Der Weg zum selbstgeschliffenen Spiegel - Erfahrungen eines Anfängers

Artikel aus Sternkieker von Rüdiger Heins

Auf Teleskoptreffen findet man eine Klasse von Selbstbaunewtons, häufig Dobsons, mit Spiegeldurchmessern von meistens 10 - 25 cm, die eins gemeinsam haben: Ein auffallend scharfes, kontrastreiches Bild, dass sich beim direkten Vergleich von den kommerziellen Teleskopen größtenteils deutlich abhebt. Im Gespräch mit den Besitzern stellte sich dann heraus, dass die Optik selber geschliffen wurde. Angeblich, so die einhellige Meinung der Spiegelschleifer, soll es gar nicht so schwer sein eine gute bis sehr gute Qualität zu erreichen. Unter Sternfreunden gibt es aber viele Skeptiker, die die Herstellung einer guten optischen Oberfläche mit Amateurmitteln für nahezu unmöglich halten. Wenn es nicht einmal kommerzielle Spiegelhersteller schaffen eine konstante, gute Qualität zu liefern, wieso ausgerechnet die Amateure ? In der Tat, vor einigen Jahren fand durch die amerikanische Zeitschrift Sky & Teleskope ein großer Spiegeltest aller namhaften US-Hersteller statt. Nur ein einziger Spiegel erlangte mit Mühe die geforderte Genauigkeit von Lambda ¼ p.t.v Wavefront. Daran dürfte sich bis heute wenig geändert haben, zumindest was den US-Markt betrifft. Spiegelkauf ist Glücksache. Wenn man garantiert einen guten Spiegel haben möchte, dann ist man auf den russischen Hersteller LOMO angewiesen. Allerdings muss man dazu recht tief in die Tasche greifen und sich auf lange Lieferzeiten einstellen. 

Als Jugendlicher hatte ich das Buch von Hans Rohr "Fernrohr für Jedermann" gelesen und war von der Materie fasziniert. Unterschwellig blieb der Wunsch einen Spiegel selber zu schleifen immer bestehen, aber ich konnte mich nie so recht dazu überwinden. Erst die Kontakte mit Spiegelschleifern beim ITV führten dazu es doch einmal zu versuchen. Hinzu kam die einmalige Gelegenheit, dass Andre Wulf seinen jahrelang gehorteten Schleifsatz für einen 20 cm Spiegel günstig verkaufen wollte. Da konnte ich nicht nein sagen und schlitterte so langsam in mein "Verhängnis". 

Grobschliff:
Und dann, eines Tages war es soweit: Die erste Charge K (Karborundum) 80 für den Grobschliff wurde mit Wasser zu einem zähen Brei auf der gläsernen Schleifschale angemischt. Anschließend wurde der hoffentlich zukünftige Spiegel, ein runder Glasklotz aus Duran, vorsichtig aufgesetzt. Mit lautem Knirschen setzte sich der "Schleifmechanismus" in Gang. Ich war jetzt in der Welt der "geheimnisvollen" Striche angelangt. Als Strich bezeichnet man die Vor- und Rückwärtsbewegung des zukünftigen Spiegels auf der Schleifschale. Bei jedem Strich wird der Spiegel etwas gedreht. Nach jedem 10-20. Strich erfolgt dann die Bewegung der Schleifschale in entgegensetzte Richtung. Über die Länge der Striche kontrolliert man die Oberfläche: Lange Striche höhlen das Zentrum aus, während kurze mehr den Rand angreifen. Die normale Strichführung ist Mitte über Mitte. Bei einem seitlichen Überhang wird ebenfalls mehr die Mitte bearbeitet. Es erfolgt eine grobe Klassifizierung in Halbe-, Drittel-, und Viertelstriche. So ergibt z.B. der Gesamtüberhang von ca.10 cm (je 5 cm vor -und zurück) bei 20 cm Durchmesser einen halben Strich. Um eine möglichst schnelle Vertiefung zu erreichen arbeitet ich beim Grobschliff überwiegend mit halben Strichen und viel seitlichem Überhang. Alle viertel Stunde wurde das Schleifmittel erneuert. Nach 7 Stunden lag der Krümmungsmittelpunkt ( : 2 = Brennweite) bei 3,6 m. Ich strebte eine Brennweite von ca. 1.6 m an. Da beim Feinschliff die Krümmung noch ein wenig weiter herausgearbeitet wird, war es an der Zeit aufzuhören und mit dem Feinschliff fortzufahren. 

Zwischenzeitlich hatte ich bei mir eine ziemlich zwiespältige Einstellung zum Spiegelschleifen entdeckt. Während der monotonen Schleifarbeit wünschte ich schon lange fertig zu sein und kam schnell zu der Erkenntnis, dass hier nicht der Weg das Ziel ist. Kaum hatte ich zwei Tage nicht geschliffen, zog es mich irgendwie magisch zu den Glasblöcken hin. Es entwickelte sich wohl so eine Art Sucht, wie sie auch schon Martin Trittelwitz in seinem Artikel " Der Glaswurm", im leider eingestellten Interstellarum beschrieb. Ich gewöhnte mir an ca. ½ bis 1 Stunde fast täglich nach Feierabend zu schleifen. Dies war ein einigermaßen verträglicher Zeitrahmen und ich konnte dann beim Glasschieben vom Berufsstress entspannen. 

Feinschliff:
Mit dem Feinschliff trägt man dann die von der jeweiligen Korngröße hinterlassenen Löcher ab und bereitet die Glasoberfläche schließlich mit immer feinerem Schleifmittel zum Polieren vor. Beim Feinschliff werden nur noch Drittel und Viertelstriche, Mitte über Mitte gefahren. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Spiegel eine sphärische Form erhält, welche Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Politur ist. Mein Schleifsatz stammte ursprünglich von der VdS-Materialzentrale, die Schleifmittelabstufungen für den nachfolgenden Feinschliff waren daher mit K 120, K 150, K 220, K 320, K 400, K 500, K 600, K 800 und K 1000 festgelegt. Ich schliff je Körnung zwischen dreieinhalb und vier Stunden. Bei nachträglicher Betrachtung kann man sagen, dass ich "leicht" übertrieben habe. Eine Schleifzeit von jeweils zwei Stunden hätte wohl ausgereicht. 

In allen Stadien des Feinschliffes habe ich den Spiegel regelmäßig mittels des sogenannten "Bleistifttestes" auf seine sphärische Form überprüft. Hierzu wird durch ein Bleistift oder wasserfesten Filzstiftes ein Kreuz auf die Schleifschale gezeichnet. Anschließend wird Schleifmittel zugegeben und vorsichtig mit ein paar kurzen Strichen weitergeschliffen. Nachdem man den Spiegel von der Schleifschale abgezogen hat, kann man die Oberflächenform ausreichend genau beurteilen. Sind z.B. auf der Schleifschale die Linien im Randbereich noch deutlich zu sehen, während sie in der Mitte schon weggeschliffen sind, so besteht in der Randzone kein Kontakt. Man muss dann mit längeren Strichen die Mitte vorsichtig vertiefen. Analog sind bei mangelhaftem Kontakt in der Mitte kurze Striche anzuwenden. Mit dieser Methode lässt sich die Spiegeloberfläche absolut problemlos kontrollieren.. Es war nicht immer ganz einfach, gerade bei den sehr feinen Schleifmitteln die richtige Dosierung zu finden und gelegentlich saugte der Spiegel sich beinahe an der Schleifschale fest, was beim Feinschliff wohl die größte Gefahrenquelle darstellt. Ein paar Tropfen Glyzerin als Zugabe verringerten dann das Risiko. Im großen Ganzen gab es wenig Probleme Nach insgesamt 33 Stunden beschloss ich dann fertig zu sein. Der Spiegel war im flachen Winkel schon hochreflektiv, Kratzer waren nicht erkennbar. Die Brennweite hatte sich kaum verändert und lag bei 180 cm. 

Politur:
Bevor ich mit dem Polieren anfangen konnte war noch eine Hürde zu überspringen: Die Herstellung der Pechhaut. Sie dient als Trägeroberfläche der mikroskopisch kleinen, im Schnitt 1.6 Mü großen Ceroxydpartikel. Für viele Spiegelschleifer ist die Anfertigung einer funktionierenden Pechhaut eine harte Geduldsprobe. Ich sollte hier auch noch meine Erfahrungen machen..... Bei dem VdS-Pech handelt es sich um ein gelbes wachsartiges Material, welches sich bei 20 Grad Raumtemperatur selbst mit dem Fingernagel nicht eindrücken ließ. Dafür hat es nichts mit dem gemeinsam, was man sich gewöhnlich unter Pech vorstellt: Eine klebrige, unangenehm riechende schwarze Masse. Es gibt viele Möglichkeiten eine Pechhaut herzustellen und ich durfte ein paar kennenlernen. 

Der erste Versuch: Nachdem ich das Pech erwärmt hatte, goss ich es auf die Schleifschale und legte den vorher mit Glyzerin und Seifenwasser benetzten Spiegel auf das zwischenzeitlich etwas härter gewordene Pech. Nachdem der Spiegel wieder abgezogen war, wollte ich mit einer Säge Rillen in die Pechhaut zu sägen. Einen Augenblick später waren die Zähne des Sägeblattes durch die entstehende Reibungswärme mit Pech vollgeschmiert und fraßen sich fest. Ich musste die Säge mit relativ großer Anstrengung wieder aus dem Pech herausrupfen und konnte das Sägeblatt anschließend wegwerfen. Dann probierte ich mit einem Schraubenzieher Rillen in das Pech zu kratzen. Das war auch keine gute Idee, viele kleine und einige große Pechstücke platzten von der Schleifschale ab und flogen quer durch den Bastelraum. Als nächstes war die Methode von John Dobson dran: Eine mit Seifenwasser getränkte Vierkantleiste wird so oft in das Pech gepresst bis das gewünschte Muster aus Längst und Querrillen entstanden ist. Mit dem Pech von der Materialzentrale war das offensichtlich problematisch: War es eine Spur zu flüssig, presste ich die Rillen mit dem Spiegel sofort wieder weg. War es zu hart, so ließen sich die durch das Eindrücken der Rillen entstandenen Wülste nicht mehr wegpressen, d.h. der Spiegel hatte nur zu ca. 10% der Pechhaut Kontakt. Es gab nur diese beiden Zustände: zu weich oder zu hart. Daran änderte sich auch nichts, als ich das Pech durch die Zugabe von Bienenwachs etwas weicher machte. 

Beim Blättern im S.u.W.-Buch Spiegeloptik von Kurt Wenske fiel mir dann ein kurzer Vermerk auf, wie der Optiker Bernhard Schmidt seine Pechhäute herstellte. Er hatte einfach Pech streifenförmig auf die Schleifschale gegossen. Und was der große Meister vorgemacht hat, kann eigentlich nicht verkehrt sein. Um eine streifenförmige Pechhaut herzustellen zerriss ich 19 mm starkes Tesa Gewebeband möglichst mittig und klebte insgesamt 5 Streifen davon mit ein paar cm Überhang auf die Schleifschale. Wobei der zentrale Streifen etwas außerhalb der Mitte lagt, um der Entstehung von Zonenfehlern vorzubeugen. Anschließend habe ich das Pech auf die Schleifschale gegossen, kurz gewartet bis es etwas härter war und dann die Tesastreifen vorsichtig abgezogen. Der Spiegel wurde aufgesetzt und so lange gepresst bis überall Kontakt war. Diese Methode war wirklich einfach, sehr sauber, und es gelang auf Anhieb. 

Endlich konnte ich mit dem Polieren beginnen. Als Poliermittel verwendete ich das bereits erwähnte Ceroxyd. Es ist wesentlich effektiver als das klassische Polierrot. Ich mischte eine Lösung (ca. 4 Teile Wasser, 1Teil Ceroxyd) in einem Marmeladenglas an. Mit einem weichen Pinsel wurde das Konglomerat dann auf die Pechhaut aufgetragen. Vorsichtig setzte ich den Spiegel auf und ließ in erst einmal eine Minute ruhen. Ich begann mit langsamen Drittelstrichen, je eine Sekunde hin und zurück, dass Ganze nur mit leichtem Druck. Bei den Polierbewegungen ruckelte der Spiegel recht stark auf der Pechhaut. Das soll in den ersten Minuten aber vollkommen normal sein, da sich der richtige Kontakt erst noch einstellen muss. Nach einer halben Stunde war es immer noch nicht viel besser, damit muss man wohl leben..... Die Spiegeloberfläche zeigte überall gleichmäßig beginnenden Glanz, ein gutes Zeichen. 

Nur die Außenkante war in einem Bereich von ca. 5 mm besonders stark anpoliert, noch dachte ich mir nichts dabei....... Eine Stunde später dann der erste Focaulttest..... Dieser geniale Test des gleichnamigen französischen Physikers ist in der Lage selbst geringste Oberflächenfehler, die weit unterhalb der Wellenlänge des sichtbaren Lichts liegen, darzustellen. Eine punkt oder schlitzförmige Lichtquelle wird in den Krümmungsmittelpunkt der Optik gebracht. Der Beobachter befindet sich knapp links oder rechts dieser Lichtquelle. Die Reflexion vom Spiegel muss man nun beobachten. Der Spiegel erscheint dann gleichmäßig hell ausgeleuchtet. Wenn man nun eine Messerschneide in den Krümmungsmittelpunkt einführt, kann man bei einem perfekten Kugelspiegel beobachten wie er sich gleichmäßig verdunkelt. Bei einer bestimmten Schneidenstellung sieht er dann überall leicht grau aus. Weist der Spiegel jedoch irgendwelche Fehler auf, so werden die reflektierten Strahlen entweder von Messerschneide ausgeblendet oder komplett durchgelassen. Der beobachtbare Effekt ist eine reliefartige, um ca. Faktor 100000 überhöhte Darstellung der Spiegeloberfläche mit seinen Fehlern, die als Berge und Täler oder sonstige Unregelmäßigkeiten erkennbar sind. 

Ich hatte mir im Vorwege einen Foucaulttester, basierend auf einen Kreuzschlitten selbst gebaut und schon ein wenig an meinem großen Spiegel geübt. Der nun folgende Anblick des anpolierten Spiegels zeigte einen Zentralberg mit kleinem Loch in der Mitte und eine stark abgesunkene Kante von ca. 5 mm Breite. Die Ursache für die abgesunkene Kante lag darin, dass ich nach dem Gießen der Pechhaut zu schnell mit dem Polieren begonnen hatte. Ein Rettungsversuch mit ganz kurzen Strichen brachte keinerlei positive Veränderungen. Im Gegenteil, der Spiegel sah aus wie eine Schützenscheibe. Es gab nur eine Möglichkeit: Tief durchatmen, Pech abkratzen und zurück zum Feinschliff, beginnend mit Karbo 600. 

Viele Stunden später dann der zweite Versuch. Über das Internet hatte ich den Tipp bekommen es einmal mit dem optischen Schwarzpech der Firma Piering zu probieren. Es handelt sich hierbei um eine fürchterliche, asphaltartige, nach Schweröl stinkende Masse, mit der auch Zeiss seine Optiken poliert. Nachdem ich im zweiten Anlauf eine Pechhaut gegossen hatte, verlief der weitere Poliervorgang nach einer kurzen Phase der Anpassung fast perfekt. Der Spiegel glitt wie auf Samt, so wie es Hans Rohr in seinem Buch beschrieben hatte. In der erste Begutachtung der Oberfläche war der Spiegel überall anpoliert . Der Focaulttest zeigte eine glatte Oberfläche mit einem leichten Zentralberg. Jetzt kam es darauf an den Spiegel auszupolieren und gleichzeitig eine perfekte Sphäre zu erreichen. Das bedeutete stundenlanges arbeiten mit Drittel und Viertelstrichen, immer leicht variierend, manchmal w-förmig, um die Entstehung von Zonenfehlern zu verhindern. Alle 60 Minuten erfolgte der Focaulttest, die Veränderungen waren aber gering. 

Nach ca. 20 Stunden schien der Spiegel äußerlich total auspoliert. Bei Begutachtung mit einem Mikroskop fielen allerdings in der Randzone kleine Löcher, auch Pits genannt, auf. Ich benötigte noch einmal 20 Stunden um die Pitzahl auf ein erträgliches Maß zu senken. 

Jetzt galt es die Sphäre zu erreichen. Mit etwas längeren Strichen wurde der Zentralberg abgetragen. Im Focaulttest zeigte sich nun im mittleren Bereich ein Graben. Daraufhin veränderte ich die Pechhaut etwas, in dem ich sie mit dem Daumen an vier Stellen in der entsprechenden Zone einfach eindrückte. Innerhalb einer Stunde war dieser Fehler auspoliert und die nachfolgende Prüfung zeigte eine perfekte Sphäre. Ich konnte es kaum glauben, aber auf einmal hatte ich ein großes Teilziel erreicht. 

Parabolisieren:
Um eine vernünftige Abbildung zu erhalten ist es aber notwendig den Spiegel zu Parabolisieren. Aus dem Unendlichen einfallende Lichtbündel vereinigen sich bei dem Kugelspiegel leider nicht in einen Brennpunkt. Das Ganze wird auch als sphärische Aberration bezeichnet. Damit alle Strahlen in einem Brennpunkt zusammentreffen, muss der zentrale Bereich des Spiegels vertieft werden und somit eine stärkere Krümmung als der Rand erhalten. Beim Focaulttest, der aus dem Krümmungsmittelpunkt heraus durchgeführt wird, zeigt die Parabel eine Abweichung gegenüber dem sphärischen Ideal. Diese ist berechenbar und wird als Schnittweitendifferenz bezeichnet. Bei Spiegeln bis 15 cm ist es ausreichend die Gesamtschnittweite zu messen. Größere Optiken müssen in mehrere Messzonen unterteilt werden. Ich entschied mich für drei Messzonen, wobei die jeweilige Mitte dieser Zonen auf einer Holzleiste mit Nägeln gekennzeichnet wurde. 

Die Auswertung der vorgenommenen Messungen erfolgte mittels eines PC- Programms, welches anschließend sogar die allseits beliebten Lambdawerte ausspuckt. Beim Parabolisieren muss man sehr vorsichtig sein, denn wenn man über das Ziel hinausschießt, erhält man eine Hyperbel, die nur sehr aufwendig zu retuschieren ist Man poliert ca. 5 Minuten mit sehr langen Strichen und viel seitlichem Überhang, anschließend 3 Minuten unregelmäßige, kurze Striche, um die Bildung von Zonenfehlern zu verhindern, dann wieder ca. drei Minuten lange Striche. Nie viel länger als insgesamt 10 Minuten wird poliert, dazwischen erfolgt immer der Focaulttest. Die ideale Parabel zeigt im Focaultbild am Rand einen Wulst, die Amerikaner sagen auch Donut dazu. Eine wirkliche Parabelform ist nicht erkennbar, da wir ja den Unterschied zu einem Kugelspiegel sehen, welcher im Focaulttest nur als plane Fläche sichtbar ist. Nach dem ersten Durchgang zeigte sich immer noch eine Sphäre. 10 Polierminuten später war bereits ein leichter Parabelwulst erkennbar. 

Die Messungen konnten jetzt beginnen. Der Focaultester war zwischenzeitlich mit einer Messuhr versehen worden. Jeder Teil des Spiegels hat durch die Parabolisierung einen geringfügig anderen Krümmungsradius. Die Messung erfolgt aus der Mitte. Durch vor oder zurückbewegen der Messerschneide wird das Zentrum des Spiegels so eingestellt, dass es gleichmäßig verdunkelt. Dann verändert man die Stellung der Messerschneide durch vorsichtiges zurückschieben und kann beobachten wie der Helldunkelübergang des jeweiligen Spiegelbereiches sich immer mehr nach Außen verschiebt. Wenn dieser Helldunkelübergang sich im Bereich des ersten Nagels befindet, wird die Differenz zum Zentrum an der Messuhr abgelesen. Vom ersten Nagel geht's dann zum zweiten usw. Die absoluten Zahlenwerte sind unerheblich, wichtig ist nur die Messung der Differenz von Zone zu Zone. Es empfiehlt sich die Grundeinstellung der Messuhr jedesmal ein wenig zu verändern, um so einer Gewöhnung und Schönmesserei durch ähnliche Zahlenwerte zuvorzukommen. Die ersten Messungen des schwachen Parabelansatzes ergab nach der Auswertung einen durchschnittlichen Wellenfrontfehler von Lambda ¼ Peak to Valley. 

Einen weiteren Durchgang später zeigte der Focaulttest eine Parabel wie aus dem Lehrbuch. Nach 10 Messungen spukte der PC einen durchschnittlichen Wellenfrontfehler von Lambda 1/18 aus, wobei der schlechteste Wert bei Lambda 1/15 lag. Damit war der Spiegel im Prinzip fertig, was mich nur ungläubig staunen ließ. Für die Parabolisierung habe ich dreißig Minuten benötigt, dass war mit Sicherheit Anfängerglück. Alle Rückschläge und überflüssige Arbeiten mit eingerechnet dauerte die komplette Herstellung des Spiegels ca. 120 Stunden. Zum Schluss lag die Brennweite bei 1760 mm. Das Messen der Zonen empfand ich als sehr schwer und hatte bei den Ergebnissen immer ein Gefühl der Unsicherheit. Lambda 1/18 war nur eine Zahl auf dem Papier, beim Focaulttest gibt es genug Dinge die man falsch machen kann, wie z.B. eine leicht fehlerhafte Aufstellung der Messapperatur. Endgültige Aussagen über die Qualität der Optik kann daher nur ein Test am Stern zeigen. 

Das Teleskop:
Während der Spiegel in der Bergedorfer Sternwarte auf seine Bedampfung wartete, baute ich in der Zwischenzeit den dazugehörigen Rest. Das Teleskop sollte ein kompromissloser Planetendobson mit einem 30 mm großen Fangspiegel und Volltubus mit aufsteckbarer Taukappe werden. Nachdem ich den belegten Spiegel zurückerhalten hatte, war dann auch bald "First Light". 

Hier zeigte der Spiegel nach dem Auskühlen, dass sich der ganze Aufwand gelohnt hatte. Die Sternabbildung war bei hoher Vergrößerung absolut perfekt, die intra und extrafokalen Abbildungen - identisch. Noch am selben Abend konnte ein Doppelstern mit 0.6´´Abstand ohne Probleme getrennt werden. Selbst bei 500-facher Vergrößerung war die Abbildung noch hervorragend Auf Jupiter waren bei gutem Seeing unzählige Einzelheiten sichtbar. Ganymed zeigte Helldunkelstrukturen. Auf Saturn habe ich schon häufiger die Encketeilung beobachten können.

Das Teleskop ist auch für Deep Sky Objekte als "Vorortgucker" bestens geeignet. Im direkten Vergleich mit Astrokumpel Eckarts C 8, welches zu den besseren seiner Art gehört, hatte man das Gefühl durch ein größeres Teleskop zu beobachten. Beim C8 schlucken die Blendesysteme wohl doch recht viel Licht und der Kontrast ist auch deutlich schlechter. Roland, aus unserem Bergedorfer Beobachterkreis, hatte zur selben Zeit einen 20 cm F/7 Spiegel geschliffen. Bei gemeinsamen Vergleichsbeobachtungen konnten wir zwischen den Teleskopen keinen nennenswerten Unterschied feststellen.

Zum Selbstschliff eines Spiegels ist nur eine gewisse Portion Geduld und etwas Leidensfähigkeit beim Verdauen von Rückschlägen erforderlich. Alles Andere ist für jeden lernbar. Mit einer selber hergestellten Optik bringt praktische Astronomie noch viel mehr Spaß. Für mich steht fest, dies war nicht mein letzter Spiegel, zukünftige Projekte sind schon in der Planung. Zum Schluss noch ein großes Dankeschön an Martin Trittelvitz und Wolf-Peter Hartman für ihre Unterstützung.

 

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