lief um einen Eimer Wasser zu besorgen. Wenig sp�ter kam er zur�ck, wutschnaubend und mit nassen Shorts.
"Ist dir so hei�, dass du dich jetzt schon duschen musst?", grinste ich und nahm ihm den schweren Eimer ab. Aischa trank in gro�en Z�gen. Kein Wunder, es war auch fast 30� warm.
"Haha," machte Daniel. "Zwei angetrunkene Typen haben mich angerempelt, als ich gerade aus dem Waschraum kam. Und als ich mich beschwerte, machte sie mich bl�d an. Guck!" Er deutete zu einem Viehtransporter neben der Tankstelle. "Da steigen sie ein. Wahrscheinlich schlafen sie jetzt ihren Rausch aus."
"... oder auch nicht," vollendete ich den Satz. "Sie fahren weg. Die armen Tiere, der f�hrt ja viel zu schnell!" Ich stockte. Ein mehrstimmiges Wiehern schallte �ber den Parkplatz. Pferde!
Ich st�hnte entsetzt auf. "Um Gottes Willen!" Meine Knie wurden weich als ich daran dachte was die armen Gesch�pfe da durchmachen mussten. "Komm, Dani!"
Wie der Blitz spurtete ich zur Tankstelle, dr�ngelte mich zur Kasse vor, unbeachtet der Proteste der wartenden Autofahrer.
"Bitte rufen Sie die Polizei," sprudelte ich hervor. "Da ist ein Viehtransporter mit Pferden, die Fahrer sind betrunken und fahren viel zu schnell!"
"Einen Moment." Die junge Bedienung griff nach dem Telefonh�rer.
Die folgende halbe Stunde verging so schnell, dass ich mich hinterher nur noch an Bruchteile erinnern konnte. Ich erkl�rte den Polizisten die Situation und beschrieb mit Daniels Hilfe den Transport und die beiden M�nner. Sogleich nahmen sie die Verfolgung auf. Sie baten uns an der Tankstelle zu warten. Das taten wir auch, beobachteten desinteressiert die ein- und auswandernden Kunden, lie�en aber weder Telefon noch Rastst�tteneinfahrt aus den Augen. Die Zeit schien nicht zu vergehen. Unruhig wie ein L�we im K�fig ging ich hin und her bis Daniel mich sanft auf einen Stuhl dr�ckte. Beruhigend fasste er meine Hand, doch ich merkte es kaum. Das �ngstliche Wiehern von mindestens vier Pferden klang noch immer in meinen Ohren. Allm�hlich ordneten sich meine Gedanken. Was sollte aus den Schlachtpferden werden, wenn sie gerettet waren? Wegen m�glicher Krankheiten konnte man sie nicht in einen normalen Reitstall bringen und welches Tierheim nahm schon gr��ere Tiere als allenfalls Zwergesel auf? Da kam nur ein kleiner abgelegener Stall in Frage.
Da! Das Telefon klingelte. Die Kassiererin winkte uns. Mit zitternden H�nden nahm ich den H�rer entgegen. Einer der Polizisten war dran.
"Maike? Ihr hattet recht, die beiden Fahrer hatten eindeutig zu viel intus. Wir haben sie dazu gebracht auf dem n�chsten Parkplatz anzuhalten und inspizierten die Fracht. Naja," er lachte bitter. "Einzelheiten k�nnt ihr euch selbst ansehen. Ein Tierarzt ist bereits verst�ndigt, aber k�nnt ihr uns nicht helfen? Ein Pony ist uns entwischt. Ihr seid doch Reiter, oder? K�nnt ihr uns beim Einfangen helfen? Und vielleicht wisst ihr eine Unterbringungsm�glichkeit."
"M�sste zu organisieren sein," erwiderte ich. "Wir kommen sofort."

Der gr�ne Beamte hatte wirklich nicht untertrieben. Als wir eine Viertelstunde sp�ter an den uns beschriebenen Parkplatz ankamen, empfing uns als erstes ein kleines braunes Pferd, das sich als Fohlen entpuppte. Es galoppierte aufgeregt an der rot-wei�en Absperrung entlang, die die Polizisten in Windeseile gespannt hatten um es davon abzuhalten auf die Stra�e zu hopsen. Mama stellte H�nger und Auto auf dem Standstreifen ab, stellte ein Warnschild auf und half dann das halfterlose Fohlen einzufangen. Daniel und ich waren mit Strick und Z�geln bewaffnet. Mehrmals kreisten wir den Braunen ein, der jedoch in letzter Sekunde wieder ausbrach. Beim vierten Versuch warf sich einer der M�nner todesmutig an seinen Hals und hielt es umklammert bis es stehen blieb und ich ihm einen als Halsring geknoteten Strick umlegen konnte. Noch immer wehrte es sich �ngstlich, gab aber bald geschw�cht auf. Unter seinem schmutzigen Fell sah man jede einzelne Rippe und es war �ber und �ber mit Bisswunden �bers�ht. Das gleiche Bild erwartete uns bei den �brigen: f�nf Pferde standen inmitten von toten oder halbtoten Leidensgenossen in allen Gr��en und Farben. Sogar ein Eselchen war darunter. Seltsamerweise war ich v�llig unber�hrt von dem Anblick, vielleicht der Schock. Jedenfalls sprach ich gefasst und �berlegt mit den Polizisten und dem eben eingetroffenen Tierarzt. Als erstes f�hrten wir die noch lebenden Tiere aus der dunklen Enge und banden sie an der Leitplanke an. Insgesamt waren es sieben: zwei Norweger, die vermutlich als Kinderreitponys auf Jahrm�rkten gedient hatten - die von den Ausbindern abgeschabten Schultern deuteten darauf hin - drei Gro�pferde und zwei Hengstfohlen, alle abgemagert bis auf die Knochen, schmutzigem, von Bissen gezeichnetem Fell und kotverschmierten Fesseln. Laut Fahrern waren sie drei Tage ohne Futter und nur wenig Wasser in ihrem eigenen Dreck gestanden. Sie kamen aus Polen und sollten in Frankreich geschlachtet werden. Hier, eine Stunde von der Grenze entfernt, endeten ihre Qualen.
Herr Kaiser, einer der Beamten, stellte mir sein Handy zur Verf�gung, dass ich eine Bleibe organisieren konnte. Es wurde ein langes Diskutieren, Betteln und Erkl�ren, doch schlie�lich konnte ich mit zwei guten und einer schlechten Nachricht zu den anderen zur�ckkehren.
"Die guten Nachrichten sind: Ilse Baar gibt uns ihre kleine Weide f�r die beiden Fohlen und der Rest kann auf Kopfs Wiese. Die schlechte Nachricht: Wir m�ssen sie selbst dorthin bringen und Kopfs Wiese einz�unen."
Mama rechnete nach. "Mit vier Fuhren k�nnen wir es schaffen. Aber was ist, wenn die Pferde Krankheiten haben?"
"Bisher habe ich noch nichts gefunden, au�er geschwollene Sehnen bei den Norwegern und dem braun-wei�en Wallach, aber zwei Wochen m�ssen sie in Quarant�ne bleiben," meldete sich der Tierarzt zu Wort.
"Also musst du erst einmal Aischa und das ganze Zubeh�r zur�ck nach Langenwinkel bringen, Mama. Bring aus meinem Spind Aischas Ersatzhalfter mit und ein Strick muss auch noch da liegen. Vielleicht triffst du wen im Stall, der uns mit ein paar Sachen aushelfen kann. Dani," ich nickte meinem Freund zu, "und ich bleiben indessen bei unseren Sch�tzlingen. Hier ist mein Spindschl�ssel!" Ich warf ihn ihr zu. Dennoch z�gerte sie. "Frag nicht, fahr lieber! Wir schaffen das schon, wenn wir alle zusammen helfen."
W�hrend Mama ihren Auftrag ausf�hrte, besprach ich mich mit dem Tierarzt. "Sie brauchen alle Zusatzfutter, ich gebe dir was f�r die erste Woche mit. Die Vorderbeine der Norweger und des Wallachs mit dieser undefinierbaren Farbe m�ssen mit K�hlgel eingerieben und bandagiert werden. Die Bisswunden alle zweimal t�glich mit dieser Salbe einreiben. Ich schreib alles auf, auch f�r euren Tierarzt. Wer ist es, Dr. Winkler? Ja, den kenn ich. Gut, in etwa einer halben Stunde kommt jemand und holt die verendeten Tiere ab. Bis dahin bleibt der Parkplatz auf jeden Fall gesperrt, auch f�r die da dr�ben." Er deutete zu den zwei Reportern, die gerade das rot-wei�e Absperrband �berkletterten. Wahrscheinlich hatte sie die Kassiererin der Tankstelle informiert. Jetzt palaverten sie mit den Polizisten, wollten sich nicht abweisen lassen. Da sie nicht zur�ck �ber die Absperrung wollten, sondern eifrig weiterknipsten, mischte Daniel sich ein.
"Man erkennt doch auch auf den Bildern etwas, wenn Sie einen Meter zur�cktreten, oder?", l�chelte er charmant. "Dann erfahren Sie auch die ganze Geschichte - eher nicht!"
"Okay, okay," lenkte der junge Mann mit dem Notizblock ein. "Und jetzt schie� los, was, wann, wo, wieso, weshalb, warum?"
Bis Mama mit dem leeren H�nger zur�ckkam, war Daniel vollauf besch�ftigt.

"Uff, ich bin total fertig!" Ersch�pft lehnte ich mich an Daniel, der �bertrieben verzweifelt um sein Gleichgewicht k�mpfte. Wir standen vor der neuen "Fohlenweide", auf der das braune und das schwarzgraue Hengstfohlen gerade die Qualit�t des s�ddeutschen Weidelandes pr�ften. Sie rupften hier und da etwas Gras, w�lzten sich, sprangen auf und lockerten ihre vom Transport steifen Gelenke bei einem kurzen Galopp entlang des von Frau Lange bereitgestellten Elektrozauns. Sie und ihr Mann hatten uns auch geholfen die v�llig ver�ngstigten Pferde in ihr neues Zuhause zu bugsieren. Zu viel Misstrauen hatte ihre bisherige Beziehung zu Menschen bestimmt.
"Was meinst du, wie sollen wir sie nennen?," fragte ich ohne den Blick von meinen zwei neuen Lieblingen zu nehmen.
"Keine Ahnung." Er zuckte nur m�de mit den Schultern. "Vielleicht irgend etwas Heldenhaftes, das nicht an ihre dunkle Vergangenheit erinnert.
"Du hast recht. Der Graue k�nnte in Zukunft wie ein Springpferd aussehen, von dem ich gelesen habe: Feodora. Wie w�re es mit Fiodor?" Ich sah den gro�en Jungen von unten herauf fragend an.
"Klingt h�bsch. Vielleicht verhilft ihm dieser Name ja auch zum Erfolg. Und zu dem Braunen passt Cappuccino oder so was �hnliches."
"Nein, so hei�en viele Braune. Aber Capriccio ist sch�n, etwas frech und edel."
"Gut," stimmte er zu. "Stand etwas �ber ihre Rasse oder Herkunft in den Transportpapieren?"
"Nichts genaues. Sie kommen alle aus der Gegend s�dwestlich von Warschau, so viel konnte man von dem Sprachenmix der Fahrer verstehen. In den n�chsten Tagen werden wir wohl mehr erfahren. Komm, wir sehen noch mal nach den Gro�en!"
Etwa dreihundert Meter weiter den Feldweg entlang stie�en wir auf meine Eltern, die gerade den behelfsm��igen Zaun aus Pfl�cken und mehreren W�scheleinen abgingen. Heute war nur ein kleines Viereck eingez�unt worden; morgen war als erstes ein Gro�einkauf im Reitsportgesch�ft von N�ten.
"Ich hoffe die sind zu m�de zum Weglaufen!"
"Das sind sie ganz sicher," beruhigte ich meine Mutter. "Schau, die Norweger und die Braune haben sich hingelegt. Die Leinen werden diese Nacht sicher �berstehen und morgen kaufen wir einen richtigen Elektrozaun."
"... und das Haus f�r den Unterstand," f�gte mein Vater hinzu. "Hoffentlich lassen die sieben sich gut verkaufen, damit die Kosten wenigstens gedeckt sind. Wenn ich nur an den Tierarzt denke!"
"Ich stelle nachher eine Liste auf was wir alles in den n�chsten Wochen ben�tigen. Zu Hause hab ich noch eine Trense, die Aischa zu gro� ist und ihren alten Sattel. Die Halfter bzw. was von ihnen �brig geblieben ist, sind nicht mehr zu gebrauchen, total zerfetzt und angeknabbert. Dann eine Satteldecke, Putzzeug, Bandagen..."
"Wieso Putzzeug? Du hast doch welches!" fragte ahnungslos mein Vater.
Und wenn nur eines von ihnen krank ist, hat es im Nu auch Aischa. Da ist der Tierarzt teurer als ein Hufkratzer und zwei B�rsten. �brigens," wechselte ich das Thema. "Wir haben die Fohlen Fiodor und Capriccio getauft. Wie sollen die Gro�en hei�en?"
"Das k�nnen wir immer noch morgen entscheiden. Ich bin hundem�de," g�hnte Daniel mit einem Blick auf die Uhr. "Dabei ist es erst halb neun."
Mama bot an ihn nach Hause zu bringen, sie musste ohnehin noch den H�nger, den wir allerdings erst gemeinsam in der Garageneinfahrt putzten, zur�ckbringen.




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