W A R U M - I S T - N I C H T - A L L E S - W I E - E I N - P F E R D



"Hey, Maike! Was schleppst du denn da f�r einen Klepper an?"
Dies waren die ersten Worte, mit denen Aischa und ich in meinem Heimatstall empfangen wurden. Gesprochen hatte diese Worte Saskia, eine gleichaltrige Springreiterin. Sie hielt sich und die Privatpferde, die sie reiten durfte, f�r etwas besseres, nur weil sie bereits das Bronzene Reitabzeichen besa� und ich erst das gro�e Hufeisen. Springen konnte sie ganz gut, f�r Dressur hatte sie aber nicht viel �brig; sie war auch viel zu hart daf�r, fand ich. Au�erdem zwang sie den Pferden ihren Willen auf, die waren immer schuld. Ich unterhielt mich nur oberfl�chlich mit ihr, ich hielt mich lieber an die 15-j�hrige Nicki, die eine talentierte Vielseitigkeitsreiterin war.
Jetzt legte Saskia den Sattel, den sie gerade in ihren Spind tragen wollte, zur Seite und besah sich neugierig mein Pferd, das ich gerade in seine Box f�hrte.
"Also, ich wei� nicht. Ich h�tte den nie genommen. Ist doch viel zu klein f�r dich! Du bist doch immer Goliath geritten. Die Farbe ist ganz sch�n, so'n Hellfuchs."
"Aischa ist genau 1,58m gro� und genau richtig f�r mich." Die Betonung lag auf "gro�" und "mich".
Saskia lie� nicht locker. "Und so ein kleiner Kopf, der passt irgendwie nicht dazu."
Ich fuhr fort Aischa die Transportgamaschen und die Decke abzunehmen.
"Ziemlich zierliche Beine hat sie und etwas zu d�nn scheint sie mir auch."
Sie muss ja nicht so dick wie du sein, grollte ich in Gedanken, auch wenn ich ihr insgeheim recht gab: Ritters hatten es mit Aischas Di�t wirklich etwas �bertrieben.
Saskia t�tschelte sie am Hals, worauf Aischa den Kopf hoch warf und die Augen rollte.
"So empfindlich?" Das M�dchen zog abwertend die Augenbrauen hoch. "Na, das werden wir dir schon noch abgew�hnen. Darf ich sie auch mal reiten? Wie hei�t sie noch mal? Wie alt ist sie �berhaupt?"
Ich richtete mich langsam auf. Beherrsch dich, Maike, ermahnte ich mich.
"Alles der Reihe nach. Sie ist Aischa, eine f�nfj�hrige Arabermix-Stute, zu drei Vierteln Araber, zu einem Viertel Vollblut. Die letzten f�nf Monate war sie bei einem M�dchen, das nicht mit ihr zurechtgekommen ist und sie verkorkst hat. Im �brigen wird Aischa die n�chsten Wochen �berhaupt nicht geritten, schon gar nicht von dir! Sonst noch Fragen?"
Saskia wandte sich beleidigt ab, irgend was von wegen "Zicke" murmelnd. Ich atmete auf. Behutsam nahm ich meiner Stute das Halfter ab und schloss langsam die Boxent�r. Aischa war sehr schreckhaft und misstrauisch. Ich w�rde Wochen brauchen um ihr ganzes Vertrauen zu gewinnen. Erst dann wollte ich sie reiten. Ausgebildet war sie bis zur A-Dressur, darauf w�rde ich aufbauen. Und da sie mit dem Springen anscheinend besonders schlechte Erfahrungen gemacht hatte, w�rde ich darauf vorerst ganz verzichten. F�r die n�chsten Wochen stand Bodenarbeit, Massage f�r die verspannten Muskeln und viel Koppelgang auf dem Programm. Es w�rde einiges an Arbeit werden. Ich freute mich darauf.

Die erste Lektion begann erst am n�chsten Tag, damit Aischa gen�gend Zeit hatte sich an die neue Umgebung zu gew�hnen. Ich hatte das Zubeh�r, das ich in n�chster Zeit brauchen w�rde, in meinen Spind ger�umt, ordentlicher als ich selbst von mir erwartet h�tte. Doch es sollte ein neuer Lebensabschnitt werden und dazu geh�rte anscheinend auch, dass ich ordentlicher wurde - jedenfalls bei den Pferden.
Keinem hatte ich gesagt, dass ich nun ein eigenes Pferd hatte. Sie sollten es ruhig selber herausfinden. In der Schule hatte ich ohnehin wenig Kontakt zu anderen und es fiel auch niemandem auf, dass ich in dieser Woche besonders geistesabwesend war. Kaum l�utete die Schulglocke, war ich schon bei den Fahrradst�ndern, schnallte meine Tasche auf den Gep�cktr�ger und legte die vier Kilometer zum Stall in Rekordzeit zur�ck. Die Anf�ngergruppe ritt im freien auf dem Dressurplatz, also bestand die Chance, dass die Halle frei war. F�r die heutige Reitstunde hatte ich mich abgemeldet; ich wollte mich in Ruhe Aischa widmen.
Ich zog ihr das Stallhalfter an und f�hrte sie, eine Longe �ber die Schulter geh�ngt, in die leere Bahn. Als ich sie loslie� stob sie sofort davon, schlie�lich war sie seit zwei Tagen kaum aus der Box herausgekommen. Nachdem sie sich gew�lzt und die Halle gr�ndlich erkundet hatte, begann ich mit dem Join-Up.
Dazu nahm ich eine aggressive Stellung ein und fixierte mit meinem Blick die Pferdeaugen. Sogleich fiel Aischa in den Galopp. Wenn sie langsamer wurde, warf ich leicht mit der Longe nach ihr um sie anzutreiben. Sollte sie langsamer werden, senkte ich den Kopf und drehte mich von ihr weg um sie nach einer Weile erneut anzutreiben. Vier, f�nf Male wiederholte ich dies. Dann senkte Aischa den Kopf und kaute und schleckte. Darauf hatte ich gewartet. Dies ist n�mlich das Zeichen, dass das Pferd sich wohlf�hlt und den Menschen in der Mitte der Bahn als "Leitstute" akzeptiert. Ich lie� sie anhalten und drehte mich von ihre weg. Ohne sie zu sehen, sp�rte ich ihren Blick, h�rte die leisen Tritte auf mich zukommen. Es klappte! Ich zwang mich zur Ruhe und streichelte ihre Stirn.
Kreuz und quer schlenderten wir durch die Halle, Aischa stets mit den N�stern an meiner Schulter. Endlich blieb ich stehen und ber�hrte mit flachen H�nden jeden Zentimeter Fell. Anschlie�end hob ich nacheinander jeden Huf kurz auf und stellte ihn vorsichtig wieder auf den Boden. Die ganze Zeit �ber redete ich beruhigend auf meine Stute ein.
Ich guckte auf die Uhr. Seit dem Betreten der Halle waren erst zwanzig Minuten vergangen. Noch genug Zeit also f�r eine ausgiebige Massage. Ruhig und entspannt stand Aischa da und spielte nur ab und zu mit den Ohren.
Mittendrin schrie eine grelle Stimme: "Wie lange brauchst du denn noch? Ich muss unbedingt noch Cassis laufen lassen!"
"Zwei Minuten!", rief ich zur�ck, zufrieden grinsend. Aischa hatte das Geschrei zwar erschreckt, dennoch blieb sie stehen und blickte die ver�rgerte Frau nur verst�ndnislos an, als wollte sie fragen was die Aufregung sollte.
"Du bist ein super Pferd, Aischa," fl�sterte ich und schlang die Arme um ihren Hals. Aufmerksam drehte sie die Ohren und schnaubte leise.
Erst als die Frau die T�r �ffnete, l�sten wir und voneinander. Seufzend hob ich die Longe auf, klinkte den F�hrstrick am Halfter ein und marschierte wortlos an der Frau und ihrem braunen Wallach vorbei zum Waschplatz. Aischa folgte mir wie selbstverst�ndlich und auch als ich ihre Beine abwusch, blieb sie ruhig mit h�ngendem Strick stehen und schaute den Reitern in der Bahn zu. Gerade marschierten die Fortgeschrittenen, zu denen ich normalerweise geh�rte, hinein. Herr Ruben nickte mir nur kurz zu. Nat�rlich musste ich einen Haufen Fragen �ber mich ergehen lassen. Als ich von der geplanten Schlachtaktion erz�hlte, schwiegen alle betroffen und zogen sich respektvoll zur�ck.
Sehr ausgiebig putzte ich die h�bsche Hellfuchsstute. Die M�hne w�rde ich l�nger wachsen lassen, ebenso wie den dicken Schweif. Mir fiel das Bild eines ber�hmten palominofarbenen Tennessee-Hengstes ein, dessen Schweif man hockgebunden und bandagiert hatte, damit dieser nicht an den Spitzen dreckig und abgeschabt wurde. Bei der Arbeit und vor allem auf Shows lie� man den bald �berlangen Schweif h�ngen. Wenn der Hengst den Schweif hoch trug, sah dies wundersch�n aus.
Eigentlich konnte ich das auch machen. Freilich dauert es lange, bis der Schweif den Boden erreicht, doch probieren konnte ich es ja. Vom Eifer gepackt flocht ich ihn locker ein und versuchte es auf mehrere Weisen ihn hochzubinden. Endlich gelang es mir. Aischa be�ugte etwas verwundert was ich mit ihr anstellte. Ich schmiegte mich an sie und streichelte die schneewei�e Blesse.
"So, M�dchen. F�r heute reicht's. Morgen machen wir noch einen sch�nen Spaziergang, ja? Du wirst sehen, bald bist du wieder Ok und dann machen wir das Dressurviereck unsicher! Ich z�hl auf dich!"

Ausgerechnet Herr Ruben, in Begleitung von Saskia, ertappte mich in diesem Moment.
"Ein Dressurpferd, ja? Ganz ordentlich, nur ein bisschen wenig auf den Rippen, meinst du nicht auch?"
"Klar, das wird schon wieder. Sie hat sehr sch�ne G�nge," sagte ich stolz.
Der Reitlehrer klopfte Aischa, das hei�t er wollte es. Aischa aber, erschrocken durch die pl�tzliche Armbewegung, riss den Kopf hoch und hob warnend ein Hinterbein. Irritiert lie� Herr Ruben den Arm wieder sinken.
"Aischa ist sehr �ngstlich und misstrauisch," entschuldigte ich l�chelnd. "Ich werde sie erst reiten, wenn ich ihr Vertrauen gewonnen habe." Ich schielte zu Saskia r�ber, die betont gelangweilt von einem Fu� auf den anderen trat. "Solange muss ich noch Schulpferde reiten."
"Na gut, meinetwegen." Statt Aischa haute er mir auf die Schulter. "Sag Gerhard Bescheid wie viel zu fressen kriegt und schreib's an die Boxent�r. Ein bisschen mehr auf den Rippen w�rde deiner Stute nicht schaden."
"Ich wei�," nickte ich.
Saskia deutete auf den einbandagierten Schweif und fragte, was das zu bedeuten hatte. Ich lie� mich nicht beirren, sondern band Aischa los und f�hrte sie in den Privatstall. Vor der T�r drehte ich mich zu Saskia um.
"Schon mal was von Golden Boy geh�rt?"
"Nee, wer ist das?"
"Mach dich mal schlau, dann wei�t du die Sache mit dem Schweif!"

"Ach, Aischa!" seufzte ich in ihrer Box. "Wieso k�nnen nicht alle sein wie Pferde! Ihr seid irgendwie logischer und stellt keine bl�den Fragen! Aber wir werden es Saskia schon noch zeigen. Nur weil wir in einem Springstall sind, hei�t das noch lange nicht, dass wir zwei nur springen!"




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