Die Bilder sind noch in Erinnerung: Brutale Iraker zerren kuwaitische Babys aus
Brutkästen und töten sie, 150.000 Iraker marschieren an
der Grenze zu Kuwait auf, ein ölverschmierter Kormoran
als Symbol für die naturzerstörende Kriegsführung Saddam
Husseins. Erst nach dem Golfkrieg 1991 zeigte sich, dass
diese Bilder und die Geschichten dazu gefälscht waren.
Medien wurden manipuliert, um einen Krieg in der
Öffentlichkeit zu
rechtfertigen.
Die Auswahl der täglichen Berichterstattung, die Frage, wie ausführlich dieses
oder jenes Thema präsentiert wird, dies sind die
originären Aufgaben der Massenmedien. Selektion ist
nötig. Keines der einzelnen Medien kann auch nur im
Ansatz „Vollständigkeit“ leisten, die die relevanten
aktuellen Informationen der Welt liefern. Darum zählt
eine Medienvielfalt auch zu den Grundpfeilern
demokratischer Staaten.
Auch wenn man den
Nachrichtenagenturen und Redaktionen keine politische
Intention unterstellen möchte, werden sie immer nur eine
bereits verzerrte Abbildung der Realität liefern können.
Die Nachricht als Beschreibung eines Vorgangs beinhaltet
bereits unbewusst eine subjektive Bewertung. Schon
deshalb können Medien kein umfassendes Bild von der
Wirklichkeit produzieren, sie sind also wirklich niemals
„objektiv“. So wie sich auch der Betrachter niemals ein
objektives Bild einer Erscheinung machen
kann.
Gravierender hingegen ist es, wenn
Medien bewusst manipuliert werden, wenn bewusst
Falschinformationen als Wahrheit „verkauft“ werden.
Nicht immer gelingt es dem Journalisten, der
„tatsächlichen Wahrheit“ auf den Grund zu gehen. Medien
werden manipuliert, um die Öffentlichkeit in eine ganz
bestimmte Richtung zu lenken. Die Interessen können
politische, wirtschaftliche oder auch kulturelle sein.
Aus Sicht der Pressefreiheit war der
Vietnamkrieg wohl einer der idealsten Kriege überhaupt.
Es war der erste Krieg, bei dem Journalisten so gut wie
keiner Zensur unterworfen waren. Wie es scheint, war es
aber auch der letzte Krieg, der ohne größere Zensur
auskam. Verantwortliche auf Seiten der USA hatten
erkannt, dass ein „idealer Krieg nur ein total geheimer
Krieg“ ist.
Die Kraft der
Bilder
Aus dem Vietnamkrieg sind
Tausende Fotografien bekannt, die das Leiden auf beiden
Seiten dokumentieren. Diese Bilder mit entsprechenden
Reportagen wurden in allen Teilen der Welt
veröffentlicht - auch in den USA. Später wurde
analysiert, dass es auch diese Berichte waren, die dafür
sorgten, dass die „Heimatfront“ in den USA und im Rest
der Welt zusammenbrach. Die patriotische amerikanische
Öffentlichkeit fühlte sich gedemütigt, als sie Berichte
über das Sterben ihrer Soldaten sehen musste. Die
Pazifisten sahen sich bestätigt in ihrer Sicht eines
„sinnlosen Krieges“. Es muss also davon ausgegangen
werden, dass die Berichte dazu beitrugen, diesen Krieg
zu beenden.
Im Gegenteil zu Vietnam konnte
man später feststellen, dass es aus dem zweiten
Golfkrieg 1991 so gut wie keine Fotos von getöteten
Soldaten gibt. Bekannt wurden lediglich zwei Fotos, die
um die Welt gingen. Beide stammen von den Brüdern Peter
und David Turnley von der Agentur „Black Star“: Eines
zeigt einen halb verbrannten irakischen Soldaten. Ein
weiteres zeigt einen verletzten GI, der um einen in
einem Leichensack neben ihm liegenden Kameraden weint.
Allerdings wurde das zweite Bild erst nach Ende der
offiziellen Kampfhandlungen veröffentlicht. 1993 bekamen
die US-amerikanischen Strategen im Nachhinein Recht, was
ihre Angst vor Bildberichten betraf: Paul Watson
fotografierte 1993 den in Mogadischu, Somalia,
abgeschossenen Piloten eines Hubschraubers der US-Army.
Die Wirkung dieses Bildes wurde später in US-Medien so
beschrieben: „Binnen weniger Monate zogen sich
US-Truppen und UN-Streitkräfte aus Somalia
zurück“.
Manipulation im TV
Während des Vietnamkriegs steckte das Fernsehen noch in den Kinderschuhen. Später und vor
allem im Golfkrieg 1991 wurde es als Medium entdeckt,
welches den Krieg in ein realitätsnahes bewegtes Leben
versetzte. Fast 90 Prozent der Medienkonsumenten
schauten fern. Mit dem Fernsehen stieg auch der Glaube
der Zuschauer, mehr und besser Bescheid zu wissen. Der
Krieg wurde zur besten Sendezeit in die Wohnzimmer
gebracht und erhielt damit eine zentrale Rolle in der
Planung kommender Kriege. Die Schlacht am Persischen
Golf begann am 16. Januar 1991 zur Primetime 19.00 Uhr
in Washington. In Bagdad ist es schon der 17. Januar und
03.00 Uhr morgens. Die Angriffe von amerikanischen
Apache-Hubschraubern werden von CNN live aus Bagdad
übertragen. Dieser Krieg erweckte schon in den
Anfangsminuten den Anschein, zu 100 Prozent transparent
geführt zu werden. Nicht umsonst gibt es den Ausspruch
führender US-Militärs, dass „alle folgenden Kriege an
den Fernsehern der Nation entschieden werden“.
Fatal an dieser Entwicklung ist, dass
diese neuartigen Bilder genau das Gegenteil von dem
suggerierten was sie tatsächlich beinhalteten. Der
Fernsehzuschauer war überwältigt von den „detaillierten
Informationen“ die ihm präsentiert wurden. Man konnte
scheinbar genau beobachten, wie die „intelligenten
Waffen“ ihr Ziel fanden und zerstörten. Der Zuschauer
musste sich auf zusätzliche vom Militär gelieferten
Informationen über Zeit, Ort und Folgen des Angriffs
verlassen. Denn was er sah, war lediglich, dass eine
lasergesteuerte Bombe irgendwo ein Gebäude oder Fahrzeug
zerstörte. Diese Bilder aus den „Köpfen der Bomben“
vermittelten gemeinsam mit der Verwendung des Begriffs
der „intelligenten Waffen“ den Eindruck absoluter
Zielgenauigkeit. Der Begriff der „chirurgischen
Präzision“, der immer wieder im Zusammenhang mit
Angriffen Verwendung fand, unterstützte diesen Eindruck
zusätzlich. Nach dem Krieg gab die Air Force jedoch zu,
dass 56.000 Tonnen Sprengstoff (rund 70 Prozent) nicht
ihr vorgegebenes Ziel trafen.
Gezielte
Desinformationen
Doch nicht erst
während des Krieges wurden gefälschte Nachrichten dazu
verwendet, um den militärischen Gegner sowie auch die
Öffentlichkeit zu täuschen oder zu beeinflussen. Eines
der gravierendsten Beispiele solcher Aktivitäten ist die
Rolle der PR-Argentur „Hill and Knowlton“ aus den USA in
der Vorbereitung des zweiten Golfkrieges: Laut einem am
20.02.2002 von Florian Rötzer veröffentlichten Artikel
im „Telepolis“, hatte die Organisation „Citizens for a
free Kuwait“ diese Agentur 1990 engagiert, „um der
militärischen Befreiung Kuwaits Nachdruck zu
verleihen.“
Wie aus mehreren Quellen zu
entnehmen ist, gelang es der PR-Agentur, ein 15-jähriges
Mädchen, die Krankenschwester „Nayirah“, in einer
öffentlichen Anhörung vor dem Menschenrechtsausschuss
und Abgeordneten des US-Kongresses im Oktober 1990
berichten zu lassen. Sie schilderte, wie irakische
Besatzer in das Addan-Hospital eindrangen, Säuglinge aus
den Brutkästen holten und sie auf dem kalten Boden
sterben ließen. Diese Geschichte wurde nicht nur in
unterschiedlicher „Ausschmückung“ von den Medien
übernommen, auch Präsident Bush (sen.) verwies bei
öffentlichen Auftritten mehrmals auf diese Story. Sogar
amnesty international übernahm diese Geschichte mit der
angegebenen Zahl von 312 toten Säuglingen anscheinend
ungeprüft. Des Weiteren ließ „Hill and Knowlton“
offensichtlich einen Film dieser Geschichte herstellen,
der dann an Sender verteilt wurde, die diesen auch
ausstrahlten. Außerdem soll es der Agentur gelungen
sein, Bilder von angeblich gefolterten Kuwaitis während
der Sitzung des Sicherheitsrats der UN zu präsentieren
und angebliche Zeugen aussagen zu
lassen.
Später stellte sich heraus, dass
„Nayirah“ die Tochter des kuwaitischen Botschafters in
Washington ist und die „Brutkastengeschichte“ eine
Fälschung war. Die Bilder der Geschichte und eines
ölverschmierten Kormorans, der zum Symbol für die
naturzerstörende Kriegsführung Saddam Husseins wurde,
sollen in Wirklichkeit nicht in Kuwait, sondern vor der
kanadischen Küste gemacht worden sein.
Angst verbreiten mit
Lügen
Zur Stationierung der US-Truppen
und ihrer Alliierten kam es auch nur durch einen
offensichtlichen Schwindel der USA. Die US-Regierung
legte dem saudischen Königshaus angeblich authentische
Satellitenbilder vor, wonach ca. 150.000 Soldaten der
irakischen Armee mit vielen Panzern entlang der
kuwaitisch-saudischen Grenze Aufstellung bezogen hatten.
Aus Angst willigte die bis dahin wenig begeisterte
saudische Regierung sofort ein. "Newsweek" konfrontierte
die US-Regierung wenig später mit Bildern russischer
Aufklärungssatelliten, wonach an der Grenze zu
Saudi-Arabien kein einziger irakischer Soldat
aufmarschiert war. Die US-Regierung verweigerte hierzu
jeglichen Kommentar, was so gut wie ein Zugeständnis
ist, da man im Folgenden auch keinerlei Schritte
unternahm, um rechtlich gegen "Newsweek" vorzugehen.
Bei anderen Nachrichten konnte zwar keine
Fälschung nachgewiesen werden, aber die Art der
Informationen, die die Öffentlichkeit zur Verfügung
hatte, verzerrte die Realität und suggerierte gewisse
Inhalte.
In bestem Wissen und
Gewissen
Offenbar ist die breite
Zustimmung der Öffentlichkeit für die Durchführung eines
Krieges unverzichtbar. Da diese Zustimmung Resultat
einer Meinungsbildung ist, die auf Aufklärung durch die
Medien basiert, liegt es nahe, dass die Informationen im
jeweiligen Interesse des Landes präsentiert werden.
Klaus Kreimeier vom Duisburger Institut
für Sprach- und Sozialforschung stellt fest, dass die
„Entmachtung einer stets als unabhängig verstandenen
audiovisuellen Nachrichtenkommunikation im Golfkrieg“
Folgen für die Berichterstattung der deutschen Medien
hat. Laut Kreimeier wird die entstandene Verunsicherung
in Blick und Argumentation integriert. Das „Konjunktiv
wird kultiviert“ und die Moderatoren warnen direkt und
indirekt vor dem von ihnen präsentierten Material.
Nach dem Informationsdesaster von 1991
gaben sich auch prominente deutsche TV-Journalisten
zerknirscht und gelobten Besserung. Nikolaus Brender
sprach in einem Interview von "offensichtlichen
Fehlleistungen der Kolleginnen und Kollegen" und stellte
nachdrücklich Wandlung in Aussicht: "Es war totales
Fernsehen mit null Informationen und trotzdem haben wir
mitgemacht. Wir waren von der Einschaltquote
fasziniert."
Nichts bleibt wie es
war?
Nach den Anschlägen am 11.
September 2001 zeichnet sich allerdings eine Entwicklung
ab, die es momentan schwer macht, an zuverlässige
Informationen über Sachverhalte zu gelangen, die im
weitesten Sinne mit der Sicherheitspolitik der USA in
Zusammenhang stehen. Präsident Bush formulierte es
bezugnehmend auf den Kampf gegen den Terrorismus so:
„Viele unserer Siege werden unsichtbar bleiben.“ Der
stärker werdende Patriotismus in der Bevölkerung und in
den Medien nach dem 11. September ist unübersehbar. Dass
sich dies auf die Berichterstattung auswirkt, liegt auf
der Hand.
Einen Fauxpas leistete sich die
US-Regierung zudem mit ihrem Büro für Desinformation.
Das OSI („Office of Strategic Influence“) wurde nach den
Anschlägen von 11. September gegründet. Es sollte Pläne
für künftige Kampagnen ausarbeiten, die auf ausländische
Medien und das Internet ausgerichtet sind. Damals hatte
es geheißen, absichtlich gestreute Desinformationen
könnten für die Amerikaner im Kampf gegen den
Terrorismus nützlich sein. Dass Falschmeldungen auch die
allgemeine Öffentlichkeit täuschen, war in Kauf genommen
worden. Proteste von Journalisten führten schließlich
dazu, dass das OSI offiziell geschlossen wurde. Ob das
auch für die „Pläne zukünftiger Kampagnen“ gilt, bleibt
zu bezweifeln.
Im Falle eines neuen
Golfkriegs soll nun aber alles anders werden. Nach
Plänen des US-Verteidigungsministeriums sollen Reporter
die Soldaten bis an die Front begleiten dürfen. Ihre
Berichte sollen den „irakischen Desinformationen
entgegenwirken“. Allerdings dürfe das
Informationsbedürfnis der Reporter nicht den
militärischen Plänen der US-Allianz und seiner Soldaten
widersprechen. Warten wir also gespannt auf die nächsten
Breaking News.
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