DAS  ERBE  DER  HABSBURGER

Weniger Korruption und mehr Vertrauen in die Verwaltung

von Rainer Sommer (Telepolis/Heise, 09.06.2011)

Noch heute erinnert man sich in Norditalien wehmütig an die für frühere Zeiten eher ungewöhnliche Effizienz und Fairness der habsburgischen Verwaltung. Nun haben die Ökonomen Sascha O. Becker und Ludger Woessmann für fünf der 17 Nachfolgestaaten der Donaumonarchie (Polen, Ukraine, Rumänien, Serbien, Montenegro), die heute auch Gebiete umfassen, die nie unter der Herrschaft der Habsburger standen, untersucht, ob heute noch immer Nachwirkungen davon zu finden sind.

Die Frage war, ob am Verhalten bzw. an der erhobenen Einstellung der Bevölkerung noch immer zu bemerken sei, unter welcher Bürokratie die jeweiligen Landesteile einst gestanden hatten, obwohl diese Länder seit fast hundert Jahren unter einheitlicher nicht-habsburgischer Verwaltung stehen. Tatsächlich zeigen die Unternehmen und Konsumenten in den früheren Habsburger-Gebieten ein deutlich höheres Vertrauen in Polizei und Gerichtsbarkeit als in den Landstrichen, die früher von türkischen oder russischen Behörden verwaltet wurden.

Demnach hätten sich in der Habsburgerzeit kulturelle Normen herausgebildet, die bis heute wirksam sind und in Hinsicht auf Korruption und das Vertrauen in die Verwaltung deutliche Auffassungsunterschiede bewirken. Auch wenn man es angesichts der zuletzt in Österreich bekannt gewordenen Korruptionsvorfälle nicht glauben mag: Diese "mentalen" Unterschiede äußern sich noch heute "real", beispielsweise in dem Ausmaß, in dem für lokale öffentliche Dienstleistungen Bestechungsgelder bezahlt werden müssen. Interessant ist, dass sich diese Unterschiede unabhängig davon ergaben, wie lange die habsburgische Verwaltung jeweils wirken konnte.

Darüber hinaus erstreckten sich die Unterschiede jedoch nicht auf das Vertrauen, das die Menschen sich untereinander oder den zentralen Machtzentren wie Regierung und Parlament entgegen brachten. Daraus schließen die Forscher, dass tatsächlich allein der einstige Kontakt zu den lokalen Behörden für dieses nachhaltig wirksame Phänomen verantwortlich ist. Das wirke sich in den jeweiligen Regionen zudem auch auf das tatsächliche Verhalten der lokalen Behörden aus. Für Investoren mit starker Abneigung gegenüber behördlichen Korruptionsanforderungen könnte es folglich hilfreich sein, sich eher auf der einstigen Habsburger-Seite anzusiedeln.


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