Abgecraxt in Hammamet

Zum Tode von Bettino Craxi

von WIBKE BERGEMANN
(Jungle World, 26.01.2000)

(Bild + Links: N. Dikigoros)

[Bettino Craxi]

Seine Parteifreunde nannten ihn il tedesco, den Deutschen, wegen seiner arbeitswütigen Verbissenheit. Wie kein anderer verkörperte Bettino Craxi die politische Kultur im Italien der 1980er Jahre. Klientelismus, Korruption, Selbstherrlichkeit und Mafia-Verstrickungen gehörten einfach dazu. Doch keiner beteiligte sich so aggressiv und erfolgreich an diesem Machtspiel wie Craxi. Letzten Mittwoch verstarb der ehemalige Chef der Sozialistischen Partei (PSI) in seinem tunesischen Exil in Hammamet.

Begonnen hatte alles mit einem Missverständnis. 1976, als die Sozialistische Partei unterzugehen drohte, suchten Parteifunktionäre einen schwachen, leicht kontrollierbaren Parteisekretär. Mit Craxi griffen sie voll daneben. Er organisierte die Partei als eine zentral auf seine Person ausgerichtete Struktur - nach dem »Führerprinzip«, wie Riccardo Lombadri vom linken Parteiflügel bemerkte.

Die 1980er Jahre, das waren die Craxi-Jahre: die Zeit der Repression gegen die Reste der 77er Bewegung und die Zeit der Polit-Yuppies. Auf den Parteitagen des PSI trafen sich Modedesigner und Filmstars. 1983 wurde Craxi schließlich Regierungschef. Mit seiner fast vierjährigen ununterbrochenen Amtszeit hält er in Italien noch immer den Rekord.

Entschlossen bekämpfte Craxi vor allem den kommunistischen PCI und verhinderte geschickt dessen Regierungsbeteiligung. Gegen den Historischen Kompromiss des PCI mit den Christdemokraten (DC) lockte Craxi mit der »Linken Alternative«. Doch als sich die Möglichkeit zu einer linken Koalition bot, ließ Craxi die Partei-Kommunisten abblitzen. Geopfert wurde in Craxis Feldzug gegen den PCI war die »scala mobile«. 1984 schaffte er den automatischen Inflationsausgleich der Löhne und Gehälter ab. Der PCI verlor das von ihm initiierte Referendum, Craxi triumphierte.

Eine wichtige Rolle in Craxis Imperium spielten die Medien. Während die DC ihre Leute bei dem staatlichen Fernsehsender RAI 1 platzierte, übernahm die PSI die Kontrolle über RAI 2. »Die Tagesschau bei RAI 2 stand an Servilität gegenüber der Parteiführung realsozialistischen Medien kaum nach«, stellte der Publizist Michael Braun fest. Berlusconis Medienimperium konnte überhaupt erst dank Craxi entstehen. PSI-Banken ermöglichten die Kredite, Craxi erließ ein Dekret, das Berlusconis drei private Fernsehsender legalisierte: Eine freundliche Berichterstattung war ihm damit gewiss.

Zu bedeutenden Reformen nutzte Craxi seine Machtfülle nicht. Die grande riforma, die ihn wirklich interessierte, war eine Verfassungsreform: Jahrelang bemühte sich Craxi, die Direktwahl des Staatspräsidenten einzuführen. Doch sein Traum sollte nicht in Erfüllung gehen.

Statt dessen nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen den PSI auf. Insgesamt wurde Craxi zu mehr als 28 Jahren Haft verurteilt. So flüchtete er 1994 nach Tunesien. Bis zu seinem Tod sah er sich als Opfer politischer Verfolgung: Natürlich habe er Schmiergelder angenommen, aber das hätten doch schließlich alle getan.

»Der Deutsche« starb in einer Zeit, in der sein einstiger deutscher Amtskollege mit Mafia-Vergleichen überhäuft wird. Vielleicht steht Helmut Kohl ja noch einiges bevor, was Craxi bereits hinter sich hat. Auf jeden Fall könnte es nicht schaden, sich schon einmal nach einem Ferienhaus im warmen Süden umzusehen.


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