„Er hat das Buch vom Cicero gelesen.“
Hermann als Leser von Cicero*

von Pierre Kadi Sossou

Das Drama Die Hermannsschlacht, in dem Kleist auf eine ganz besondere Weise die große Schlacht des Cheruskers Hermann gegen den Römer Varus im Teutoburger Wald rekonstruiert, ist das meist umstrittene Theaterstück von Kleist. Vor allem wegen der Gräueltaten, die Hermann – Held des Dramas – anstiftet und den Römern in die Schuhe schiebt, bekommt das Stück schlechte Noten. Man hält an der Vorstellung fest, Hermann setze auf archaische Rache und Hass und praktiziere für eine vermeintlich ‚heilige Sache‘ barbarische Kriegsformen, die weder anerkannte Regeln der Kriegsführung noch solche der Moral respektieren. Man sieht ihn als einen „Fundamental-Nationalisten“ (1), der jede Moral im Namen einer angeblich höheren Idee missachte. Man besteht darauf, Hermann sei keineswegs „ein strahlender Held ohne Fehl und Tadel“, denn er vertrete „legitime Interessen [...] mit barbarischen Methoden“. (2) Hermanns Grausamkeit, sein Hass, seine Täuschungsmanöver, kurz sein als inhuman erscheinendes Vorgehen können indessen nach antiken römischen Quellen als rechtmäßig gelten. Entgegen der fixen Idee, dass Hermann alles Recht missachte, möchte ich im folgenden den Nachweis führen, dass Kleist Hermann nach dem römischen Kriegsrecht, als für alle Menschen geltend, agieren lässt.

Die Hermannsschlacht entsteht, so die These dieses Beitrags, aus Anleihen Kleists beim römischen Autor Cicero. (3) Damit meine ich die Art und Weise, wie Kleist die Ciceronische Rechtsphilosophie aufnimmt und verarbeitet, vor allem wie er seinen Helden Hermann auf der Basis einer großen Vertrautheit mit dem antikrömischen Kriegsrecht operieren lässt. Zahlreiche Anspielungen im Drama zeigen ja, wie Die Hermannsschlacht Bezug auf Ciceros Schriften nimmt. Meine Lesart besteht deshalb darin, das Drama mit Blick auf sein Verhältnis zu Ciceros Texten zu lesen. Ein wichtiger Aspekt des Ciceronischen Kriegsrechts kommt im dreizehnten Auftritt des fünften Aktes, im Disput zwischen Hermann und dem römischen Anführer Septimius, zur Sprache. Bevor ich Überlegungen über diesen Disput anstelle, um die Rechtmäßigkeit von Hermanns Waffengang zu zeigen, möchte ich auf die Rechtswidrigkeit des römischen Waffengangs aufmerksam machen. 

Von der Rechtswidrigkeit des römischen Waffengangs

Die Römer wollen ein vereinigtes Germanien unter römischer Kontrolle errichten. Das koloniale Projekt in Germanien wird in dem Drama von drei römischen Legionen unter dem Befehl des römischen Feldherrn Varus durchgeführt, der sich bemüht, Konfusion und Zwist in die deutschen Fürstentümer zu tragen. Die Germanen werden von den Römern bedroht; der militärische Einmarsch in Germanien, als Hilfeleistung ausgegeben, erweist sich als Okkupation. Unter diesen Umständen kämpfen die Germanen, um materiellen aber auch kulturellen Schaden abzuwenden. Mit der Überlegung, man dürfe Kriege auf sich nehmen, um ohne Unrecht in Frieden zu leben, stellt Cicero den Verteidigungskrieg als einen gerechten Krieg dar. Kriegsanlass auf der Seite der Germanen ist – in der Hermannsschlacht – der römische Angriff. Ein Angriffskrieg muss nicht in jedem Falle ungerecht sein. Es kann für ihn eine iusta causa vorliegen. In Kleists Drama aber haben die Römer keinen Anlass, Germanien ‚in den Staub‘ zu werfen. Die römischen Figuren stellt Kleist als Heuchler dar, die, statt Hermann und Marbod den Krieg zu erklären, in beiden Lagern den Helfer spielen. Sie wollen keinen regulären Krieg gegen Hermann und Marbod führen. Um einen regulären Krieg führen zu können, sind verschiedene Voraussetzungen zu erfüllen, zu denen in erster Linie die Kriegserklärung gehört. Auf der Seite der Römer erfolgt statt einer solchen ein Hilfsangebot, das ihre Eroberungsabsichten verbirgt. Die Römer lassen die Germanen glauben, sie kämen als Freunde, nicht als Feinde. Der Krieg, den die Römer in Germanien führen, ist auf eine gravierende Weise irregulär, weil er nicht erklärt ist. 

Die Kriegserklärung ist für Cicero eine wichtige Bedingung der Rechtmäßigkeit eines Krieges: „Kein Krieg gilt als gerecht außer dem angesagten, erklärten, außer nach Forderung auf Rückgabe des Eigentums.“ (4) Die Regelung der modernen Kriegsführung weicht kaum von Ciceros Vorschriften ab. Die Notwendigkeit der Kriegserklärung ist im Völkerrecht anerkannt. (5) Die Kriegserklärung setzt voraus, dass ein gerechter Grund vorliegt. Die Römer verstoßen daher gegen diese Forderung, weil sie über keinen anderen Grund als ihren Eroberungsdrang verfügen, wie Hermann es Septimius ins Gedächtnis zu rufen versucht, als der letztere sich auf das Ciceronische Kriegsrecht beruft, um seine Haut zu retten:

Du weißt was Recht ist, du verfluchter Bube,
Und kamst nach Deutschland, unbeleidigt,
Um uns zu unterdrücken? (V. 2216ff.) (6)

Mit dieser Frage erinnert Hermann an die Bedeutung des Begriffs ‚Beleidigung‘ im Kriegsrecht, also daran, dass die Römer den wichtigsten Grund, der einen Waffengang rechtfertigen kann, nicht zur Verfügung haben. Eindeutig ist Ciceros Urteil über Kriege, die ohne Grund unternommen werden: „Jene Kriege sind ungerecht, die ohne Grund unternommen werden: denn ohne den Grund, sich zu rächen oder die Feinde zurückzuschlagen, kann kein gerechter Krieg geführt werden.“ (7) Ein Krieg, der mit dem Ziel geführt wird, Eroberungen zu machen, kann nicht gerecht sein. So fällt jeder imperialistische Krieg aus der Kategorie des bellum iustum heraus. Angriffskriege ohne vorherige ‚Beleidigung‘ oder imperialistische Kriege gelten nach Ciceros Vorstellung als verbrecherische und somit völkerrechtswidrige Kriege, gegen die sich das angegriffene Volk mit vollem Recht und allen Mitteln zur Wehr setzen darf. Führen die Römer in der Hermannsschlacht einen ungerechten Eroberungskrieg, d.h. einen unerlaubten Angriffskrieg, so führen Hermann und seine Germanen einen gerechten Verteidigungskrieg gegen den römischen Überfall und Unterjochungsversuch. 

Von der Rechtmäßigkeit von Hermanns Waffengang

Es genügt aber nicht, einen Krieg als Verteidigungskrieg zu beginnen, um Anspruch auf das Recht des bellum iustum zu erheben. Denn der Anspruch auf das Führen eines gerechten Krieges ist nicht allein durch den Beginn der Feindseligkeiten bestimmt. Das Führen und das Beenden des Krieges bestimmen das bellum iustum mit. (8) Selbst wenn man alles Recht der Welt auf seiner Seite hat, um einen Krieg zu erklären, sei es, um ein anmaßendes Volk in die Schlachten zu weisen oder sich gegen einen ungerechten Angriff zu wehren, müsse man, so Cicero, auch während und am Ende des Krieges im Recht sein. Damit bahnt Cicero den Weg zu den humanitärrechtlichen Grenzen, die in den heutigen Kriegsregelungen festgelegt sind, damit die Notwendigkeiten der Kriegsführung vor der Forderung nach Menschlichkeit Halt machen müssen. In diesem Zusammenhang lenkt Cicero die Aufmerksamkeit darauf, dass nach Erringung des Sieges diejenigen zu begnadigen seien, die im Kriege nicht grausam und unmenschlich waren. (9) Auf dieses Recht des Kriegsgefangenen weist Septimius Hermann hin: 

HERMANN: (kalt)
Dein Schwert, Septimius Nerva, du mußt sterben. (V. 2189)
[...]
SEPTIMIUS: Die Götter werden ihre Söhne schützen!
– Hier ist mein Schwert!
HERMANN: (indem er das Schwert wieder weggibt)
Führt ihn hinweg,
Und laßt sein Blut, das erste, gleich
Des Vaterlandes dürren Boden trinken!
(Zwei Cherusker ergreifen ihn.)
SEPTIMIUS: Wie, du Barbar! Mein Blut? Das wirst du nicht –!
HERMANN: Warum nicht?
SEPTIMIUS: (mit Würde) – Weil ich dein Gefangner bin!
An deine Siegerpflicht erinnr' ich dich! (V. 2201ff.)

Septimius agiert hier als Kenner des Ciceronischen Kriegsrechts, auf dessen Schutz er sich für seine Person beruft. Hermann, der seinen Cicero nicht weniger gut kennt, erwidert:

HERMANN: (auf sein Schwert gestützt)
An Pflicht und Recht! Sieh da, so wahr ich lebe!
Er hat das Buch vom Cicero gelesen.
Was müßt ich tun, sag an, nach diesem Werk? (V. 2208ff.)

Mit der Frage, was er denn „nach diesem Werk“ zu tun habe, gibt er zu verstehen, dass er selber Ciceros De officiis genau kenne und nach dessen Vorschriften handle. Dass Hermann das zu Recht behauptet, lässt sich an den Ausführungen Ciceros über den Betrug zeigen. Verglichen mit der Gewalt, die ebenfalls abgelehnt werden müsse, verdiene der Betrug, so Cicero, „entschiedenere Ablehnung. Von aller Ungerechtigkeit aber verdient keine mehr den Tod als die derjenigen, die dann, wenn sie am meisten betrügen, darauf hinwirken, daß sie als gutgesinnte Männer erscheinen.“ (10) Diese Aussage hat großes Gewicht, denn sie bildet die moralische Grundlage der Hermannsschlacht. Dadurch wird auch Hermanns Missachtung der Forderung nach menschlicher Behandlung eines Kriegsgefangenen gerechtfertigt. Wenn das Vermeiden von übermäßiger Gewalt für Cicero wichtig ist, so ist für ihn der Verzicht auf Betrug und Täuschung doppelt wichtig. Es ist für Cicero absolut zwingend, dass im Kriege die Gewalt begrenzt wird, doch für weit wichtiger noch hält Cicero das Vermeiden des Betrugs im Allgemeinen. 

Das Werk De officiis verurteilt folglich den Heuchler zum Tod, zum ‚Doppeltod' verglichen mit dem, was der Gewalttäter verdient. Die ganze Politik der Römer in Kleists Drama ist aber Simulation/ Dissimulation und Betrug. Ihren Einfall in Germanien etikettieren sie als „Hilfe für Bedrängte“, ihren Einmarsch in Cheruska als „schützende Hilfeleistung gegen Marbod“. (11) Ihre Anführer verdienen also die Todesstrafe nach den Rechtsvorstellungen von De officiis, wo „die ‚Verläßlichkeit‘, d.h. das Stehen zu Zusagen wie Übereinkünften und Wahrhaftigkeit“ (12) als Grundforderung an rechtmäßiges Handeln festgeschrieben wird. Wenn Cicero die Schonung der wehrlosen Gefangenen zur Pflicht macht, so macht er die Beachtung des gegebenen Wortes zur Ehrenpflicht: „Und auch falls Einzelpersonen unter dem Druck der Umstände einem Feind irgendein Versprechen gegeben haben, ist gerade in diesem Punkt das Treuwort zu halten.“ (13) 

Die Römer fühlen sich an gemachte Zusagen nicht gebunden. Kleist lässt Hermann sich der sokratischen Ironie bedienen, um den Moralprediger Septimius in Begründungsnot zu bringen: „Was müßt ich tun, sag an, nach diesem Werk?“ Nach einem Ausweg suchend, geht Septimius in die gestellte Falle und rechtfertigt mit seiner Sophisterei das Vorgehen Hermanns:

SEPTIMIUS: Nach diesem Werk? Armsel'ger Spötter, du!
Mein Haupt, das wehrlos vor dir steht,
Soll deiner Rache heilig sein;
Also gebeut dir das Gefühl des Rechts,
In deines Busens Blättern aufgeschrieben!
HERMANN: (indem er auf ihn einschreitet)
Du weißt was Recht ist, du verfluchter Bube,
Und kamst nach Deutschland, unbeleidigt,
Um uns zu unterdrücken?
Nehmt eine Keule doppelten Gewichts,
Und schlagt ihn tot! (V. 2211ff.)

Eine verbreitete Wahrnehmung dieser Szene liefert Wolf Kittler mit pointierter Kritik nicht nur an Hermanns Vorgehen, sondern an dem von den Germanen geführten Krieg überhaupt. „Man sieht, daß der deutsche Dichter Heinrich von Kleist sich nicht gerade auf dem Boden der Haager Friedenskonferenz und der Genfer Konvention bewegt.“ (14) Anschließend zitiert Kittler die Szene, in der Hermann auf das Duell mit seinem Gegenspieler Varus zugunsten Fusts verzichtet, und zieht aus ihr den Schluss:

So wird aus dem ritterlichen Gegner, den man zwar bekämpfte, mit dem man aber, nachdem der Entscheidungsschlag gefallen war, auch Verhandlungen führte und Verträge schloß, der absolute Feind, den man nicht nur besiegen, sondern ganz und gar vernichten muß. (15)

Kittler hätte Recht, wenn der Gegner tatsächlich „ritterlich“ gewesen wäre. Ritterlichkeit impliziert Ehrlichkeit und Fairness, Eigenschaften, die dem Varus abgehen. Auch wenn Kleist seinen Helden das Kriegsgefangenenrecht missachten lässt, bewegt dieser sich doch, um Kittlers ironisch gemeintes Beispiel aufzugreifen, insofern auf dem Boden der Haager Friedenskonferenz und der Genfer Konvention, als er auf den Urvater dieser Kriegsregelungen zurückgreift. Die Reaktion Hermanns auf die Ironie des Septimius erfolgt buchstäblich im Ciceronischen Sinne rechtmäßigen Handelns: Der „verfluchte Bube“ verdient die „Keule doppelten Gewichts“, den, wie Cicero sagt, „Doppeltod“.

Das Recht, auf das sich Hermann stützt, ist in Ciceros De officiis begründet. Keinem Vertragsbrecher wie Varus, keinem Heuchler wie Ventidius, keinem gewalttätigen Betrüger lässt Ciceros Sittenkodex eine Überlebenschance. Weil sich die Römer zur Sicherung ihrer Herrschaft der Täuschung als geistiger Waffe bedienen, hält sich Hermann an die Spielregel ‚wie du mir, so ich dir‘, indem er ebenfalls systematisch täuscht. Hermanns Täuschungsmanöver haben den Zweck, den Germanen die Augen zu öffnen über das Vorgehen der Römer, ohne dass die Römer etwas davon mitbekommen. Hermann, der seine wahren Absichten hinter listig organisierter Gastfreundschaft versteckt, könnte man Mangel an Wahrhaftigkeit und Treue vorwerfen. Dies tut Septimius, indem er voller Enttäuschung sagt: „So ist es wahr? Arminius spielte falsch?/ Verriet die Freunde, die ihn schützen wollten?“ (V. 2195f.) 

Arminius erscheint aus der Sicht der Römer als Verräter. „Wer sieht nicht ein“, so lautet indessen Ciceros diesbezügliche Frage, „daß man zu jenen Versprechen nicht stehen muß, die einer unter dem Zwang der Furcht, die er als Opfer arglistiger Täuschung gegeben hat?“ Es sind Versprechungen nicht zu beachten, so Cicero weiter, die dem, der sie gegeben hat, mehr schaden. Diese Gegenmaßnahme gegen das unbedingte Halten des gegebenen Wortes erklärt der römische Autor dadurch, dass „das Wichtigere dem Unwichtigeren vorgezogen wird.“ (17) Hermann spielt den Römerfreund, weil „Gründe von zwingender Gewalt“ (V. 737), wie er Marbod melden lässt, ihn bestimmt haben, den Einmarsch der römischen Truppen nicht länger abzulehnen.

Die Tatsache, dass Hermanns Agieren mit römischen Verhaltensweisen übereinstimmt, führt zu der Erkenntnis, dass es sich bei der Hermannsschlacht um einen Hypertext von Werken Ciceros handelt. Die ausdrückliche Nennung von Ciceros Namen als Anspielung im Text der Hermannsschlacht ist, um Genettes (18) Formulierung zu verwenden, ein impliziter Vertrag, der den Leser zumindest darauf aufmerksam machen kann, dass es zwischen dem römischen Autor Cicero und Kleist eine Beziehung geben könnte. Dem Vorwurf eines rechtswidrigen Handelns auf der Seite Hermanns kann daher mit dem Hinweis begegnet werden, dass Hermanns Handeln im Licht des Ciceronischen Werks pflichtgemäß ist. Kleist modelliert den Cheruskerfürsten zu einem Machtblock, der den Hegemonieanspruch der Römer zunichte macht. Die Waffen, mit denen er die Hauptfigur seines Dramas ausrüstet, entnimmt er dem römischen Recht. (19) Er lässt Hermann auf das Unrecht der Römer mit in Rom rechtlich erlaubten Waffen antworten. Keine der Kriegsstrategien, die Kleist Hermann entwickeln lässt, widerspricht römischem Kriegsrecht. Selbst wo Hermann das Gebot der Schonung von Kriegsgefangenen missachtet, verhängt er die Todesstrafe dem Ciceronischen Kriegskodex entsprechend. Ob er sich als Freund der Römer gibt oder ob er als deren Feind agiert: er befindet sich stets in Einklang mit Ciceronischem Kriegsrecht. Wenn also die Römer im Drama als Angeklagte in einem fremden Land erscheinen, so werden sie doch nach eigenem römischen Recht verurteilt. Damit fordert Kleist gleiches Recht für alle Menschen.

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* Ins Netz gestellt am 18. Oktober 2002. Dieser Text ist die Kurzfassung eines Beitrags zur 2. Heinrich-von-Kleist-Nachwuchskonferenz im Rahmen der Kleistfesttage 2002. Der Autor nahm mit seinem Beitrag in der Gruppe der Doktoranden teil.

1 Karl-Ludwig Baader, „Hermann, mir graut vor dir!“ ‚Kleist und Krieg heute‘ – Eine erschöpfende Diskussion im Hannoverschen Schauspielhaus, in: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 23. Oktober 2001, S. 6. Es werden hier Stellungnahmen einiger Teilnehmer am Podiumsgespräch zitiert, das im Anschluss an die Aufführung der Hermannsschlacht vom 21. Oktober 2001 organisiert wurde. 
2 Ebd. 
3 Kleists Auseinandersetzung mit Cicero und Ovid (ich beschränke mich hier auf Cicero) ist im Drama nicht leicht ersichtlich, denn er bedient sich bei der Übernahme der Kunst der Transformation. Er lässt dennoch seinen Leser/ Zuschauer Spurenelementen im Drama begegnen, die so auf Cicero und Ovid hinweisen, dass man das Stück als einen hybriden Text betrachten kann, der aus Ruinen antiker Denkmuster und moderner Renovierung besteht.
4 Cicero, De re publica / Vom Gemeinwesen, III, 23 (35), übers. und hrsg. von Karl Büchner, Stuttgart 1999, S. 283.
5 Im ersten Artikel des Haagener Abkommens vom 18. Oktober 1907 heißt es: „Die Vertragsmächte erkennen an, daß die Feindseligkeiten unter ihnen nicht beginnen dürfen ohne eine vorausgehende unzweideutige Benachrichtigung, die entweder die Form einer mit Gründen versehenen Kriegserklärung oder die eines Ultimatums mit bedingter Kriegserklärung haben muß.“ (III. Haager Abkommen über den Beginn der Feindseligkeiten vom 18. Oktober 1907. [RGBL 1910, S. 82] 
6 Heinrich von Kleist, Die Hermannsschlacht, in: Sämtliche Werke und Briefe (in zwei Bänden), hrsg. von Helmut Sembdner, München 1994, Bd. 1, S. 532-628. Versangaben im Text werden nach dieser Ausgabe erfolgen.
7 Cicero, De re publica, III, 23 (35), [Anm. 4], S. 283. 
8 Cicero, De legibus, II, 14, in: Ders., De legibus / Über die Gesetze – Paradoxa stoicorum / Stoische Paradoxien, hrsg., übers. und erläutert von Rainer Nickel, München/ Zürich 1994, S. 109. 
9 Cicero, De officiis / Vom pflichtgemäßen Handeln, I, 11 (35), übers. und hrsg. von Heinz Gunermann, S. 33 u. 35.
10 Cicero, De officiis, I, 13 (41), [Anm. 9], S. 41.
11 Gesa von Essen, Hermannsschlachten, a.a.O., S. 149.
12 Cicero, De officiis, I, 7 (23), [Anm. 9], S. 23.
13 Cicero, De officiis, I, 13 (39), [Anm. 9], S. 39.
14 Wolf Kittler, Die Geburt des Partisanen aus dem Geist der Poesie. Heinrich von Kleist und die Strategie der Befreiungskriege, Freiburg i. Br. 1987, S. 239.
15 Ebd., S. 242.
16 Cicero, De officiis, I, 10 (32), [Anm. 9], S. 31.
17 Ebd.
18 Vgl. Gérard Genette, Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe, Frankfurt a. M. 1993, S. 19.
19 Dieser Vorgehensweise entspricht Kleists Haltung gegenüber der umstrittenen Frage der Einführung des Code Napoléon in Deutschland. Im Deutschland der napoleonischen Zeit stellt sich in der Tat die Frage nach der besten Einrichtung des bürgerlichen Rechts. In dem Druck auf die besetzten Gebiete, den Code Napoleon zu übernehmen, sieht Friedrich Carl von Savigny (1779-1861), Professor der Rechts- und Politikwissenschaften in Berlin und Gründer der Historischen Rechtsschule, die Gefahr des „Despotismus“ im Recht. Während Savigny sich bemüht, die Einführung des Code Napoléon in das deutsche bürgerliche Recht zu verhindern, verhandelt Kleist über eine Lizenz zur Verbreitung des Code Napoléon in Deutschland. In seinem Brief vom 17. September 1807 an Ulrike fordert er zu diesem Zweck seine Schwester auf, eine „Buch-, Karten- und Kunsthandlung“ (Vgl. Heinrich von Kleist, Briefe, in: Sämtliche Werke und Briefe, Bd. 2, [Anm. 6], S. 789) zu eröffnen, um „den Kodex Napoleon“ und französische „Publikationen in Deutschland zu verbreiten.“ (Vgl. den Brief vom 25. Oktober 1807 an Ulrike, ebd. S. 793.) Es ist Kleist also nicht davor bange, dass das fremde Recht in Deutschland eingeführt wird. 
Mit Savigny bricht der Glaube an ein für alle Völker und Zeiten gleich geltendes Naturrecht zusammen. Kleist hingegen glaubt an keinen Zusammenbruch des antiken Naturrechts. Er sucht und findet das Emanzipationsmotiv in der Ciceronischen antiken Schule und verarbeitet es in seiner Hermannsschlacht.


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