Gekürzte Chronologie

der Petition Pet 3-18-17-2165-18257

Vergabepraxis von Betreuungsplätzen in Einrichtungen freier Träger

20.03.2015

Kurzfassung der Petition

Petition 58089 an den Deutschen Bundestag (mit der Bitte um Veröffentlichung) vom 20.03.2015

Kinder- und Jugendhilfe - Vergabepraxis von Betreuungsplätzen in Einrichtungen freier Träger

Wortlaut der Petition

Der Deutsche Bundestag möge, gegebenenfalls durch eine Gesetzesänderung, wirksame Vorkehr treffen, dass
es bei der Vergabe von Betreuungsplätzen in Einrichtungen jeglicher Träger, insbesondere auch jeglicher
freier Träger nicht zu Diskriminierungen, insbesondere nicht aufgrund rein glaubensbasierter Vorgaben
kommt. Die Begründung nimmt Bezug auf die Sachverhaltsdarstellung in der Petition 45587 „Kinder- und
Jugendhilfe - Vergabepraxis von Betreuungsplätzen in konfessionellen Einrichtungen".

Begründung

Eine betroffene Mutter legte dar, dass ihr in KITAs freier, in ihrem konkreten Fall konfessioneller Träger,
gesagt wurde, dass ihre Kinder keine Chance auf Plätze hätten, da sie nicht getauft sind. Sie führte weitere,
gleichartige Erfahrungen von Personen aus ihrem Umfeld an. Mit der genannten Petition hatte die Petentin
beantragt, der Deutsche Bundestag möge die Rolle der Konfession bei der Vergabepraxis von
Betreuungsplätzen in konfessionellen Einrichtungen überprüfen.

Der Deutsche Bundestag hat beschlossen, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht
entsprochen werden könne. Zur Begründung hat der Petitionsausschuss im Wesentlichen ausgeführt, dass sich
die Petentin auf konfessionelle Träger bezieht, der Petitionsausschuss aber eine Einschränkung der
Trägerautonomie nur für diese nicht unterstütze. Obwohl die Petentin nicht ausdrücklich verlangt hatte, dass
die Regelungen für andere Träger unangetastet bleiben, sondern diese nur nicht ausdrücklich für auch möglich
erklärte, hat der Petitionsausschuss das Anliegen implizit so interpretiert als wäre eine Sondereinschränkung
nur für konfessionelle Träger begehrt. Bei dieser Interpretation ist die ablehnende Haltung nicht
verwunderlich.

Durch die Nichtweiterbefassung verbleibt es jedoch beim von der Petentin bemängelten Zustand, dass Kinder
aufgrund einer an ihnen vollzogenen reinen Kulthandlung beziehungsweise des Fehlens einer solchen, bei der
Vergabe von regelmäßig in erheblichem Umfang öffentlich finanziell geförderten Betreuungsplätzen
systematisch benachteiligt werden. Das trifft für konfessionelle Einrichtungen sicher zu und mag in ähnlicher
Weise auch für andere freie Träger zutreffen. Der jetzige Petent hält diesen Zustand für nicht erstrebenswert
und im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gebotene Gleichbehandlung für bedenklich und zwar
unabhängig davon bei welchen freien Trägern solche Benachteiligungen auftreten mögen. Die Erfüllung des
Anspruchs nach § 24 SGB VIII ist staatlicherseits zu garantieren, sie muss daher zwingend
diskriminierungsfrei sein, auch wenn sich der Staat – was ihm ja freisteht – freier Träger als Gehilfen bedient.
Der Petent macht sich daher das Begehren der Petentin zu eigen, indes mit der wesentlichen Modifikation,
dass er ausdrücklich fordert sämtliche freien Träger gleichermaßen zu verpflichten.
Anregungen für die Forendiskussion

Für Ansätze, welche Normen sinnvollerweise angepasst werden könnten, verweist der Petent auf die bereits
abgeschlossene Petition, hebt allerdings ausdrücklich hervor, dass dies nicht von vorneherein andere oder
weitere Anpassungen ausschließen soll, wenn diese im Hinblick auf die formulierten Ziele zweckmäßig
erscheinen. Insbesondere schließt der Petent auch weitere Folgeänderungen des SGB VIII oder anderer
Normengefüge ausdrücklich nicht von vornherein aus, soweit solche erforderlich sein sollten.

Als konkrete Möglichkeit käme etwa eine Verankerung im SGB VIII, Zweites Kapitel, Zweiter Abschnitt und
Drittes Kapitel, Zweiter Abschnitt in Frage, die die Zulassung der Träger und deren (Teil-)Finanzierung aus
öffentlichen Mitteln an eine entsprechende Selbstverpflichtungserklärung bindet, deren Einlösung kontrolliert
und Verletzung sanktioniert wird und ein Diskriminierungsverbot, das notfalls von Betroffenen mit
Rechtsmitteln durchsetzbar ist.

Schreiben des Prtitionsausschusses vom 24.03.2015

Berlin, 24. März 2015
Bezug: Ihr Schreiben vom
20. März 2015

Kinder- und Jugendhilfe
Pet 3-18-17-2165-018257 (Bitte bei allen Zuschriften angeben)

Sehr geehrter Herr ...,

hiermit bestätige ich den Eingang Ihrer Petition mit der ID-Nr.
58089.

Die Prüfung Ihrer Eingabe beginnt zunächst damit, dass der Aus-
schussdienst von dem für Ihr Anliegen fachlich zuständigen
Bundesministerium eine Stellungnahme anfordert. Sobald der
Sachverhalt unter Berücksichtigung dieser Stellungnahme aufge-
klärt und die Rechtslage beurteilt ist, erhalten Sie weitere Nach-
richt.

Um Petitionen auf der Internetseite des Deutschen Bundestages
sachgerecht präsentieren zu können, ist es schon angesichts der
Vielzahl der Eingaben nicht möglich, allen Veröffentlichungs—
wünschen nachzukommen. Zu berücksichtigen ist insbesondere,
inwieweit eine Bitte oder Beschwerde ein Anliegen von allgemei—
nem Interesse zum Gegenstand hat und ob sich Anliegen und
Darstellung für eine sachliche öffentliche Diskussion eignen. Zu-
dem soll sich in der Auswahl der veröffentlichten Eingaben eine
Vielfalt von Themen und unterschiedlichen Sichtweisen mög—
lichst vieler Petenten widerspiegeln.

Vor dem Hintergrund der vorgenannten Erwägungen konnte Ihrer
Bitte, Ihre Eingabe auf der Internetseite des Petitionsausschusses
zu veröffentlichen, nicht entsprochen werden.

Damit ist keine Bewertung Ihres Anliegens verbunden. Das Er-
gebnis des Petitionsverfahrens hängt allein vom Inhalt der Peti—
tion ab und nicht von einer möglichen Zahl von Unterstützern
oder Gegnern. Ihre Petition wird so sorgfältig und gründlich
geprüft wie jede an den Deutschen Bundestag gerichtete Eingabe.

Seite 2

Personenbezogene Daten werden unter Wahrung des Datenschut—
zes gespeichert und verarbeitet. Dazu gehört im Regelfall auch,
dass Ihre Petition mit allen von Ihnen gemachten - auch perso—
nenbezogenen — Angaben dem zuständigen Ressort der Bundesre—
gierung zur Stellungnahme zugeleitet wird.

Mit freundlichen Grüßen

Schreiben des Prtitionsausschusses vom 30.03.2016

Berlin, 30. März 2016

Bezug: Ihre Eingabe vom
20. März 2015; Pet 3-18—17—2165—
018257

Anlagen: 1

Sehr geehrter Herr ...,

der Deutsche Bundestag hat Ihre Petition beraten und am
17. März 2016 beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen.

Er folgt damit der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
(ET—Drucksache 18/7900), dessen Begründung beigefügt ist.

Mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages ist das
Petitionsverfahren beendet.

Mit freundlichen Grüßen

Kersten Steinke

— 135 - Prot. Nr. 18/56

Pet3—18-17-2165—018257 84069 Schierling

Kinder— und Jugendhilfe

Beschlussempfehlung
Das Petitionsverfahren abzuschließen.
Begründung

Der Petent fordert Maßnahmen, um eventuelle Diskriminierungen bei der Vergabe
von Kinderbetreuungsplätzen aufgrund konfessioneller Zugehörigkeiten zu
verhindern.

Er nimmt Bezug auf eine andere Petition, in der die „Sonderrechte der Kirche“ und
ihre gesetzlich garantierte Trägerautonomie kritisiert wurde sowie die entsprechende
Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (in dem Petitionsverfahren Pet 3-
17—17—2165-056144). Der Petitionsausschuss hatte am 27. November 2011 be-
schlossen‚das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entspro-
chen werden konnte. Der Petent kritisiert die Beschlussempfehlung und führt aus,
dass Kinder aufgrund „einer an ihnen vollzogenen reinen Kulthandlung bzw. des
Fehlens einer solchen“ bei der Vergabe von regelmäßig in erheblichem Umfang öf-
fentlich finanziell geförderten Betreuungsplätzen systematisch benachteiligt würden.
Im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gebotene Gleichbehandlung sei dies be-
denklich und zwar unabhängig davon, bei welchen freien Trägern solche Benachtei—
ligungen auftreten würden. Er fordere daher, „sämtliche freien Träger gleichermaßen
zu verpflichten“.

Der Bitte des Petenten um Veröffentlichung seiner Eingabe auf der Internetseite des
Deutschen Bundestages hat der Ausschuss nicht entsprochen. Der Petitionsaus—
schuss hat im Rahmen seiner parlamentarischen Prüfung der Bundesregierung Ge—
legenheit gegeben, ihre Haltung zu dem Anliegen darzulegen.

- 136 — Prot. Nr. 18/56

noch Pet 3-18-17—2165-018257

Die Prüfung des Petitionsausschusses hatte das im Folgenden dargestellte Ergebnis:

Träger der freien Jugendhilfe sind an die Benachteiligungsverbote des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gebunden. Das Gesetz schützt vor Benachteili—
gung auf Grund der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Welt-
anschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität beim Zugang
zu Gütern und Dienstleistungen. Die Benachteiligungsverbote des AGG gelten für so
genannte Massengeschäfte, d.h. Verträge, die in einer Vielzahl von Fällen ohne An-
sehen der Personen zustande kommen. Ohne Ansehen der Person bedeutet, dass
die genannten Diskriminierungskategorien für den Vertragsschluss oder die vertragli-
che Durchführung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses typischer Weise
keine Rolle spielen. Nach den Ausführungen der Bundesregierung greift daher der
Schutz des AGG, wenn man davon ausgeht, dass die Vergabe von Kindergarten-
plätzen sowie die Kinderbetreuung ein „Massengeschäft“ ist.

Nach § 20 AGG gibt es jedoch eine Reihe von Fällen, so genannte Rechtfertigungs—
gründe, bei denen eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sein kann. Nach §
20 Abs. 1 Nr. 4 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung auf Grund der Religion
zulässig, wenn diese durch die— Ausübung der Religionsfreiheit oder das Selbstbe-
stimmungsrecht der Religionsgemeinschaften und der ihnen zugeordneten Einrich-
tungen gerechtfertigt ist.

Dies bedeutet, dass Kindertageseinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft sich auf
das Selbstbestimmungsrecht des jeweiligen kirchlichen Trägers berufen können.
Nimmt eine der Kirche oder einer anderen Religionsgemeinschaft zugeordnete Ein—
richtung eine Aufgabe wahr, die dem kirchlichen oder religiösen Selbstverständnis
entspricht, ist damit eine unterschiedliche Behandlung auf Grund der Religion zuläs-
sig. Da es ein von der Religionsfreiheit geschütztes Anliegen der Religionsgemein—
schaften ist, die Mitglieder im Geiste der jeweiligen Religion zu erziehen, dürfen kon—
fessionelle Kindertageseinrichtungen bei der Platzvergabe Kinder der eigenen Reli-
gionszugehörigkeit bevorzugen. Eine solche Vorgehensweise ist daher nach § 20

- 137 - Prot. Nr. 18/56

noch Pet 3—18-17—2165-018257

Abs. 1 Nr. 4 AGG gerechtfertigt. Ein Rechtfertigungsgrund für eine unterschiedliche
Behandlung ist damit gegeben.

Der Petitionsausschuss verweist weiterhin — um Wiederholungen zu vermeiden -— auf
seine Ausführungen in der Beschlussempfehlung zu der Petition, auf die der Petent
Bezug nimmt (Pet 3-1-7—17-2165-056144). Er empfiehlt daher, das Petitionsverfahren
abzuschließen, da dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.