LIEBESPRÜFER IN DER SCHWEIZ

Zivilstandsbeamte sollen künftig Detektiv spielen

von Peter Hug (Tagesanzeiger, 16.09.2006)

nebst einigen Anmerkungen von Nikolas Dikigoros

Das Ausländergesetz sieht für Zivilstandsbeamte eine neue heikle Aufgabe vor. Sie sollen bei Verdacht auf eine Scheinehe Nachforschungen anstellen.

«Wenn wir eine Scheinehe vermuten, sind uns die Hände gebunden», erklärt Roland Peterhans vom Zivilstandsamt Zürich: «Die Gründe für eine Trauung haben wir heute nicht zu prüfen.» Der Zivilstandsbeamte hat vor der Trauung lediglich die Identität des Paares, seine Papiere und die Ehefähigkeit abzuklären. Die Heiratswilligen müssen volljährig sein, dürfen nicht bevormundet oder bereits verheiratet sein. Die Eheschliessung kann nur verweigert werden, wenn eine dieserVoraussetzungen nicht erfüllt ist, und das kommt äusserst selten vor.

«Gesetz schafft Eheschnüffler»

Das Ausländergesetz will das ändern, um Scheinehen zu erschweren. Gemeint ist eine Heirat, bei der es nur darum geht, dem ausländischen Ehemann oder der ausländischen Ehefrau zu einer Aufenthaltsbewilligung zu verhelfen. Das neue Gesetz erlaubt es den Zivilstandsbeamten, Auskünfte bei Behörden oder Drittpersonen über das Brautpaar einzuholen. Ist offensichtlich eine Scheinehe geplant, müssen sie die Trauung verweigern.

Im Abstimmungskampf fahren die Gegner schweres Geschütz gegen diese Neuerung auf. «Das Ausländergesetz schafft Eheschnüffler», heisst es im Flugblatt des Komitees «2 × Nein». Ergänzt wird diese Behauptung durch ein Zitat des Filmemachers Samir: «Zivilstandsbeamte sind keine Polizisten. Wer mit wem und warum, geht den Staats nichts an.» Von einem Schnüffelparagrafen sprach in der Nationalratsdebatte schon die Grüne Cécile Bühlmann: «Erkundigungen bei Nachbarn und Nachbarinnen einzuholen, ist eine absolute Zumutung ­ auch für die Betroffenen, die von diesem Recht Gebrauch machen sollen.»

Bis zu 40.000 Franken (25.000 Euros) bezahlen

Was hält Roland Peterhans davon, Informationen bei Nachbarn und Bekannten einholen zu müssen? Es sei nicht an ihm als Beamter, einen Auftrag des Gesetzgebers zu hinterfragen, weicht er aus. Etwas allerdings steht für den Vizepräsidenten des Verbandes der Zivilstandsbeamten fest: «Detektiv spielen können wir nicht.» Ohne zusätzliche Beamte seien umfangreiche Nachforschungen auch gar nicht möglich. Deshalb habe der Verband bereits in der Vernehmlassung Zweifel an der Umsetzung dieses Vorhabens angemeldet.

Wenn sich ein Paar sprachlich gar nicht verständigen kann oder der Altersunterschied extrem gross ist, kann das ein Indiz für eine Scheinehe sein. Doch eine Scheinehe zu beweisen, sei etwas ganz anderes, weiss Peterhans. Skeptisch seien die Zivilstandsbeamten auch wegen der «niederschmetternden Erfahrungen in Deutschland». Die Indizien für eine Scheinehe halten vor Gericht nämlich selten stand. Sehr oft heben die deutschen Richter das Nein der Zivilstandsbeamten zur Ehe wieder auf. [Das heißt doch nicht, daß die Familienrichter in der Schweiz ebenso unfähig sein müssen, Anm. Dikigoros] Der Zürcher Zivilstandsbeamte kann das verstehen. Schliesslich sei das Recht auf Ehe ein fundamentales, von der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiertes Grundrecht.

Nach einer Schätzung des Eidgenössischen Amtes für Zivilstandswesen entfallen auf die jährlich rund 12.000 Ehen, die zwischen Schweizern und Ausländern geschlossen werden, 500 bis 1.000 Scheinehen. Die Behörden befürchten, dass die Zahl solcher Ehen zunimmt. Deshalb sieht das Ausländergesetz zusätzliche Massnahmen vor. Wer eine Scheinehe eingeht oder eine solche vermittelt, muss künftig mit Strafe rechnen. Im Regelfall droht Gefängnis oder Busse bis zu 20.000 Franken. Wer sich mit einer solchen Heirat zu bereichern sucht, dem drohen sogar Zuchthaus bis zu fünf Jahren und eine Busse bis zu 100.000 Franken (62.723 Euros).

Scheinehen werden aus unterschiedlichen Motiven eingegangen. Es kommt vor, dass jemand einen Ausländer aus Mitleid heiratet, damit er in der Schweiz bleiben darf. Häufig ist das Motiv jedoch Geld. Beträge bis 40.000 Franken und mehr werden genannt. Vor allem für Drogenabhängige und Arbeitslose sind solche Summen eine grosse Verlockung. Auf der anderen Seite arrangieren Vermittler gerne Scheinehen, um beispielsweise Prostituierten aus Brasilien zu Aufenthaltsbewilligungen zu verhelfen. In der Praxis schrumpft das vereinbarte Heiratsgeld manchmal rasch zusammen. Es zeigt sich dann zum Beispiel, dass der Scheinehemann aus Bangladesh längst nicht genug verdient, um den ganzen Betrag auf den Tisch zu legen. [Deshalb dürfte das Geld in der Praxis auch vor Eheschließung fließen - man fragt sich nur, woher es dann schon kommt. Die Idee ist ja, es nach der Eheschließung auf dem Wege der Sozialhilfe vom Schweizer Steuerzahler zu bekommen. Offenbar haben die professionellen Schlepperbanden jedoch genügend Operationskapital, Anm. Dikigoros]

Vaterlose Kinder aus Scheinehen

Die Abstimmungsvorlage führt auch einen neuen Ungültigkeitsgrund für jene Ehen ein, bei denen sich erst nach der Heirat zeigt, dass sie der Umgehung des Ausländerrechts dienen. [Sehr vernünftig, Anm. Dikigoros] Die Ungültigerklärung hat auch für die Kinder aus solchen Ehen Folgen. Bis heute gilt das Kind, das während der Scheinehe zwischen einem Schweizer und einer Ausländerin geboren wird, als dessen eheliches Kind und erhält das Bürgerrecht des Vaters. Das Ausländergesetz hebt diese im Zivilgesetzbuch verankerte Vaterschaftsvermutung auf. Das Kind wird zu einem Kind ohne Vater. Bundesrat Blocher begründete die umstrittene Massnahme damit, dass erfahrungsgemäss die in einer Scheinehe geborenen Kinder gar nicht vom Ehegatten abstammten: «Sehr oft werden Scheinehen gerade deshalb eingegangen, damit das Kind, welches von einem andern Vater stammt, die Vorteile des Scheinehepartners erhält.» Mit scharfen Worten hat Suzette Sandoz, die Lausanner Professorin für Zivilrecht und ehemalige Nationalrätin der Liberalen, diese Gesetzesänderung kritisiert: «Seit der Einführung des Zivilgesetzbuches ist es das erste Mal, dass der Gesetzgeber die Kinder für das Handeln ihrer Eltern bestraft», hielt sie in der «NZZ am Sonntag» fest: «Das widerspricht allen Werten, die wir hochhalten.» [Das ist doch Unsinn, Frau Professor: Wenn es wirklich beides ihre Eltern sind - was sich anhand von Vaterschaftstests problemlos nachweisen ließe, wenn der Gesetzgeber solche Tests nicht wie in der BRD vielfach verhindern und z.T. sogar unter Strafe stellen würde -, dann bekommen die Kinder problemlos das Aufenthaltsrecht und sogar die Staatsangehörigkeit. Aber wenn nicht, dann gibt es doch keinen vernünftigen Grund, dem Vater - und ggf. dem Steuerzahler - die Kosten für solche Kuckuckseier und deren Mütter aufzubürden, Anm. Dikigoros]


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