DER KRIEG UND DIE MEDIEN

Eine Betrachtung von Peter Poprawa

[Oh what a lovely war - Karikatur von 
Oliphant. (Bildunterschrift: Wie gemütlich ist es doch an diesen kalten Winterabenden, vor 
dem Fernseher zu kuscheln und dem Krieg zuzuschauen.)]

Die Bilder sind noch in Erinnerung: Brutale Iraker zerren kuwaitische Babys aus Brutkästen und töten sie, 150.000 Iraker marschieren an der Grenze zu Kuwait auf, ein ölverschmierter Kormoran als Symbol für die naturzerstörende Kriegsführung Saddam Husseins. Erst nach dem Golfkrieg 1991 zeigte sich, dass diese Bilder und die Geschichten dazu gefälscht waren. Medien wurden manipuliert, um einen Krieg in der Öffentlichkeit zu rechtfertigen.

Die Auswahl der täglichen Berichterstattung, die Frage, wie ausführlich dieses oder jenes Thema präsentiert wird, dies sind die originären Aufgaben der Massenmedien. Selektion ist nötig. Keines der einzelnen Medien kann auch nur im Ansatz „Vollständigkeit“ leisten, die die relevanten aktuellen Informationen der Welt liefern. Darum zählt eine Medienvielfalt auch zu den Grundpfeilern demokratischer Staaten.
 
Auch wenn man den Nachrichtenagenturen und Redaktionen keine politische Intention unterstellen möchte, werden sie immer nur eine bereits verzerrte Abbildung der Realität liefern können. Die Nachricht als Beschreibung eines Vorgangs beinhaltet bereits unbewusst eine subjektive Bewertung. Schon deshalb können Medien kein umfassendes Bild von der Wirklichkeit produzieren, sie sind also wirklich niemals „objektiv“. So wie sich auch der Betrachter niemals ein objektives Bild einer Erscheinung machen kann.
 
Gravierender hingegen ist es, wenn Medien bewusst manipuliert werden, wenn bewusst Falschinformationen als Wahrheit „verkauft“ werden. Nicht immer gelingt es dem Journalisten, der „tatsächlichen Wahrheit“ auf den Grund zu gehen. Medien werden manipuliert, um die Öffentlichkeit in eine ganz bestimmte Richtung zu lenken. Die Interessen können politische, wirtschaftliche oder auch kulturelle sein.
 
Aus Sicht der Pressefreiheit war der Vietnamkrieg wohl einer der idealsten Kriege überhaupt. Es war der erste Krieg, bei dem Journalisten so gut wie keiner Zensur unterworfen waren. Wie es scheint, war es aber auch der letzte Krieg, der ohne größere Zensur auskam. Verantwortliche auf Seiten der USA hatten erkannt, dass ein „idealer Krieg nur ein total geheimer Krieg“ ist.
 
Die Kraft der Bilder
 
Aus dem Vietnamkrieg sind Tausende Fotografien bekannt, die das Leiden auf beiden Seiten dokumentieren. Diese Bilder mit entsprechenden Reportagen wurden in allen Teilen der Welt veröffentlicht - auch in den USA. Später wurde analysiert, dass es auch diese Berichte waren, die dafür sorgten, dass die „Heimatfront“ in den USA und im Rest der Welt zusammenbrach. Die patriotische amerikanische Öffentlichkeit fühlte sich gedemütigt, als sie Berichte über das Sterben ihrer Soldaten sehen musste. Die Pazifisten sahen sich bestätigt in ihrer Sicht eines „sinnlosen Krieges“. Es muss also davon ausgegangen werden, dass die Berichte dazu beitrugen, diesen Krieg zu beenden.
 
Im Gegenteil zu Vietnam konnte man später feststellen, dass es aus dem zweiten Golfkrieg 1991 so gut wie keine Fotos von getöteten Soldaten gibt. Bekannt wurden lediglich zwei Fotos, die um die Welt gingen. Beide stammen von den Brüdern Peter und David Turnley von der Agentur „Black Star“: Eines zeigt einen halb verbrannten irakischen Soldaten. Ein weiteres zeigt einen verletzten GI, der um einen in einem Leichensack neben ihm liegenden Kameraden weint. Allerdings wurde das zweite Bild erst nach Ende der offiziellen Kampfhandlungen veröffentlicht. 1993 bekamen die US-amerikanischen Strategen im Nachhinein Recht, was ihre Angst vor Bildberichten betraf: Paul Watson fotografierte 1993 den in Mogadischu, Somalia, abgeschossenen Piloten eines Hubschraubers der US-Army. Die Wirkung dieses Bildes wurde später in US-Medien so beschrieben: „Binnen weniger Monate zogen sich US-Truppen und UN-Streitkräfte aus Somalia zurück“.

Manipulation im TV

Während des Vietnamkriegs steckte das Fernsehen noch in den Kinderschuhen. Später und vor allem im Golfkrieg 1991 wurde es als Medium entdeckt, welches den Krieg in ein realitätsnahes bewegtes Leben versetzte. Fast 90 Prozent der Medienkonsumenten schauten fern. Mit dem Fernsehen stieg auch der Glaube der Zuschauer, mehr und besser Bescheid zu wissen. Der Krieg wurde zur besten Sendezeit in die Wohnzimmer gebracht und erhielt damit eine zentrale Rolle in der Planung kommender Kriege. Die Schlacht am Persischen Golf begann am 16. Januar 1991 zur Primetime 19.00 Uhr in Washington. In Bagdad ist es schon der 17. Januar und 03.00 Uhr morgens. Die Angriffe von amerikanischen Apache-Hubschraubern werden von CNN live aus Bagdad übertragen. Dieser Krieg erweckte schon in den Anfangsminuten den Anschein, zu 100 Prozent transparent geführt zu werden. Nicht umsonst gibt es den Ausspruch führender US-Militärs, dass „alle folgenden Kriege an den Fernsehern der Nation entschieden werden“.
 
Fatal an dieser Entwicklung ist, dass diese neuartigen Bilder genau das Gegenteil von dem suggerierten was sie tatsächlich beinhalteten. Der Fernsehzuschauer war überwältigt von den „detaillierten Informationen“ die ihm präsentiert wurden. Man konnte scheinbar genau beobachten, wie die „intelligenten Waffen“ ihr Ziel fanden und zerstörten. Der Zuschauer musste sich auf zusätzliche vom Militär gelieferten Informationen über Zeit, Ort und Folgen des Angriffs verlassen. Denn was er sah, war lediglich, dass eine lasergesteuerte Bombe irgendwo ein Gebäude oder Fahrzeug zerstörte. Diese Bilder aus den „Köpfen der Bomben“ vermittelten gemeinsam mit der Verwendung des Begriffs der „intelligenten Waffen“ den Eindruck absoluter Zielgenauigkeit. Der Begriff der „chirurgischen Präzision“, der immer wieder im Zusammenhang mit Angriffen Verwendung fand, unterstützte diesen Eindruck zusätzlich. Nach dem Krieg gab die Air Force jedoch zu, dass 56.000 Tonnen Sprengstoff (rund 70 Prozent) nicht ihr vorgegebenes Ziel trafen.
 
Gezielte Desinformationen
 
Doch nicht erst während des Krieges wurden gefälschte Nachrichten dazu verwendet, um den militärischen Gegner sowie auch die Öffentlichkeit zu täuschen oder zu beeinflussen. Eines der gravierendsten Beispiele solcher Aktivitäten ist die Rolle der PR-Argentur „Hill and Knowlton“ aus den USA in der Vorbereitung des zweiten Golfkrieges: Laut einem am 20.02.2002 von Florian Rötzer veröffentlichten Artikel im „Telepolis“, hatte die Organisation „Citizens for a free Kuwait“ diese Agentur 1990 engagiert, „um der militärischen Befreiung Kuwaits Nachdruck zu verleihen.“
 
Wie aus mehreren Quellen zu entnehmen ist, gelang es der PR-Agentur, ein 15-jähriges Mädchen, die Krankenschwester „Nayirah“, in einer öffentlichen Anhörung vor dem Menschenrechtsausschuss und Abgeordneten des US-Kongresses im Oktober 1990 berichten zu lassen. Sie schilderte, wie irakische Besatzer in das Addan-Hospital eindrangen, Säuglinge aus den Brutkästen holten und sie auf dem kalten Boden sterben ließen. Diese Geschichte wurde nicht nur in unterschiedlicher „Ausschmückung“ von den Medien übernommen, auch Präsident Bush (sen.) verwies bei öffentlichen Auftritten mehrmals auf diese Story. Sogar amnesty international übernahm diese Geschichte mit der angegebenen Zahl von 312 toten Säuglingen anscheinend ungeprüft. Des Weiteren ließ „Hill and Knowlton“ offensichtlich einen Film dieser Geschichte herstellen, der dann an Sender verteilt wurde, die diesen auch ausstrahlten. Außerdem soll es der Agentur gelungen sein, Bilder von angeblich gefolterten Kuwaitis während der Sitzung des Sicherheitsrats der UN zu präsentieren und angebliche Zeugen aussagen zu lassen.
 
Später stellte sich heraus, dass „Nayirah“ die Tochter des kuwaitischen Botschafters in Washington ist und die „Brutkastengeschichte“ eine Fälschung war. Die Bilder der Geschichte und eines ölverschmierten Kormorans, der zum Symbol für die naturzerstörende Kriegsführung Saddam Husseins wurde, sollen in Wirklichkeit nicht in Kuwait, sondern vor der kanadischen Küste gemacht worden sein.
 
Angst verbreiten mit Lügen
 
Zur Stationierung der US-Truppen und ihrer Alliierten kam es auch nur durch einen offensichtlichen Schwindel der USA. Die US-Regierung legte dem saudischen Königshaus angeblich authentische Satellitenbilder vor, wonach ca. 150.000 Soldaten der irakischen Armee mit vielen Panzern entlang der kuwaitisch-saudischen Grenze Aufstellung bezogen hatten. Aus Angst willigte die bis dahin wenig begeisterte saudische Regierung sofort ein. "Newsweek" konfrontierte die US-Regierung wenig später mit Bildern russischer Aufklärungssatelliten, wonach an der Grenze zu Saudi-Arabien kein einziger irakischer Soldat aufmarschiert war. Die US-Regierung verweigerte hierzu jeglichen Kommentar, was so gut wie ein Zugeständnis ist, da man im Folgenden auch keinerlei Schritte unternahm, um rechtlich gegen "Newsweek" vorzugehen.
 
Bei anderen Nachrichten konnte zwar keine Fälschung nachgewiesen werden, aber die Art der Informationen, die die Öffentlichkeit zur Verfügung hatte, verzerrte die Realität und suggerierte gewisse Inhalte.
 
In bestem Wissen und Gewissen
 
Offenbar ist die breite Zustimmung der Öffentlichkeit für die Durchführung eines Krieges unverzichtbar. Da diese Zustimmung Resultat einer Meinungsbildung ist, die auf Aufklärung durch die Medien basiert, liegt es nahe, dass die Informationen im jeweiligen Interesse des Landes präsentiert werden.
 
Klaus Kreimeier vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung stellt fest, dass die „Entmachtung einer stets als unabhängig verstandenen audiovisuellen Nachrichtenkommunikation im Golfkrieg“ Folgen für die Berichterstattung der deutschen Medien hat. Laut Kreimeier wird die entstandene Verunsicherung in Blick und Argumentation integriert. Das „Konjunktiv wird kultiviert“ und die Moderatoren warnen direkt und indirekt vor dem von ihnen präsentierten Material.
 
Nach dem Informationsdesaster von 1991 gaben sich auch prominente deutsche TV-Journalisten zerknirscht und gelobten Besserung. Nikolaus Brender sprach in einem Interview von "offensichtlichen Fehlleistungen der Kolleginnen und Kollegen" und stellte nachdrücklich Wandlung in Aussicht: "Es war totales Fernsehen mit null Informationen und trotzdem haben wir mitgemacht. Wir waren von der Einschaltquote fasziniert."
 
Nichts bleibt wie es war?
 
Nach den Anschlägen am 11. September 2001 zeichnet sich allerdings eine Entwicklung ab, die es momentan schwer macht, an zuverlässige Informationen über Sachverhalte zu gelangen, die im weitesten Sinne mit der Sicherheitspolitik der USA in Zusammenhang stehen. Präsident Bush formulierte es bezugnehmend auf den Kampf gegen den Terrorismus so: „Viele unserer Siege werden unsichtbar bleiben.“ Der stärker werdende Patriotismus in der Bevölkerung und in den Medien nach dem 11. September ist unübersehbar. Dass sich dies auf die Berichterstattung auswirkt, liegt auf der Hand.
 
Einen Fauxpas leistete sich die US-Regierung zudem mit ihrem Büro für Desinformation. Das OSI („Office of Strategic Influence“) wurde nach den Anschlägen von 11. September gegründet. Es sollte Pläne für künftige Kampagnen ausarbeiten, die auf ausländische Medien und das Internet ausgerichtet sind. Damals hatte es geheißen, absichtlich gestreute Desinformationen könnten für die Amerikaner im Kampf gegen den Terrorismus nützlich sein. Dass Falschmeldungen auch die allgemeine Öffentlichkeit täuschen, war in Kauf genommen worden. Proteste von Journalisten führten schließlich dazu, dass das OSI offiziell geschlossen wurde. Ob das auch für die „Pläne zukünftiger Kampagnen“ gilt, bleibt zu bezweifeln.
 
Im Falle eines neuen Golfkriegs soll nun aber alles anders werden. Nach Plänen des US-Verteidigungsministeriums sollen Reporter die Soldaten bis an die Front begleiten dürfen. Ihre Berichte sollen den „irakischen Desinformationen entgegenwirken“. Allerdings dürfe das Informationsbedürfnis der Reporter nicht den militärischen Plänen der US-Allianz und seiner Soldaten widersprechen. Warten wir also gespannt auf die nächsten Breaking News.

[Der US-Adler weint 
                   Krokodilstränen - Karikatur von Marlette]


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