MERS-EL-KEBIR

[Vergeßt nicht Oran!]

Die britische Operation „Katapult“ führte am 3. Juli 1940 zur ersten Gefechts-
begegnung zwischen Briten und Franzosen seit der Schlacht von Waterloo.

Frankreich war gerade von der deutschen Armee vernichtend geschlagen worden und hatte einen Waffenstillstand unterzeichnet. Große Teile Frankreichs waren besetzt. Die englischen Truppen auf dem Kontinent zogen sich in der Operation von Dünkirchen nach Großbritannien zurück. In dieser Situation sind die Briten besorgt über das Schicksal der französischen Flotte: wenn die deutschen auf eine Auslieferung der modernen Schlachtschiffe Frankreichs bestehen würden, könte dies die Sicherheit der britischen Küste und der Handelsschiffahrt bedrohen.

Der britische Vizeadmiral Somerville erschien um etwa 7 Uhr Morgens mit seiner „Force H“ genannten Flotte vor dem französischen Hafen an der afrikanischen Mittelmeerküste Mers-el-Kebir. Captain Holland an Bord des britischen Zerstörers Foxhound überbrachte dem französischen Vizeadmiral Gensoul ein Ultimatum folgenden Inhalts: Die Franzosen sollten entweder zu den Briten überlaufen, sich mit verminderter Besatzung in englischen Häfen internieren lassen, in die Karibik auslaufen oder ihre Schiffe selbstversenken, ansonsten würde Somerville die Schiffe mit eigenen Mitteln „demilitarisieren“. Das Ultimatum war auf 6 Stunden befristet. Zeitgleich waren die sich in britischen Häfen befindlichen französischen Schiffe von den Briten geentert und die sich darauf befindlichen Seeleute interniert worden. Britische Verbindungsoffiziere hatten zunächst Freundschaftsbesuche auf den französischen Schiffen gemacht und kamen dann als Befehlshaber der Prisenkommandos zurück. Die sich in England befindlichen Einheitender französischen Marine machten etwa 10 Prozent der Kriegsschifftonnage aus und waren vom Kampfwert her keine Bedrohung für die britische Flotte, die ja immerhin einstmals die grösste Marine der Welt war. Die von Churchill als "Capital Ships" bezeichneten 4 neueren Schlachtschiffe der Franzosen (Strasbourg, Dunkerque, Jean Bart und Richelieu) sollten aber dem Kriegsgegner Deutschland unter keinen Umständen in die Hände fallen und stellten das Rückgrad der französischen Marine dar.

Um Admiral Gensoul Zeit für Konsultationen mit seinen Vorgesetzten in Frankreich zu geben wurde das Ultimatum bis 17 Uhr 30 verlängert. Da aber gerade an diesem Tag der Führungsstab der französischen Marine unter Admiral Darlan von Bordeaux ins unbesetzte Frankreich verlegt wurde, konnte Gensoul seinen Oberbefehlshaber nicht erreichen. Immerhin erreichte er noch Admiral Le Luc, welcher die gesamte französische Mittelmeerflotte in Alarmbereitschaft versetzte und 10 Kreuzer aus Algier und Toulon zur Verstärkung nach Mers-el-Kebir beorderte. Ohne den direkten Befehl seiner Vorgesetzten ging Gensoul auf das Ultimatum seiner ehemaligen britischen Verbündeten erwartungsgemäß nicht ein, da diese Bedingungen den Waffenstillstandsbestimmungen mit Deutschland zuwider liefen. Die französischen Seeleute fühlten sich von den Briten verraten.

Die britische Admiralität drängte auf eine sofortige Klärung der Angelegenheit, da die Franzosen ansonsten Verstärkung erhalten würden. Somerville ließ widerstrebend um 17 Uhr 58 aus 13.700 Meter Entfernung die französische Flotte beschießen. Die französische Flotte hatte die Zeit des Ultimatums genutzt, um sich kampfbereit zu machen: so waren nicht nur die Schiffe unter Dampf gesetzt worden, sondern auch die Küstenbatterien und 42 sich an der Küste befindlichen Jagdflugzeuge waren einsatzfähig. Außerdem hatte man trotz britischer Versuche, mit 5 Magnetminen die Hafeneinfahrt unpassierbar zu machen, eine Fahrrinne frei geräumt. Im nahen Oran machten sich außerdem 4 U-Boote bereit, beim ersten Schußwechsel die britischen Schiffe anzugreifen.

Trotzdem waren die Franzosen in einer unangenehmen Lage. Die Schlachtschiffe waren mit dem Heck an der Mole festgemacht, womit nur ein geringer Teil der schweren Artillerie zum Tragen gebracht werden konnte. So zeigte die Hauptartillerie der Dunkerque komplett nach vorne und konnte unter diesen Umständen zunächst nicht eingesetzt werden. Das Hafenbecken war so eng, daß immer nur ein Schlachtschiff auf einmal die Durchfahrt schaffen konnte. Vor Anker an der Mole waren die französischen Schiffe aber extrem leichte Beute für die britischen Geschütze. Die Küstenbatterien konnten nicht wirkungsvoll in den Kampf eingreifen, da die Force H zumeist außerhalb ihrer Reichweite blieb (nur 1 Zerstörer der Briten wurde durch die Küstenartillerie beschädigt). Die bloße Existenz der Küstenbatterien verhinderten immerhin die Verfolgung der entkommenen „Strasbourg“ durch die Briten.

Um 18 Uhr 12 bendeten die Briten den Kampf und nebelten sich ein. Das Ziel der Admiralität, die französischen Schlachtschiffe zu neutralisieren war weitgehend erreicht: die Provence wurde brennend auf eine Untiefe gesetzt, um ihr Sinken zu verhindern, die Bretagne explodierte,die Dunkerque wurde beschädigt (und 3 Tage später leck gebombt); lediglich die Strasbourg entkam.

Der Wasserflugzeugtransporter Commandante Teste war keine Bedrohung für die englische Flotte und konnte weitgehend ignoriert werden.

Die Engländer erklären, das der Zerstörer Mogador von ihnen versenkt worden sei, die Franzosen bestreiten dies. Da man die Mogador brennend in den Hafen zurückbringen konnte und sie rechtzeitig zur Selbstversenkung 1942 wieder herrichtete, haben wohl irgendwie beide recht.

Die Zerstörer Le Terrible, Tigre, Volta, Lynx und Kersaint entkamen unbeschädigt.

Die Briten entkamen unversehrt, wenn auch die Franzosen behaupten, einen britischen Zerstörer beschädigt zu haben. Die aus dem Hafen von Oran auslaufenden französischen U-Boote kamen nicht an die Force H heran, da sie wirksam von den englischen Flugzeugen und Zerstörern geblockt wurde.

Die Schlacht von Mers-el-Kebir kostete 1.297 Seeleute das Leben. Als Reaktion erfolgte der größte französische Bombenangriff des 2. Weltkriegs auf den britischen Marinestützpunkt von Gibraltar mit über 80 Bombern. Vichy-Frankreich gab zunächst den Befehl aus, auf alle britische Schiffe zu schießen. Nach einigen Tagen wurde dies mit Rücksicht auf die französische Zivilschiffahrt abgeändert, da den Franzosen "eine Niederlage genügte".

[Wappen der Stadt Oran]

Anmerkung Dikigoros: Seht Ihr, liebe Leser, das waren so die Kleinigkeiten, die über den Ausgang des Zweiten Weltkriegs mit entschieden. Nein, nicht die nicht - oder verspätet - geschlagenen Schlachten, von denen jeder daher gelaufene Historiker weiß: Hitler ließ 1940 Dünkirchen zwei Tage, 1941 Moskau und 1942 Stalingrad jeweils zwei Monate zu spät angreifen... Alles wahr; aber viel schwerer wogen die Versäumnisse seiner so genannten "Freunde" und "Verbündeten", die selbst mit minimalem Aufwand das Zünglein an der Waage hätten spielen können - und allen Grund dazu gehabt hätten: Der spanische Caudillo Franco griff 1940 Gibraltar nicht an - aber es hätte schon ausgereicht, wenn Marschall Pétains Luftwaffe (die nach Oran noch dazu in der Lage gewesen wäre) die Schiffe und Kai-Anlagen der Briten dort platt gemacht hätte. Der italienische Duce Mussolini griff Malta nicht an - beides zusammen entschied über den Ausgang des Afrika-Feldzugs, der sonst über Alexandria hinaus bis in den Iraq und in den Iran gegangen wäre, deren Völker auf Seiten der Deutschen standen und von den Allierten gerade überfallen und brutal unterdrückt worden waren. Ohne den Iran hätte es aber keinen alliierten Nachschubweg in die Sowjet-Union gegeben - wenn sich nicht auch der finnische Marschall Mannerheim (noch so ein unsicherer Kantonist) beharrlich geweigert hätte, die russische Murman-Bahn von finnischen Truppen (ein Regiment von 1.000 Mann hätte ausgereicht) unterbrechen zu lassen.


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