Babydirk's Kurzgeschichten

Schwules zum Schmunzeln

Frischfleisch

Es war Sommer. Nein - dies ist nicht etwa der Beginn eines Peter-Maffay-Songs, sondern der Beginn eines wunderbaren Traums, oder doch besser eines Alptraums?

Aber ich sollte die Geschichte von Anfang an erzählen. (Nur literarisch wertvolle Stories beginnen am Ende, und ganz wertvolle sogar in der Mitte - aber diesen Anspruch stelle ich ja nicht!)

Also, wie gesagt, es war Sommer, die Zeit, in der man(n) leichtgeschürzt durchs Leben geht. Eine wunderbare Zeit, wären da nicht die allgegenwärtigen kleinen Fettpölsterchen an den falschen Stellen! Dies meinte eines Tages auch Charlotte zu mir. Ich mußte also etwas dagegen tun! Was liegt näher, als täglich eine Runde im Charlottenburger Schloßpark joggen zu gehen, schließlich wohne ich ja direkt an diesem park. Gesagt, getan. Ich joggte nun schon bereits über eine Woche morgens durch dieses Kleinod von Landschaftsarchitektur, sorgsam darauf bedacht, nicht ständig in irgendwelche Hundehäufchen oder allzu frühe Touristenhorden hineinzurennen, als ich auf dem Nachhauseweg einen riesigen Möbelwagen vor meinem Haus entdeckte. Nanu? Zog etwa jemand Neues ein? Ach ja, stimmt, die alte Klimmke hatte ja vor ein paar Wochen das Zeitliche gesegnet (und damit den Hausfrieden gerettet, denn sie war eine fürchterliche Tratschtante - mir wollte sie eine Liebesaffaire zu einer wesentlich älteren Frau andichten, gemeint war meine Mutter, worauf ich nur entgegnete, daß ich im Gegenteil nur auf wesentlich jüngere Männer stehe!)

Tatsächlich standen auf dem Bürgersteig, im Hauseingang und im Treppenhaus jede Menge Möbel herum, alles ziemlich mittelmäßiger Geschmack. Als ich, entgegen meinen sonstigen Gewohnheiten, die Treppe statt den Aufzug nach ganz oben nahm, kam mir im zweiten Stock ein bildhübscher Junge entgegen: Rote Baseballkappe (verkehrt herum - wie ich das hasse!), arg strapazierte, viel zu große Turnschuhe, ebenso viel zu große Latzbermudas und - Nichts drunter! (zumindest soweit ich das sehen konnte!). Braungebrannt, lange schwarze Haare und ein Gesicht, das mir sofort die Knie weich werden ließ. (Zu dumm, ich hatte noch drei Stockwerke vor mir!) Aber er schien kaum Notiz von mir zu nehmen, kein Wunder, ich hatte ja auch mein Pink-Panther-T-Shirt an! Er stürmte an mir vorbei die Treppe runter, und ich konnte nur einen kurzen Blick auf seinen herrlich geformten Rücken werfen, der mir unwillkürlich einen zutiefst resignierenden Laut entlockte: So wirst du nie aussehen! Wie alt mochte das Kerlchen sein? 16, 18? Ich mußte mir unbedingt den Namen der Möbelspedition aufschreiben, wer weiß, vielleicht habe ich ja mal aus unerfindlichen Gründen einen Schrank zu Charlotte zu transportieren? Aber natürlich nur, wenn dieses Sahneschnittchen den Transport übernimmt! Selbstverständlich werde ich ihm dann dabei helfen, und anschließend könnten wir ja zusammen duschen und... Während ich diese Gedanken hatte, war ich auch schon an meiner Wohnungstür angekommen und schleppte mich mit letzter Kraft unter die Dusche. Es war schon sehr heiß, selbst so früh am Morgen! Entschieden zu heiß, um sich auch noch irgendwelchen schwülen Träumen hinzugeben!

Ein paar Tage später. Ich hatte diesmal wirklich übertrieben mit meinem morgendlichen Sportprogramm, aber irgendein Erfolgserlebnis muß man doch nach zwei Wochen harter Arbeit erleben! Mich ritt die aberwitzige Idee, ich könnte mein Joggen ja ein wenig durch Hürdenlauf auflockern, und so war ich über jede quer über den Weg gespannte Hundeleine gehüpft, die ich finden konnte (mit Erfolg - dreimal fielen die zumeist älteren Frauchen in Ohnmacht, einmal ein Hund!). Jedenfalls fühlte ich mich heute außerstande, in meinem Haus die Treppe zu nehmen und ging deshalb in den Aufzug. Gerade als sich die Tür schließen wollte, entdeckte ich diesen Adonis in Latzbermudas, der auf den Aufzug zuhechtete. In einer heldenhaften Aktion warf ich mich todesmutig zwischen die sich schließenden Stahltüren und ermöglichte so ganz uneigennützig diesem Traumbild von einem jungen Mann mit mir auf etwa einem Quadratmeter Boden gen Himmel zu fahren.

"Hi! Danke! Du bist doch der Homo von ganz oben, oder nicht?"
Plumps! (Der geneigte Leser möge sich dieses Plumps! in vier verschiedenen Tonlagen vorstellen: zum einen als einen im zweiten Stock anhaltenden Aufzug, zum anderen als mein Herz, das mir gerade in die Hosentasche fällt, zum nächsten als mein Unterkiefer, der auf den Boden aufschlägt, und zum vierten als das Traumbild, das ich eben noch hatte und jetzt in tausend Scherben liegt.
"Äh, ja... (und in einem letzten Aufflackern von Selbstwertgefühl: ) ...aber du darfst mich ruhig Till nennen!"
"Ey, echt cool, man! Sorry, das mit dem Homo! War nicht so gemeint! Du mußt ja 'ne tolle Wohnung haben! Ganz oben, und so groß wie drei Wohnungen hier unten! Darf ich dich mal besuchen kommen?"
"Ja, aber gerne! Weißt du, so groß ist die Wohnung ja auch wieder nicht, weil da noch die Dachterrasse abgeht. Aber ich habe eine wunderschöne Aussicht über den park bis hin zum Schloß!"
"Hier gibt's 'n Schloß?"
Herrin, steh' mir bei, 'ne Super-Hete! Aber da war die Tür schon wieder zu, und ich fuhr teils frustriert, teils mit Schmetterlingen im Bauch vor lauter Vorfreude gen Himmel in meine Wohnung.





zu Babydirk's Hauptseite

Zurück zur Hasenbär-Hauptseite







Copyright 1996 by Dirk Kurz

Last updated May, 1st, 1997