DIE  BINATIONALE  EHE :

Scheinehe - Schutzehe - Zweckehe?

von Clara Kücük (D.A.S.H., 16.09.2006)

All diese Begriffe hat sicher schon jede und jeder einmal gehört, eine Einordnung fällt jedoch meist schwer. Scheinehe ist der offizielle Begriff, vielfach zu Recht abgelehnt. Schutzehe ist ein Begriff, der das Eingehen einer Ehe, um jemandem einen Aufenthalt zu verschaffen, aus positiver Sicht aufwertet. Allerdings muss hier beachtet werden, dass solche Ehen nicht immer nur zum Schutz eines Menschen geschlossen werden.

Ein Heiratsmarkt existiert, bei dem die Preise horrend sind und bei dem deutsche Partner das Machtgefälle zwischen ihnen und ihren ausländischen Partnern ausnutzen können. Aber auch ausländische Partner können durchaus auf Deutsche Druck unter Ausnutzung eines schlechten Gewissens ausüben, um diese von einer Heirat zu überzeugen. Der Begriff der Zweckehe schließt alle diese Möglichkeiten ein und beschreibt lediglich, dass mit der Ehe ein bestimmter Zweck verbunden wird, sei dieser nun positiv oder negativ bewertet.

Die Bewertung von Ehen nach moralischen Kriterien kann als historisch neu betrachtet werten. In früheren Zeiten war der »Zweck« der Ehe auch in Europa meist nicht darin zu suchen, dass zwei Menschen sich liebten, sondern wichtige Kriterien waren z.B. das Vermögen oder das gesellschaftliche Ansehen des Partners. So waren auch viele Ehen arrangierte Ehen - hier von Liebe zu sprechen, erscheint nicht angebracht.

Die Ehe, die ja ein Vertrag ist, der zwischen zwei Partnern eingegangen wird, kann aus vielerlei Gründen eingegangen werden. Als mögliche Gründe, die nicht im moralischen Bereich liegen, können neben anderen folgende angesehen werden: Verringerung der Steuerzahlung durch gemeinsame steuerliche Veranlagung, wirtschaftliche Absicherung, aber auch die Absicherung des ansonsten unsicheren Aufenthaltes eines Menschen in Deutschland kann als Motiv angesehen werden.

Scheinehe ist insofern ein irreführender Begriff, weil eine Ehe nicht zum Schein eingegangen werden kann, sondern nur tatsächlich. Der Vertrag zwischen den Partnern kommt auf jeden Fall zustande - mit dem Begriff Scheinehe könnte allenfalls ein ungültiger Vertrag beschrieben werden.

Die momentan negative öffentliche Bewertung des Eingehens von Schutz- bzw. Zweckehen, um MigrantInnen einen legalen Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen, ist augenfällig. Das Thema ist seit Jahren ein Dauerbrenner. Binationale Partnerschaften stehen dadurch unter dem Generalverdacht der »Scheinehe«, was sehr belastend sein kann.

Eine Frage der Perspektive

Deutsche, die im Ausland Schutzehen eingingen, um der Verfolgung des Naziregimes zu entgehen, wurde allerdings kein Vorwurf gemacht, im Gegenteil wird diese Form der Hilfeleistung bis heute positiv bewertet.

Parallelen existieren zur Debatte um die Begriffe »Schleusung« versus »Fluchthilfe« – beiden gemeinsam ist die moralisch völlig unterschiedliche Bewertung derselben Handlung, je nach eigener Perspektive.

Auch die Eheschließung mit Angehörigen westlicher Staaten, sei es nun eine »richtige« oder eine Schutzehe , z.B. zum Zwecke der Ausreise aus der DDR, hat keinerlei negative Bewertung erfahren, sondern wurde im Gegenteil – aus der Perspektive der DDR-BürgerInnen – als Schritt in die Freiheit verstanden.

Die Ehe eines/einer Deutschen mit einer/einem Nichtdeutschen zum Zweck der Erlangung des Aufenthaltstitels des deutschen Partners wird hingegen in der gegenwärtigen öffentlichen Debatte aus dem Blickwinkel der Staatsräson betrachtet – das Gemeinwesen als homogenes, in welches »Fremde« mit unlauteren Mitteln unberechtigt eindringen wollen. Die Perspektive derjenigen, die in diesem Land bleiben wollen, wird dabei meist völlig außer Acht gelassen. Hinzu kommen Stereotype, die viel mit der deutschen Vergangenheit zu tun haben. Dem deutschen Partner - hauptsächlich Frauen - wird »Rassenschande« vorgeworfen, »Ausländerhure« ist kein seltenes Schimpfwort - eine Mentalität, die davon ausgeht, dass diejenigen, die durch Geburt geadelt sind, weil sie Deutsche sind, die eigene Rasse schützen müssen, um diese nicht zu verunreinigen. Leider sind derartige Beschimpfungen in den letzten Jahren (zumindest in Ostdeutschland) trotz der ständig steigenden Zahl binationaler Ehen nicht seltener geworden.

Binationale Partnerschaften unter Generalverdacht

Wie gesagt, geraten binationale Partnerschaften häufig unter Generalverdacht, es könne sich nicht um eine »wirkliche« Liebe handeln. Dieser Verdacht wird sowohl im persönlichen Umfeld als auch von Behörden geäußert. Kriterien, die dazu führen, dass eine Verbindung von den Behörden stärker unter die Lupe genommen werden könnte, sind folgende:
* großer Altersunterschied zwischen den Partnern (gerade wenn die Frau älter ist als der Mann)
* Asylantrag eines Partners
* Heirat kurz vor drohender Abschiebung/Ausweisung oder Erlöschen eines Aufenhaltstitels
* keine gemeinsame Sprache
* frühere Ehen des deutschen Partners mit MigrantInnen oder wiederholte gescheiterte Anmeldungen zur Eheschließung durch den/die nichtdeutschen PartnerIn

Partner aus binationalen Ehen können z.B. Befragungen von Nachbarn durch Kontaktbereichsbeamte ausgesetzt werden. Damit wird die Partnerschaft im Umfeld kriminalisiert (»Die müssen ja irgendwas gemacht haben.«). Die Stigmatisierung wird so amtlich gemacht und gibt der sowieso schon vorhandenen durch das soziale Umfeld recht.

Verfahren wegen »Unzutreffenden Angaben zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung für sich oder einen anderen«, wie es im Amtsdeutsch heißt, führen häufig nicht zur von der Staatsanwaltschaft geforderten Verurteilung. Die Regelung, dass binationale Eheleute in einer häuslichen Lebensgemeinschaft leben müssen, d.h. de facto in derselben Wohnung gemeldet sein müssen, ist umstritten. Denn im Klartext bedeutet diese Regelung, dass deutsch-deutsche (Ehe-)Paare, die nicht unbedingt in häuslicher Gemeinschaft leben müssen, gegenüber solchen mit nichtdeutscher Beteiligung besser gestellt sind. Dies könnte mit dem Begriff der Diskriminierung beschrieben werden. Eine evtuelle Verurteilung bei dem Verdacht einer Scheinehe erfolgt dann nach dem Ausländergesetz, allerdings wird oft nur wegen uneidlicher Falschaussage verurteilt.

Hinzu kommt die Tatsache, dass ausländische Partner deutscher Staatsbürger in der ersten Zeit (zwei Jahre) vom Wohlwollen ihrer Partner abhängen, d.h. dass das Aufenthaltsrecht für den ausländischen Teil an den Bestand der Ehe gebunden ist. Dies öffnet Tür und Tor für Missbrauch von Seiten der deutschen Partner. Dies wird insbesondere dann interessant, wenn deutsche Männer ausländische Frauen nach Deutschland holen. Diese kennen ihre Rechte nicht und sind gefügig, weil sie die Abschiebung/Ausweisung fürchten, wenn sie ihrem Mann widersprechen oder sich nicht nach seinen Vorstellungen verhalten. [Na, wenn jemand nach Eheschließung nicht nach den Vorstellung des Partners bzw. der Partnerin verhält, dann sollte dies doch Scheidungsgrund genug sein - und nach weniger als zwei Jahren Bestehen der Ehe ist eine solche Scheidung auch mit relativ geringem juristischem und finanziellen Aufwand möglich; und dann gibt es auch keinen vernünftigen Grund mehr, die vorübergehend angeheirateten Ehepartner mit einer permanenten Aufenthaltsberechtigung zu belohnen, Anm. Dikigoros]

Aus meiner Sicht ergeben sich aus obigen Ausführungen folgende Konsequenzen:

Es ist nicht nur wichtig, der Kriminalisierung von Schutzehen entgegenzutreten. Vielmehr muss die Debatte ausgeweitet werden: Binationale Partnerschaften und Ehen müssen »deutschen Verbindungen« gleichgestellt werden. Die Bindung des Aufenthaltsrechtes an die Ehe stellt sich in der Praxis als problematisch dar und muss überdacht werden. [Na, dann "überdenken" wir doch mal, was daran "problematisch" sein soll: Wenn die Ehe der einzige Grund für die Erteilung des Aufenthaltsrechts ist - das letztere ohne dieselbe also nicht erteilt worden wäre -, dann ist es doch geradezu eine Selbstverständlichkeit, daß mit dem Ende der Ehe auch dieses Recht wieder erlischt, Anm. Dikigoros]

Clara Kücük lebt in einer binationalen Partnerschaft


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