Die Nachrichten der Zukunft

Oliver Kalkofes letzte Worte (November 2023)

Bilder, Anmerkungen und Links: Nikolas Dikigoros

Kürzlich fragte mich jemand, als im Hintergrund zufällig das Intro der klassischen ARD-20-Uhr-Nachrichten ertönte: ‚Meinst Du, dass es die in dieser Form in dreißig Jahren noch geben wird? Die jungen Leute schauen doch gar nicht mehr fern!‘ Gute Frage. Brauchen wir den altmodischen Klumpatsch eigentlich noch? Diese pseudoseriös gescheitelten Krawattenmänner und Business-Women mit ihrer distanziert gestelzten Journalistensprache, die immer nur über so langweiligen Politik-Krempel faseln? Ziemlich boring und wenig Fun, oder schlimmer noch: eh alles linksgrün systemgesteuerte Staatsfunk-Propaganda! Je nachdem, wen man fragt. Dazu total veraltet und erst um acht Uhr abends, da hat man sowieso schon alles im Internet gelesen. Und wenn mal was wirklich Wichtiges in der Welt passiert (z.B. Cathy Hummels ein neues Pool-Outfit anprobiert, der Wendler wieder ein Deutschland-Comeback androht oder sich irgendein unbekannter Reality-Star mit irgendwem ebenso Unbekannten öffentlich verbumst hat), wird das eh nicht erwähnt. All diese Old-School-Opa-News-Channel und Laber-Shows wie die Tagesschau sind eindeutig nicht mehr zeitgemäß und höchstens noch was für Boomer oder noch ältere Halbtote ohne Follower.

Rein wirtschaftlich handelt es sich bei dieser Form von Realitäts-basierter Berichterstattung definitiv um ein kundenfeindliches Auslauf-Modell. Früher musste sich das Publikum vielleicht noch zwangsläufig von der Wirklichkeit belästigen lassen, weil es nun mal einfach keine Alternativen gab. Das hat sich in Zeiten von Fake-News, Künstlicher Intelligenz und digitalen Gestaltungsmöglichkeiten allerdings längst erledigt. Jeder Mensch kann sein eigener Sender sein, jede Meinung eine behauptete Tatsache und jede Tatsache eine behauptete Meinung – wie auch immer man es haben möchte. Ist es da nicht wesentlich sinnvoller, den Menschen nicht mehr ungefragt die unerwünschte Wahrheit aufzuzwingen, sondern sie mit freiem Willen ihre eigene Reality wählen zu lassen? Wäre doch heute ganz easy: einfach im Themen-Menü anklicken, was man glauben will, was einen nervt, was einen interessiert und zu welchen Themen der Moderator lieber die Fresse halten sollte. Egal ob ich die Existenz der Klimakrise oder der Schwerkraft akzeptiere oder nicht, Trump verehre oder verabscheue, die Erde für rund oder eine Scheibe halte, Linksgrün versifft oder Schwarzbraun versumpft bin und auf welcher Seite ich bei welchem Kriegskonflikt stehe – das alles ließe sich bequem in ein personalisiertes Wunschprofil eingeben, damit mir dann nur noch genau das erzählt wird, was auch meiner Ansicht entspricht und mich nicht emotional oder intellektuell verunsichert. Dazu dann noch kurz angeklickt, ob mein News-Update mit der Stimme von Peter Kloeppel, im Kennste-Kennste-Modus von Mario Barth vorgetragen oder von Helene Fischer gesungen werden soll und ob ich als Abschluss mein Lieblingswetter, einen boulevardesken Feelgood-Schmunzler oder gespielten Witz wünsche – Fertig! Niemand darf heute mehr unter Zwang mit einer Realität konfrontiert werden, in der er gar nicht leben möchte. Wahrheit ist ohnehin relativ - denn je Faker die News, desto Lüger die Press!


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