Amalgam - schädlich oder ungefährlich?
Groß angelegtes Forschungsprojekt am Klinikum rechts der Isar abgeschlossen
Tanja Schmidhofer, Pressestelle
Klinikum
rechts der Isar der Technischen Universität München
04.04.2008
Seit vielen Jahren wird von Forschung und Medien das Schädigungspotential von Amalgam in der Zahnmedizin kontrovers diskutiert; Berichte von Patienten, die über Beschwerden wie Kopfschmerzen, Konzentrationsschwäche, Depressionen, Müdigkeit und Sehstörungen klagen, reißen nicht ab. Vor dem Hintergrund eines Gerichtsverfahrens gegen die Firma Degussa hat der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft im Jahr 1996 das Zentrum für naturheilkundliche Forschung am Klinikum rechts der Isar der TU München mit der Durchführung des interdisziplinären Forschungsprojektes GAT (German Amalgam Trial) beauftragt. In diesem groß angelegten, zwölf Jahre dauernden Projekt untersuchten "schulmedizinische" und "komplementärmedizinische" Einrichtungen in mehreren Teilprojekten das Schädigungspotential von Amalgam, die diagnostischen Möglichkeiten sowie geeignete Therapien. So wurden beispielsweise erstmals die Auswirkungen einer Amalgamentfernung bei Erwachsenen erforscht. Die Ergebnisse des Forschungsprojektes liegen nun vollständig vor.
"Ob und wie schädlich Amalgam wirklich ist, muss aus
wissenschaftlicher Sicht sehr differenziert betrachtet werden",
erläutert PD Dr. Dieter Melchart, der als Leiter des Zentrums für
naturheilkundliche Forschung am Münchner Klinikum rechts der Isar
für die Studie verantwortlich war. "Eine eindeutige Aussage, ob
es gefährlich oder harmlos ist, können wir daher nicht machen. Wir
können jedoch fundiert empfehlen, welche Therapiemöglichkeiten es
bei einer subjektiv empfundenen Amalgam-Schädigung gibt."
Zunächst
befragten die Wissenschaftler rund 5.000 zufällig ermittelte
Patienten von Zahnärzten nach ihren Beschwerden. Dabei konnte kein
Zusammenhang zwischen der Anzahl der Amalgamfüllungen und dem
Auftreten bestimmter Symptome nachgewiesen werden. Bei der Analyse
der Fallberichte von Klägern im "Degussa-Verfahren", die
zahlreiche Beschwerden im Zusammenhang mit Amalgam angegeben hatten,
zeigten sich deutliche Hinweise darauf, dass sowohl zwischen
Amalgamversorgung und Auftreten der Symptome als auch zwischen
Amalgamsanierung und Besserung der Beschwerden ein zeitlicher
Zusammenhang vorliegt. Allerdings geben die Forscher zu bedenken,
dass diese Daten aufgrund der methodischen Mängel in den
retrospektiv ausgewerteten Fragebögen mit Vorsicht interpretiert
werden sollten.
Um der Frage nachzugehen, welche Schäden
durch geringe Amalgam-Dosen im Körper langfristig und möglicherweise
auch unbemerkt entstehen können, untersuchten die Wissenschaftler
den Effekt auf verschiedene menschliche Zelltypen. Die Ergebnisse
sind, wie Melchart erläutert, nicht eindeutig: "Während sich
Monozyten insbesondere gegenüber geringen Dosen von Quecksilber als
unempfindlich erwiesen, reagierten Lymphozyten deutlich
empfindlicher. Wir haben auch festgestellt, dass sich Zellen nach
einer Amalgam-Exposition weniger gut auf Stresssituationen wie Fieber
oder Umweltgifte einstellen können." Allerdings seien auch
diese Ergebnisse unter Vorbehalt zu sehen: "Die Reaktion der
Zellen im Labor muss nicht unbedingt der im menschlichen Körper
entsprechen."
Ein weiteres Teilprojekt widmete sich den
diagnostischen Möglichkeiten, eine Belastung des Organismus durch
Amalgam zuverlässig nachzuweisen. Hier zeigte sich, dass die
gängigen Testverfahren nicht zwischen Probanden mit
Amalgam-Beschwerden und solchen, die keine Beschwerden verspüren
oder ganz frei von Amalgam sind, unterscheiden können. Eine Ausnahme
bildet die toxikologische Messung von Quecksilber in Speichel und
Blut, die zumindest zwischen Amalgamträgern und amalgamfreien
Probanden eindeutig differenziert.
Die aktuellste, im Journal
of Dental Research veröffentlichte Studie vergleicht verschiedene
Therapiemöglichkeiten für subjektiv amalgamgeschädigte Patienten.
Das Ergebnis war für die Forscher recht überraschend: Einerseits
führt die Entfernung der Amalgamfüllungen tatsächlich zu deutlich
niedrigeren Quecksilberwerten in Speichel und Blut und auch zu einer
klinisch relevanten Verbesserung der subjektiven Beschwerden. Ob eine
zusätzliche Ausleitungstherapie durchgeführt wird oder nicht,
spielt dabei im übrigen keine Rolle. Andererseits brachte ein
spezielles Gesundheitstraining den Betroffenen eine ähnlich positive
Linderung ihrer Beschwerden, auch wenn sich die gemessenen
Quecksilberwerte dadurch natürlich nicht veränderten.
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