Warum wir uns so schwer von China lösen können

von Christina Lohner/Klaus-Jürgen Gern (n-tv, 17.08.2022)

Kürzungen, Anmerkungen und Links: Nikolas Dikigoros

Der Westen kann sich nur mittelfristig und teilweise von chinesischen Lieferanten unabhängig machen. Dabei ergeben sich neue Probleme. [...] Unser Wohlstand schwindet in jedem Fall.

[...] Auch wenn sich die Volksrepublik damit massiv wirtschaftlich schaden würde, könnte China Taiwan angreifen. Für den Westen wäre das wohl der Beginn eines weiteren Wirtschaftskriegs - mit einem sehr viel mächtigeren Gegner als Russland. [...] Sich aus der Abhängigkeit von China zu lösen [...] scheint jedoch nur bedingt möglich.

China ist mit Abstand Deutschlands wichtigster Handelspartner, aus keinem anderen Land werden mehr Waren importiert. Bei den deutschen Exporten ist das Land der zweitwichtigste Abnehmer. Unsere wirtschaftlichen Verflechtungen sind allerdings noch stärker. [...] Bei der Unterhaltungselektronik [ist] Chinas Marktanteil zwar bereits gesunken, die letzten Produktionsphasen wurden in andere asiatische Länder wie Vietnam verlagert, wo die Löhne niedriger sind. Die Inhalte der Produkte stammen aber nach wie vor aus China. Das ist das große Problem beim Lösen von China: Die neuen Lieferanten beziehen selbst aus China. Oft scheint die Abkopplung größer als sie ist. So hat z.B. Samsung seine letzte Smartphone-Fabrik in China geschlossen, viele Zwischenprodukte stammen aber weiterhin aus dem Land.

Auch aufgrund der riesigen Mengen, die in China produziert werden, ist eine Entkopplung schwierig. Das große Land hat sich so auf Industrie und Fertigung spezialisiert, dass dort inzwischen 15% der weltweiten Industrieproduktion angesiedelt sind. Diese Menge lässt sich nicht ohne Weiteres ersetzen. [...] Auf die kleinen Mengen, die in anderen Ländern produziert werden können, stürzen sich alle, die nach alternativen Lieferanten suchen. Das treibt zusätzlich die Preise. Weitere Produktionskapazitäten aufzubauen würde eher Jahrzehnte als Jahre däuern.

China ist auch Rohstoff-Macht

[...] An alternativen Standorten gäbe es neue Probleme. Indonesien z.B. ist ein sehr großes Land mit gut ausgebildeter Bevölkerung, aber schwierigen Investitionsbedingungen - wegen Regulierungen, aber auch Korruption. Es gibt Gründe, warum eine Verlagerung nicht stattgefunden hat. (Anm. Dikigoros: Das stimmt so nicht. Namhafte Schuhhersteller hatten ihre Produktion zeitweise nach Indonesien verlagert; aber inzwischen sind die jungen Indonesier vor allem im Islamismus "gut ausgebildet" und haben sogar ihr früheres Nationalgericht, nämlich Schweinebraten, ad acta gelegt - von denen würde niemand mehr Schuhe aus Schweinsleder anfassen.) [...] Als Hoffnungskontinent gilt Afrika, in Äthiopien etwa gibt es Anzeichen für eine Ansiedlung von industrieller Produktion. (Anm.: Da kann Dikigoros ja nur lachen - oder sollte er besser weinen? Wer dort Industrie anzusiedeln versucht, kann das Geld gleich verbrennen - oder den Piraten am Horn von Afrika in den Rachen schieben!) Das steckt aber noch sehr in den Kinderschuhen. [...] In Osteuropa immerhin hätten Rumänien und Bulgarien noch Potenzial für zusätzliche Produktion. (Anm. Dikigoros: Ja, gewisse Schweizer Firmen lassen inzwischen ihre Schokolade in Bulgarien herstellen - übrigens nach altem "DDR"-Rezept. So schmeckt sie denn auch...) Sehr interessant für die Industrie war die Türkei, aber dort gibt es inzwischen auch politische Probleme. Auch Marokko lockt und hat großes Potenzial, daneben bietet Tunesien viele, gut ausgebildete Arbeitskräfte. (Anm. Dikigoros: Quatsch. Die jungen Leute dort sind nicht "gut ausgebildet", sondern verbildet, d.h. sie taugen allenfalls als unproduktive Sesselpupser Beamte und/oder Politiker - Handarbeit schändet -, und wenn es keine freien Planstellen mehr zu besetzen gibt, dann besetzen sie die Barrikaden und machen Revolution, das haben wir doch im "Arabischen Frühling" gesehen!) Das sind aber alles Länder, die nicht stabil oder autoritär sind. (Anm. Dikigoros: Wie ist denn dieser Satz zu verstehen? Muß ein Land "anti-autoritär" oder gar "anarchisch" sein, um wirtschaftlichl "stabil" zu sein? Die Geschichte hat in der Praxis immer das Gegenteil gelehrt!) [...] Es wird wirklich schwierig, wenn man politische Überlegungen einbezieht.

Wir müssen uns grundsätzlich fragen, ob wir einen Wettstreit politischer Systeme mit wirtschaftlichen Mitteln führen können und wollen. [...] Dabei besteht auch die Gefahr, irgendwann seine internationale Glaubwürdigkeit zu verlieren. In der Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs etwa will der Westen plötzlich verstärkt mit Saudi-Arabien kooperieren. Eine Alternative zu politischen Entscheidungen wäre, diese dem Markt zu überlassen: Lieferketten verpflichtend offenzulegen und den Verbrauchern zu überlassen, ob sie Hersteller abstrafen, indem sie deren Produkte und Anleihen nicht mehr kaufen. [...]

Ein weiterer Grund für die Produktion in China sind seine Rohstoffe. Auch bei den Grundstoffen für die Produktion hat China eine dominante Position: Bei Aluminium, Kupfer und Stahl etwa hat China große Marktanteile; vor allem die Aufarbeitung vieler Rohstoffe findet dort statt. Hinzu kommen andere Umweltstandards. "Wesentliche Produktionsschritte können wir uns in Deutschland nicht mehr vorstellen", stellt Gern fest. Die Weiterverarbeitung seltener Erden belaste Luft und Wasser mit Schadstoffen, selbst mit sehr teuren Vorkehrungen lasse sich das nicht vollständig vermeiden. Beim Abbau seltener Erden werde zudem die Landschaft massiv verändert. "Das wollen wir in der EU nicht." Und so übernehmen die Länder die Produktion, in denen die Politik die Umweltbelastung in Kauf nimmt.

Alle werden ärmer sein

Ein weiteres grundsätzliches Problem: die Zusatzkosten. Wir wollen Standortentscheidungen nicht mehr nur nach Effizienz treffen, aber man muss die höheren Kosten auch bei Endkunden und Kapitalgebern durchsetzen. [...] Es kann nur teurer werden.. Wir müssen einsehen, dass wir nicht mehr so viel für unsere Einkommen bekommen wie früher. Alle würden am Ende ärmer sein. [,,,]

Ein Großteil der aktuell höheren Kosten für Energie und andere Importe sind der Abhängigkeit von Russland und den Lockdowns in China geschuldet. Das zeige, dass es ähnlich wie beim Klimawandel auch teuer ist, sich nicht vorzubereiten. Wir sollten deshalb moderate Preissteigerungen in Kauf nehmen, um gewappnet zu sein, z.B. für einen Handelskrieg mit China. Wir müssen nun analysieren, wo die neuralgischen Punkte sind und wie wir uns vorbereiten können. [...]

Bei den Rohstoffen hat sich schon etwas getan. Nachdem China bei den seltenen Erden einen Marktanteil von mehr als 90% erreicht hatte, ist man irgendwann wach geworden. Vor zehn Jahren konnte das Land diese noch als politisches Druckmittel einsetzen, inzwischen sind anderswo Produktionsstätten erschlossen worden. (Anm. Dikigoros: Ja, in Staaten, die noch um vieles schlimmer und unzuverlässiger sind.) [...]

Das Risiko lässt sich nicht völlig ausschalten

Eine neue Chipfabrik zu bauen dauere etwa fünf Jahre. Da die Branche hochspezialisiert ist [...] ist fraglich, wie unabhängig eine europäische Fabrik wie die in Magdeburg geplante tatsächlich sein kann. Am Ende stellt Intel dort womöglich Chips mit Teilen aus Taiwan her. Taiwan übernehme nicht nur mehr als die Hälfte der weltweiten Auftragsfertigung von Chips, sondern habe bei Teilen der Produktion einen noch größeren Marktanteil. So nutzen auch chinesische Chiphersteller, z.B. Wafer aus Taiwan, die Vorstufe in der Produktion.

China und Deutschland (nach GTAI)

In dieser vernetzten Welt ist es nicht so einfach, sich unabhängig zu machen. [...] Je weiter die Arbeitsteilung geht, desto eher droht ein Engpass. Das Risiko wird sich nie vollständig ausschalten lassen. Man kann nur an zentralen Stellen gegensteuern. Alles selbst zu produzieren [...] ist schlichtweg unmöglich, ohne unser Wirtschaftsmodell aufzugeben, das unseren Wohlstand begründet. Dafür fehlen ohnehin die Fachkräfte. Es schlägt niemand vor, Autofabriken zu schließen, damit diese Mitarbeiter Chips produzieren können. Beim Umstieg auf andere Produkte entsteht wieder ein neues Problem [...]: Dann werden andere Produkte nicht hergestellt. Als z.B. in der Corona-Pandemie türkische Textilfabriken Masken herstellten, konnten sie dafür keine T-Shirts produzieren.

Der einzige Lösungsansatz scheint somit, die Bezugsquellen zumindest zum Teil zu diversifizieren. Aber das wird teuer.


Nachbemerkung Dikigoros:
Welch ein Schwachsinn! (Wie fast alles, was das Tochterunternehmen des US-amerikanischen Fake-News-Senders CNN in den letzten Jahren abgeliefert hat.) Ein Industriestandort ohne eigene Rohstoffe lebt - notgedrungen - davon, letztere zu importieren, sie im Inland in hoher Qualität zu verarbeiten und die Endprodukte wieder zu exportieren. Die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis macht den Wohlstand (oder, um einen Begriff von Charly Murks zu gebrauchen: den "Mehrwert") aus. Dieses Wirtschaftsmodell kann man doch nicht dadurch aufrecht erhalten, daß man die Verarbeitung ins Ausland verlagert, bloß weil dort die Lohnkosten "billiger" sind - das ist schlicht unbillig! Und das mit den "fehlenden Fachkräften" ist eine oberfaule Ausrede: Wenn man - statt millionenfach irgendwelches Gesocks aus der "Dritten Welt" ins Land zu holen, das sich hier bloß durchschmarotzt, ohne bereit oder in der Lage zu sein, jemals irgendeine fachliche Qualifikation zu erwerben - genügend eigene Leute ordentlich ausbilden würde, statt sie in der Arbeitslosigkeit herum dümpeln zu lassen, dann wäre dieses Problem binnen 2-3 Jahren (so lange dauert eine Ausbildung zur Fachkraft) gelöst.


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