In einer Gesellschaft, die ihre Geschichte als "belastet" empfindet, wird
man schwer deutlich machen können, daß Geschichte auch als eine Eröffnung
von Freiheit erfahren werden kann. Nur unter dieser Prämisse aber ist
Schiller in seinem Verhältnis zur Geschichte zu
verstehen.
Friedrich Schiller stand im 28. Lebensjahr, als er nach
einem Aufsehen erregenden Erfolg als Dramatiker sich dazu entschloß, das
dichterische Schaffen hintanzustellen, um sich ganz der
Geschichtsschreibung zu widmen. Dem mittellosen Dichter eröffneten sich
damit neue Perspektiven, Verbindungen und Einkünfte.
Die Wendung
zur Geschichtsschreibung war verbunden mit einem neuen Lebensentwurf:
Schiller fürchtete, sich als Lyriker und Dramatiker, der alle Themen aus
seinem "Inneren" hervorbringen muß, zu rasch auszuschreiben, und wandte
sich der Geschichtsschreibung und aktuellen Prosa zu, da der Autor hier
seine Themen von außen gestellt bekommt und dann frei bearbeiten kann.
Hinzu kam: Schiller wünschte sich ein anderes Publikum. Er wollte fortan
nicht nur Liebhaber schöner Literatur, sondern auch den politisch und
ökonomisch tätigen Geschäftsmann erreichen und mit seiner Schriftstellerei
stärker ins öffentliche Leben hinein wirken.
Früh schon
faszinierten Schiller Geschichten aus dem Leben, deren Echtheit verbürgt
war. Aus diesem Interesse entstanden Erzählungen wie Eine großmütige
Handlung aus der neusten Geschichte und Verbrecher aus Infamie
und seine Dramen Fiesko und Don Karlos. Aber erst mit der Geschichte des
Abfalls der vereinigten Niederlande von der Spanischen Regierung, die im
Mittelpunkt dieses Bandes steht, begriff sich Schiller selbst als
Historiker und wurde als solcher von seiner Umgebung
wahrgenommen. »Alles macht mir hier seine Glückwünsche, daß ich mich in
die Geschichte geworfen«, schrieb er aus Weimar am 19. 12. 1787 an Körner.
In ihr brachte er jene Themen zur Sprache, die in der deutschen
Bildungsgesellschaft der 1780er Jahre aktuell waren: die
Gesellschaftskritik, das bürgerliche Freiheitsproblem und die Revolution,
auch wenn eine solche in Deutschland nicht auf der politischen Agenda
stand. Mit dem Thema der niederländischen Revolution »ein unverwerfliches
Beispiel zu geben, was Menschen wagen und ausrichten mögen durch
Vereinigung«, war mit Schillers eigenen Worten die treibende
darstellerische Kraft dieses Hauptwerkes, gegründet in dem
unerschütterlichen Vertrauen darauf, »daß gegen die trotzigen Anmaßungen
der Fürstengewalt endlich noch eine Hilfe vorhanden ist, daß ihre
berechnetsten Pläne an der menschlichen Freiheit zuschanden
werden«.
Das große Jenaer Vorlesungsprojekt einer »Einführung in
die Universalgeschichte« veranlaßte Schiller im Epochenjahr 1789 zu einer
Vertiefung seiner konzeptionellen Position in den Universalhistorischen
Schriften. Gleich in seiner Antrittsvorlesung bezeichnet Schiller den
Historiker als »Geschichtsforscher« und verdeutlicht mit diesem Begriff,
daß die Geschichtsschreibung auf dem Wege ist, zu einer empirisch
forschenden Wissenschaft zu werden. Über die rein »historische Wahrheit«,
das heißt die Richtigkeit der rekonstruierten Fakten hinaus ziele
Historiographie auf eine »philosophische oder Kunst-Wahrheit«, das
Verständnis der größ-eren intentionalen Zusammenhänge in der Geschichte.
Sein Freund Wilhelm von Humboldt hat es rückblickend auf den Begriff
gebracht: »Schiller pflegte zu behaupten, daß der Geschichtsschreiber,
wenn er alles Faktische durch genaues und gründliches Studium der Quellen
in sich aufgenommen habe, nun dennoch den so gesammelten Stoff erst wieder
aus sich heraus zur Geschichte konstruieren müsse, und hatte darin gewiß
vollkommen Recht«.
Schillers historische Schriften wurden bisher - abgesehen von der legendären ersten
kritischen Ausgabe Karl Goedekes - in thematisch zusammengehörigen Komplexen ediert.
Erstmals wird von diesem Verfahren hier abgewichen; die historischen Schriften werden
konsequent chronologisch und in der Textgestalt der jeweiligen Erstdrucke
wiedergegeben. Die Ausgabe beleuchtet Schillers Herausgebertätigkeit im
historischen Bereich wesentlich genauer und bringt sie auch editorisch zur
Geltung. Bei einigen Texten in den von Schiller betreuten Zeitschriften
und Editionen war die Frage nach einer möglichen Verfasserschaft Schillers
neu aufzuwerfen. AuchSchillers Quellenarbeit, die Fundierung seiner
historischen Schriften durch die besten, ihm erreichbaren Zeugnisse und
Geschichtswerke, sind in diesem Band dokumentiert.
Inhalt:
Philipp der Zweite, König von Spanien
Geschichte der merkwürdigsten Rebellionen und Verschwörungen
Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der Spanischen Regierung
Jesuitenregierung in Paraguai
Herzog von Alba bei einem Frühstück auf dem Schlosse zu Rudolstadt
Des Grafen Lamoral von Egmont Leben und Tod
Universalhistorische Schriften: Was heißt und zu welchem Ende studiert man
Universalgeschichte?
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