Vorbemerkung zum Jiddischen:
Die Idiotie, Mittelhochdeutsch mit hebräischen Zeichen darzustellen, ist weniger einzigartig als man glauben mag. Es war/ist sicher nicht weniger idiotisch, z.B. Japanisch mit chinesischen, Türkisch mit arabischen und Armenisch mit äthiopischen Zeichen zu schreiben. Daraus resultieren in allen Fällen erhebliche Probleme, auch bei der Transskription. Ich habe kein Jiddisch gelernt; ich verstehe es nur, weil ich mal Mittelhochdeutsch gelernt habe, kann es aber im Original weder lesen noch schreiben, wie vermutlich die meisten meiner Leser. Deshalb folge ich hier weder der alten deutschen Transskription noch der des YIVO (obwohl sowohl Simon Rechtzeit alias "Seymour Rexite" als auch seine Frau Miriam Kressyn - die den Text verfaßt hat - sie wahrscheinlich verwendet hätten, denn sie stammten aus Polen und lebten in Jew York), sondern meiner eigenen. Ich versuche, zum einen möglichst nah an der Aussprache zu bleiben, zum anderen dem deutschen Muttersprachler ein paar Eselsbrücken zu bauen, über die er die Bedeutung der Wörter leichter erkennt, u.a. durch Groß- und Kleinschreibung, obwohl es die weder im Hebräischen noch im Mittelhochdeutschen noch im Jiddischen gab oder gibt. Im einzelnen:
- den "äjin" schreibe ich "ä", nicht "a" oder "e" (S.R. singt es meist zum "a" hin; das halte ich nicht für korrekt)
- den "weys" schreibe ich "w", nicht "v", denn
- den "fey" schreibe ich am Wortanfang "v", nicht "f" oder "p" (im Mittelhochdeutschen gab es das auch nicht - Frauen, Freunde usw. schrieben sich mit "v"!)
- den weichen "sayen" schreibe ich "s", nicht "z", denn
- den "zadek" schreibe ich "z", nicht "ts" oder "c"
- den "ches" und den "chof" schreibe ich "ch", nicht "kh"
- den "jud" schreibe ich "j", nicht "y" - auch in Diphtongen, also "oj", "ej" und "aj"; letztere wandele ich nicht in "ei" oder "ai" um. [Wenn es nach mir ginge, würde bei der nächsten Rechtschreibreform aus dem "Kaiser" kein "Keiser", sondern ein "Kajser", und aus "weit", "meine" und "deine" würde "wajt", "majne" und "dajne", wie hier im Text. Und das "ie" würde ich ganz abschaffen - daher schreibe ich auch den langen "chirek jud" immer nur "i", also "si", nicht "sie" -, ebenso die Unsitte, Konsonanten doppelt zu schreiben, wenn sie garnicht doppelt gesprochen werden, sondern nur anzeigen sollen, daß der voraufgehende Vokal kurz ist; deshalb verdoppele ich sie auch hier nicht - außer beim "ss", das ja die Stimmlosigkeit des Konsonanten anzeigen soll, weshalb die jüngste diesbezügliche Rechtschreibreform schwachsinnig war; das "i" in "ojsgissn" ist natürlich lang! Abschaffen würde ich schließlich auch die irreführende optische Aufweichung der akustisch harten Endkonsonanten (wir sagen doch nicht "Abend", sondern "Abent" - oder?), die ich ebenfalls stehen lasse; ich wandele also "ovent" nicht in "ovend" um, und "wärt" nicht in "wärd"!]
- den "samech" und den "sof" schreibe ich "ss", nicht "ß" oder "s". (Eine Ausnahme mache ich nur beim Namen der Titelheldin, deren Schreibweise mit "s" sich nunmal weltweit durchgesetzt hat; eigentlich müßte ich sie "Misserlou" schreiben.)
- den "schin" schreibe ich "sch", nicht "sh" oder "š"
- das verschluckte "Schwa" in der Endsilbe ergänze ich nicht durch ein "e" oder "i"
- den "komez alef", der mir die größten Bauch-Ohren-Schmerzen bereitet, da er je nach Lautzusammenhang unterschiedlich ausgesprochen wird (meist wie ein skandinavisches "å"), schreibe ich wider besseres WissenHören immer "o", da sich alle Anderen in diesem Punkt ausnahmsweise mal einig sind. (Außerdem hilft es den bayrischen und österreichischen Muttersprachlern, die ja die legitimen Erben des Mittelhochdeutschen sind, beim Verständnis, denn sie sprechen in den meisten Fällen auch ein "o" ;-)

Simon Rechtzeit

Miserlou (Video) (Audio)

Wajt in der Midbär, in hejsser Sin* värbrent,
hob ich amol a Mäjdele dort gekänt
Miserlou hejsst si, jeder dort wejsst si gut,
'ch wel di Prinzessn mer schojn värgessn nit.

Schtil, ovent kil*,
Un' ich vil as ich wil majn Gefil*
vor ir ojsgissn, den si sol wissn jo,
'ass nor si lib ich, majn Läbn gib ich, jo.

Härz is mir schwer
Mit a Trär sog ich dir, un' ich schwer**
Midbär-Prinzessn, 'ch kän nit värgessn dir
Kim hej, majn Bänkschaft, nor di känst hejlen mir.

Miserlou majne, Mäjdle vun Orient,
Di ojgn dajne*** hobn majn Härz värbrent
Majn Härz wärt kranke, in Chulem se' ich dir
Tanz vor mir, Schlanke, drej dir geschwinde gir.

Instrumental

Midbär Prinzessn, 'ch kän nit värgessn dir
Kim hej, majn Bänkschaft, nor di* känst hejlen mir,
majn misrah Blum, Miserlou.


*Das Mittelhochdeutsche hatte kein "ü", auch wenn manche Germanisten glauben, daß das "iu" so oder ähnlich gesprochen wurde. Ich glaube eher, daß es als langes "i" gesprochen wurde, wie im Jiddischen - übrigens auch in diesem Wort selbst: das erste "i" ist nicht kurz und offen, sondern lang und geschlossen; wir müßten es also heute eigentlich "Jiedisch" schreiben! (Den heutigen Juden ist das egal - die meisten sprechen es eh nicht mehr, und die wenigen, die es noch tun, nennen es, wie eh und je, ganz anders, nämlich "Mame-Loschen" [Mutter-Sprache] ;-)
**Das Mittelhochdeutsche hatte auch kein "ö". Der Witz liegt hier natürlich darin, daß sich "schwer" und "schwör'" im Jiddischen reimen.
***Diese Wortstellung - über die sich ignorante Antisemiten so gerne lustig machen - ist gemeinsames indo-europäisches Spracherbe. Schlagerfreunde wissen ja, daß auch die Italiener "gli occhi miei" sagen und die Griechen "ta mata mou"; und auch im Nibelungenlied heißt es noch "die Augen mein". Da ich kein Sprachhistoriker bin, weiß ich nicht, wann daraus "meine Augen" geworden sind; aber das Jiddische hat diese alte Sprachstufe bewahrt.

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