DIE LEHRE

VON DEN

TONEMPFINDUNGEN,

ALS

PHYSIOLOGISCHE GRUNDLAGE

FUER DIE

THEORIE DER MUSIK.


Wir gehen nun über zur Analyse der eigentlich musikalischen Klänge, welche durch harmonische Obertöne charakterisirt sund. Wir können sie am besten eintheilen nach der Art, wie der Ton erregt wird, in solche, die 1) entweder durch Anschlag, 2) oder durch den Bogen, 3) oder durch Blasen gegen eine scharfe Kante, 4) durch Blasen gegen elastische Zungen zum Tönene kommen. Die beiden ersten Klassen umfassen allein Saiteninstrumente, da die Saiten ausser den musikalisch nicht gebrauchten longitudinal schwingenden Stäben die einziden festen elastischen Körper sind, welche reine harmonische Obertöne geben. In die dritte Klasse gehören die Flöten und die Flötenwerke der Orgel, in die vierte die übrigen Blasinstrumente und die menschliche Stimme.

Saiten durch Anschlag erregt. Von den jetzt gebräuchlichen musikalischen Instrumenten gehören hierher das Fortepiano, die Harfe, Guuitarre, Cither, von den physikalischen das Monochord, eingerichtet zur genaueren Untersuchung der Gesetze der Saitenschwingungen ; auch ist das Pizzicato der Streichinstrumente hierher zu rechnen. Dass die geschlagenen un gerissenen Saiten Klänge mit einer grossen Menge von Obertönen geben, is schon früher erwähnt worden. Für die gerissenen Saiten haben wir den Vortheil, eine ausgebildete Theorie ihrer Bewegung zy besitzen, aus der sich di Stärke ihrer Obertöne unmittelbar ergiebt. Schon im vorigen Abschnitte haben wir einen Theil der Folgerungen aus dieser Theorie mit der Erfahrung verglichen und damit übereinstimmend gefunden. Eine ebenso vollständige Theorie lässt sich für den Fall aufstellen, wo eine Saite mit einem harten scharfkantigen Körper in einem ihrer Punkte geschlagen worden ist. Weniger einfach ist das Problem, wenn weiche elastische Hämmer, wie die des Claviers, die Saite treffen, doch lässt sich eine Theorie der Bewegung der Saite auch für diesen Fall geben, welche wenigstens die wesentlichsten Züge des Vorganges umfasset und über die Stärke der Obertöne Rechenschaft giebt *).

* Sieh Beilage Nro. V

Die Stärke der Obertöne im Klange einer angeschlagenen Saite hängt im Allgemeinen ab:
1) von der Art des Anschlags,
2) von der Stelle des Anschlags,
3) von der Dicke, Steifigkeit und Elasticität der Saite.

Was zunächst die Art des Anschlags betrifft, so kann die Saite entweder gerissen werden, indem man sie mit dem Finger oder einem Stift (Plectrum, Ring der Citherspieler) zur Seite zieht, unt dann loslässt. Es ist diese Art, den Ton zu erregen, bei einer grossen Zahl alter und neuer Saiteninstrumente gebräuchlich. Unter den modernen nenne ich nur Harfe, Guitarre und Cither. Oder die Saite kann geschlagen werden mit einem hammerartigen Körper, wie es beim Fortepiano und seinem älteren Abarten, dem Spinett u. s. w., gescheiht. Ich habe schon oben bemerkt, dass die Stärke und Zahl der hohen Obertöne desto bedeutender ist, je mehr und je schärfere Discontinuitäten die Art der Bewegung zeigt. Dies bedingt nun auch den Unterschied bei verschiedener Erregungsweise einer Saite. Wenn die Saite gerissen wird, entfernt der Finger sie, ehe er sie loslässt, in ihrer ganzen Länge aus ihrer Gleichgewichtslage. Eine Discontinuität entsteht an der Saite nur dadurch, dass sie da, wo sie um den Finger oder den Stift, mit dem sie gerissen wird. sich umlegt, eine mehr oder minder scharfe Ecke dildet. Diese Eche ist schärfer, wenn sie mit einem spitzen Stifte gerissen wird, als wenn es mit dem Finger geschieht. Deshalb hört man auch im ersten Falle einen schärferen Klang mit einer grösseren Menge hoher klimpernder Obertöte, als im letzteren Falle. Doch ist die Intensität des Grundtons in jedem Falle grösser als die eines jeden Obertons. Wird die Saite geschlagen, und swar mit einem scharfkantigen metallenen Kammer, der gleich wieder abspringt, so wird nur ein einziger Punkt, der vom Schlage getroffen ist, direct in Bewegung gesetzt. Unmittelbar nach dem Schlage ist der übrige Theil der Saite noch in Ruhe ; er geräth erst in Bewegung, indem von den geschlagenen Punkt der Saite giebt die schärfste Discontinuität, und dem enstrechend eine lange Reihe von Obertönen, deren Intensität *) zum grossen Theil der des Grundtons gleichkommt oder ihn übertrifft. Wenn der Hammer weicht elastisch ist, hat die Bewegung auf der Saite Zeit sich auszubreiten, ehe der Hammer wieder zurüchspringt ; und durch den Anschlag eines solchen Hammers wird der geschlagene Theil der Saite nicht ruckweise in Bewegeng gesetz, sondern seine Geschwindigkeit wächst allmälig und stetig während der Berührungszeit des Hammers. Dadurch wird die Discontinuität der Bewegung sehr vermindert, um so mehr, je weicher der Hammer is, un dem entsprechend nimmt die Stärke der hohen Obertöne bedeutend ab.

* Wenn hier von Intensität die Rede ist, so ist sie immer objectiv gemessen, nämelich durch die lebendige Kraft oder das mechanische Arbeitsäquivalent der ensprechenden Bewegung.

Man kann sich an jedem Fortepiano, dessen Deckel man öffnet, von der Richtigkeit des Gesagten leicht überzeugen . Wenn man eine der Tasten durch ein aufgesetztes Gewicht herabdrückt, wird die entsprechende Saite von ihrem Dämpfer frei, und man kann sie nun nach Belieben mit dem Finger oder mit einem Stift reissen, mit einem metallenen Stift oder mit dem Pianofortehammer schlagen. Man erhält dabei ganz verschiedene Klangarten. Wenn man mit hartem Metall reisst oder schlägt, ist der Ton scharf und klimpernd, und man hört bei einiger Aufmerksamkeit leicht eine grosse Menge sehr hoher Töne darin. Diese fallen weg, der Klang der Saite wird weniger hell, weicher und wohlklingender, wenn man mit dem wiechen Finger reisst, oder mit dem weichet Hammer des Instruments anschlägt. Auch die verschiedene Stärke des Grundtons erkennt man leicht. Wenn man mit Merall schägt, hört man ihn kaum ; der Klang hört sich dem entsprechend ganz leer an. Die Eigenthümlichkeit des Klanges nämlich, welche wir mit dem Namen der Leerheit belegen, entsteht, wenn die Obertöne verhältnissmässig zu stark gegen den Grundton sind. Am vollsten hört man den Grundton, wenn man mit dem weichen Finger die Saite zupft, wobei der Ton voll und doch harmonisch klingend ist. Der Anschlag mit dem Pianofortehammer giebt wenigstens in den mittleren und tieferen Octaven des Instruments den Grundton nicht so voll, wie das Reissen der Saite.

Hierin ist der Grund zu suchen, warum es vortheilfaft ist, die Pianofortehämmer mit dicken Lagen stark gepressten und dadurch elastisch gewordenen Filzes zu überziehen. Die äussersten Lagen sind die weichsten und nachgiebigsten, die tieferen sind fester. Die Oberfläche des Hammers legt sich ohne hörbaren Stoss der Saite an, die tieferen Lagen geben namentlich die elastische Kraft, durch welche der Hammer wieder von der Saite zurückgeworfen wird. Nimmt man einen Clavierhammer heraus und lässet ihn kräftig gegen eine Tischplatte oder gegen die Wand schlagen, so springt er auch von solchen unnachgiebigen Flächen zurück, wie ein Kautschukball. Je schwerer der Hammer und je dicker die Filzlagen sind, was namentlich bei den Hämmern der tieferen Octaven der Fall ist, desto länger muss es wären, ehe er von der Saite abspringt. Die Hämmer der höheren Octaven pflegen leichter zu sein und dünnere Filzlagen zu haben. Offenbar haben die Erbauer der Instrumente durch die Praxis hier gewisse Verhältnisse allmälig ausgefunden, wie die Elasticität des Hammers dem Tone der Saite sich am besten anpasst. Die Veschaffenheit des Hammers hat einen ausserordentlich grossen Einfuss auf die Klangfarbe. Die Theorie ergiebt, dass diejenigen Obertöne beim Anschlage besonders begünstigt weden, deren halbe Schwingungsdauer nahe gleich ist der Zeit, während welcher der Hammer anliegt, dass dagegen diejenigen verschwinden, deren halbe Schwindungsdauer 3, 5, 6 etc. Mal so gross ist.

Nach meinen Versuchen an einem sehr guten neuen Flügel von Kaim und Günther scheint in den mittleren und tieferen Octaven der erste schwache oder verschwindende Oberton meist der siedente zu sein, oft ist es auch der sechste oder fünfte ; es zeigen sich hier Verschiedenheiten oft in dicht neben einander liegenden Tasten. Daraus folgt, dass die Zeit, während welcher der Hammer anliegt, ungefähr der halben Schwindunsdauer des zwiten Tons der Saite entsprechend ist. In den höheren Octaven dagegen scheint die genannte Zeit sich der halben Schwingungsdauer des Grundtons zu hähern, oder sie selbst zu übertreffen. Welche Stärke der einzelnen Obertöne sich hieraus berechnet, wird weiter unten angegeben werden. Der zweite Umstand, welcher auf die Zusammensetzung des Klanges Einfluss hat, ist die Anschlagsstelle. Es ist schon im voringen Abschnitte bei der Prüfung des von Ohm für die Analyse der Klänge durch das Ohr aufgestellten Gesetzes bemerkt worden, dass sowohl im Klange gerissener als geschlagener Saiten diejenigen Obertöne fehlen, welche am Orte des Anschlags einen Knotenpunkt haben. Umgekehrt sind diejenigen anderen verhältnissmässig am stärksten, welche an der geschlagenen Stelle ein Schwingunsmaximum haben. Ueberhaupt, wenn man dieselbe Art des Anschlags nach einander verschiedene Punkte der Saite treffen lässt, wachsen die einzelnen Obertöne oder nehmen ab in demselben Verhältnisse, wie die Schwingungsstärke der entsprechenden einfachen Schwingung der Saite an den betreffenden Punkten ihrer Länge grösser oder kleiner ist. So kann denn die Zusammensetzung des Saitenklanges mannigfach abgeändert weden, indem man nichts thut, als den Ort des Anschlags ändern.

Schlägt man die Saite z. B. gerage in ihrer Mitte, so fällt ihr zweiter Ton fort, dessen einziger Knotenpunkt dort liegt. Der dritte Ton dagegen, dessen einziger Knotenpunkt dort liegt. Der dritte Ton dagegen, dessen Knotenpunkte in 1/3 oder 2/3 der Saitenlänge liegen, tritt kräftig heraus, weil die ANschlagsstelle in der Mitte dieser beiden Knotenpunkte liegt: Der vierte Ton hat seine Knotenpunkte in 1/4. 2/4 (=1/2) und 3/4 der Saitenlänge. Er bleibt auz, weil die Anschlagsstelle mit seinem zweiten Knotenpunkte zusammenfällt ; ebenso der sechste, achte, überhaupt alle geradzahligen Töne, währen der fünfte, siebente, neunte und die anderen ungeradzahligen gehört weden. Durch das Ausbleiben der geradzahigen Töne erhält die Saite, in der Mitte angeschlagen, in der That eine eigenthümliche Klangfarbe, die sich von dem gewöhnlichen Saitenklange wesentlich unterscheidet ; sie klingt einigermaassen hohl oder näselnd. Der Versuch lässt sich leicht an jedem Pianoforte ausführen, nachdem man es geöffnet und den Dämpfer gehoben hat. Die Mitte der Saite findet man schnell hinreichend genau, indem man die Stelle sucht, wo man mit dem Finger die Saite leise berühren muss, um bein Anschlag den ersten Oberton rein und klingend zu erhalten.

Schlägt man in 1/3 der Saitenlänge an, so fällt der dritte, sechste, neunte u. s. w. Ton fort. Auch dies giebt dem Klange etwas Hohles, obgleich viel weniger als der Anschlag in der Mitte. Wenn man mit der Anschlagsstelle dem Ende der Saite sehr nahe rückt, so wird das Hervortreten sehr hoher Obertöne auf Kosten des Grundtons und der niederen Obertöne begünstigt, der Klang der Saite wird dadurch leer und klimpernd.

In den Pianoforte's ist bei den mittleren Saiten die Anschlagsstelle auf 1/7 bis 1/9 der Saitenlänge verlegt ; wir müssen annehmen, dass diese Stelle hauptsächlich deshalb so gewählt ist, weil sie erfahrungsgemäss den musikalisch schönsten und für harmonische Verbindungen brauchbarsten Klang liefert. Es hat dazu keine Theorie geleitet, sondern allein das Bedürfniss des künstlerisch gebildeten Ohres und die technische Erfahrung zweier Jahrhunderte. Es ist deshalb die Untersuchung der Zusammensetzung des Klanges bei dieser Anschlagsstelle von besonderem Interesse. Ein wesentlicher Vorzug für die Wahl dieser Stelle scheint daris zu liegen, dass der ziebente und neunte Partialton des Klanges wegfallen oder mindestens sehr schach werden. Es sind diese Töne die ersten in der Reihe, welche dem Durdreiklange des Grundtons nicht angehören. Bis zum sechsten Tone haben wir nur Octaven, Quinten un grosse Terzen des Gundtons, der siebente ist nahehin eine kleine Septime, der neunte die grosse Secunde des Grundtons. Diese passen also in den Durdreiklang nich hinein. In der That kann man sich an den Pianoforte's leicht überzeugen, dass, während es leicht ist unter Berührung entstprechender Knotenpunkte die sechs ersten Töne wenigsten auf den Saiten der mittleren und unteren Octaven des Instruments durch Anschlag der Taste hören zu lassen, es nicht gelingt den siebenten, achten und neunten Ton hervorzubringen, oder dieselben wenigstens sehr unvollkommen und schwach hervortreten. Die Schwierigkeit beruht hier nicht in der Unfähigkeit der Saite, so kurze schwingende Abtheilungen zu bilden, denn wenn man, statt die Taste anzuschlagen, die Saite näher nach ihrem Ende hin mit dem Finger reisst und die betreffenden Knotenpunkte dampft, bekommt man den siebenten, achten, neunten, ja selbst den zehnten un elften Partialton noch sehr gut und klingend. Erst in den höheren Octaven weden die Saiten zu kurz und steif, um noch hohe Obertöne bilden zu können. Dort pflegen manche Instrumentenmacher die Anschlagsstelle auch näher dem Ende zu wählen, wodurch ein hellerer und durchdringender Klang dieser hohen Saiten erzield wird. Deren Obertöne, welche wegen der Steifigkeit shcon schwer ansprechen, werden in solchem Falle dirch diese Wahl der Anschlagsstelle dem Grundton gegenüber begünstigt. Einen ähnlich helleren, aber auch dünneren und leeren Klang erhält man, wenn man einer der tieferent Saiten einen Steg näher der Anschagsstelle unterlegt, so dass der Hammer die Saite jetzt in einem Punkte trifft, der um weniger als 1/7 ihrer Länge vor ihrem einen Ende entfernt ist.

Wärend man einerseits de Klang klimpernderr , schärfer und spitzer machen kann, indem man die Saite mit härteren Körpern schlägt, so kann man andererseits den Ton auch dumpfer machen, d. h. den Grundton über die Obertöne überwiegen machen, wenn man mit einem weichen und schweren Hammer schlägt, z. B. mit einem kleinen eisernen Hammer, dessen Schlagfläche mit einer Kautschukplatte überzogen ist. Namentlich die Saiten der tieferen Octaven geben dann einen viel volleren, aber dumpfen Klang. Um hierbei die verschiedenen Klänge der Saite vergleichen zu können, die der verschiedenen Beschaffenheit des Hammers entsprechen, muss man aber darauf achten, dass man immer in derselben Entfernung von einem beider Enden anschlägt, wie der Hammer des Instruments ; sonst vermischen sich damit die Aenderungen des Klanges, welche von der Lage der Anschlagsstelle abhängen. Diese Unstände sind den Instrumentenmachern natürlich bekannt, da si ja selbst schon theils schwerere end weichere Hämmer für die tiefen Octaven, theils leichtere und weniger weiche für die hohen Octaven gewählt haben. Wenn sie aber denn doch bei einem gewissen Maasse der Hämmer stehen geblieben sind und diese nicht weiter in der Weise abgeändert haben, dass die Stärke der Obertöne noch mehr beschränkt wird, so beweist dies klar, dass das musikalisch gebildete Orh einen mit Obertönen in gewisser Stärke ausgestratteten Klang bei einem Instrumente, welches für reiche Harmonieverbindungen bestimmt ist, vorzieht. In dieser Beziehung ist die Zusammensetzung des Klanges der Claviersaiten von grossem Interesse für die ganze Theorie der Musik. Bein keinem anderen Instrumentee ist eine so breite Veränderlichkeit der Klangfarbe vorhanden, wie hier ; bei keinem anderen kann deshalb das musikalische Ohr sich so frei den seinen Bedürfnissen entsprechenden Klang auswählen.

Ich habe schon oben darauf aufmerksam gemacht, dass bei den Claviersaiten der mittleren und unteren Octavedn die sechs ersten Partialtöne in der Regen deuntlich durch den Anschlag der Taste zu erzeugen sind, und zwar die drei ersten stark, der 5te und 6te zwar deutlich, aber doch viel schwächer. Der 7te, 8te, 9te fehlen, wegen der Lage der Anschlagsstelle ; die noch höheren sind immer sehr schwach. Ich lasse zur näheren Vergleichung hier eine Tabelle folgen, in welcher die Intensität der Partialtöne einer Saite für verschiedene Anschlagsweisen theoretisch aus den in de Beilagen entwickelten Formeln berechnet ist. Die Wirkung des Anschlags durch den Hammer hängt ab von der Zeit, während welcher er der Saite anliegt. Diese Zeit ist in der Tabelle angegeben in Theilen der Schwingungsdauer des Grundtons. Ausserdem findet sich die Berechnung füre eine mit dem Finger gerissene Saite. Die Anschlagsstelle ist stets in 1/7 der Saitenlänge angenommen.

Theoretische Intensität der Partialtöne
Anschlag in 1/7 der Saitenlänge.
Ord-
nungs-
zahl des
Partial-
tons
Anschlag
durch
Reissen
Anschlag durch den Hammer, dessen
Berührung dauert
Anschlag
mit einem
ganz harten
Hammer
3/73/103/143/20
von der Schwingungsdauer des Grundtons
c"g'C1-c'
1100100100100100100
281.299.7189.4249285.7324.7
356.18.9107.9242.9357.0504.9
431.62.317.3118.9259.8504.9
513.01.20.026.1108.4324.7
62.80.010.51.318.8100.0
70.00.00.00.00.00.0

Der besseren Vergleichung wegen ist die Intensität des Grundtons immer gleich 100 gesetzt worden. Ich habe die berechnete Stärke der Obertöne verglichen mit ihrer Stärke an dem schon erwähnten Flügel, und gefunden, dass die erste mit 3/7 überschriebene Reihe etwa passt für die Gegend des c". In noch höherer Lage werden die Obertöne noch schächer, als in dieser Columne. Beim Anschlag der Taste c" bekam ich den zweiten Ton stark, den dritten fast gar nicht mehr. Die zweite mit 3/10 überschiebene Columne würde etwa ensprechen der Gegend des g', die ersten beiden Obertöne sind hier sehr stark, der vierte Ton ist schwach. Die dritte Columne entspricht den tieferen Saiten vom c' an abwärts : die ersten vier Partialtöne sind kräftig da, der fünfte schwächer. In der folgenden Columne wird der dritte Partialton stärker als der zweite, was an den Klängen des von mir untersuchten Flügels nicht mehr vorkommt. Bei dem ganz harten Hammer werden endlich der dritte und vierte Ton gleich stark, und die stärksten von allen. Es ergiebt sich aus den in der Tabelle zusammengestellten Berechnungen, dass bei den Clavierklängen der mittleren und tieferen Octaven der Grundton schächer ist als der erste oder selbst als die beiden ersten Obertöne. Es lässt sich dies auch durch den schon erwähnten Vergleich mit den gerissenen Saiten bestätigen. Auf diesen ist der zweite Ton etwas schwächer als der erste ; der letztere, der Grundton, ist aber in den Klange viel deutlicher, wenn man eine Claviersaite mit dem Finger reisst, als wenn man sie mittels der Taste anschägt.

Obgleich es also, wie die Mechanik der höheren Octaven der Claviere zeigt, möglich ist einen Klang hervorzubringen, in welchem der Grundton überwiegt, hat man es doch vorgezogen, den Anschlag der tieferen Saiten so einzurichte, dass die Obertöne dis zum fünften oder sechsten Tone deutlich bleiben, und der zweite und dritte sogar stärker als der erste werden.

Endlich hat, wie ich oben erwähnt habe, auch die Diche und das Material der Saiten Einfluss auf die Klangfarbe. Es können sich namentlich auf sehr steifen Saiten keine sehr hohen Obertöne bilden, weil solche Saiten nicht leicht in sehr kurzen Abtheilungen entgegengesetzte Biegungen annehmen. Man bemerkt dies leicht, wenn man auf dem Monochord zwei Saiten von verschiedener Dicke aufzieht, und ihre hohen Obertöne hervorzubringen sucht. Dies gelingt auf der dünneren viel besser als auf der dickeren. Um hohe Obertöne hervorzubringen, sind Saiten von ganz feinem Draht, wie in die Pasementiere zum Bespinnen brauchen, am vortheilhaftesten, und wenn man eine Anschlagsweise braucht, welche hohe Obertöne hervorzubringen geeignet ist, zum Beispiel mit einem Metallstift die Saite schlägt oder reisst, hört man dies auch dem Klange an. Die vielen hohen Obertöne, die einander in der Scale sehr nahe liegen, geben nämlich das eigenthümlich hohe, unharmonische Geräusch, welches wie mit dem Worte ,,Klimpern" zu bezeichnen pflegen. Vom 8ten Partialtone an liegen diese Töne um weniger als eine ganze Tonstufe von einander entfernt , von 15ten ab um weniger als eine halbe. Sie bilden deshalb eine enge Reihe dissonirender Töne. Auf einer Saite aus feinstem Eisendraht, wie er zur Verfertigung künstlicher Blumen gebraucht wird, von 700 Centimeter Länge, konnte ich noch den 18ten Ton isolirt hervorbringen. Die Eigenthümlichkeit der Citherklänge beruht auf der Anwesenheit solcher klimpernder hoher Obertöne ; nur geht die Reihe der Obertöne bei ihnen nicht so weit hinauf, wie an dem genannten Eisendrahte, weil ihre Saiten kürzer sind.

Die Darmsaiten sind bei gleicher Festigkeit viel leichter als Metallsaiten, und geben deshalb höhere Töne. Theils hierauf beruht der Unterschied ihres Klanges, theils aber auch wohl auf der weniger vollkommenen Elasticität der Darmsaiten, wodurch ihre Töne, namentlich die hohen, schneller gedämpft weden. Der Klang gerissener Darmsaiten (Guitarre, Harfe) ist deshalb weniger klimpernd als der von Metallsaiten.


Beveridge Webster, "Piano touch, again" (1894)

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