Ein 155 mm Reisedobson - vom Rohling zum fertigen Teleskop

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Artikel aus Magellan 2/2001 von Rüdiger Heins

Irgendwie hat er mich ungemein fasziniert, Walter Kutscheras 150 mm f/3,8 Kompaktdobson. Einfach rausstellen und losbeobachten - genial! Und dann erst der Anblick im 30 mm Leitzokular, das zog einem die Schuhe aus. Als glücklicher Besitzer einer solchen Sehhilfe konnte ich Walters Teleskop einfach nicht mehr aus dem Kopf kriegen. Bald stand fest: So einen Weitfeldgucker muss ich auch haben. 

Für ein derartiges Gerät kommt eigentlich nur der Selbstbau in Frage. Aber wie und woher die Optik? Ein Jahr zuvor hatte ich erfolgreich einen langbrennweitigen 200 mm Spiegel geschliffen, seitdem bin ich chronisch glassüchtig. Es kam daher auf alle Fälle wieder der Selbstschliff infrage, nur diesmal ein etwas kleinerer und viel kurzbrennweitiger Spiegel. Nach einigen Vorbereitungen, u. a. versuchte ich meiner Frau die Notwendigkeit eines weiteren, dritten, Teleskops beizubringen. Meine Überzeugungsfähigkeit erreichte hier allerdings deutlich ihre Grenzen. Aber verständnisvoll gab sie ihren Segen dazu.

Der Rohling wurde über die VdS-Materialzentrale bezogen. Die Duranscheibe war leicht konisch, daher der "krumme" Wert von 155 mm. Man will ja um jeden Millimeter Öffnung kämpfen. Auf den Schleif- und Poliervorgang möchte ich nicht bis ins letzte Detail eingehen. Aber es sollte einiges anders gemacht werden als beim ersten Spiegel. Die Schleifmittelabstufungen wurden gröber gewählt: Der Grobschliff sollte mit Karbo 80 erfolgen, dann anschließend der Feinschliff mit K 260, K 360, K 500 und zum Schluß Aluminiumoxyd Microgrit WCA, Korngröße 9 My - das war's! Als Schleifschale diente diesmal keine Glasplatte, sondern eine Gipsform auf die unglasierte Badezimmerfliesen mit Zweikomponentenkleber aufgeklebt wurden. Diese kleinen quadratischen Dinger gibt es nur im Fliesenfachhandel. Als Dauerangebot kosten sie z.B. bei Fliesen-Harry in Hamburg 20,- DM pro m2. 

Der Spiegelschliff:
Der nun folgende Grobschliff wurde dann ganz "normal" durchgeführt: Lange Striche mit viel seitlichem Überhang, um eine schnelle Vertiefung der Mitte zu erreichen. Nach sechseinhalb Stunden hatte ich eine Brennweite von ca. 700 mm erreicht. Anschließend noch eine Stunde Drittelstriche ohne Überhang, damit halbwegs eine Sphäre erzielt wird - so war jedenfalls meine Vorstellung. Mit K 260 und Drittelstrichen ging es danach weiter. Kurze Zeit später die erste Überprüfung auf die sphärische Form - uaahh! Der Duranrohling hatte sich in eine satte, gemeine Hyperbel verwandelt; Kontakt zwischen den Flächen bestand nur in einer ringförmigen Zone. Ich beschloss trotzdem mit K 260 und nun kurzen Strichen weiterzumachen. So es dauerte fünf weitere Stunden bis der Spiegel endlich sphärisch war. Wäre ich zum Grobschliff zurückgekehrt hätte ich für die Korrektur wahrscheinlich nur eine weitere Stunde benötigt, aber hinterher ist man immer schlauer.

Der weitere Fortgang des Feinschliffes verlief dann ohne "Stress". Jeweils eine Stunde benötigte ich, um die Löcher der vorangegangenen Körnung auszuschleifen. Hierbei erwies sich das Microgrit WCA als besonders wirksam. In jedem Stadium des Feinschliffes achtete ich ganz genau auf die Einhaltung der sphärische Form, denn sie ist die absolute Voraussetzung für eine erfolgreiche Politur. Ich hatte das Gefühl, dass es sich auf Fliesen etwas effizienter als auf Glas schliff. Das mag daran liegen, dass es zu keiner Blasenbildung kommt und daher der Wirkungsgrad größer sein könnte. Auch bestand dadurch niemals die Gefahr, dass sich der Spiegel festsaugen würde. Sehr exakt und wohl auch ein bisschen zufällig wurde dann das Öffnungsverhältnis von f/4 erreicht. Die Spiegeloberfläche war komplett ausgeschliffen und im flachen Winkel schon hochreflektiv.

Zum Polieren verwendete ich das optische Schwarzpech der Firma Piering, Härte 28, ein "Geheimtipp" aus dem Internet. Im Vorwege hatte ich während des Feinschliffes schon einen Gipsabdruck der Krümmung hergestellt, auf diesen wurde nun die streifenförmige Pechhaut aufgebracht. Ich persönlich finde diese Art der Pechhautherstellung am einfachsten, aber jeder hat da so seine Vorlieben. Nach den ersten 20 Polierminuten stand fest: alles "passte". Die Pechhaut arbeitete optimal und der Spiegel war überall gleichmäßig anpoliert. Während des weiteren Arbeitsfortschrittes traten so nach und nach die "üblichen alten Bekannten" auf: ein Zentralberg und ein "netter" Zonenfehler... Die Veränderungen an der Pechhaut erfolgten mittels Daumendruck in der betroffenen Zone und verfehlten ihren Erfolg nicht. Als zur Faulheit neigender Mensch war ich natürlich begeistert, dass sich der Spiegel mit so simplen Methoden korrigieren ließ. Innerhalb von zehn Stunden war das Glasstück komplett auspoliert und auch fehlerfrei sphärisch, jedenfalls soweit ich das im Foucaulttest beurteilen konnte.

Jetzt stand mit dem Parabolisieren die größte Hürde bevor. Während man, z.B. bei f/8-Optiken, sehr große und auch fehlerverzeihende Toleranzen hat, ist dies bei f/4 nicht der Fall, hier müssen die Schnittweitenmessungen auf ca. 0,1 mm stimmen. Allgemein sagt man, dass bei dieser Lichtstärke die beugungsbegrenzte Messgenauigkeit des Foucaulttestes erreicht wird. D.h., eine Wellenfrontstörung von Lambda 1/4 ist noch so einigermaßen sicher meßbar, alles andere kann man vergessen. Wenn man diese Genauigkeit bei einem so lichtstarken System tatsächlich erreicht, ist das absolut in Ordnung. Auch spielt der seitliche Versatz von Lichtquelle und Messerschneide bei kleinen Öffnungszahlen eine nicht unwesentliche Rolle. Mein selbstgebauter Foucaulttester ließ nur einen Minimalabstand von 15 mm zu, eigentlich zu viel, aber das wurde von mir einfach ignoriert. Der Umbau wäre zu aufwendig gewesen.

Bei f/4 ist die Schnittweitendifferenz natürlich recht groß, so dass man beim Parabolisieren grundsätzlich auch mehr Zeit braucht, um die notwendige Vertiefung herauszuarbeiten. Nach den ersten 30 Minuten machte sich ein kleines Loch in der Mitte bemerkbar. Die Spiegeloberfläche sah dazu recht rau aus. 30 Minuten später war alles noch viel schlimmer. In der Mitte jede Menge sogenannter "Hundekuchenoberfläche", dazu im Randbereich ein Wulst. Das Ganze sah wirklich aus wie ein Napf Frolic von oben. Dabei war ich wirklich vorsichtig gewesen: lange Striche, ohne Druck, gemischt mit unregelmäßigen Strichen, so wie man es eigentlich machen soll. Mit der gleichen Strichführung polierte ich wieder 30 Minuten weiter. Beim nächsten Foucaulttest war dann die Hundekuchenoberfläche wie von Zauberhand verschwunden. Manchmal sind die Vorgänge zwischen Pechhaut und Glasoberfläche recht "geheimnisvoll" und lassen sich nicht immer gleich erklären. So etwas wie ein leichter Parabelansatz war jetzt erkennbar. Eine erste kleine Messreihe ergab einen durchschnittlichen Wellenfrontfehler von Lambda 1, also noch jenseits von gut und böse. Zum Auswerten der Zonenmessungen benutzte ich das Programm Parabel von Martin Trittelvitz. Als nächstes steigerte ich die Polierzeit auf 45 Minuten am Stück. Die Parabel zeigte sich danach schon ausgeprägter, eine Testauswertung ergab Lambda 1/2. Von jetzt an tastete ich mich mit jeweils zehnminütigen Poliereinheiten an das erhoffte Optimum heran.

Die graphische Auswertung der Wellenfrontstörung zeigte in etwa auf, an welcher Stelle des Spiegels der größte Fehler lag und ich konnte tatsächlich durch veränderte Strichführung eine ständige Verbesserung erzielen. Bald war es dann soweit: Die PC-Auswertung zeigte bei einer Mittelung aus sechs Messungen plötzlich Lambda 1/10 an. Dieses Messergebnis war eigentlich unsinnig und daher sehr mit Vorsicht zu genießen . Bei Überprüfung der Einzelmessungen kam aber heraus, dass die meisten Werte innerhalb der Beugungsgrenze lagen. Zwei der Messungen zeigten jeweils eine Über- bzw. Unterkorrektur von Lambda 1/3. So eine Streuung ist wirklich vertretbar, daher war es an der Zeit aufzuhören. Die Angabe der Messergebnisse in Lambda im Rahmen des Foucaulttestes beim Zonenausmessen kann man durchaus kritisch betrachten. Eine wirklich sichere Angabe dieser quasi Maßeinheit kann nur eine interferometrische Auswertung bringen. Ich verwende sie aber trotzdem, weil sie so beliebt ist und jeder danach lechzt (ich auch). Es ist immer wieder überraschend, wie dann plötzlich der Spiegel fertig zu sein scheint und man es überhaupt nicht glauben mag. Insgesamt ging das Ausmessen der Schnittweitendifferenzen besser als erwartet. Die Schattenübergänge waren sehr deutlich erkennbar, besser als bei f/8. Dafür verursachte eine minimale Vor- oder Zurückbewegung der Messerschneide eine sehr starke Veränderung des Messergebnisses, man hat fast keine Toleranzen. Als wirklich schwer empfand ich es, einen Bezugspunkt im Bereich der Spiegelmitte zu finden, von wo aus die Messung ihren Anfang nahm. Jedenfalls wurde der Spiegel verpackt und zum Bedampfen geschickt.

Der Teleskopbau:
Dann ging es an den Bau des Teleskopes. Es sollte kein filigraner Leichtbau werden, der nur den Einsatz von 11/4"-Okularen ermöglicht. Gerd Neumann besorgte den sehr guten Hartpapiertubus (ein bisschen Schleichwerbung muss sein). Der recht schwere, aber mechanisch ausgezeichnete Okularauszug wurde von der VdS-Materialzentrale geliefert. Den 50 mm Fangspiegel und die dazugehörige Zelle hatte ich noch irgendwo rumliegen. Als Höhenräder verwendete ich aus Bequemlichkeitsgründen fertige Nylonscheiben aus dem industriellen Rollenfachhandel. Die Lauffläche belegte ich mit Aluzierblech, die typisch norddeutsche Dobsonvariante. Noch ein paar Stunden sägen, bohren, feilen und lackieren, dann war alles fertig. Der Spiegel wurde mit drei "Silikonbobbel" einfach auf die Fassung geklebt und an den Seiten vorsichtshalber mit Tape fixiert.

Nach Zusammenbau und Justierung verhinderte erst einmal eine Schlechtwetterphase das "First Light". Es musste noch eine Kleinigkeit verbessert werden: Bei zenitnahen Beobachtungen würde das Teleskop bei Verwendung von Telradsucher und schweren 2"-Okularen nach hinten wegkippen. Durch einen Federzugmechanismus, der das Drehmoment kompensiert, konnte diese Eigenart beseitigt werden. Aber dann, eines Tages wurde es doch mal wieder klar. Der kleine Dobson thronte auf einem recht stabilen Fotostativ und der erste Durchblick führte schon mal zu einem kleinen Aufatmen meinerseits. Die Fokuslage stimmte perfekt, ich hatte mich nicht vermessen. Die Abbildung im 30 mm Leitz war schön scharf und brillant. Da konnte man dann gern über die Bildfehler am Rand hinwegsehen. Als nächstes war der "berühmte" Startest an der Reihe. Dieser auf allen Teleskoptreffen sehr beliebte Zeitvertreib (Okularauszug rein und raus und wieder rein und...) ist gnadenlos, nahezu jeder, auch noch so geringe Spiegelfehler ist bei entsprechendem Seeing zu erkennen. Und was mein Auge dann bei 180facher Vergrößerung im 3,5er LVW-Okular sah, war sehr erfreulich. Die intra- und extrafokalen Scheibchen sahen sehr ähnlich aus. Nur in unmittelbarer Fokusnähe zeigte sich intrafokal ein leicht vergrößerter Fangspiegelschatten, als Merkmal einer minimalen Unterkorrektur in der Spiegelmitte. Ein Vergleich mit den Bewertungsmustern aus "Star Testing Astronomical Telescopes" zeigte auf, dass die Optik auf alle Fälle etwas besser als Lambda 1/4 sein müßte. Auch Jupiter und Saturn wurde scharf und kontrastreich mit vielen Details abgebildet. Die Vergrößerung ließ sich ohne nennenswerten Kontrastverlust mit Hilfe einer Barlowlinse auf 300fach steigern.

Für so einen kurzen Kübel ist das wirklich ein schönes Ergebnis. Ich kann nur empfehlen, es einmal mit der Herstellung eines Parabolspiegels zu versuchen. Das Ganze ist wirklich keine "Geheimwissenschaft" und von jedem zu erreichen, wenn man sich beim ersten Spiegel auf ein Öffnungsverhältnis von f/7-8 beschränkt. Nach knapp einem Jahr Nutzung kann ich feststellen, dass der "Kleine" zum meistbenutzten Teleskop geworden ist. D.h. nicht, dass mein großer Dobson in der Besenkammer versauern würde. Aber bei jeder Urlaubsreise und den Wochenendtrips ist das kompakte Gerät mit dabei, dadurch kommt es automatisch zu einer besseren Nutzung. Mir persönlich bringt die Beobachtung mit so einem kleinen Gerät, insbesondere das Durchstöbern der Milchstraße, unwahrscheinlich viel Spaß. Der alte Spruch stimmt immer noch: "Jedes Fernrohr hat seinen Himmel."

 

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