INT. SOMMERKURS DER PHILIPPS-UNIVERSITÄT 1993 * LITERATUR UND MEDIEN 
Kurs 6: Dr. Wolfgang Näser 

Text 13:
 
Drei Szenen aus dem Spielfilm "Des Teufels General" (1954) nach dem gleich- 
namigen Bühnenstück (uraufgeführt Zürich 1946) von Carl ZUCKMAYER (1896-1977) 
 
  [transkribiert von Wolfgang NÄSER] 
 
  1. "Sie haben den Sonderauftrag, mein Freund zu sein". 
     HARRAS, Generalluftzeugmeister, im Gespräch mit SS-Gruppenführer 
     SCHMIDT-LAUSITZ. 
     Ort: "bei Otto"; man feiert hier die Verleihung der Brillanten (zu 
     Ritterkreuz und Schwertern) an Kommodore Eilers; abseits des Trubels 
     entwickelt sich ein vertrauliches Gespräch. 
 
H:      Ich höre, Herr Schmidt: nicht gern, aber ich höre. 
SL:     General Harras, Sie machen, wenn ich so sagen darf, einen entschei- 
        denden Fehler. Sie erkennen nicht, wer Ihre wahren Freunde sind. 
H:      Im allgemeinen habe ich einen lausitz guten Riecher (lacht). 
SL:     Ich weiß, ich bin Ihnen nicht sympathisch. 
H:      Hm, das wer'n Se verwinden, Herr Gruppenführer. 
SL:     Nicht so leicht. Um ehrlich zu sein: ich bin nämlich wirklich Ihr 
        Freund. 
H:      Hm... Sie wollen sagen: Sie ha'm den Sonderauftrag, mein Freund 
        zu sein. 
SL:     In diesem Fall decken sich Auftrag und Empfindung. 
H:      Hm... Ich kann Ihn'n die Veilchen leider nich verehr'n, die hab' 
        ich nämlich selber geschenkt gekriegt. 
SL:     Naja. Vielleicht gelingt es mir doch, daß Sie mir einen Augenblick 
        ernsthaft zuhören. 
H:      (rülpst kurz) Bitte! 
SL:     Die allgemeine Unordnung in der Flugzeugproduktion ist soweit ge- 
        diehen, daß es möglich ist, anläßlich einiger Betriebsunfälle von 
        S a b o t a g e  zu sprechen. Es ist offensichtlich, daß die ganze 
        Maschinerie nicht so läuft, wie sie laufen sollte und könnte. 
H:      So so ... und jetzt wollen Sie uns in aller Freundschaft die Ven- 
        tile einschleifen, was? 
SL:     Und das Technische Amt - also Sie - sind für die ganze Sache ver- 
        antwortlich. Aber ... und ... jetzt kommt das Interessante für Sie: 
        Wir sind der Meinung, daß Sie nicht schuld daran sind - im Gegensatz 
        zu Ihren großen Freunden, die vielleicht eines Tages diesen feinen 
        Unterschied nicht machen werden. Ich weiß: Sie mögen den Parteibe- 
        trieb nicht; ich weiß aber auch, daß Ihnen die Monokelfritzen vom 
        Generalstab noch viel weniger sympathisch sind. Sie...verabscheuen 
        Konventionen, Sie sind volkstümlich. Ja, Sie haben das Zeug zum 
        Volksgeneral. - Harras: kommen Sie zu uns. Bei uns wird die Luft- 
        waffe wieder zu dem, was sie war. Und mehr: bei uns ist - Ordnung. 
        Macht. Zukunft. Und kommen Sie jetzt. Warten Sie doch nicht, bis 
        man Sie uns eines Tages - ausliefert. 
H:      (rülpst genüßlich) Verzeihung. Der geradezu nicht-arische Kunstmaler 
        Max Liebermann, 'n juter oller Berliner, der gar betreffenden Witzes 
        in großem Maße teilhaftig, hat einmal den schlichten Satz jeprägt: 
        Kann jar nich soviel essen, wie ich kotzen möchte. 
SL:     Hm, entschuldige mal, ich versteh den Zusammenhang nicht. 
H:      Na ja, wenn ich den Satz auf mich anwenden wollte, müßt' ich natür- 
        lich statt 'essen' 'trinken' sagen. Aber: 'kotzen' bleibt auf jeden 
        Fall. Prost, Herr Gruppenführer! 
SL:     Sehr komisch. 
 
(angeheiterte Dame aus dem Theater-Ensemble nähert sich, singt) 
Dame:   Wer hat Angst vor'm bösen Wolf, bösen Wolf, bö... (weicht zurück). 
SL:     Entschuldigung, ich habe Frühdienst, gute Nacht. 
H:      Heil Hitler! 
Dame:   (flüstert) Was war? 
 
 
 
  2. "Vom Rhein sein, das ist natürlicher Adel". 
     Im Haus der Schauspielerin GEIS und auf der Terrasse. 
 
    Personen: HARRAS, Generalluftzeugmeister 
              EILERS, Kommodore eines Kampfgeschwaders 
              Frau EILERS 
              HARTMANN, Leutnant im Kampfgeschwader Eilers 
              KORJANKE, Fahrer von Harras 
 
    Anläßlich einer Theaterpremiere wird im großen Salon des Hauses 
    gefeiert. Musik, Gesang tönen durch die Räume. 
 
Eilers:      (zu seiner Frau) Weißt du, Anna, manchmal bin ich direkt glück- 
             lich - ich hab's mal hier an Oderbruch geschrieben - glücklich, 
             daß ich kämpfen d a r f: für dich, für die Kinder und für 'ne 
             bessere Zukunft. 
Harras:      Naja, und drüben gibt's Kaffee. Drüben... Sag doch mal, wo... 
             wo 's 'n eigentlich der Kognak hinjekommen? 
Eilers:      Ist wirklich 'n reizender Abend. 
Harras:      War 'n bißchen bunt, ne? ... Wer steht 'n da draußen? 
Frau Eilers: Leutnant Hartmann ging da eben hinaus. 
Harras:      Ach...Sonderbarer Kerl, ist der im Dienst auch so duckmäuserig? 
Eilers:      Na ganz im Gegenteil. Immer vornean, immer freiwillig, aber 
             immer sehr ernst. Manchmal könnte man denken, dem ist das Leben 
             überhaupt nischt wert. 
Harras:      Hmmm...das hab' ich gar nicht gern. Leutnant Hartmann! 
Hartmann:    Herr General? 
Harras:      Entschuldigt (geht hinaus) Was 'n mit Ihnen los? 
Hartmann:    Nichts, Herr General. 
Harras:      Na... stehn Se mal bequem, knöppen Se ihr Innenleben auf. 
             Toter Punkt - oder Liebeskummer? ... Na also...Also wat is'n 
             mit der kleenen Morungen? 
Hartmann:    Es ist aus, Herr General. Wir werden uns nicht verloben. 
Harras:      Ach! Warum nicht? 
Hartmann:    Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich wegen...es ist da etwas mit 
             meinem...Nachweis. Eine meiner Urgroßmütter scheint aus dem 
             Ausland gekommen zu sein. 
Harras:      Ach da sind Se wohl nich janz arisch. Was? 
Hartmann:    Man hat das oft in rheinischen Familien. Jedenfalls sind die 
             Papiere nicht aufzufinden. 
Harras:      Naja. Dann begreif ich natürlich Fräulein Morungen. Dann sind 
             Sie ja 'n Mensch zweiter Ordnung. Da könn' Se ja keene Partei- 
             karriere machen. 
Hartmann:    Nein, Herr General. 
Harras:      Schrecklich. Diese alten verpanschten rheinischen Familien! 
             ... (lacht vor sich hin) Stell'n Se sich doch bloß mal ihre 
             womögliche Ahnenreihe vor: da war ein römischer Feldherr, 
             schwarzer Kerl, der hat einem blonden Mädchen Latein beige- 
             bracht. Dann kam 'n jüdischer Gewürzhändler in die Familie. 
             Das war 'n ernster Mensch. Der 's schon vor der Heirat Christ 
             geworden und hat die katholische Haustradition begründet. 
             Dann kam 'n griechischer Arzt dazu, 'n keltischer Legionär, 
             'n Graubündner Landskecht, ein schwedischer Reiter...und ein 
             französischer Schauspieler. Ein...böhmischer Musikant. Und 
             das alles hat am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen, gesungen 
             und...Kinder jezeugt. Hm? Und der Goethe, der kam aus demsel- 
             ben Topf, und der Beethoven, und der Gutenberg, und der ... 
             Matthias Grünewald. Und so weiter, und so weiter. ... Das 
             war'n die besten, mein Lieber. Vom Rhein sein, das heißt: 
             vom Abendland. Das ist natürlicher Adel. D a s is Rasse. 
             Sei'n Sie stolz drauf, Leutnant Hartmann, und hängen Sie 
             die Papiere Ihrer Großmutter auf den Abtritt! 
Hartmann:    Das kann ich Fräulein Morungen niemals begreiflich machen. 
Harras:      Weil Se 'ne dumme Gans is! 
Hartmann     Herr General! 
Harras:      Ach sei'n Se doch froh, daß Se de Schneppe los sind! Die is 
             doch keine Briefmarke wert, 'n Spaß für acht Tage Urlaub, 
             bestenfalls! ... Ach Junge, Menschenskind, entschuldije, 
             'ch wollte dich doch nich kränken, 's mir doch nur so raus- 
             jerutscht aus Wut...hab's doch nich so jemeint. 
Hartmann:    Doch, Herr General, Sie ha'ms so gemeint. Und Sie haben 
             recht! 
Harras:      Also paß mal auf, mein Junge. Jetzt hol'n wir uns 'ne an- 
             ständ'je Pulle un' reden mal janz nüchtern darüber, nich? 
Hartmann:    Ich bitte hier draußen bleiben zu dürfen. 
Harras:      Hm, hm. Wo wohnst 'n du? 
Hartmann:    Bei Eilers, aber dahin möcht' ich jetzt nicht mehr zurück. 
             Ich geh' in eine Wehrmachtsunterkunft. 
Harras:      S e h r schön...Korjanke! 
Korjanke:    Hier! General! 
Harras:      Bring' Se Leutnant Hartmann in meine Wohnung und sorgen Se 
             dafür, daß er sofort schläft! 
Korjanke:    [Zu] Befehl, General! 
 
 
  3. "Hören Sie auf mit diesen Lügen!" 
     General Harras kondoliert Anna EILERS, deren Mann bei der Erprobung 
     eines Bombers "MO 168" abgestürzt ist. 
     Personen: Harras, Anna Eilers, ihre Schwester "Pützchen" 
 
H:      Anne...es tut mir so leid. Sie wissen ja, wie gern ich ihn hatte. 
 
        Die Kinder spielen und lachen im Hintergrund. 
 
AE:     Ich hab's den Kindern noch nicht sagen können. 
H:      Er wußte wenigstens, wofür er fiel. Und Sie wissen, wofür Sie ihn 
        hergegeben haben. Hm, das Beste an diesem bißchen Leben ist doch 
        der Glaube. Eine Idee, die groß genug ist, um dafür zu sterben. 
AE:     (ein wenig hysterisch) Ja, und in stolzer Trauer die Helden bewei- 
        nen, nicht wahr, das kommt doch wohl jetzt? Nein, Harras, hören Sie 
        auf mit diesen furchtbaren Phrasen, diesen Lügen! Ich weiß, Sie 
        meinen es gut, aber ich kann das nicht mehr hören, ich habe selber 
        zu viel gelogen, die ganzen schönen Jahre mit Friedrich (schluchzt) 
        ... ich hab nie an das geglaubt, was ihm groß und heilig war, ich 
        hab immer gewußt, es ist erbärmlich und schmutzig. Aber ich hab's 
        ihm doch nicht sagen können. Ich hab in doch geliebt! - Ich hab 
        immer gehofft, später, wenn dieser wahnsinnige Krieg einmal aus 
        sein wird, dann kann ich mit ihm sprechen, mit ihm streiten, mit 
        ihm einig werden. 
H:      Und er hat nie gewußt, daß Sie - 
AE:     Durft' ich ihn denn unsicher machen? Unglücklich? Solange er Tag 
        für Tag da draußen seinen Kopf hinhalten mußte? 'S is doch Krieg, 
        er mußte doch Soldat sein! (die Türklingel schrillt) 
P:      (im Hintergrund) Klaus, Erika, geht doch in eure Zimmer. 
        (einige Personen treten ein) Einige Herren vom Generalstab sind 
        draußen. 
AE:     (nach einer Pause) Ich danke Ihnen: für Ihren Besuch und daß Sie 
        mir zugehört haben. 
        (abgewandt) Ich hab doch sonst niemand. (schluchzt) 
H:      Ich danke  I h n e n, Anne. Ich wollte Ihnen helfen, und jetzt 
        haben Sie mir geholfen. Ja ... ja. (geht hinaus) 

(c) Wolfgang Näser 5/93 * 080196