Nikolaj Tscherkassow (15.07.1903 - 14.09.1966) Tabellarischer Lebenslauf

Nikolaj Tscherkassow

(14.07.1903 - 14.09.1966)


Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

1903
14./27.* Juli: Nikolaj Konstantinowitsch Tscherkassow** wird in Sankt Peterburg, der Hauptstadt des russischen Tsarenreichs, geboren.
Über seine Abstammung, Kindheit und Jugend ist nichts verläßliches in Erfahrung zu bringen. Alle Spuren seines prä-sowjetischen Lebens wurden sorgsam getilgt.
(Manche meinen, sein Vater sei bei der russischen Staatsbahn beschäftigt gewesen, und er selber habe eine Ausbildung zum Ballett-Tänzer erhalten; doch belastbare Beweise dafür gibt es nicht.)

[Das alte Sankt Peterburg] [Straße zur Admiralität]

1914
Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wird Sankt Peterburg - dessen holländischen Namen einige Ignoranten für deutsch halten - in "Petrograd" umbenannt.

[Petrograd 1914] [So dumm ist ja kein Affe!]

1917
Nach dem gewaltsamen Sturz der freiwilligen Abdankung des Selbstherrschers Nikolaj II wird aus dem russischen Tsarenreich die "Union der sozialistischen Sowjet-Republiken".

[Medaille von K. Goetz auf die Abdankung des Selbstherrschers Nikolaj] [Schreck laß nach!]

Für Schauspieler brechen goldene Zeiten an; denn die neuen Machthaber verfahren nach dem alten römischen Motto: "panem et circenses [(Das Volk braucht) Brot und Spiele]".
Da es am Brot oft mangelt, versuchen sie, dies durch mehr Spiele auszugleichen. (Der Mensch lebt nicht vom Brot allein :-)

1919
Tscherkassow hat sein Debut als Pantomime am Petrograder Marinska-Theater.

1923-26
Tscherkassow absolviert das Institut der Szenischen Künste in Petrograd (nach dem Tode Lenins 1924 erneut umbenannt - in "Leningrad").

1926
Tscherkassow erhält ein Engagement am Theater der Freiheit in Leningrad.
Seine erste Paraderolle ist der "Pat" in "Pat, Patachon und Charlie Chaplin".

1927
Tscherkassow hat sein offizielles Filmdebut (als Friseur Charles) in dem Stummfilm "Dichter und Tsar".
(Zuvor hatte er bereits eine Statistenrolle als namenloser Zirkusclown in "Seine Exzellenz" gespielt.)

1928
Tscherkassow spielt auch in dem Stummfilm "Pat, Patachon und Charlie Chaplin" (unter dem Titel "Mein Sohn") den Pat. Danach verliert sich seine Filmkarriere zunächst in kleineren Nebenrollen.
Dezember: In Leningrad eröffnet eine "Music-hall" (dieses Fremdwort ist auch in Sowjet-Zeichen nicht geächtet - es wird freilich ein wenig anders ausgesprochen als im Englischen :-), an der Tscherkassow ebenfalls auftritt.
(Die Behauptung, daß er damals Engagements an der Moskauer Music-hall hatte, dürfte auf einer Verwechslung beruhen.)

1931
Tscherkassow erhält ein Engagement an der Leningrader "Komödie".
Unterdessen wird der erste Tonfilm der UdSSR gedreht: "Der kleine Weg ins Leben" (gemeint ist der Weg der nach dem Krieg verwahrlosten Straßenkinder in ein anständiges sozialistisches Leben :-)
Für viele Schauspieler der Stummfilmzeit - die ja weitgehend auf Mimik und Pantomime basierte - stellt sich, wie auch in anderen Ländern, die Frage, ob ihre Stimme (nicht nur Sprache, sondern auch Gesang sind auf einmal gefragt) ausreicht, um den Sprung in das "neue Kino" zu schaffen.

1933
Tscherkassow wechselt für den Rest seiner Karriere ans Leningrader Puschkin-Theater.
(Nicht zu verwechseln mit dem Moskauer Puschkin-Theater, das erst seit 1950 so heißt und damals noch "Kammertheater" hieß. Das Leningrader Puschkin-Theater heißt heute wieder - wie zu Zeiten seiner Gründerin, Katharina der Großen - "Sankt Peterburger Alexandra-Theater".)


Seine Paraderollen sind der Titelheld in "Don Kichot" (frei nach Cervantes), der Warlaam in "Boris Godunow" (nach Puschkin) und der Ossip in "Der Revisor" (nach Gogol).
Was die Menschen über Jahrhunderte hinweg am "Don Quixote de la Mancha" so fasziniert, hat Dikigoros nie begriffen, weder als Kind noch als Erwachsener noch als alter Mann. (Auch Gogol muß ihn gekannt und gemocht haben, denn sein "Ossip" kann gewisse Ähnlichkeiten mit Sancho Pansa nicht verleugnen :-) Die Faszination, die der glücklose Usurpator Boris I auf russische Dichter, Komponisten, Filmemacher usw. ausübt (in anderen Ländern kennt man ihn allenfalls aus deren Werken) versteht er schon eher. Er schreibt darüber an anderer Stelle und nennt dort auch mehrere seiner Zeitgenossen, zu denen er Parallelen sieht - freilich nur im damaligen Kontext, nicht in der Nachwirkung.)

1936
Nach Stalins "Säuberungen" steigt der Bedarf an linientreuen Schauspielern, zu denen Tscherkassow zählt.
Ihm gelingt der Durchbruch im Kino mit der Hauptrolle - Professor Dimitrij Polezhajew - in "Der Deputierte".
Noch im selben Jahr spielt er den Jacques Paganel in "Die Kinder des Kapitän Grant" (nach Jules Verne).


Dabei kommt ihm sein "Gardemaß" (1,97 m) zu Gute. (Verne beschreibt Paganel ausdrücklich als "hochgewachsen".) Von da an ist er auf die Rolle des "großen" Helden festgelegt.
("Kleine Helden gibt es nicht... jedenfalls nicht im Theater" - Heinz Rühmann, der nur 1,64 m maß :-)

1937
Tscherkassow spielt den Billy Bones in "Die Schatzinsel" (nach Stevensen) und den Tsarjewitsch Aleksej in "Peter I". (Für diese Rolle wird ihm im Folgejahr zum 1. Mal der "Orden der schönen Arbeiterkünste" verliehen.)


1938
Tscherkassow spielt die Titelrolle in Eisensteins Historienfilm "Aleksandr Newskij".


1939
Februar: Tscherkassow wird der Lenin-Orden verliehen.


Tscherkassow spielt den Gorkij in "Lenin im Jahre 1918".
März: Ihm wird (rückdatiert auf 1937) der Titel "Nationaler Künstler der RSFSR" verliehen.


1940
Tscherkassow spielt auch in dem Tonfilm "Konzert auf der Leinwand" den Warlaam aus "Boris Godunow" und den Pat aus "Charly Chaplin, Pat und Patachon".
Er wird in die KPdSU aufgenommen.

1941
Juni: Beginn des Rußlandfeldzugs.
August: Die Schauspieler des Puschkin-Theaters - und andere VIPs Angehörige der Nomenklatura - werden vor der auf Leningrad anrückenden Wehrmacht nach Nowosibirsk evakuiert (bis 1944).
Tscherkassow wird zum 1. Mal der Stalin-Preis verliehen. (Mehr dazu in der letzten Fußnote.)


1942
Tscherkassow spielt Baron Roman von Ungern-Sternberg - den Antagonisten des Titelhelden - in "Jewo sowut Suchä-Bator [Man nennt ihn Axt-Held]".


(Wer keinen Nerv hat, sich den Film in voller Länge anzutun, findet hier eine sehr gut gekürzte - um ca. 30 Minuten - Alternativfassung.)

1944/45
Tscherkassow spielt die Titelrolle in dem Zweiteiler "Iwan der Schreckliche".
(Des Russischen mächtige Leser können hier sehen, daß auch das französische Fremdwort "chef-d'œuvre [Meisterwerk]" - ebenfalls etwas anders geschrieben und ausgesprochen - nicht geächtet ist.)
Teil II wird freilich erst 1958 frei gegeben.
(Warum? Das ist strittig. Einige behaupten, Stalin - der sich mit Iwan identifizierte und es gut fand, wegen seiner eigenen Grausamkeit gefürchtet zu werden - habe Teil I ob seiner Grausamkeit besonders gut gefallen. Andere behaupten, ihm habe Teil II ob seiner Grausamkeit nicht so gut gefallen. Dikigoros hat dazu keine Meinung; er erwähnt das nur colorandi causa und verlinkt beide Teile, damit sich der Leser ein eigenes Bild machen kann :-)


Ihm wird der "Verdienstorden des Großen Vaterländischen Krieges" verliehen.


1946
Tscherkassow spielt die Titelrolle in "Admiral Nachimow".
Ein vorzüglich gemachter Film. In westlichen Kriegs- und Piraten-Filmen sieht man meist, wie schon im Zeitalter der hölzerner Segelschiffe volle Breitseiten abgefeuert werden (was die eigenen Schiffe in der Realität eher zum Sinken gebracht hätte als die gegnerischen, selbst wenn die getroffen worden wären :-) - dafür sieht man weder Mündungsfeuer noch Schwarzpulverausstoß noch Qualm, der die Sicht vernebelte. Für alle, die wissen wollen, wie es in damaligen Seeschlachten wirklich zuging, ist dieser Film ein absolutes Muß. Dikigoros hätte ihn in seine Sammlung "Die [un]schöne Welt der Illusionen" aufgenommen, wenn Tscherkassow nicht in zu vielen Filmen zu viele historische Persönlichkeiten verkörpert hätte, um eine einzelne wie den Nachimow nachhaltig zu prägen.


Tscherkassow wird zum 2. Mal der Stalin-Preis verliehen (für "Iwan der Schreckliche").

1947
Februar: Stalin empfängt Tscherkassow zu einem persönlichen Gespräch und verleiht ihm danach den Titel "Nationaler Künstler der UdSSR".


Tscherkassow spielt den Arkadij Gromow in "Frühling". Die Komödie wird auf dem VIII. Internationalen Filmfestival von Venedig vorgestellt.***


1948
Tscherkassow wird Vorsitzender der Schauspielergewerkschaft der RSFSR im Bezirk Leningrad.
(Entgegen im Westen weit verbreiteter Ansicht gab es auch in der Sowjet-Union "Gewerkschaften". Deren Aufgabe bestand freilich nicht darin, so genannte "Arbeitskämpfe" zu organisieren - bei denen nicht gearbeitet wird -, sondern ganz im Gegenteil darin, ihre Mitglieder zu fleißigerer Arbeit - der so genannten "Arbeitsschlacht" - anzuhalten :-)


1949
Tscherkasow spielt wiederum den Gorkij in "Iwan Pawlow", die Titelrolle in "Aleksandr Popow" und den US-Präsidenten Franklin Delano Roosevelt in "Die Schlacht von Stalingrad".
Es ist nur eine Nebenrolle - wie eigentlich alle außer der Stalins, dessen Heldenverehrung der Film in erster Linie dient -, die jedoch von Interesse ist wegen der damaligen Sicht der UdSSR auf die historischen Ereignisse: Richtig dargestellt ist, daß Roosevelt - dessen Abgott Stalin war - bereit war, alles zu tun, um die sowjetischen Kriegsanstrengungen zu unterstützen; falsch dürfte aber sein, daß Churchill ihn daran gehindert habe, bereits 1942 durch Invasion Frankreichs eine "2. Front" zu schaffen.

1950
März: Tscherkassow wird zum 2. Mal der Lenin-Orden und zum 3. Mal der Stalin-Preis verliehen.
Er wird Deputierter des Obersten Sowjets (bis 1958).
Er spielt den Stasow in "Mussorgskij".**

1951
Tscherkassow veröffentlicht seine Memoiren unter dem Titel "Aus den Aufzeichnungen eines Schauspielers" (2. Auflage 1953 - die auch übersetzt und im Ausland vertrieben wird - unter dem Titel "Aufzeichnungen eines sowjetischen Schauspielers").


Ihm wird zum 4. und 5. Mal der Stalin-Preis verliehen (für seine Rollen in "Aleksandr Popow" und "Mussorgskij").

1953
Tscherkassow spielt in "Rimskij-Korsakow" erneut den Stasow.

1955
Tscherkassow spielt in seinem ersten Fernsehfilm die Titelrolle des "Wladimir Majakowskij".

1957
Tscherkassow spielt auch in der Verfilmung des "Don Kichot" die Titelrolle.
(Er wird dafür im folgenden Jahr auf den Internationalen Kinofestivals von Stratford und Vancouver als "bester Schauspieler" ausgezeichnet.)


1958
Tscherkassow veröffentlicht "Don Kichot".

1961
Tscherkassow veröffentlicht "Im Theater und im Kino" (Neuauflage 1973).

1962
Tscherkassow spielt seine letzte Fernsehrolle in "Kleine Tragödien".

1963
Tscherkassow wird zum 2. Mal der "Orden der schönen Arbeiterkünste" verliehen.
Er spielt den Fëdor Dronow in "Alles für das Volk". [Ihm wird dafür im Folgejahr zum 1. Mal der "Lenin-Preis" (neuer Name für den "Stalin-Preis" :-) verliehen.]


1965
Tscherkassow spielt seine letzte Kinorolle, den Gedeonow in dem sowjetisch-französischen Spielfilm "Der dritte Frühling" [in Frankreich: "Die Nacht des Abschieds"].


1966
14. September: Nikolaj Tscherkassow stirbt in Leningrad.
(So die Inschrift auf seinem Grabstein. Dikigoros sieht keinen Grund, das anzuzweifeln, bloß weil in der deutschen Ausgabe von Wikipedia "Moskau" steht.)
Die offizielle Todesursache ist "plötzliches Herzversagen", die tatsächliche wohl eher Lungenkrebs; sein notorischer Kettenraucherhusten galt und gilt jedoch offiziell als "Asthma".
Er wird mit einem Staatsbegräbnis geehrt und erhält ein überlebensgroßes Grabmal auf dem Friedhof des Aleksandr-Newskij-Klosters in Leningrad.


*Im Tsarenreich war noch der iulianische Kalender in Gebrauch.

**Auf Russisch schreibt sich das "Tscherkasow" bzw. "Musorgskij", mit jeweils nur einem "s". Da dieses jedoch scharf ("stimmlos") ist, folgt Dikigoros der in Deutschland üblichen Schreibweise, die diese Aussprache korrekt wiedergibt. (Genauer gesagt: wiedergab. Nach den idiotischen jüngsten BRDDR-Rechtschreibreformen müßte man "Tscherkaßow" bzw. "Mußorgskij" schreiben, denn das scharfe "s" führt im Russischen - anders als das "ss" im Deutschen - nicht zu einer Verkürzung des voraufgehenden Vokals. Geradezu abwegig ist es, Rußland neuerdings "Russland" zu schreiben: Abgesehen davon, daß es im Russischen kein kurzes "u" gibt, wird das Land der warägischen Rūs auf Russisch "Rossija" geschrieben und "Rassíja" gesprochen :-) Nicht dagegen folgt er der Unart, die neuerdings auch in deutschen Landen eingerissen ist, den Vornamen nach angelsächsischem Vorbild "Nikolai" zu schreiben, denn das ist nicht nur inkorrekt, sondern auch irreführend und würde zu einer völlig falschen Aussprache führen, nämlich "Ni-ko-la-i", mit getrenntem "i". Das steht da aber nicht, sondern ein "j"; das sind im Russischen zwei verschiedene Buchstaben, wenngleich sie sich "nur" durch einen Bogen unterscheiden, wie man ihn im Handschreib-Zeitalter fakultativ auch über das deutsche "u" setzte, um es vom flüchtig geschriebenen "n" zu unterscheiden. Aber im Gegensatz dazu - und zum Strich, den man über das russische "t" setzte, um es vom flüchtig geschriebenen "sch" zu unterscheiden, ist dieser Bogen nicht fakultativ, sondern obligatorisch. Wer sich für Einzelheiten interessiert - Dikigoros schreibt darüber an anderer Stelle mehr (am Ende der 3. Fußnote). Im folgenden übersetzt er alle Theater-, Film- und Buch-Titel direkt aus dem Russischen ins Deutsche; diese können von den offiziellen Titeln etwaiger Fassungen für das Ausland abweichen.

***Wie unzuverlässig Quellen und Literatur über Tscherkassow sind, zeigt sich exemplarisch an diesem Punkt: Auf russischen - und französischen - Webseiten wird behauptet, "Frühling" sei auf diesem Festival nicht nur vorgestellt, sondern auch für das beste Drehbuch prämiert worden. Auf englischen und italienischen Webseiten wird dagegen behauptet, die Sowjet-Union sei gar nicht mit "Frühling", sondern mit "Glinka" und "Admiral Nachimow" vertreten gewesen - und leer ausgegangen. Auf der offiziellen Webseite der Veranstaltung wird gar behauptet, daß sie im Jahre 1947 überhaupt nicht statt fand! (Dagegen spricht indes die Existenz des Werbeposters, das Dikigoros glücklich gefunden und oben abgebildet hat :-)

Es verwundert, wie wenig man im Ausland über Tscherkassow weiß. Wie immer man zur Sowjetunion im allgemeinen und zur Stalinzeit im besonderen stehen mag: Er war ihr bedeutendster Schauspieler, und er wirkte keineswegs nur in primitiven Propaganda-Erzeugnissen mit, sondern auch in durchaus anspruchsvollen "klassischen" Werken. Obwohl gewisse Kreise im Westen - anders als z.B. in Rußland - seit den 1990er Jahren geradezu einen Kult um schwule Schauspieler u.a. "Celebrities" treiben, wird z.B. behauptet, daß Tscherkassow 1929 eine gewisse Nina Weibrecht - mal als "Studentin", mal als "Schauspielerin" bezeichnet - geheiratet habe; aber von der ist nie ein Bild aufgetaucht, ebensowenig von der angeblichen gemeinsamen Tochter, die politisch korrekt bei der Belagerung Leningrads durch die bösen Nazi-Deutschen verhungert sein soll. Später wurden weitere Kinder hinzu erfunden: eine zweite Tochter, die kurz nach der Geburt starb, und ein Sohn, von dem man nie etwas gehört oder gesehen hat. Daß es sich bei alledem bloß um Märchen handelt, die Tscherkassows Homosexualität verdecken sollen, harrt noch der offiziellen Entdeckung. (Aber vielleicht verübeln ihm jene Kreise ja, daß er sich nie "geoutet" hat und lassen ihn deshalb links liegen :-) Dikigoros hätte auch ein weniger tuntiges Titelfoto auswählen können. (Die meisten anderen Webseiten greifen auf ein Bild zurück, das ihn als markant-männlichen "Aleksandr Newskij" zeigt :-) Aber von denen, die er kennt, ist es das einzige, das Tscherkassow signiert hat, und solche Bilder haben bei ihm Vorrang, weil er davon ausgeht, daß eine Signatur persönliche Identifizierung des Fotografierten ausdrückt - Tscherkassow sah sich offenbar selber so!
Tscherkassows Frau und Kinder sind übrigens nicht die einzigen frei erfundenen Personen aus seinem Umkreis. Es ist erstaunlich, zu welchen Kapriolen sowjetische Hagiografen fähig sind, wenn es gilt, ihre "Helden" vor peinlichen, da politisch unkorrekten unerwünschten Wahrheiten zu schützen - leider fehlt es oft an kritischen Historikern, die da mal etwas Detektivarbeit leisten. Kleines Beispiel gefällig? Bitte sehr: 1940 wurde ein Film mit dem Titel "Suworow" gedreht - über den erfolgreichsten General der russischen Geschichte.

Der kam Anfang 1941 in die Kinos der SU; aber Ihr werdet ihn auf keiner Webseite über Tscherkassow finden - außer auf dieser. Warum? Halt, erst will Euch Dikigoros noch verraten, was Ihr statt dessen über jenen Film finden werdet: Die Titelrolle spielte nicht Nikolaj Tscherkassow, sondern sein Namensvetter Nikolaj Tscherkassow - mit ihm nicht verwandt und nicht verschwägert, obwohl er zufällig aussah wie sein Zwillingsbruder -, der praktischerweise (wie Tscherkassows Tochter :-) noch vor Kriegsende starb. Nun, warum sollte das nicht wahr sein - Zufälle gibt's, oder? Ja, aber eine Kleinigkeit hat Dikigoros stutzig gemacht: Den drei Hauptdarstellern jenes Films wurde 1941 der Stalin-Preis verliehen - das ist unstreitig. Ebenso unstreitig ist, daß Tscherkassow 1941 der Stalin-Preis verliehen wurde - nach gängiger Lesart nachträglich für "Aleksandr Newskij". Und das glaubt Dikigoros nicht. Warum nicht? Weil das schon drei Jahre her war? Nein, das allein ist es nicht. Aber "Aleksandr Newskij" war ein anti-deutscher Hetzfilm - die Ordensritter werden in einem fort als "Deutsche" bezeichnet, obwohl es damals noch gar keine Nationenbegriffe gab, und garantiert nicht das russische Wort "nemets" bzw. im Plural "nemtsi"! Dafür hätte es vor dem Angriff der Wehrmacht auf die Sowjet-Union im Juni 1941 - und daß Tscherkassow ihn lange davor erhielt, ist wiederum unstreitig - keine Auszeichnung gegeben, sondern bestenfalls einen Fußtritt, schlimmstenfalls eine Deportation nach Sibirien, denn das Reich und die SU waren ja seit August 1939 Verbündete! Dagegen war "Suworow" ein deutschfreundlicher und anti-französischer Film (Suworow hatte schließlich unter der deutschen Tsarin Katharina II Jahrzehnte lang erfolgreich gedient, bevor er sich mit ihrem Nachfolger Pawel I überwarf), der während des Westfeldzugs konzipiert wurde und auch für den Export gedacht war. Ein solcher Film war damals für Auszeichnungen prädestiniert. Aber ach, dann kam der "große vaterländische Krieg" dazwischen; da durfte doch kein staatstragender Schauspieler an einem solchen Schundstreifen mitgewirkt haben! Und da nicht sein kann, was nicht sein darf, verschwand der Film aus Tscherkassows Vita bzw. er verschwand zunächst ganz; und als er irgendwann wieder auftauchte (inzwischen gibt es ihn sogar auf DVD :-) war Suworow von einem ganz anderen Tscherkassow gespielt worden - voilà!


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