Das Land der Basken

Eine atlantische Insel in Europa

Als im Jahr 8500 v. C. ein Asteroid die Erde traf, infolge der Einschlagsenergie die Erde ins Taumeln geriet, die Meere ueber das Land hin brausten und alles menschliche und tierische an das Land gebundene Leben in den Flachlaendern vernichteten, kurz als die Sintflut ueber die Erde herein brach, ueberstand auf dem Lande die Katastrophe nur das, was in hohen Gebirgen oder auf durch hohe Gebirge geschuetzten Hochebenen lebte. Aber auch hier gab es infolge der anschliessenden verheerenden Regenfaelle, der Jahrzehnte oder Jahrhunderte andauernden Klimaverschlechterung und der dadurch ausgeloesten Verknappung an Nahrungsmitteln noch erhebliche Ausfaelle, so dass im atlantischen Raum, der durch die Katastrophe am haertesten getroffen wurde, am Ende nur das uebrig blieb, was lange Zeit in natuerlichen oder kuenstlich geschaffenen Hoehlen in einem klimatisch relativ guenstig gelegenem Gebiet lebte.

Zu diesen Gebieten zaehlten auch die fruchtbaren Hochlaender und die Gebirge der iberischen Halbinsel. Von den ueberlebenden Menschen in diesem Bereich, die durch ihre Einbindung in das alte atlantische Reich "der Goetter und Riesen", das in der Sintflut untergegangen war, noch einen grossen Teil des Wissens aus dieser Zeit mitbekommen hatten, ging dann die Gruendung des neuen atlantischen Reiches, das spaeter von Platon beschrieben wurde, aus. Wie bereits beschrieben, dehnte es sich in der Folgezeit an den Kuesten des Atlantiks, dem baltischen Bereich und im westlichen Mittelmeer aus.

Im Norden der iberischen Halbinsel gibt es ein Gebiet, das besonders guenstige Bedingungen fuer das Ueberleben von Menschen in durch die Natur oder durch den Menschen verursachten Katastrophen bietet. Dieses Land wird nach Westen durch die ueber 2000 m Hoehe ansteigenden Gipfel des kantabrischen Gebirges geschuetzt, hat selbst im Norden stark gebirgigen Charakter, der ein Eindringen feindlicher Menschen stark erschwert und oeffnet sich nach Sueden in fruchtbaren Hochebenen, die jede Art von Landwirtschaft ermoeglichen. Fuer ausreichende Regenfaelle sorgt der nahe gelegene Atlantik im Zusammenwirken mit den Gebirgsketten. Sie speisen den das Gebiet nach Sueden begenzenden Fluss, der heute den Namen Ebro fuehrt, das ganze Jahr ueber mit ausreichend Wasser.

Wegen dieser Vorzuege wurde dieses Gebiet seit der Zeit des Cro-Magnon-Menschen immer und durchgehend von der gleichen Art Menschen bewohnt. Sie ueberlebten hier die zwei grossen Naturkatastrophen, welche die atlantischen Reiche untergehen liessen, wanderten nach der zweiten Katastrophe nicht nach Osten hin aus, sondern blieben, wie auch andere kleinere Gruppen in verschiedenen beguenstigten Gebieten, in ihrem Land. Gegen die spaeter einwandernden keltischen und germanischen Volksscharen verteidigten sie es mit allen Kraeften und grosser Zaehigkeit und retteten so sowohl ihre Gesetze, ihre Traditionen und ihre Sprache bis in die heutige Zeit. Dies, obwohl die noerdlich und suedlich angrenzenden Nationalstaaten Frankreich und Spanien ihnen dieses nationale und kulturelle wie sprachliche Ueberleben seit den Anfaengen des zwanzigsten Jahrhunderts mit den Mitteln des modernen Staates und neuerdings auch mit den Mitteln der modernen Kommunikationsgesellschaft wie Rundfunk und Fernsehen ausserordentlich erschweren.

Die Rede ist vom Baskenland oder Euskadi, wie es in der Landessprache genannt wird. Es ist heute ein kleines Land zwischen den westlichen Pyrenaeen und den Ufern des Golfes von Bizkaia. Es hat noch eine Flaeche von ca 20.700 Quadratkilometern, von denen der kleinere Teil noerdlich der Pyrenaeen im heutigen Frankreich, der groessere suedlich der Pyrenaeen im heutigen Spanien liegt. Es ist in sieben historische Provinzen gegliedert, die sich in ihrer Sprache Araba, Behenafarroa, Bizkaia, Gipuzkoa, Lapurdi, Nafaaroa und Zuberoa nennen. Es hat etwa 2.900.000 Einwohner, von denen 230.000 im Bereich des heutigen Frankreich leben. Die Basken stellen eine ethnische Einheit mit eigener Sprache und Kultur dar, die sich deutlich von den noerdlichen und suedlichen Nachbarn abhebt. Ihre Sprache ist das Euskera, der Einwohner heisst Euskaldun. - Euskera dun: der, welcher Euskera spricht.-

Wilhelm von Humboldt, der im 19. Jahrhundert das Baskenland bereiste, beschreibt den Basken wie folgt: Gross, schlank, trotzdem kraeftig, schwarze Haare, starke Augenbrauen und fein geschnittene Gesichtszuege. Auffallende Charaktereigenschaften sind nach ihm Hoeflichkeit und Mut. Die Haeuser sind sauber und die Kleidung ordentlich, nur die Sprache ist fremdartig, anders als alle bekannten Sprachen und auch mit erheblichen fremdsprachlichen Erfahrungen nicht zu verstehen. Dies wird auch dem heutigen Besucher des Baskenlandes sofort klar, wenn er die Hinweisschilder in der Landessprache an den Strassen zu verstehen sucht. Es wimmelt in dieser Sprache von starken Konsonanten wie K, Z, R und P, oft noch dazu in Kombination miteinander. Dazwischen befinden sich als besonders haeufige Vokale das "i" und das "eu" sowie das "ei" und die Kombination "oa". Ein kleines Beispiel davon soll im Folgenden gegeben werden. Es handelt sich dabei um die Strophe eines Liedes, welches das Wiedererwachen von Euskera als geschriebene Sprache besingt:

Lengoajetan ohi intzan
estimatze gutitan
Orai aldiz hik behar duk
Ohoria orotan.
Heuskara, habil mundu guzira!

was besagt: Unter den anderen Sprachen
hat man dich wenig gewuerdigt;
jetzt dagegen wirst du
unter allen geehrt.
Euskera, geh' durch die ganze Welt!

Viele Wissenschaftler haben versucht, die Herkunft dieser Sprache zu klaeren. Bis heute ist aber niemand zu einem befriedigenden Ergebnis gekommen. Unbestritten ist aber, dass diese Sprache im Baskenland seit der Vorgeschichte gesprochen wird und von baskischen Sprachwissenschaftlern wird behauptet, dass sie bis 6.000 v.C. eindeutig fuer das Baskenland belegt ist, das heisst, dass sie hier bereits zur Zeit des atlantischen Reiches und der Megalithkultur gesprochen wurde. Fuer die heutige Wissenschaft ist auch die Herkunft der Basken noch immer ein Raetsel, dessen Loesungsversuche aber immerhin zu zwei Theorien gefuehrt haben, die sich, wie sich zeigen wird, ohne grosse Probleme zusammenfassen lassen, wenn man auch in der Wissenschaft die Existenz eines atlantischen Reiches der Fruehgeschichte voraussetzt.

Die erste und am weitesten verbreitete Theorie besagt:
Die Basken stammen vom urspruenglichen Cro Magnon Menschen ab. Sie konnten sich in ihrer einsamen Lage ungestoert entwickeln und unvermischt erhalten, wobei ihre urspruengliche Kultur und Sprache ebenfalls erhalten blieb. Es gibt also keinen wesentlichen Unterschied zwischen den Menschen der Cro Magnon Rasse und den Basken. Diese Kontinuitaet kann mit Daten der Craniometrie belegt werden, sie findet gemeinsame Merkmale bei Cro-Magnon-Schaedeln und den Schaedeln der Basken. Dabei wird besonders auf die Kurzkoepfigkeit von Cro Magnon Menschen und Basken hingewiesen.

Die zweite Theorie stellt die Beweiskraft der Craniometrie in Frage, weil Kurzkoepfigkeit seit dem Neolithikum (also der Ausbreitungszeit des zweiten atlantischen Reiches) auch in anderen Teilen Europas vorkommt und dazu im Baskenland nicht die einzige vorkommende Schaedelform ist. Sie legt deshalb die serologischen Eigenschaften des Blutes als Unterscheidungsmerkmal fest und kommt zu dem Ergebnis, dass eine Gleichheit zwischen dem Baskenland, dem aquitanischen Umkreis und anderen Randvoelkern Europas besteht. In ihren Bevoelkerungen herrschen die Blutgruppe 0 und der Rhesusfaktor negativ vor. Es wird daraus der Schluss gezogen, dass die Basken, wie auch andere europaeische Randvoelker, zu dem vorindogermanischen Volk der "Liguren" gehoerten, die Westeuropa im Neolithikum besetzten. Bei den Randvoelkern ging die Sprache in der Auseinandersetzungen mit anderen Voelkern verloren, bei den Basken konnte sie sich auf Grund der abgeschlossenen Lage erhalten.

Ersetzt man in beiden Theorien die Begriffe "Cro Magnon Rasse" und "Liguren" durch "Atlanter" und betrachtet dazu noch die in diesem Buch beschriebene Geschichte der Ausbreitung und des Untergangs des atlantischen Reiches, dann stimmen beide Theorien ueberein. Damit ist nach den bisher von der Wissenschaft angewendeten Untersuchungsmethoden bewiesen, dass es sich bei den Basken um die direkten und nahezu unvermischten Nachfahren der Atlanter des Neolithikums und moeglicherweise sogar des Mesolithikums handelt. Das gleiche gilt damit auch fuer ihre Sprache und ihre Kultur. Wir haben also in den Basken und in der baskischen Kultur und Sprache einen Faden, der uns zur Kultur und zum Wesen der Atlanter zurueck fuehrt.

Damit gewinnen die in der baskischen Kultur erhaltenen Mythen und Legenden sowie die praehistorischen Spuren, die sich im Leben der baskischen Bauern und Hirten wieder finden, eine ganz andere Bedeutung. Es handelt sich nicht nur um die Vergangenheit eines kleinen Bergvolkes, sondern um die Vergangenheit des gesamten westlichen Kulturraumes um nicht zu sagen, um einen Teil der Vergangenheit der gesamten Menschheit. Untermauert wird diese Feststellung noch durch Beobachtungen der Anthropologen. So stellte Dr. I. Barandiaran in seinem 1969 gehaltenen Vortrag "Ueber die Herkunft der Basken" fest, dass man ueberrascht wird von der Anzahl der Spuren aus den aeltesten Zeiten die man in der Mythologie der baskischen Hirten und Bauern entdeckt.

"Bemerkenswert ist das Ueberleben von Mythen und Ueberlieferungen mit Hinweisen auf sagenhafte Heldengestalten, die in denselben Hoehlen wohnen, die schon die Menschen aus dem aelteren Palaeolithikum vor 15.000 oder 20.000 Jahren zum Wohnen oder fuer ihre kuenstlerischen Wandmalereien benutzten. Das heisst, dass die gleichen Gestalten , die das Pyrenaeenvolk in der Ren-Zeit schuf, heute noch lebendig sind und auf die heutige baskische Mythologie einwirken. Die Welt von Gestalten und Kulten ist heute noch dieselbe wie damals."

Diese Verbundenheit mit der Vergangenheit zeigte sich auch in anderen Bereichen des Lebens. Bis zum Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts stand in den baskischen Kuechen der Herd noch in der Mitte des Raumes bzw. es befand sich dort das Feuerloch, genau so, wie man es aus den Hoehlen des Palaeolithikums kennt. Die baskischen Hirten verwendeten Gefaesse aus Holz oder Horn und zum Kochen der Milch in ihnen erhitzten sie Steine, die "esnearriak" oder "txukunarriak" genannt werden. Nach dem Erhitzen wurden sie in die Milch gelegt, die darauf sofort zu kochen anfing. Die Uebereinstimmung des heutigen Weidegebiets mit dem Fundgebiet von Dolmengraebern zeigt, dass auch die atlantische Tradition der Weidewirtschaft bis in die heutige Zeit unveraendert weiter gefuehrt wird. Interessant sind auch die Reste eines Beilkultes. Man glaubt noch heute, dass ein Beil entsteht, wenn ein Blitz in die Erde faehrt. Aus diesem Grunde wird das Beil auch als ein wirksames Mittel gegen Gewitter und Blitzschlag angesehen. Man nennt es "tximistarris" (Blitzgestein). Beil und Hacke werden mit zusammen gesetzten Woertern bezeichnet, in denen der Begriff "aitz"=Stein enthalten ist. "Aitzkora" ist das Beil, "aitzur" die Hacke.

Im Lande lebten mehrere baskische Staemme, die zur Zeit der roemischen Besetzung Iberiens "gens" genannt wurden. Ihre Oberhaeupter bildeten den Tribalrat (Stammesrat). Reste dieser Raete blieben bis ins Mittelalter erhalten. Das Erbe wurde mutterrechtlich uebertragen und die Gueter wurden kollektiv genutzt. Jeder Stamm hatte einen eigenen Dialekt. Die Stammesverbaende spiegelten sich spaeter in den Ritterguetern der Feudalzeit wider. Die Roemer bevorzugten bei ihrer Ansiedlung die suedlichen fruchtbaren Landesteile. Die uebrigen Gebiete wurden mit gepflasterten Strassen erschlossen . Einige hier bereits seit atlantischer Zeit existierende Bergwerke wurden genutzt. Auch einige Stadtgruendungen gehen auf die Roemer zurueck wie Baiona (Bayonne) und Pamplona, das von Pompeius gegruendet wurde. Im uebrigen gab es eine friedliche Koexistenz mit den Roemern, die Basken lebten in den Bergen ungestoert ihr Leben und im fruchtbaren Sueden fuehrten die Roemer die Latifundienwirtschaft ein. Lateinische Lehnwoerter kennzeichnen von den Roemern uebernommenen technischen Fortschritt in der Landwirtschaft.

Das aenderte sich, als im 5. Jahrhundert n. C. die Westgoten in das Land eindrangen. Sie interessierten sich ebenfall vor allem fuer die fruchtbaren Ebenen im Sueden und im Zentrum und versuchten die Basken aus diesen Gebieten zu vertreiben. Da die Basken ihr Land nicht aufgeben wollten, fuehrte dies zu staendigen kriegerischen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf die baskischen Staemme sich notgedrungen zu einem Volk zusammenschlossen. Auch von Norden wurden sie jetzt durch die einwandernden Franken bedraengt und als im 8. Jahrhundert auch noch die Araber ins Land einfielen, hatten sie gegen drei Voelker zu kaempfen. Ein besonders in die Geschichte eingegangenes Ereignis aus diesen Auseinandersetzungen ist der Kampf gegen die Truppen Karls des Grossen, die 778 n. C. in der Schlucht von Roncesvalles von den Basken teilweise vernichtend geschlagen wurden, was den Franken die Lust auf weitere Abenteuer in dem suedlich der Pyrenaeen gelegenen Raum fuer eine lange Zeit nahm.

Auf Grund der staendigen Auseinandersetzungen mit den Nachbarn aenderten sich sowohl die Gesellschafts- wie auch die Wirtschaftsstruktur des Landes. Die Bedeutung des Kriegswesens nahm zu und in dessen Folge die Bedeutung des kriegfuehrenden Mannes und seines Anfuehrers. Die mutterrechtliche Struktur wurde aufgegeben und durch die Vorherrschaft des Mannes ersetzt. Aus den Fuehrern im Krieges bildeten sich Herren , denen im wesentlichen Grund und Boden gehoerte und Knechte, die ihn im Friedensfall bearbeiteten und im Kriegsfall die Gefolgschaft des Herren bildeten. Um den vorhandenen Boden besser zu nutzen, ging man, soweit es die Bodenstruktur erlaubte, von der extensiven Weidewirtschaft auf den intensiveren Ackerbau ueber. Diese gesellschaftlichen Veraenderungen sind auch an anderen Stellen des atlantischen Siedlungsgebiets belegt.

Im 7. Jahrhundert bildete sich an der Nordseite der Pyrenaeen ein Herzogtum von Vasconia, das sich nach der Eroberung durch Karl den Grossen in staendigem Wechsel zwischen Untertaenigkeit und Unabhaengigkeit von den Franken befand. Im Sueden gab es im 9. Jahrhundert das Koenigreich von Pamplona und 842 erschien hier der Koenig Eneko Aritza, der aus einer Dynastie der Pyrenaeen kam. Seinen Nachfolgern gelang es dann, die von den Arabern eroberten Gebiete zurueck zu gewinnen und das erste Koenigreich von Navarra zu gruenden. Der Koenig musste sich aber bei seiner Ausrufung durch seine Untertanen verpflichten, sie nach ihren Rechten und Sonderrechten zu behandeln.

Es gab also hier, wie in den atlantischen Koenigreichen des vorderen Orients, so zeitweise bei den Hethitern, den Medern und im Babylon der Kassitenzeit, eine Art von konstititioneller Monarchie, zwar nicht nach geschriebenem aber doch nach ueberliefertem und praktiziertem Recht. Die Entscheidungen des Koenigs mussten sich den "fueros" unterordnen. Entsprachen die Anordnungen des Koenigs nicht den "fueros" so wurden sie zwar respektiert, aber nicht durchgefuehrt. Die Volksvertretung, genannt "cortes" konnte darueberhinaus Gesetze ausser Kraft setzen, die vom Koenig erlassen worden waren.

Ab dem 12. Jahrhundert gingen dann die Regionen verschiedene Wege. Die noerdlich der Pyrenaeen gelegenen Gebiete wurden in die Auseinandersetzungen zwischen England und Frankreich um den Besitz von Aquitanien hineingezogen und wurden bis zum 15. Jahrhundert von England und dann von Frankreich beherrscht. Die suedlichen verbanden sich zu unterschiedlichen Zeiten und aus verschiedenen Gruenden mit dem Koenigreich Kastilien, wobei die Koenige sich weiterhin verpflichteten die "fueros" des Baskenlandes zu achten.

Bei diesen "fueros" handelt es sich um die Gesetze nach denen die Gebiete der Basken seit uralten Zeiten regiert wurden. Sie waren geschichtlich ueberkommene Gesetze der einzelnen Regionen. Damit stellen sie einen Teil der aus der atlantischen Zeit ueberkommenen Tradition dar und sind deshalb besonders interessant, weil sie zeigen, wie in atlantischer Zeit das Volk seine politische Ordnung fand. Sie bestanden anfaenglich aus Sitten und Gebraeuchen, nach denen sich das Volk richtete und nach denen sich auch die jeweils herrschenden Regierungen orientieren mussten. Aus diesem Grunde wurde es schliesslich notwendig, sie schriftlich zu fixieren. Es erschienen in den einzelnen baskischen Regionen Sammlungen dieser Gesetze, die man dann mit dem Namen "Fuero" bezeichnete. Im Jahr 1237 erschienen zuerst die allgemeinen Fueros von Nafarroa, denen 1520 die von Zuberoa und 1526 die von Bizkaia folgten.

In ihrer Art und nach ihrer Herkunft aus der Zeit Tausende von Jahren vor Christi Geburt, stellen sie die Sammlung der aeltesten auf europaeischen Boden entstandenen Gesetze dar und sind ein Ausdruck der Souveraenitaet des Volkes, das aus langer Tradition und Erfahrung weiss, wie das politische Zusammenleben in Uebereinstimmung mit dem Volkscharakter und seinen Beduerfnissen am besten geregelt werden kann. Der Fuero von Navarra sagt dazu eindeutig:

Die Gesetze existierten zuerst und erst danach die Koenige
und deshalb haben sich auch die Koenige nach den Gesetzen zu richten.

In diesem Selbstbewusstsein und in der konsequenten Verteidigung dieser Rechtsauffassung bis zum offenen oder verdeckten Kampf bis in die heutige Zeit hinein, beweisen die Basken einmal mehr, dass sie voll in der atlantischen Tradition stehen. Wenn auch das Bewusstsein vielleicht verloren gegangen ist, das es noch bei den alten atlantischen Voelkern gab, naemlich dass diese Gesetze ihnen einst von den "Goettern" gegeben wurden und dass sie deshalb unantastbar sind, besteht doch im ganzen Volk die feste Ueberzeugung, dass es sich bei den Gesetzen um eine hoehere Ordnung handelt, der sich ausnahmslos alle, selbst die jeweils Herrschenden, unterzuordnen haben.

Dass bei den Basken dieses Bewusstsein um den goettlichen Ursprung der Gesetze nur noch unbewusst vorhanden ist, kann auch daran seine Ursache haben, dass die Basken, als ein vorwiegend in schwer zugaenglichen Gebirgsregionen lebendes Randvolk des atlantischen Reiches, selbst nicht ueber einen ausreichend dauerhaft organisierten Priesterstand verfuegten und die Gesetzespflege deshalb vorwiegend im Volk selbst verankert war. Wie die Geschichte in diesem Fall beweist, ist dies aber offenbar nicht die schlechteste Art, anerkannte Gesetze ueber Jahrtausende zu bewahren.

Aufgrund dieser Fueros hatte des Baskenland eigene und autonome Regierungsinstitutionen. In Navarra waren es die "cortes" des Koenigreiches, die bis 1851 gueltig waren. In den anderen baskischen Regionen bestanden sie in den "juntas generales"- den Regierungsausschuessen. Sie wurden von den Buergern direkt oder ueber die Stadtraete indirekt gewaehlt und hatten die Aufgabe Gesetze zu entwerfen und den Haushalt und die Steuern zu bestimmen. Sie waehlten auch die Abgeordnetenversammlung - Diputacion - welche die exekutive Gewalt ausuebte. Die Gesetze des Koenigs von Kastilien, der in einem Teil dieser Zeit der Oberherr war oder auch der franzoesichen Krone, zu der das Baskenland eine Zeit lang gehoerte, wurden nicht befolgt, wenn die Juntas Generales sie nicht akzeptierten. Sie hatten dann den sogenannten "pase foral" nicht bestanden. Der kastilische Koenig hatte zu dieser Zeit nur einen Corregidor ohne Kompetenzen in der Legislative. Die Fueros waren in dieser Zeit noch so maechtig, dass derjenige, welcher sie zu uebergehen versuchte, hingerichtet werden konnte.

Besonders wichtige Fueros bestanden darin, dass der Koenig das Baskenland nicht mit Steuern belasten durfte und sich mit Stiftungen zufrieden geben musste, die ihm die Juntas Generales bewilligten und dass er die Basken nicht zwingen durfte, im Heer des kastilischen Koenigs zu dienen. Dieses Heer oder Teile davon durften auch nur mit den Einschraenkungen durch das Land marschieren, die von den Deputationen angeordnet worden waren. Das Recht zum Einziehen von Steuern wurde dann vom 16. bis zum 19. Jahrhundert der Grund fuer die staendigen Angriffe der kastilischen Krone gegen die Fueros. Sie wurden als unzulaessige Privilegien der Basken bezeichnet und ihre Abschaffung immer wieder gefordert. In den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und Spanien in Folge der franzoesischen Revolution und der darauf folgenden innenpolitischen Auseinandersetzungen in Spanien, die zur Verfassung von Cadiz von 1812 fuehrten, die auch uneingeschraenkt fuer das Baskenland gelten sollte und damit die Fueros voruebergehend ausser Kraft setzte, geriet die Eigenstaendigkeit des Baskenlandes mehr und mehr in Bedraengnis.

Die drei Karlistenkriege von 1833, April 1872 und Dezember 1872, der bis 1876 dauerte, fand die Basken auf der Seite der Verlierer, die zugesagt hatten, ihre Fueros zu respektieren . Der Verlust des ersten Krieges fuehrte schon 1839 zum Verlust der juristischen und legislativen Gewalt. Es wurde ein einziges richterliches System eingefuehrt und ebenso die Wehrpflicht. Doch die baskischen Regionen gaben nicht auf. Die Deputationen von Araba, Gipuzkoa und Biskaia erhoben Einwaende gegen die Veraenderungen an den Fueros. In Nafarroa handelte 1841 eine liberale Deputation ein Gesetz mit der Zentralregierung aus, das weitere Veraenderungen an den Fueros von der Zustimmung der Basken abhaengig machte. Nach den verlorenen Karlistenkriegen 1876 erliess dann die Regierung von Madrid ein Gesetz, das die Fueros in allen baskischen Regionen ausser in Navarra abschaffte, wo das 1841 vereinbarte Gesetz weiterhin gueltig blieb.

Ab 1877 wurden dann die Foraldeputationen durch die Provinzdeputationen wie in den uebrigen spanischen Provinzen ersetzt. Regiert wurden sie durch einen Gouverneur, der die Mitglieder der Provinzdeputation ernannte. Damit waren auch die letzten Reste von demokratischer Mitwirkung der Basken an der Gesetzgebung und der Steuerhoheit beseitigt. 1878 folgten Wirtschaftsabkommen in denen die Steuern fuer die Deputationen festgelegt wurden. Dieser Zustand hielt an bis 1936. Doch der Gedanke einer eigenstaendigen baskischen Nation war nicht gestorben, sondern hatte in den Karlistenkriegen und ihren Opfern eher an Bedeutung gewonnen. Der Kampf und das Ringen um die Eigenstaendigkeit verlagerte sich jedoch mehr auf die geistige Ebene.

Ihr markantester Verfechter war lange Zeit Sabino Arana, der als Sohn eines Karlisten 1865 in Bilbao geboren wurde und anfaenglich selbst Karlist war. Er studierte die Fueros, baskische Geschichte und Kultur und kam zu der Ueberzeugung, dass es sich bei den Basken um eine eigenstaendige Nation und sogar Rasse handelte, die sich am deutlichsten in den baskischen Namen manifestierte. Er schuf die baskische Flagge, die baskische Hymne und auch den Namen Euskadi, der heute bereits Allgemeingut geworden ist. 1893 gab er eine Zeitschrift heraus und gruendete 1895 eine politische Organisation.

Beide wurden verboten und Arana gefangen genommen. Aber seine gegruendete Organisation, die Eusko Alderdi Jeltzalea (PNV) war bereits so kraeftig, dass sie auch nach dem Tod ihres Gruenders im Jahr 1902 ohne ihn weiter bestehen konnte. Ihr Motto war: "Gott und die Fueros". Ihr Ziel: ein baskischer Bundesstaat. Ihre Heimat hatte sie im baskischen Kleinbuergertum und richtete sich gegen die Herrschaft der spanischen Oligarchie.

Auf Anregung dieser inzwischen zur Partei gewordenen Organisation wurde 1911 eine Gewerkschaft mit klassenueberschreitendem Charakter gegruendet, die "Solidaritaet der baskischen Arbeiter" genannt wurde und in der Folgezeit die Entwicklung der Partei sehr foerderte. Sie nannte sich EAJ (PNV) und verbreitete sich von Bizkaia auch nach Gipuzkoa und Araba. Von 1923 bis 1929 waren unter der Militaerdiktatur von General Primo de Ribera alle Parteien verboten. Mit der Einfuehrung der Republik 1931 belebten sich wieder die Hoffnungen auf eine baskische Eigenstaendigkeit, in der die EAJ aber eine schwierige Situation hatte. Ihre traditionelle baskische (atlantische) Einstellung liess sie die Kirche und die Republik befuerworten. Das trennte sie einerseits von Sozialisten und Kommunisten und andererseits von Karlisten und Monarchisten, die eine Monarchie fuer Spanien anstrebten.

Darauf war es dann zurueck zu fuehren, dass im Juni 1932 das Autonomiestatut fuer die baskischen Provinzen in Navarra mit Mehrheit abgelehnt wurde, waehrend die uebrigen drei Provinzen ihm zustimmten. Trotzdem wurde Ende 1935 das Projekt eines baskischen Statuts noch in den spanischen Cortes verhandelt.

Mit dem Wahlsieg der Volksfront im Februar 1936 endete die kurze Zeit der Republik in Spanien durch den Putsch der Rechten und den anschliessenden moerderischen Buergerkrieg. Er wurde auf Seiten der rechten Putschisten ab Juli 1936 von General Franco gegen die linke republikanische Regierung gefuehrt. Da die Regierung die Hilfe der Basken brauchte, unterschrieb sie im Oktober das Statut. Sofort bildete sich eine baskische Regierung, an der ausser den Nationalisten auch die linken Kraefte beteiligt waren.

Und wieder hatten die Basken, um ihre nationale Eigenstaendigkeit schnell zu erreichen, die Seite der Verlierer gewaehlt. Die Repression durch die rechten Kraefte war entsprechend stark. Baskischer Nationalist zu sein reichte aus, um auf einem Seitenstreifen der Strasse erschossen zu werden. Bereits 1937 waren etwa 180.000 Basken ins Exil geflohen, und mindestens 10.000 sassen in den Gefaengnissen. Auch der national eingestellte baskische Klerus wurde schwer getroffen: 16 Priester wurden erschossen, 278 kamen ins Gefaengnis und 1300 wurden verbannt. Als Strafe fuer die "verraeterischen Provinzen" wurden die Wirtschaftsabkommen abgeschafft, die den letzten spaerlichen Rest der Fueros dargestellt hatten.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, der von den "demokratischen" Kraeften des Westens gewonnen wurde, schoepften die Basken neue Hoffnungen, die sich aber als truegerisch erwiesen. Im Gegenteil wurden jetzt alle nationalen baskischen Regungen nach dem Aufbau eines modernen Repressionsstaates durch die Frankisten unterdrueckt. Die baskische Sprache wird verboten , ebenso alle baskischen Symbole. Die vier Provinzen Bizkaia, Gipuzkoa, Araba und Nafarroa werden geteilt und in allen Verwaltungsbereichen getrennt. Die neu eingefuehrte senkrechte Organisation der Gewerkschaften macht auch die Arbeiter machtlos. Papst Pius XII unterstuetzt den totalitaeren Staat indem er getrennte Dioezesen errichtet. Die Vereinigten Staaten von Amerika helfen Franco durch wirtschaftliche Unterstuetzung und 1955 wird Francos Repressionsstaat in die Vereinten Nationen aufgenommen.

Der baskische Nationalismus muss tatenlos zusehen. Jede politische Arbeit wird gnadenlos verfolgt. Doch aus Repression entsteht Aggression. 1956 entsteht aus der zur Untaetigkeit verdammten Jugend der EAJ (PNV) eine Bewegung, die 1959 zur ETA (Euskadi ta askatasuna) wird. Sie lehnt aus der Erfahrung mit dem spanischen Staatskatholizismus jede Konfessionsgebundenheit ab und vertritt die Ansicht, dass die Gewalt, die der Frankismus ausuebt, nur mit Gegengewalt beantwortet werden kann. Dadurch geraet sie in Konflikt mit der Mutterpartei EAJ (PNV), die weiterhin Gewalt als Mittel der Politik ablehnt.

Im Gruendungsjahr 1959 folgten die ersten Taten, die wenig Aufmerksamkeit erregten, und 1960 folgten dann die ersten Verhaftungen. Im Maerz erliess der Frankostaat ein Dekret gegen militaerische Rebellion, das gegen die gerichtet war, die an Aktionen beteiligt waren, bei denen Waffengewalt angewendet wurde. 1961 wurden Sprengkoerper in oeffentlichen Lokalen gelegt und der Versuch gemacht einen Zug von Kriegsteilnehmern, die das Jahresgedaechtnis von Francos Putsch feierten, zu sprengen. Es fanden die ersten Polizeirazzien statt, etwa 100 Leute wurden festgenommen und gefoltert. Die ersten langen Gefaengnisstrafen - bis zu 20 Jahren - wurden verhaengt. Die Fuehrer der ETA flohen ins Exil.

Aber auch der baskische Klerus wandte sich gegen die Ungerechtigkeiten des Regimes und setzte sich fuer die nationale Freiheit ein. Die bisher gute Zusammenarbeit des Franco Regimes mit der katholischen Kirche bekam die ersten Risse, die sich nach dem Tode Pius XII noch vertieften. Die Befreiungskaempfe in Kuba, Algerien und die Ideen Mao Tse Tungs bestaerkten den militaerischen Teil der ETA in ihren Ansichten ueber die Durchfuehrbarkeit des revolutionaeren Kampfes und lieferten die ideologische Ausrichtung fuer die Ansicht, die nationale Befreiung sei mit der Klassenbefreiung gleich zu setzen. Die ETA geraet damit immer mehr ins Fahrwasser der linken, terroristischen Bewegungen, die sich in dieser Zeit in vielen Laendern Europas bilden.

Die naechste Stufe ist dann der Bruch mit dem Nationalismus der EAJ (PNV) und das offene Bekenntnis zum Sozialismus. Als die nach Frankreich gefluechteten ETA-Mitglieder auch dort beginnen, Forderungen nach Unabhaengigkeit der noerdlichen baskischen Gebiete zu stellen, werden sie auch hier mit Verbannung, Hausdurchsuchungen und Festnahmen verfolgt.

Diese Verhaeltnisse aendern sich auch nicht wesentlich nach dem Tode Francos und der Einfuehrung der konstitutionellen Monarchie in Spanien. Erst mit der Einfuehrung des Autonomiestatuts fuer die spanischen Regionen im Jahr 1979 entspannt sich auch im Baskenland die Lage, weil Sprache und kulturelle Eigenheiten wieder zugelassen und nicht mehr verfolgt werden.

Die baskische Region Euskadi kann nun ueber Fragen der Kultur des Landes und auch Fragen der Landesentwicklung selbst entscheiden. Dies ist ein Fortschritt, der aber die baskischen Nationalisten, die weiterhin ein bundesstaatliches Konzept und die Wiederinkraftsetzung der Fueros fordern, noch in keiner Weise zufriedenstellt.


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